Sozialrecht

Beurteilung des rentenrechtlich relevanten Leistungsvermögens

Aktenzeichen  L 19 R 365/14

Datum:
22.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 136015
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 109, § 106, § 143, § 144, § 151
SGB XI § 19, § 44,
SGB VI § 43 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Für die Beurteilung des rentenrechtlich relevanten Leistungsvermögens kommt es weder auf die Diagnoseerstellung als solche an noch auf die Klassifizierung nach ICD-10. Entscheidend ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der üblichen Anforderungen der Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Versicherter trotz vorliegender Erkrankungen noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein kann, wenn auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. (Rn. 37)
2. Ob ein derartiges Leistungsvermögen beim Versicherten noch besteht oder nicht, ist nicht anhand der subjektiven Überzeugung des Versicherten festzustellen, sondern durch ärztliche Sachverständige, die die objektiv vorliegenden, aus den gesundheitlichen Erkrankungen folgenden Funktionseinschränkungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes festzustellen und subjektive Angaben und Überzeugungen des Versicherten in diesen objektiv festzustellenden Rahmen einzuordnen haben. (Rn. 37)

Verfahrensgang

S 16 R 1048/10 2014-04-11 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.04.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 11.04.2014 die Klage als unbegründet abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 14.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2010 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Ein Nachweis einer dauerhaften quantitativen Leistungsminderung ist durch die Klägerin bislang nicht geführt worden.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1.teilweise erwerbsgemindert sind,
2.in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Nachweis einer quantitativen Leistungsminderung in Folge der gesundheitlichen Einschränkungen durch die Klägerin nicht geführt wurde. Vielmehr ist aufgrund der vorliegenden Sachverständigengutachten und der vom Senat eingeholten ärztlichen Befundberichte davon auszugehen, dass die Klägerin noch in der Lage ist, sowohl ihre zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit im kaufmännischen Bereich als auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat stützt seine Überzeugung auf die im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. G. auf internistisch/sozialmedizinischem Fachgebiet und von Dr. M. auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet sowie die vom Senat eingeholten ärztlichen Befundberichten, die im wesentlichen einen unveränderten Befund bei der Klägerin beschreiben. Das Leistungsvermögen der Klägerin ist in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Es sind Einschränkungen hinsichtlich der Schwere der auszuübenden Tätigkeiten zu beachten. So sind der Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung oder überwiegend im Sitzen zumutbar. Nicht möglich sind Tätigkeiten in Zwangshaltungen, insbesondere aber auch nicht nervlich übermäßig belastende Tätigkeiten wie Tätigkeiten mit übermäßigem Zeitdruck, Termindruck, Schichtarbeit, Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen.
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin kommt es für die Beurteilung des rentenrechtlich relevanten Leistungsvermögens der Klägerin weder auf die Diagnoseerstellung als solche an noch auf die Klassifizierung nach ICD-10. Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente hängt nicht davon ab, ob der Diagnoseschlüssel F48.0 (Neurasthenie) oder G93.3 (chronisches Müdigkeitssyndrom) für die Erkrankung der Klägerin zutreffend ist oder nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob abstrakt ein bestimmter Prozentsatz von Patienten vermeintlich unter den gleichen Symptomen leidet wie die Klägerin oder wie hoch dieser Prozentsatz ist oder ob nach neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Studien neue Wirkungszusammenhänge gesehen werden und ob sich hierzu in der medizinischen Fachliteratur bereits mehrheitliche Ansichten gebildet haben. Entscheidend ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der üblichen Anforderungen der Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Versicherter trotz vorliegender Erkrankungen noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein kann, wenn auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Ob ein derartiges Leistungsvermögen beim Versicherten noch besteht oder nicht, ist nicht anhand der subjektiven Überzeugung des Versicherten festzustellen, sondern durch ärztliche Sachverständige, die die objektiv vorliegenden, aus den gesundheitlichen Erkrankungen folgenden Funktionseinschränkungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes festzustellen und subjektive Angaben und Überzeugungen des Versicherten in diesen objektiv festzustellenden Rahmen einzuordnen haben. Anhaltspunkte dafür, dass die tätig gewordenen Sachverständigen dieser Aufgabe nicht gerecht geworden sein könnten, bestehen für den Senat nicht.
Der Leistungseinschätzung von Dr. G. folgt der Senat aus den vergleichbaren Gründen wie das SG nicht. Eine Objektivierung der von der Klägerin geschilderten subjektiven Symptomatik ist dort nicht erfolgt, die von ihm angenommene zeitliche Leistungseinschränkung der Klägerin wird nicht, auch nicht im Verhältnis zu den anderen Gutachtern, dargelegt.
Der Senat sieht im Übrigen auch Widersprüche zwischen dem Gutachten von Dr. G. und den eingeholten ärztlichen Befundberichten. Dr. G. verweist darauf, dass die Fibromyalgie, unter der die Klägerin leide, derzeit keine Bedeutung habe, weil keiner der typischen Fibromyalgie-Druckpunkte auf entsprechende Berührung reagiere. Auch eine depressive Symptomatik der Klägerin wird von ihm eindeutig ausgeschlossen. Dies bestätigt wiederum Dr. E. in seinem Befundbericht vom 07.09.2016. Demgegenüber gibt die behandelnde Hausärztin und Internistin Dr. C. gegenüber dem Senat an, dass insbesondere die somatische Erkrankung Fibromyalgiesyndrom, die Erkrankung der Wirbelsäule sowie die zahlreichen Arthrosen der Klägerin zur Entwicklung einer Depression geführt hätten, die sich wiederum gegenseitig triggerten. Die Klägerin nimmt nach Angaben ihres Prozessbevollmächtigten das Medikament Cymbalta ein, was ihr tatsächlich ein bisschen helfe. Cymbalta ist zur Behandlung von depressiven Erkrankungen, generalisierten Angststörungen und Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie zugelassen. Das vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin benannte Medikament „Rituximab“ gilt hingegen als Wirkstoff zur gezielten Krebstherapie bei Leukämie und Lymphomen und Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis und ist in Deutschland bislang nicht zugelassen. Teilweise werden erhebliche Nebenwirkungen aufgelistet. Dieses Medikament erhält die Klägerin nicht und eine stationäre Behandlung, in der gegebenenfalls dieses Medikament zum Einsatz kommen könnte, hat bislang nicht stattgefunden. Gleichzeitig wurde mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.11.2017 darauf hingewiesen, dass die Behandlung, die die Klägerin von ihrer Hausärztin Dr. C. erhalte, nicht zu ändern sei, nachdem eine psychische Komponente der Erkrankung habe ausgeschlossen werden können. Diese Argumentation ist bereits in sich widersprüchlich.
Auch die Reha-Klinik Bad S., in der sich die Klägerin zur Anschlussrehabilitation nach ihrer Wirbelsäulenoperation im Bereich L5/S1 befunden hatte, hatte zwar als Nebendiagnosen eine Fibromyalgie sowie ein Asthma bronchiale als auch diverse Allergien angegeben, aber eben gerade kein chronisches Erschöpfungssyndrom, obwohl dies doch – wie vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin geltend gemacht – im Mittelpunkt der Beschwerden der Klägerin steht und während eines vierwöchigen stationären Aufenthalts offenbar von der Reha-Klinik nicht bemerkt wurde. Leistungseinschränkungen wurden von der Klinik nur im Bereich des Bewegungs- und Haltungsapparates gemacht und angeregt, eine ergonomische Ausgestaltung des Arbeitsplatzes anzustreben. Selbst Schichtarbeit wurde als für die Klägerin zumutbar erachtet.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2017 nochmals auf die seiner Meinung nach richtige Interpretation von Spiroergometrie-Untersuchungen von Dr. C. im September 2015 hinweist, sind diese Ergebnisse vom Senat durchaus beachtet worden. Hierzu hat bereits der Prüfarzt der Beklagten, Dr. S., in seiner Stellungnahme vom 06.03.2017 zutreffend ausgeführt, dass hieraus eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin nicht abgeleitet werden kann. Es hat sich gerade keine signifikante Gasaustauschstörung ergeben und auch kein Hinweis für eine Limitierung der Atemmechanik. Die Beurteilungen vom 20. und 21.07.2015 weisen auch darauf hin, dass unter Belastung ein normaler Sauerstoffpuls festgestellt und eine Optimierung der Bluthochdruckmedikation angeraten wurde.
Im Übrigen ist aus den vorliegenden Sachverständigengutachten durchaus auch ersichtlich, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht so massiv eingeschränkt ist wie sie selbst vorträgt. Vielmehr ist ihren eigenen Angaben gegenüber den Sachverständigen durchaus zu entnehmen, dass sie in der Lage ist, ihren Tagesablauf zu strukturieren, insbesondere dabei auch die Pflegeleistungen und die Betreuung ihrer dementen Mutter zu erbringen und hierbei offensichtlich erhebliche körperliche und psychische Belastungen verkraften zu können. Die Klägerin hatte im Jahr 2008 ihre berufliche Tätigkeit nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen aufgegeben, sondern zunächst eine berufliche Neuorientierung vornehmen wollen, um ihre berufliche Tätigkeit mit der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter in Einklang zu bringen, die ca. 50 km von ihr entfernt wohnte. Im Jahr 2009 hat die Klägerin jegliche berufliche Tätigkeit aufgegeben, um ihre Mutter zu pflegen. Die Klägerin hat gegenüber den gerichtlichen Sachverständigen angegeben, entweder zehn Tage am Stück bei ihren Eltern die Pflegetätigkeit zu verrichten und anschließend fünf Tage zu Hause zu bleiben bzw. bei Frau Dr. M., sich fünf Tage bei den Eltern zu befinden und anschließend zwei Tage zu Hause zu sein. Sie sei als Pflegeperson eingetragen. Der Sozialdienst komme nicht. Die Mutter sei in Pflegestufe II eingruppiert. Zwischenzeitlich ist die Mutter verstorben. Aus dem von der Beklagten angeforderten aktuellen Versicherungsverlauf vom 21.11.2017 ergibt sich, dass der Klägerin Pflichtbeitragszeiten wegen Pflege seit dem 01.02.2010 durchgehend bis zum 21.05.2016 (Tod der Mutter) zuerkannt sind, was nach § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI einen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI – anzuerkennenden Pflegeumfang von mindestens 14 Wochenstunden (§§ 19, 44 SGB XI) voraussetzt. Dem in den Akten vorliegenden Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen – MDK – vom 08.03.2010 ist zu entnehmen, dass bereits damals für die Mutter der Klägerin die Pflegestufe II zuerkannt war und keineswegs – wie von ihr in der mündlichen Verhandlung geschildert – lediglich eine leichte Demenz vorgelegen hätte, die lediglich eine „Begleitung“ der Mutter erfordert hätte. Die Klägerin hat gegenüber den ärztlichen Sachverständigen vielmehr angegeben, dort den Haushalt zu führen, einzukaufen, zu kochen, Wäsche zu machen, zu putzen, den Garten zu betreuen und dabei sowohl ihre Mutter als auch ihren Vater, der am 01.02.1929 geboren und als weitere Pflegeperson im MDK-Gutachten mit jeweils – wie die Klägerin – 28 Wochenstunden Pflegeleistung aufgeführt war, aktivierend zu betreuen. Dies setzt zur Überzeugung des Senats durchaus voraus, dass der Klägerin eine Strukturierung dieses Tagesablaufs möglich gewesen und zumindest ein Leistungsvermögen vorhanden war, das eine leichte Tätigkeit unter üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zugelassen hat.
Vergleichbare Schilderungen, eben die Pflege der Mutter an vier bis fünf Tage pro Woche und ein erhebliches Aktivitätsniveau sind im Gutachten von Dr. G. festgehalten, der sich mit den gestellten Diagnosen durchaus kritisch auseinandersetzt und unter anderem auch den chronischen Erschöpfungszustand bei depressiver Symptomatik als Diagnose benennt. Gleichwohl weist Dr. G. ausdrücklich darauf hin, dass es entscheidend auf das Restleistungsvermögen der Klägerin ankomme und aufgrund des durchschnittlichen Tagesablaufs, den die Klägerin geschildert habe, sei durchaus eine erhebliche Aktivität im täglichen Leben anzunehmen. Bei zumutbarer Willensanstrengung und mit zusätzlicher ärztlicher Hilfe, unter anderem einer antidepressiven Behandlung und einer ambulanten Psychotherapie, sei es der Klägerin möglich, noch mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Dr. G. beschreibt die Klägerin als 57-jährige normalgewichtige Frau in äußerlich gutem Allgemeinzustand und Körperzustand. Als psychischen Befund beschreibt er, dass die Klägerin keine gedanklichen Störungen habe, jedoch unübersehbare Somatisierungstendenzen vorlägen, eine leicht depressive Stimmungslage mit Antriebsstörung und erheblicher psychovegetativer Labilität.
Das SG hat sich in seinem Gerichtsbescheid vom 11.04.2014 sehr ausführlich mit der Gutachtenslage auseinandergesetzt. Es hat zunächst für jedes medizinische Fachgebiet die vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen dargelegt und festgestellt, dass diese jeweils lediglich zu qualitativen Leistungseinschränkungen führen. Es hat aber auch in der Gesamtschau dargelegt, dass eine quantitative Leistungsminderung noch nicht vorliegt. Im Hinblick auf das Gutachten von Dr. G. hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass er bei der Erhebung des psychischen Befundes wesentlich die Angaben der Klägerin zugrunde gelegt hat, insbesondere auch temporäre Beschwerden mit hat einfließen lassen. Zum anderen fehlt es tatsächlich an entsprechenden objektivierbaren Untersuchungen und Testungen der Klägerin, so dass deren Angaben relativ unkritisch übernommen wurden. In seinem Gutachten ist unter anderem von der Klägerin auch darauf hingewiesen worden, dass sie angeblich bereits als Kind im Alter von neun Jahren Erschöpfungssymptome gehabt habe, die sich im Laufe der Pubertät und dann wieder nach der Geburt ihrer zweiten Tochter verschlimmert hätten. Sie hätte sich nur mit vielen Besuchen bei Heilpraktikern und Ärzten soweit aufrechterhalten können, dass sie ihrer Arbeitstätigkeit habe nachgehen und den Haushalt so einigermaßen habe führen können. Diese Angaben der Klägerin stehen aber im Widerspruch zu den Begutachtungen, den Angaben der Krankenkasse über die dort gemeldeten Diagnosen und im Endeffekt stehen sie auch in Widerspruch zu den fehlenden Behandlungen des psychosomatischen Schmerzgeschehens. Sie stehen aber auch insbesondere in Widerspruch zu den eigenen Angaben der Klägerin im Hinblick auf die Versicherungspflicht als Pflegeperson und den Angaben gegenüber dem MDK.
Aufgrund der vorliegenden Sachverständigengutachten ist ferner darauf hinzuweisen, dass eine leitliniengerechte Behandlung des Schmerzgeschehens bislang nicht erfolgt ist und weitere Behandlungsoptionen aufgezeigt wurden, die die Klägerin wohl aber nicht ergreifen möchte. Behandlungsvorschläge werden mit Hinweis auf frühere negative Erfahrungen abgelehnt. Einerseits fühlt sich die Klägerin fit genug zum Fahrradfahren, andererseits wird der Vorschlag Reha-Sport aber abgelehnt, weil sie dies früher schon einmal ohne Erfolg versucht habe. Die verordnete Schlafmaske, die von Dr. C. als notwendig zur Bekämpfung von Tagesmüdigkeit erachtet wird, wird von der Klägerin nicht vertragen. Ob andere Maskenbeatmung oder eine sonstige Behandlung versucht wurde, lässt sich den Befunden nicht entnehmen. Der Hinweis der ärztlichen Sachverständigen auf Durchführung einer leitliniengerechten Behandlung des Schmerzgeschehens wird aufgrund der vorübergehend wahrgenommenen nervenärztlichen Behandlung dauerhaft abgelehnt, obwohl die Klägerin einen erheblichen Leidensdruck geltend macht. Die gerichtlichen Sachverständigen haben insoweit auch Inkonsistenzen zwischen der Beschwerdeschilderung der Klägerin und den ergriffenen Behandlungsmaßnahmen dargelegt.
Der Senat sieht aufgrund der eingeholten ärztlichen Befundberichte und der oben aufgezeigten Gründe auch keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten von Amts wegen nach § 106 SGG einzuholen. Auf den Vorschlag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass der Senat sich bei einem anderen Gericht erkundigen möge, „wie mit dem CFS umzugehen sei“, braucht nicht weiter eingegangen zu werden.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI, weil ihr nach den Gutachten von Dr. M. und Dr. G. eine Tätigkeit aus dem Berufskreis als kaufmännische Angestellte bzw. Bürokraft noch mindestens 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen zumutbar ist. Im Übrigen kommt ihr kein Berufsschutz als Facharbeiterin nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts zu (BSGE 55, 45, 46 f.).
Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.04.2014 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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