Sozialrecht

Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung

Aktenzeichen  L 13 R 211/16

Datum:
21.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7507
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI § 43 Abs. 1, Abs. 2, § 240
SGG § 109 Abs. 1 S. 2, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Zu den Anforderungen an die Feststellung von Leistungseinschränkungen bei Vorliegen einer Fibromyalgie-Erkrankung.
2. Zu den Voraussetzungen für die Anhörung eines Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung.
1 Es genügt nicht, sich mit der Frage des Vorliegens einer Fibromyalgie-Erkrankung auseinanderzusetzen, vielmehr sind die konkreten Leistungseinschränkungen festzustellen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Voraussetzungen für eine mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen sind nicht erfüllt, wenn die Einwendungen eines Beteiligten gegen das Gutachten des Sachverständigen bereits mit den ergänzenden Stellungnahmen beantwortet worden sind und diesen Feststellungen nicht mit Einwendungen entgegengetreten worden ist, die eine neuerliche Befragung oder gar mündliche Anhörung erforderlich gemacht hätten.  (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 27 R 1744/14 2016-02-19 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 28.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI zu. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI besteht schon deshalb nicht, weil die Klägerin nicht vor dem 02. Januar 1961 geboren ist.
1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1.voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
2.in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI können bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht festgestellt werden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die objektive Beweislast für das Vorliegen einer Erwerbsminderung auf Seiten der Klägerin liegt. Objektive Beweislast bedeutet, dass jeder Beteiligte die Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, welche die von ihm geltend gemachte Rechtsfolge begründen (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 103 Rn. 19a). Dies gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale. Bezogen auf die hier streitige Rente wegen Erwerbsminderung bedeutet dies, dass Zweifel am Eintritt des Versicherungsfalles zu Lasten der Klägerin gehen (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.1991 – 13/5 RJ 47/90).
Allerdings kann die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weiterhin mindestens 6 Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Der Senat schließt sich insoweit den übereinstimmenden Feststellungen von Amts wegen eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. P., Dr. R. und Dr. B. an. Dem Gutachten von Dr. L. lassen sich zur Überzeugung des Senats ebenfalls keine Einschränkungen entnehmen, die geeignet wären, einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen.
Die Klägerin leidet danach an gewissen Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet, die im sozialgerichtlichen Verfahren insbesondere von Dr. R. mit Gutachten vom 21.11.2015 untersucht und gewürdigt worden sind. Danach bestehen ein rezidivierendes HWS-Syndrom sowie – nach einer operativen Versteifung im Bereich L5/L6 – ein rezidivierendes LWS-Syndrom, jeweils ohne sensormotorische Ausfälle. Die Klägerin leidet außerdem nach einem operativ behandelten Karpaltunnelsyndrom beidseits an einer verbleibenden Pelzigkeit des linken Daumens. Die damit in Verbindungen stehenden funktionellen Einschränkungen sind aber vergleichsweise gering und begründen keine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens.
Die Klägerin hat bei der Untersuchung durch Dr. R. ein sicheres, raumgreifendes und hinkfreies Gangbild demonstriert und konnte sich rasch und selbstständig entkleiden, wobei keine auffälligen Einschränkungen in den Bewegungsabläufen aufgefallen sind. Auch das Aufrichten und Hinlegen im Bauch- und Rückenlage auf die Untersuchungsliege erfolgte zügig und ohne maßgeblich auffällige Beeinträchtigungen. Lediglich im unteren Bereich der LWS hat Dr. R. eine Bewegungseinschränkung festgestellt, die übrigen Abschnitte waren in alle Bewegungseinrichtungen frei beweglich, so auch im Bereich der HWS. Die Klägerin konnte sowohl den Schürzen- als auch den Nackengriff beidseits sicher zeigen und auch in die tiefe Hocke gehen. Die Ansatzpunkte der Rückenmuskulatur am Hinterhaupt waren diskret druckschmerzhaft und insgesamt hat Dr. R. im Bereich der Wirbelsäule einen mäßigen Klopf-, Druck-, Erschütterungs- und Stauchungsschmerz festgestellt, allerdings keine hiermit in Verbindung zu bringenden Verspannungen. Die Situation im Bereich der Versteifung wird als stabil beschrieben. Dr. R. hat aufgrund der angegebenen Hüftgelenksdysplasie auch die Hüftbeweglichkeit überprüft und als altersentsprechend eingeordnet. Er hat weder pathologische Gelenksgeräusche noch sonstige Reizerscheinungen oder eine Schmerzhaftigkeit festgestellt. Lediglich die Oberschenkelmuskulatur war rechts diskret schwächer zu messen als auf der linken Seite. Die Kniegelenke waren frei beweglich bei fester Führung durch die Kreuz- und Seitenbänder.
Dass nachfolgend eine Verschlechterung auf orthopädischem Gebiet eingetreten wäre, wird von der Klägerin nicht vorgetragen. Auch Dr. L. und anschließend Dr. B. haben nur eine allenfalls endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der HWS bei degenerativen Veränderungen und Druckschmerzen und Bewegungseinschränkungen im Bereich der LWS festgestellt. Die oberen Extremitäten waren frei beweglich und auch im Bereich der BWS haben sich keine schwerwiegenden Funktionsstörungen gezeigt. Die Hüftgelenke wie auch die oberen und unteren Gliedmaßen waren in alle Richtungen frei beweglich. Der Finger-Boden-Abstand ist mit 5 cm dokumentiert. Die Klägerin hat ein normales Schritttempo demonstriert, Zehen- und Fersengang waren ebenso möglich wie der Einbeinstand und die Hocke. Auch Dr. L. hat bei diesem Befund ausdrücklich von einer völlig normalen orthopädischen Funktionalität gesprochen.
Praktisch uneingeschränkt ist nach übereinstimmender Feststellung der Gutachter auch die Funktionsfähigkeit beider Hände nach operativer Behandlung des Karpaltunnelsyndroms. Auch im Bereich des linken Daumens haben keine über die operationsbedingten Sensibilitätsstörungen hinausgehenden Ausfallerscheinungen festgestellt werden können. Die Narben an den Handgelenken waren reizlos und kaum noch erkennbar. Die feinmotorischen und Grifffunktionen gelangen ebenso wie eine vollständige Streckung der Langfinger und ein vollständiger und kräftiger Faustschluss. Auch die Durchblutungsverhältnisse beider Beine waren ungeachtet des leichten Umfangsunterschiedes von 1 cm regelrecht. Neurologische Auffälligkeiten sind, abgesehen von der leichten Sensibilitätsstörung im Daumenbereich, ebenfalls bei keiner Begutachtung zu Tage getreten.
Nachvollziehbar sind bei diesem Befund die Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet nicht geeignet, die von der Klägerin beklagten Beschwerden und Schmerzen zu erklären oder eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens zu begründen. Fest steht allerdings, dass die Klägerin aufgrund der Aufbraucherscheinungen nur noch leichte Arbeiten mit häufigem Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen verrichten kann. Auch das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten in Zwangshaltungen, unter beengten räumlichen Verhältnissen oder auf Leitern und Gerüsten können der Klägerin nicht mehr zugemutet werden.
Entsprechend steht auch im Vordergrund des Beschwerdebildes der Klägerin die Schmerzerkrankung, von Dr. P. beschrieben als Somatisierungsstörung bzw. beginnende somatoforme Schmerzstörung und von Dr. B. als chronifizierte Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren bei degenerativen Veränderungen und anhaltender somatoforme Schmerzstörung. Nach Dr. L. handelt es sich um ein ausgeprägtes generalisiertes Fibromyalgie-Syndrom mit allen dazugehörigen typischen Erscheinungsformen, insbesondere der muskulären Dauerleistungseinbuße, der chronischen Müdigkeit und der chronischen Schmerzerkrankung im Stadium Gerbershagen III.
Entscheidend ist aber, was das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, nicht die Diagnose, sondern die Frage, welche Leistungseinschränkungen hieraus resultieren. Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat gerade im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Fibromyalgie-Erkrankung immer wieder darauf hingewiesen, dass es nicht genügt, sich mit der Frage des Vorliegens einer Fibromyalgie-Erkrankung auseinanderzusetzen, sondern dass konkrete Leistungseinschränkungen festzustellen sind (vgl. etwa Beschluss vom 26.01.2017 – B 13 R 337/16 B -). Insoweit kommt es darauf an, ob unter Berücksichtigung der üblichen Anforderungen der Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Versicherter trotz vorliegender Erkrankungen noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein kann, wenn auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Ob ein derartiges Leistungsvermögen noch besteht oder nicht, ist aber nicht anhand der subjektiven Überzeugung des Versicherten festzustellen, sondern durch ärztliche Sachverständige, die die objektiv vorliegenden, aus den gesundheitlichen Erkrankungen folgenden Funktionseinschränkungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes festzustellen und subjektive Angaben und Überzeugungen des Versicherten in diesen objektiv festzustellenden Rahmen einzuordnen haben.
Diesen Ansprüchen genügen im Ergebnis die von Amts wegen eingeholten Gutachten, zuletzt von Dr. B., nicht aber das Gutachten von Dr. L., der seine Einschätzung eines praktisch aufgehobenen Leistungsvermögens ausschließlich auf die Diagnose einer Fibromyalgie-Erkrankung stützt, in deren Bild er die subjektiven Angaben der Klägerin im Ergebnis als schlüssig einordnet.
Fest steht, dass die Klägerin nach eigenen Angaben seit Jahren an einer Schmerzerkrankung leidet; 2013 wurde erstmals eine Fibromyalgie diagnostiziert. Jedenfalls im Entlassungsbericht der A. Klinik vom 28.03.2014 ist diese Diagnose übernommen worden und um die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren ergänzt worden. Als subjektive Funktionseinschränkungen sind darin schnelles Ermüden und Einschränkungen aufgrund von Rücken- und Armschmerzen angegeben worden, aber keine konkrete Bezugnahme auf zeitliche Einschränkungen. Der Klägerin ist neben der Fortsetzung einer ambulanten Psychotherapie eine Gewichtsreduktion empfohlen worden. Dies deckt sich mit dem Feststellungen der Klinik der Universität M-Stadt vom 31.01.2014, wo der Klägerin ausgehend von der Verdachtsdiagnose Fibromyalgie-Syndrom eine Mischung aus Bewegung, psychotherapeutischer und einer medikamentösen Schmerzbehandlung empfohlen worden ist. Im Bericht des Schmerzzentrums I. vom 09.10.2014 wird der Schmerz entsprechend der Angaben der Klägerin als in den Beinen brennend, in der Schulter stechend und bei Stress und Müdigkeit zunehmend beschrieben. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung konnte der angegebene Schmerz aber nur zum Teil reproduziert werden. Der Klägerin wurde anschließend eine stationäre multimodale Schmerztherapie empfohlen.
Gegenüber Dr. P. hat die Klägerin angegeben, dass sie überall Schmerzen habe mit schwankender Intensität, darunter auch verschiedene Arten von Kopfschmerz. Im Rahmen der Untersuchung war aber lediglich die lumbale Operationsnarbe nach Angabe druckschmerzhaft. Konstant reproduzierbare Druckpunkte wie bei einer Fibromyalgie waren nicht festzustellen. Auch Dr. B. konnte keine nennenswerten Druckdolenzen im Bereich der Körperoberfläche feststellen. Dr. L. hat die Schmerzschilderung der Klägerin wörtlich im Gutachten aufgeführt. Danach hat die Klägerin über im Prinzip permanente Schmerzen wechselnder Lokalisation geklagt, die insbesondere bei längerer Beanspruchung der Muskulatur zunehmen würden. Auch sei der Nachtschlaf durch Schmerzen beeinträchtigt. Im Rahmen seiner Untersuchung hat er verschiedene Schmerzbeobachtungen festgehalten, so deutlich schmerzhafte Druckpunkte (Tenderpoints) am rechten Schultergelenk, am rechten Ellenbogengelenk und am linken Handgelenk, Triggerpunke im lateralen Bizepsbauch mit der Erzeugung ausstrahlender Schmerzen und Druckschmerzen im Bereich der HWS sowie ein Bewegungsschmerz im Bereich der Iliosacralfugen. Auch die gesamte Rückenstreckermuskulatur war nach seinen Angaben druckschmerzhaft. Er hat diese Schmerzen als fibromyalgietypisch eingeordnet und entsprechend die Diagnose einer Fibromyalgie-Erkrankung gestellt. Allerdings hat er sich in der Folge darauf beschränkt, das Beschwerdebild der Klägerin mit dem typischen Beschwerdebild einer Fibromyalgie-Erkrankung zu vergleichen und eingeräumt, dass weder der Schmerzpegel noch eine fehlende Dauerleistungsfähigkeit im Rahmen einer Untersuchung überprüft werden könnten und auch den Tenderpoints nach inzwischen gefestigter Auffassung keine relevante Bedeutung mehr zukomme.
Das bedeutet, dass alle Gutachter, auch Dr. P. und Dr. B., sich mit den Schmerzangaben der Klägerin auseinandergesetzt und diese auch in ihre Untersuchung einbezogen haben, weswegen bei ausreichender Befundlage auch weitere Ermittlungen entbehrlich sind. Eine rentenrechtliche relevante Einschränkung kann hieraus allerdings nicht festgestellt werden. Die Begutachtung von Schmerzen ist grundsätzlich eine interdisziplinäre Aufgabe, die sowohl die Kompetenz zur Beurteilung körperlicher als auch psychischer Störungen erfordert. Entsprechend sind vorliegend Gutachten sowohl auf orthopädischem Gebiet als auch auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt worden. Vom Senat wird auch nicht verkannt, dass chronischer Schmerz, auch wenn er nicht mit einer körperlichen Erkrankung in Verbindung gebracht werden kann, zu einem eigenständigen Dauerleiden und unter Umständen auch zu einer rentenrechtlichen relevanten Leistungseinschränkung führen kann. Allerdings handelt es sich stets um ein subjektives Phänomen, bei dem hinsichtlich des Schmerzempfindens zahlreiche weitere Faktoren der aktuellen Lebenssituation sowie biographische Einflüsse eine Rolle spielen, weswegen im Rahmen einer leitliniengerechten Begutachtung solche Faktoren zwingend zu ermitteln sind. Dazu gehören neben der Biographie auch der Tagesablauf und die Erfassung außerberuflicher Aktivitäten sowie die Intensität und die Ergebnisse bisheriger Behandlungsversuche (Müller in Francke/Gagel/Bieresborn, Der Sachverständigenbeweis im Sozialrecht, 2. Aufl., S. 376). Anschließend sind die Angaben einer strengen Konsistenzprüfung zu unterziehen. Dazu sind nicht nur Widersprüche in den Angaben zu hinterfragen, sondern auch die Beobachtungen in der Untersuchungssituation, dazu gehört auch die Art und Weise, in der Beschwerden geschildert werden, mit einzubeziehen.
Diesen Anforderungen sind die Gutachter Dr. B. und Dr. P. gerecht geworden, indem sie einerseits die Beschwerdeschilderung der Klägerin erhoben haben, andererseits aber auch erhaltene Aktivitäten abgefragt haben. Sie haben überprüft, inwieweit danach die Angaben der Klägerin als konsistent angesehen werden können. Schließlich haben sie eine abschließende Wertung auch unter Berücksichtigung des psychopathologischen Befunds und der Vorbefunde abgegeben. Insoweit ist es auch nicht zu beanstanden, sondern geradezu zwingend, dass Dr. B. überprüft hat, ob und inwieweit die Klägerin tatsächlich in ihrer Konzentration und Aufmerksamkeit beeinträchtigt ist. Zum einen ist die Angabe einer eingeschränkten Konzentration, die in der Vergangenheit auch zu Fehlern und dem Verlust des Arbeitsplatzes geführt habe, von der Klägerin selbst gemacht worden. Zum anderen ist dies im Rahmen einer Konsistenzprüfung ein weiterer wichtiger Aspekt. Wäre die Klägerin tatsächlich durch dauerhafte Schmerzen und Schlaflosigkeit derart beeinträchtigt, dass sie nicht mehr in der Lage wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, müsste sich dies auch im psychischen Befund und ihrem Konzentrationsvermögen niederschlagen, zumal dieses nach der Feststellung von Dr. L. schon aufgrund seiner Diagnose einer Fibromyalgie-Erkrankung erheblich eingeschränkt sein müsste. Tatsächlich hat aber keiner der Gutachter, auch nicht Dr. L., einen Befund erhoben, der diesen Schluss zulassen würde. Auch im Rahmen der 3-stündigen Exploration bei Dr. B., der gezielte Testungen durchgeführt hat, sind entsprechende Einschränkungen nicht zu Tage getreten. Insoweit kommt auch dem von Dr. B. erhobenen Tagesablauf Bedeutung zu, der gerade nicht den Eindruck erweckt, dass die Klägerin schmerzbedingt derart eingeschränkt wäre, dass sie nicht mehr berufstätig sein könnte. Die Klägerin führt einen Haushalt mit ihrem Mann und mehreren Haustieren, die sie versorgt. Sie geht regelmäßig mit den Hunden spazieren, pflegt jedenfalls telefonisch noch einen Freundeskreis und hat Hobbies wie Malen und Lesen. Dabei ist unerheblich, dass sie in der mündlichen Verhandlung diese Angaben insofern relativiert und dem Eindruck eines danach ungestörten Alltags einschränkend entgegengetreten ist, indem sie angegeben hat, dass ihr diese Tätigkeiten schmerzbedingt nicht immer möglich wären. Entscheidend ist, was Dr. B. betont hat, das erhaltene Spektrum an Aktivitäten, das gegen die Annahme spricht, der Alltag der Klägerin wäre von den Schmerzen bestimmt und dominiert. Auch der psychische Befund war jeweils unauffällig. Die Klägerin wirkte bis auf eine außerordentliche Klagsamkeit hinsichtlich der angegebenen Schmerzen und der Schlafstörungen ausgeglichen. Die affektive Schwingungsfähigkeit war ungestört.
Demgegenüber hat Dr. L. die Feststellung des seiner Meinung nach nur noch unter dreistündigen Leistungsvermögens der Klägerin im Wesentlichen mit der subjektiven Beschwerdeschilderung der Klägerin und der von ihm mithilfe der Tenderpoints gestellten Diagnose einer Fibromyalgie und deren typischen Erscheinungsformen begründet, wobei er in seiner ergänzenden Stellungnahme selbst eingeräumt hat, dass den Tenderpoints nicht mehr die Bedeutung zukomme, die man ihnen in der Vergangenheit gegeben habe. Zur Untermauerung dieser Feststellung hat er weiter ausgeführt, dass im Gegensatz zu den übrigen Gutachter nur er über die Qualifikation verfüge, das Krankheitsbild der Fibromyalgie, die eine eigenständige Erkrankung darstelle, und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen zu beurteilen. Weder im Rahmen seines Gutachtens noch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.10.2017 hat er aber diese Leistungseinschränkungen bezogen auf den Fall der Klägerin konkret beschrieben, noch hat er die Beschwerden der Klägerin einer Konsistenzprüfung unterzogen, was angesichts des von ihm selbst eingeräumten weitgehend unauffälligen Befundes während der Untersuchung angezeigt und im Sinne einer leitliniengerechten Begutachtung auch zwingend erforderlich gewesen wäre. Soweit Dr. L. kritisiert, dass Dr. B. sich nicht mit der Frage der Auswirkungen der chronischen Schmerzen auf die Dauerleistung der Muskulatur und der Tagesmüdigkeit und chronischen Erschöpfung auseinandergesetzt habe und stattdessen auf das formale Denken der Klägerin beim Lösen verschiedener Aufgaben abgestellt habe, bleibt festzustellen, dass Dr. L. nicht einmal den Versuch unternommen hat, die Angaben der Klägerin zu ihrem unzureichenden Schlafverhalten und den Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit im Alltag einer Objektivierung oder Konsistenzprüfung zu unterziehen. Soweit Dr. L. darüber hinaus einen ungewöhnlichen Pausenbedarf festgestellt hat, ist auch dieser im Gutachten nur mit der von ihm gestellten Diagnose und damit üblicherweise verbundenen Symptomen, nicht aber mit konkret von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen der Klägerin begründet worden.
Eine seelische Störung von Krankheitswert, die die Klägerin noch an der Ausübung leidensgerechter Tätigkeiten hindern würde, liegt ebenfalls nicht vor. Die Klägerin leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung wechselnden Ausmaßes. Vom Gutachter im Rentenverfahren Dr. Sch. ist eine mittelgradige Episode beschrieben worden, so auch im Entlassungsbericht der A. Klinik vom März 2014 und dem Arztbrief des Schmerzzentrums I. vom 09.10.2014. Eine schwere depressive Episode ist mit Befundbericht vom 10.06.2014 von der behandelnden Psychiaterin C. mitgeteilt worden. Zuletzt hat Dr. C., bei der die Klägerin seit Januar 2017 in Behandlung ist, mit Befundbericht vom 11.05.2017 erneut eine mittelgradige depressive Episode beschrieben, nachdem es offensichtlich im Jahr 2016 und wieder im April 2017 vorübergehend zu einer krisenhaften Verschlechterung gekommen war. Als verbleibende Symptome hat sie eine depressive Verstimmung mit dauerhafter Erschöpfung, Antriebsminderung, sozialem Rückzug, Schlafstörungen und Grübelneigung im Sinne einer Dysthymie beschrieben und hinsichtlich der Einbrüche in der Vergangenheit Bezug genommen auf traumatische Erfahrungen in der Kindheit, Überlastungserfahrungen und Schmerzbelastung bei Fibromyalgieschüben. Bei Dr. P. im Mai 2015 wirkte die Klägerin nur leicht depressiv verstimmt. Dr. B. hat im Zeitpunkt seiner Untersuchung im Februar 2017, also nach der ersten von Dr. C. beschriebenen Krise, keine wirkliche depressive Symptomatik festgestellt und auch – unter Bezugnahme auf das erhaltene Aktivitätenspektrum, nicht den Umfang – nachvollziehbar eine Antriebsminderung ausgeschlossen. Allerdings hat auch Dr. C. ungeachtet der Diagnose einer gegenwärtig mittelgradigen Episode keine Einschränkungen beschrieben hat, die über eine depressive Verstimmung im Sinne einer Dysthymie hinausgehen würden. Eine seit vielen Jahren bestehende Angststörung phobischer Ausprägung im Zusammenhang mit Trennungssituationen besteht zwar noch, ist aber nach den Feststellungen von Dr. B. derzeit nur gering ausgeprägt. Auch ist die Klägerin von allen Gutachtern zu ihrer Kindheit und dem Verhältnis zu ihrer Familie befragt worden, ohne dass dabei ein Trauma, zumal im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung zutage getreten wäre. Dass die Klägerin in ihrer Kindheit negative Erfahrungen gemacht hat, die sie prägen (etwa im Sinne der von Dr. B. beschriebenen Trennungsängste) bedeutet nicht zwangsläufig, dass deswegen eine seelische Erkrankung relevanten Ausmaßes vorliegen würde. Tatsächlich kann eine solche auch mit den aktuellen Befunden der behandelnden Ärzte derzeit nicht festgestellt werden.
Schließlich ist bei dem Krankheitsbild der Klägerin ungeachtet der Bezeichnung zu berücksichtigen, dass für die Feststellung einer hierauf gestützten Erwerbsminderung feststehen muss, dass alle Behandlungsmöglichkeiten bereits ausgeschöpft sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts werden psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann – weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (BSG, Urteil vom 12.09.1990 – 5 RJ 88/89 -; BSG, Urteil vom 29.02.2006 – B 13 RJ 31/05 R -). Nichts anderes gilt ungeachtet der Diagnose und ihrer systematischen Einordnung für die Schmerzerkrankung der Klägerin. So ergibt sich aus allen vorgelegten Befundberichten, darunter zuletzt die ärztliche Stellungnahme der Schmerzzentrums I., dass auch die schmerztherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind, und auch die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie C. hat mit Attest vom 11.05.2017 geschildert, dass sich die Klägerin sich nach einer krisenhaften Verschlechterung im November 2016 unter Fortführung der antidepressive Medikation wieder stabilisieren konnte und ein weiteres suizidales Stimmungstief im April 2017 durch intensive psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung habe gebessert werden können. Eine konsequente schmerztherapeutische Behandlung, zu der nach den Empfehlungen der Universitätsklinik München bei einer Fibromyalgie-Erkrankung neben einer medikamentösen Behandlung auch eine konsequente Psychotherapie sowie regelmäßiger Bewegung gehören würde, ist bisher nicht beschrieben worden. Aufgrund welcher Einschränkungen der Klägerin, die ja selbst angibt, regelmäßig mit ihren Hunden spazieren zu gehen, drüber hinaus nicht auch gezielte körperliche physiotherapeutische Maßnahmen möglich sein sollten, wie sie von den behandelnden Ärzten seit Jahren empfohlen wurden, ist nicht erkennbar.
Eine Beschränkung der Wegefähigkeit auf eine Gehstrecke von unter 500m ist von keinem Gutachter, auch nicht von Dr. L. festgestellt worden. Dem widersprechen auch die eigenen Angaben der Klägerin, die mit ihren Hunden regelmäßig größere Strecken spazieren geht, mag sie dabei auch Pausen einlegen.
2. Der Senat ist bei der vorliegenden Befund- und Gutachtenslage nicht gehalten, von Amts wegen erneut in die Beweisaufnahme einzutreten. Insbesondere ist es ungeachtet der im Ergebnis nicht als ausreichend und verwertbar angesehenen Feststellungen von Dr. L. nicht erforderlich, ein weiteres Gutachten bei einem auf das Vorliegen von Fibromyalgie-Erkrankungen spezialisierten Gutachter in Auftrag zu geben. Entscheidend für die Qualifikation eines Gutachters ist im Zusammenhang mit der Beurteilung von Schmerzstörungen nicht, ob er von Haus aus Internist, Rheumatologe, Orthopäde, Neurologe oder Psychiater ist. Entscheidend ist ob der Gutachter im Ergebnis in der Lage ist Schmerzerlebnis, Schmerzverhalten und Schmerzverarbeitung des Versicherten zu erfassen und zu bewerten (BSG, Beschluss vom 09.04.2003 – B 5 RJ 80/02 B). Diesen Anforderungen genügen die von Amts wegen eingeholten Gutachten und auch Dr. L. verfügt als Orthopäde und aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und Expertise mit dem Krankheitsbild der Fibromyalgie über die Kompetenz, deren Auswirkungen zu beurteilen. Allerdings hat er keine Feststellungen getroffen, die es erlauben würden, auch im Fall der Klägerin auf entsprechende Leistungseinschränkungen zu schließen.
Da es für die Beurteilung des rentenrechtlich relevanten Leistungsvermögens der Klägerin außerdem weder auf die Diagnoseerstellung als solche noch auf die Klassifizierung nach ICD-10 sondern ausschließlich auf die bei der Klägerin vorliegenden Leistungseinschränkungen ankommt, ist der Senat ist auch nicht gehalten, dem Antrag der Klägerin auf Einholung fachkundiger Stellungnahmen zur Anerkennung der Fibromyalgie als eigenständiger Krankheitsdiagnose sowie der bei Fibromyalgie-Erkrankungen üblicherweise auftretenden gesundheitlichen Beschwerden sowie deren Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen nachzukommen. Nach den Unterlagen, die von der Klägerin über die an der Universitätsklinik W-Stadt durchgeführte Studie vorgelegt worden sind, hat diese Studie ausschließlich die Untersuchung eines Zusammenhangs zwischen geschädigten Nervenzellen und einer Fibromyalgie-Erkrankung im Sinne neuer Diagnosemethoden zum Gegenstand, nicht aber die Erfassung konkreter Einschränkungen der Probanden. Welche Erkenntnisse hieraus bezogen auf das im vorliegenden Verfahren streitige Leistungsvermögen der Klägerin gewonnen werden sollen, ist nicht ersichtlich. Dies hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin kommt es aber auch nicht entscheidend darauf an, ob abstrakt ein bestimmter Prozentsatz von Patienten vermeintlich unter den gleichen Symptomen leidet wie die Klägerin oder wie hoch dieser Prozentsatz ist oder ob nach neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Studien neue Wirkungszusammenhänge gesehen werden und ob sich hierzu in der medizinischen Fachliteratur bereits mehrheitliche Ansichten gebildet haben (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.11.2017 – L 19 R 365/14 -, juris).
3. Da aufklärungsbedürftige Widersprüche zwischen den Gutachten von Dr. B. und Dr. L. nicht bestehen, ist auch dem Antrag auf Anhörung beider Gutachter nicht nachzukommen.
Zwar kann ein Antrag auf mündliche Erläuterung des Sachverständigengutachtens nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil das schriftliche Gutachten dem Gericht überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17.01.2012 – 1 BvR 2728/10 -, juris). Einem Beteiligten steht im Rahmen des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BSG, Beschluss vom 12.12.2006 – B 13 R 427/06 B – juris Rn. 7). Allerdings muss der Antrag rechtzeitig gestellt werden und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein; vgl. auch BVerfG NJW 1998, 2273; BGH NJW 1998, 162, 163 alle mwN). Schließlich verlangt auch Art. 103 Abs. 1 GG nicht, einem rechtzeitigen und nicht missbräuchlichen Antrag auf Anhörung der Sachverständigen ausnahmslos Folge zu leisten. Die mündliche Anhörung des Sachverständigen ist zwar die nächstliegende, aber nicht die einzig mögliche Behandlung eines derartigen Antrags (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 03.02.1998, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil vom 10.12.1991 – VI ZR 234/90 -, NJW 1992, S. 1459 f.). Eine Form für die Befragung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sodass sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann (BSG, Beschluss vom 05.02.2009 – B 13 R 561/08 B -, juris). Einwendungen in diesem Sinn sind dem Gericht außerdem rechtzeitig mitzuteilen (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO).
Die Voraussetzungen für eine mündliche Anhörung der Sachverständigen sind danach nicht erfüllt. Die Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten von Dr. B. in den Schriftsätzen vom 22.05.2017 und 04.09.2017 sind bereits mit den ergänzenden Stellungnahmen von Dr. B. vom 26.07.2017 und 14.12.2017 beantwortet worden. Diesen Feststellungen ist die Klägerin anschließend nicht mit Einwendungen entgegengetreten, die eine neuerliche Befragung oder gar mündliche Anhörung erforderlich gemacht hätten. Zum einen bezieht sich ihre Kritik nicht auf die von Dr. B. erhobenen Angaben und den Befund, denen sie lediglich relativierend entgegengetreten ist, sondern im Kern auf die ihrer Meinung nach unrichtige Schlussfolgerung eines danach nicht erheblich eingeschränkten Leistungsvermögens. Auch soweit sie zuletzt noch gerügt hat, dass Dr. B. die medikamentöse Schmerztherapie nicht korrekt erfasst und als unbedeutend/gelegentlich abgetan habe, ist sie auch insofern nicht den tatsächlich aufgrund der Angaben der Klägerin wiedergegebenen Ausführungen zur Medikation entgegengetreten (Ibuprofen 800 mg 2 x wöchentlich), sondern lediglich der Bewertung dieser Einnahme durch Dr. B. als gelegentlich. Die Feststellung, dass dieses Medikament von ihr nur „gelegentlich“ genommen wurde, beruht also auf den Angaben der Klägerin. Soweit Dr. B. auf bestehende Verbesserungsmöglichkeiten durch geeignete Medikation hingewiesen hat, betrifft dies die Frage einer möglichen Verbesserung des derzeitigen Zustandes, nicht aber die Beurteilung der Leistungsfähigkeit, die unter Berücksichtigung der derzeitigen Medikation erfolgt ist.
Auch unterscheiden sich die von Amts wegen eingeholten Gutachten, insbesondere das Gutachten von Dr. B., und das Gutachten von Dr. L. nicht in den erhobenen Befunden. Diese unterscheiden sich allenfalls dadurch, dass Dr. L. gegenüber der Gutachten von Amts wegen bei seiner Untersuchung eine etwas stärkere Druck- und auch Bewegungsschmerzhaftigkeit festgestellt hat. Der entscheidende Unterschied liegt aber in den hieraus gezogenen Schlüssen, die zu würdigen Aufgabe des Senats ist. So hat Dr. L. die Auffassung vertreten, bei der Klägerin zweifelsfrei eine Fibromyalgie-Erkrankung im Sinne einer körperlich manifesten Erkrankung nachgewiesen zu haben, woraus sich seiner Meinung nach bestimmte, auch im Fall der Klägerin vorliegende Symptome ergeben würden, die der Ausübung einer Berufstätigkeit entgegenstehen würden. An dieser Auffassung, die der Senat aus rechtlichen Gründen nicht teilt, hat er auch mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.10.2017 ausdrücklich festgehalten
Dr. B. hat dagegen wie die übrigen Gutachter von Amts wegen untersucht, inwieweit sich hieraus objektivierbare Leistungseinschränkungen ergeben, allerdings ohne entsprechende Leistungseinschränkungen feststellen zu können.
Die Klägerin hat auch im Termin nicht dargelegt, welche konkreten Fragen ergänzend aus ihrer Sicht noch an einen der Sachverständigen zu stellen wären.
4. Der erst mit Schriftsatz vom 13.03.2018 und damit verspätet gestellte Antrag nach § 109 SGG steht einer Entscheidung in der Sache ebenfalls nicht entgegen.
Gemäß § 109 Abs. 1 SGG ist im sozialgerichtlichen Verfahren auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung kann von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Antrag kann abgelehnt werden, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist (§ 109 Abs. 2 SGG). Grobe Nachlässigkeit ist das Versäumen jeder prozessualen Sorgfalt. Sie liegt regelmäßig dann vor, wenn der Versicherte oder sein Bevollmächtigter den Antrag auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG nicht in angemessener Frist stellt, obwohl er erkennt oder erkennen muss, dass die von Amts wegen durchzuführende Beweisaufnahme beendet ist (BSG, Urteil vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 303/5). Das war vorliegend der Fall. Der Klägerin ist mit Schriftsatz vom 04.01.2018 die ergänzende Stellungnahme von Dr. B. übersandt und mitgeteilt worden, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht vorgesehen sind. Der rechtskundigen Bevollmächtigten der Klägerin musste danach bewusst sein, dass ein Antrag gemäß § 109 SGG nur innerhalb angemessener Frist, i.d.R. von einem Monat, möglich ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl., § 109 SGG, Rn. 11). Das BSG hat eine Frist von sechs Wochen sogar als unnötig lang angesehen (Beschluss vom 10.12.1958 – 4 RJ 143/58 -). Ein formgerechter Antrag nach § 109 SGG mit Benennung eines Arztes ist aber erst im Schriftsatz vom 13.03.2018 und damit verspätet gestellt worden. Der Senat ist daher nicht gehalten, diesem Antrag nachzukommen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt im Sinne des Erfolgsprinzips den Ausgang des Verfahrens.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).


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