Aktenzeichen VI ZR 3/21
§ 104 Abs 1 S 1 SGB 7
§ 105 Abs 1 S 1 SGB 7
Leitsatz
Der Haftungsausschluss gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII und § 105 Abs. 1 SGB VII erfasst auch die Ansprüche der Hinterbliebenen auf Hinterbliebenengeld gemäß § 844 Abs. 3 BGB.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Koblenz, 21. Dezember 2020, Az: 12 U 711/20, Urteilvorgehend LG Koblenz, 24. April 2020, Az: 12 O 137/19, Urteil
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. Dezember 2020 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 24. April 2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelinstanzen trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Zahlung von Hinterbliebenengeld wegen eines tödlichen Arbeitsunfalls ihrer Schwiegertochter.
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Am 14. März 2018 halfen die Verstorbene und ihr Ehemann dem Beklagten zu 1 als Fahrer des bei der Beklagten zu 2 versicherten Traktors in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb bei der Errichtung eines Weidezauns. Der Hof wurde von der Verstorbenen, ihrem Ehemann und der Klägerin betrieben. Die Klägerin war beinahe täglich auf dem Hof und half bei den anfallenden Arbeiten, der Haushaltsführung und der Betreuung der Kinder mit. Zwischen der Klägerin und der Verstorbenen bestand ein besonders enges, einer Mutter-Tochter-Beziehung entsprechendes Verhältnis.
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Im Unfallzeitpunkt war der Beklagte zu 1 damit beschäftigt, mittels der am Traktor befestigten Greifschaufel Pfähle ins Erdreich zu versenken. Die Verstorbene half ihm dabei, indem sie sich im Bereich des jeweils zu versenkenden Pfahls aufhielt und diesen bis zum “Runterdrücken” durch die Greifschaufel festhielt. Der Ehemann der Verstorbenen koordinierte die Arbeiten. Als der Beklagte zu 1 gerade ansetzte, den zweiten Pfahl ins Erdreich zu drücken, löste sich die Greifschaufel des Traktors aus ihrer Verankerung, kippte nach vorne weg und fiel auf die Verstorbene. Sie erlitt eine Zertrümmerung des gesamten Brustkorbs und verstarb an den Folgen ihrer Verletzungen. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hat den Unfall als landwirtschaftlichen Arbeitsunfall im Betrieb des Beklagten zu 1 anerkannt.
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Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Hinterbliebenengeldes in Höhe von mindestens 8.000 € nebst Zinsen sowie auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Sie ist der Auffassung, der Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB sei nicht aufgrund der in §§ 104, 105 SGB VII normierten Haftungsbeschränkung ausgeschlossen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2021, 320 veröffentlicht ist, steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB zu. Die Haftungsbeschränkung der §§ 104, 105 SGB VII sei hierauf nicht anwendbar. Vielmehr sei eine Gleichbehandlung mit Ansprüchen aus sogenannten Schockschäden angezeigt, bei denen die Haftungsbeschränkung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls keine Anwendung finde. Die diesbezüglichen Erwägungen seien übertragbar, weil sich das in § 844 Abs. 3 BGB normierte Hinterbliebenengeld weitgehend an der Rechtsprechung zu Schockschäden orientiere und hierzu eine starke Parallelität aufweise. Eine Anwendung der Haftungsbeschränkung auf das Hinterbliebenengeld sei auch nicht zum Schutz des Betriebsfriedens angezeigt, da es sich bei Streitigkeiten zwischen Hinterbliebenen mit Betriebsinhabern bzw. dort beschäftigten Personen um außerbetriebliche Streitigkeiten handele. Schließlich sei der Ausschluss von Ersatzansprüchen auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass er durch das Leistungssystem der gesetzlichen Unfallversicherung kompensiert werde, da dieses einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld nicht vorsehe.
II.
7
Das angegriffene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB zu. Die von den Parteien nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen rechtfertigen insoweit die Annahme der Voraussetzungen eines Haftungsausschlusses nach §§ 104, 105 SGB VII.
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1. Die Parteien wenden sich nicht grundsätzlich gegen eine Heranziehung der Regelungen in § 844 Abs. 3 BGB bzw. §§ 104, 105 SGB VII. Rechtsfehler des Berufungsgerichts sind insoweit auch nicht ersichtlich.
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a) Gemäß § 844 Abs. 3 Satz 1 BGB, der durch das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld vom 17. Juli 2017 (BGBl. I 2017, 2421) Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch gefunden hat, hat der Ersatzpflichtige dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Die Vorschrift findet nach Art. 229 § 43 Nr. 1 EGBGB Anwendung, wenn die zum Tode führende Verletzung nach dem 22. Juli 2017 eingetreten ist.
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b) Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII betrifft dies auch Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen. Als Versicherungsfälle gelten nach §§ 7, 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auch Arbeitsunfälle von Personen, die wie Versicherte tätig werden, sogenannte Wie-Beschäftigte.
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c) Der Anwendungsbereich der §§ 104, 105 SGB VII ist damit grundsätzlich eröffnet. Auf der Grundlage seiner von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Beklagte zu 1 den tödlichen Arbeitsunfall weder vorsätzlich noch auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt hat. Zudem hat nach diesen Feststellungen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft den Unfall als landwirtschaftlichen Arbeitsunfall der verstorbenen “Wie-Beschäftigten” im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII im Betrieb des Beklagten zu 1 anerkannt. Gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII ist der Zivilrichter an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte hinsichtlich der Frage gebunden, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Entscheidung darüber, ob der Verletzte den Unfall als Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 SGB VII erlitten hat und welchem Betrieb der Unfall zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteile vom 30. April 2013 – VI ZR 155/12, NJW 2013, 2031 Rn. 9; vom 22. April 2008 – VI ZR 202/07, VersR 2008, 820 Rn. 9, 13; vom 19. Mai 2009 – VI ZR 56/08, BGHZ 181, 160 Rn. 17, 21; Horst/Katzenstein, VersR 2009, 165, 169 f.; Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl., § 108 SGB VII Rn. 3; jeweils mwN).
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2. Die Haftungsbeschränkung der §§ 104, 105 SGB VII erfasst auch den Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB.
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a) Mit der Frage, ob die in §§ 104, 105 SGB VII angeordnete Haftungsbeschränkung auch Ansprüche auf Hinterbliebenengeld ausschließt, hat sich der Bundesgerichtshof bislang nicht befasst. Entscheidungen der Instanzgerichte sind noch selten (vgl. LG Mainz, Urteil vom 2. September 2020 – 5 O 249/19, juris). In der Literatur wird die Anwendbarkeit der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung auf das Hinterbliebenengeld weit überwiegend bejaht (vgl. Baur, Das Hinterbliebenengeld, S. 102 f.; Böhme/Biela/Tomson, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 26. Aufl., Kap. 4 Rn. 227; Doukoff in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 844 BGB Rn. 175; Hollo in: juris-PK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 10.2 f.; Jahnke in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl., 7. Teil, § 844 BGB Rn. 103 f.; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., § 10 StVG Rn. 19; Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 05/19, § 104 SGB VII Rn. 16; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 13. Aufl., Rn. 308; Luckey in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 16. Aufl., § 844 Rn. 26; Pardey in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 7 Rn. 21; ders. in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl., § 10 Rn. 13; Piontek in: Filthaut/Piontek/Kayser, HPflG, 10. Aufl., § 1 Rn. 197, § 5 Rn. 59; Quaisser in: Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 44. EL, Kap. 6 S Rn. 19; Ricke in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 116. EL, § 104 SGB VII Rn. 5a; Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl., SGB VII § 104 Rn. 15; Spindler in: BeckOK BGB, Stand: 01.11.2021, § 844 Rn. 2; Sprau in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 844 Rn. 21 i.V.m. Rn. 1b; von Koppenfels-Spies in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB VII, 7. Aufl., § 104 Rn. 3, § 105 Rn. 4a; Wagner in: MünchKommBGB, 8. Aufl., § 844 Rn. 7, 99; Witschen in: BeckOGK BGB, Stand: 01.12.2021, § 618 Rn. 160, 176; Bredemeyer, ZEV 2017, 690, 693; Burmann, r+s 2021, 115, 116; Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 408; Figgener/Quaisser, NJW-Spezial 2021, 139; Halm/Fritz, DAR 2021, 422, 429 f.; Jayme, IPRax 2018, 230; Lang/Bucka, DAR 2020, 445, 451; Rolfs, SGb 2018, 523, 529; Scheu, jurisPR-VersR 9/2020 Anm. 4; Steenbuck, r+s 2017, 449, 451; Wagner, NJW 2017, 2641, 2642 f.; grundlegend Witschen, JZ 2018, 490). Aber auch eine die Anwendbarkeit der Haftungsbeschränkung ablehnende Auffassung wird nicht nur vereinzelt vertreten (vgl. Griese in: Küttner, Personalbuch, 28. Aufl., Arbeitgeberhaftung Rn. 11; Huber in: NK-BGB, 4. Aufl., § 844 Rn. 149; ders. in: Huber/Kadner Graziano/Luckey, Hinterbliebenengeld, 1. Aufl., Teil 1, § 1 Rn. 181 ff.; ders. in: FS-Schwintowski, 920, 944; Slizyk in: Handbuch Schmerzensgeld, 18. Aufl., Rn. 342; Teichmann in: Jauernig, BGB, 18. Aufl., § 844 Rn. 10; Walter in: BeckOGK StVG, Stand: 01.09.2021, § 10 Rn. 17; Wellner in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 31 Rn. 12; Zwickel in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 6. Aufl., 7. Teil, § 31 Rn. 201; Fischer, FD-SozVR 2020, 431255; Huber, NZV 2021, 363, 364 ff.).
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b) Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an.
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Die Gesetzesauslegung unter Berücksichtigung des Wortlautes der §§ 104, 105 SGB VII, der Systematik und des Sinns und Zwecks der §§ 844, 845 BGB, der Entstehungsgeschichte des § 844 Abs. 3 BGB sowie des Normzwecks der §§ 104, 105 SGB VII lässt keinen Raum für eine Herausnahme des Hinterbliebenengeldes aus der Haftungsprivilegierung.
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aa) Bereits der Wortlaut der § 104 Abs. 1 Satz 1, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII spricht für eine Anwendung der Vorschriften auf das Hinterbliebenengeld. Danach soll die Haftungsbeschränkung Ansprüche des Versicherten und solche seiner “Angehörigen und Hinterbliebenen” aus Personenschäden in gleicher Weise umfassen. Es werden danach tödliche Unfälle des Versicherten mitgeregelt und Angehörige und Hinterbliebene als mögliche Anspruchsinhaber ausdrücklich genannt.
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bb) Ebenso legt die Systematik der §§ 844, 845 BGB eine Anwendung der Haftungsbeschränkung auf das Hinterbliebenengeld nahe (vgl. Luckey in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 16. Aufl., § 844 Rn. 26; Burmann, r+s 2021, 115, 116; Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 408; Figgener/Quaisser, NJW-Spezial 2021, 139; Witschen, JZ 2018, 490, 491).
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(1) Im Recht der unerlaubten Handlung steht dem nur mittelbar Geschädigten grundsätzlich kein eigener Ersatzanspruch zu. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll die Deliktshaftung gerade in § 823 Abs. 1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch nach den durch sie gesetzten Verhaltenspflichten auf klar umrissene Tatbestände beschränkt werden und Beeinträchtigungen, in denen sich die Schädigung eines anderen bei Dritten auswirkt, soweit diese nicht selbst in ihren eigenen Schutzgütern betroffen sind, sollen außerhalb der §§ 844, 845 BGB ersatzlos bleiben. Bei den Ersatzansprüchen nach §§ 844, 845 BGB handelt es sich somit um eng begrenzte Ausnahmevorschriften, deren Anwendungsbereich regelmäßig nicht auszudehnen ist. Der Grundsatz, dass für mittelbare Schäden außerhalb der §§ 844, 845 BGB deliktisch nicht gehaftet wird, gilt aber nur für Schäden, die aus der Verletzung eines Rechtsguts des Primärgeschädigten bei Dritten hervorgehen. Er beansprucht dagegen keine Geltung, wenn der Dritte einen Schaden erleidet, der in der Verletzung eines eigenen Rechtsguts des § 823 Abs. 1 BGB besteht und für den der Schädiger im Rahmen des Zurechnungszusammenhanges zu haften hat (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 2005 – VI ZR 179/04, NJW 2005, 2614, juris Rn. 36; vom 21. November 2000 – VI ZR 231/99, NJW 2001, 971, juris Rn. 11, 16; vom 4. April 1989 – VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317, juris Rn. 9; vom 17. Dezember 1985 – VI ZR 152/84, NJW 1986, 984, juris Rn. 16 f.; Doukoff in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 844 BGB Rn. 5; Eichelberger in: BeckOGK BGB, Stand: 01.12.2021, § 844 Rn. 211; Sprau in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 844 Rn. 1; zu sog. Schockschäden vgl. Senatsurteile vom 21. Mai 2019 – VI ZR 299/17, BGHZ 222, 125 Rn. 7; vom 27. Januar 2015 – VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451 Rn. 7; vom 4. April 1989 – VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317, juris Rn. 9; vom 11. Mai 1971 – VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163, 168 f., juris Rn. 16).
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(2) Die weiteren in § 844 Abs. 1 und 2, § 845 BGB normierten, den Ersatz von Vermögensschäden (Beerdigungskosten, Unterhaltsausfall, entgangene Dienste) betreffenden Ansprüche Dritter unterfallen nach allgemeiner Ansicht dem Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 2007 – VI ZR 55/06, VersR 2007, 803 Rn. 8; vom 5. Juli 1988 – VI ZR 299/87, NZV 1988, 217, juris Rn. 8 ff.; vom 13. Januar 1976 – VI ZR 58/74, NJW 1976, 673, juris Rn. 7 ff.; BAGE 103, 92, juris Rn. 16; BAG, NZA 1989, 795, juris Rn. 16; Ricke in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 116. EL, § 104 SGB VII Rn. 5a; Stelljes in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.12.2021, SGB VII § 104 Rn. 30; Bredemeyer, ZEV 2017, 690, 693). Denn das Haftungsprivileg soll den Schädiger grundsätzlich umfassend von allen mit einem Personenschaden verbundenen Schäden freistellen (vgl. Röthel in: Staudinger, BGB, 2015, § 844 Rn. 7; Spindler in: BeckOK BGB, Stand: 01.11.2021, § 844 Rn. 2; Sprau in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 844 Rn. 1b). Zudem soll der mittelbar Geschädigte – wie auch die Vorschrift des § 846 BGB zeigt, deren Anwendbarkeit auf das Hinterbliebenengeld im Gesetzesentwurf ausdrücklich angesprochen ist (Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld, Drs. 18/11397 vom 07.03.2017, S. 12) – durch die Ansprüche nach §§ 844, 845 BGB nicht bessergestellt werden als der unmittelbar Verletzte oder seine Rechtsnachfolger (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 1961 – VI ZR 224/60, VersR 1961, 846; RGZ 128, 229, 233; vgl. Wagner in: MünchKommBGB, 8. Aufl., § 844 Rn. 7; Witschen, JZ 2018, 490, 491). Ein gesetzlicher Haftungsausschluss, der nach seinem Sinn und Zweck auf eine umfassende Freistellung des Schädigers gerichtet ist, wirkt auch gegen den mittelbar Geschädigten (Boujong in: BGB-RGRK, 12. Aufl., § 844 Rn. 4; vgl. auch Sprau in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 844 Rn. 1b). Daran knüpft wohl die Aussage im Gesetzesentwurf an, dass, sofern die Haftung des Verantwortlichen für eine unerlaubte Handlung ausgeschlossen oder begrenzt sei (z.B. nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB), der Entschädigungsanspruch auch diesen Einschränkungen unterliege (BT-Drs. 18/11397, S. 13).
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In diese – bekanntermaßen auch durch die Rechtsprechung geprägte – Haftungs- und Entschädigungsstruktur für die durch die Tötung eines Menschen mittelbar Geschädigten hat der Gesetzgeber den neuen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld für das zugefügte seelische Leid bewusst eingefügt (vgl. nur Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld, Drs. 18/11397 vom 07.03.2017, S. 8; so schon Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld, S. 8; ähnlich schon Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Rechtsstellung der Angehörigen von Unfallopfern und zur Änderung des § 1374 Abs. 2 BGB, Stand 1. Januar 2015, S. 1 ff.). Geschaffen werden sollte ein Anspruch der mittelbar Betroffenen, die keine Verletzung in eigenen deliktisch geschützten Rechten erlitten haben. Als weiterer Anspruch des mittelbar Geschädigten teilt der Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB aufgrund seiner systematischen Stellung so die dogmatischen Grundlagen der in § 844 Abs. 1 und 2, § 845 BGB geregelten Ansprüche (vgl. Wagner in: MünchKommBGB, 8. Aufl., § 844 Rn. 97). Eine isolierte Herausnahme des bewusst in Absatz 3 des § 844 BGB und nicht in einer neu geschaffenen Vorschrift geregelten Hinterbliebenengeldes aus der Haftungsprivilegierung für Arbeitsunfälle würde zu Wertungswidersprüchen führen (vgl. Burmann, r+s 2021, 115, 116; krit. zur Systematik: Müller, VersR 2017, 321, 322; Schwab, DAR 2018, 284, 285).
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cc) Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld lässt im Übrigen eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers für oder gegen die Anwendbarkeit der §§ 104, 105 SGB VII auf das Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB nicht erkennen (vgl. Doukoff in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 844 BGB Rn. 123, 175; Luckey in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 16. Aufl., § 844 Rn. 26; Teichmann in: Jauernig, BGB, 18. Aufl., § 844 Rn. 10; Rolfs, SGb 2018, 523, 529; Scheu, jurisPR-VersR 9/2020 Anm. 4; ausführlich Witschen, JZ 2018, 490, 491 f.).
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Zwar hatte der Deutsche Anwaltsverein (DAV) in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld (Nr. 3/2017 vom Januar 2017, S. 9) eine fehlende Ausnahmeregelung für das Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII beanstandet: Wenn auch für Todesfälle durch einen Arbeitsunfall der Anspruch auf Hinterbliebenengeld bestünde, würde damit der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung konterkariert und es drohten bei Arbeitsunfällen gerade die Auseinandersetzungen, die durch die Einführung des SGB VII verhindert werden sollten, etwa ob überhaupt ein Verschulden vorliege oder ein Mitverschulden des Getöteten gegeben sei. Es sei daher eine Klarstellung im Gesetz erforderlich, dass die Haftungsprivilegierung der §§ 104 ff. SGB VII auch für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld gelte. Der Einwand des DAV wurde jedoch – soweit erkennbar – weder im Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 7. März 2017 (BT-Drs. 18/11397) noch in den parlamentarischen Sitzungen (BT-Plenarprotokoll 18/221, 22190; BT-Plenarprotokoll 18/234, 23800) aufgegriffen. Es fällt weiter auf, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 22. März 2017 (BT-Drs. 18/11615) zur Herbeiführung der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages, dessen Text mit dem der Bundestagsdrucksache 18/11397 gleichlautend ist, als Anlage 2 eine Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates enthält, in der dieser im Gegensatz zu den vorgenannten Gesetzesentwürfen bei der Kalkulation der weiteren Kosten auch Arbeitsunfälle nennt (BT-Drs. 18/11615, S. 7). Daraus können aber im Hinblick auf die Fassung der Gesetzesentwürfe keine verlässlichen Rückschlüsse auf den gesetzgeberischen Willen gezogen werden.
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Die Bemerkung im Gesetzesentwurf, dass für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld diejenigen Vorschriften außerhalb des BGB gelten, die an das Vorliegen einer Schadensersatzverpflichtung anknüpfen (BT-Drs. 18/11397, S. 12), ist hinsichtlich einer Anwendung der §§ 104 ff. SGB VII nicht eindeutig. Schließlich ist auch der Hinweis auf die erforderliche Berücksichtigung besonderer Verschuldensmaßstäbe, z.B. nach §§ 1359, 1664 Abs. 1 BGB (BT-Drs. 18/11397, S. 13), unergiebig.
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Das vom Berufungsgericht bemühte Argument, dass sich das in § 844 Abs. 3 BGB normierte Hinterbliebenengeld weitgehend an der Rechtsprechung zu den Schockschäden orientiere (ähnl. LG Tübingen, Urteil vom 17. Mai 2019 – 3 O 108/18, VersR 2020, 236, juris Rn. 61), trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Soweit dem Gesetzesentwurf zu entnehmen ist, die Höhe des Schmerzensgeldes bei Schockschäden und die insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze könnten eine gewisse Orientierung geben (vgl. BT-Drs. 18/11397, S. 14), bezieht sich dies nur auf die Bemessung der Anspruchshöhe und nicht auf die Frage von Rechtsnatur und Normzweck.
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Auch der Hinweis im Entwurf, wenn sowohl die Voraussetzungen auf Ersatz eines Schockschadens als auch die Voraussetzungen nach § 844 Abs. 3 BGB vorlägen, gehe der Anspruch auf Ersatz des Schockschadens dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld vor bzw. letztgenannter in erstgenanntem auf (vgl. BT-Drs. 18/11397, S. 12), begründet keine umfassende Parallelität der beiden Institute. Ein gesetzgeberisch angeordneter “Gleichlauf” ist damit nicht verbunden. Vielmehr hat man auch im Gesetzgebungsverfahren gesehen, dass beiden Instituten eigenständige Bedeutung zukommen kann, soweit die Voraussetzungen nur einer der beiden Anspruchsgrundlagen erfüllt sind (vgl. BT-Drs. 18/11397, S. 12), und damit die Möglichkeit divergierender Ergebnisse grundsätzlich akzeptiert (vgl. Witschen, JZ 2018, 490, 496).
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dd) Sinn und Zweck der §§ 104, 105 SGB VII sprechen schließlich entscheidend für eine Anwendung der Haftungsbeschränkung auf das Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB (vgl. Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl., SGB VII § 104 Rn. 15; Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 408; Scheu, jurisPR-VersR 9/2020 Anm. 4; Witschen, JZ 2018, 490, 493).
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(1) Die tragenden Prinzipien des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung sind das soziale Schutzprinzip und das Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz (vgl. nur Gitter, Die Neuregelung der Haftungsfreistellung des Unternehmers und anderer im Betrieb tätiger Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung, FS Wiese, 1998, 131 f.; BVerfGE 34, 118, juris Rn. 40 ff., 46; BAGE 168, 186 Rn. 25 f.).
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Hintergrund des Haftungsprivilegs ist, dass bei einem Arbeitsunfall die gesetzliche Unfallversicherung eintritt, in welche die Unternehmer Beiträge zu zahlen haben und dafür im Gegenzug im Regelfall von der Haftung befreit sind. Im Versicherungsfall tritt an die Stelle der privatrechtlichen Haftung des Arbeitgebers die sozialversicherungsrechtliche Gesamthaftung der in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer. Die zivilrechtliche Haftung des Unternehmers für fahrlässiges Verhalten bei Personenschäden gegenüber dem Arbeitnehmer wird also nach § 104 SGB VII durch die öffentlich-rechtliche Leistungspflicht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung abgelöst. Damit verlagert die gesetzliche Unfallversicherung den Schadensausgleich bei Arbeitsunfällen aus dem individualrechtlichen in den sozialrechtlichen Bereich. Durch die Haftungsersetzung wird das Haftungsrisiko für den Arbeitgeber kalkulierbar. Mit dieser Ablösung geht nach § 105 SGB VII eine entsprechende Haftungsfreistellung aller Betriebsangehörigen bei Betriebsunfällen einher (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 – III ZR 191/11, VersR 2012, 724 Rn. 10; BAG, NZA 2020, 745 Rn. 18). Die gesetzliche Regelung dient auch dem Schutz des Geschädigten durch Einräumung eines vom Verschulden unabhängigen Anspruchs gegen einen stets leistungsfähigen Schuldner. Der Geschädigte muss weder ein Verschulden des Schädigers nachweisen noch sich ein eigenes Mitverschulden auf seine Ansprüche anrechnen lassen. Diese werden zudem von Amts wegen im sozialrechtlichen Verfahren festgestellt (BAGE 168, 186-203, Rn. 25 f.; BAG, NZA 2020, 745 Rn. 17 ff.). Schließlich soll das Haftungsprivileg sicherstellen, dass gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder zwischen Arbeitnehmern um die Haftung aus Arbeitsunfällen nicht den Betriebsfrieden gefährden. Selbst wenn der Haftungsausschluss, der nicht für Vorsatz und für Sachschäden gilt, nicht schlechthin den Frieden im Betrieb garantieren kann, so ist er doch geeignet, Anlässe zu Konflikten einzuschränken (BAGE 168, 186, Rn. 25 f.; BAG, NZA 2020, 745 Rn. 17 ff.; BGH, Urteil vom 8. März 2012 – III ZR 191/11, VersR 2012, 724 Rn. 10).
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Dem entspricht es, den Betriebsfrieden belastende Auseinandersetzungen um Verschulden des Schädigers und Mitverschulden des Getöteten zu vermeiden (vgl. Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl., SGB VII § 104 Rn. 1; Scheu, jurisPR-VersR 9/2020 Anm. 4 unter C.; Witschen, JZ 2018, 490, 493). Auch wenn es sich bei Streitigkeiten zwischen Hinterbliebenen und Betriebsinhabern bzw. dort beschäftigten Personen auf erste Sicht um außerbetriebliche Streitigkeiten handelt, sind die Hinterbliebenen in den Schutz des Betriebsfriedens miteingebunden. Die Einbeziehung betriebsfremder Personen in den Betriebsfrieden ist dem Gesetz – wie die Vorschriften der § 2 Abs. 2 Satz 1, § 104 Abs. 2, § 106 Abs. 3 und 4 SGB VII zeigen – nicht fremd (vgl. Witschen, JZ 2018, 490, 493; zu “Wie-Beschäftigten” vgl. Senatsurteil vom 7. November 2006 – VI ZR 211/05, NJW 2007, 1754 Rn. 20 mwN). Daneben manifestieren der akzessorische Charakter des Hinterbliebenengeldes sowie die ausdrückliche Einbeziehung der Hinterbliebenen in §§ 104, 105 SGB VII den Wunsch des Gesetzgebers, im Falle tödlicher Betriebsunfälle auch diesen die Befassung mit dem – im Streitfall auch von den Beklagten vorgebrachten – Mitverschulden des Verstorbenen zu ersparen (vgl. LG Mainz, Urteil vom 2. September 2020 – 5 O 249/19, juris Rn. 23; LG Koblenz, Urteil vom 14. April 2020 – 12 O 137/19, juris Rn. 25). Die Ausweitung des Haftungsprivilegs auf Betriebsfremde lässt aber auch die Interpretation nachvollziehbar erscheinen, der Gesetzgeber habe sich vom Gedanken des Betriebsfriedens gelöst oder lasse ihn zumindest in den Hintergrund treten (vgl. M. Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem Unfallversicherungsrecht, 2004, 45 mwN).
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(2) Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 6. Februar 2007 (VI ZR 55/06, VersR 2007, 803 Rn. 12) zu Schockschäden von Angehörigen oder Hinterbliebenen ausgeführt hat, dem Friedensargument sei der Boden entzogen, wenn ein Schockschaden auf einem tödlichen Arbeitsunfall eines Versicherten beruhe und dessen Betriebsangehörigkeit damit ende, ist für Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkungen ergänzend auf die wesentlichen Prinzipien des sozialen Schutzes und der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz hinzuweisen, die auch in Fällen der Tötung durch einen Arbeitsunfall ihre Berechtigung behalten und gegenüber und gegebenenfalls zugunsten der Hinterbliebenen ihre Wirksamkeit entfalten.
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(3) Der Senat verkennt nicht, dass die gesetzliche Unfallversicherung keinen Ausgleich für den Ausschluss des Hinterbliebenengeldes vorsieht – ebenso wie für Ansprüche nach § 845 BGB oder das Schmerzensgeld eines verletzten Versicherten – (vgl. Luckey in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 16. Aufl., § 844 Rn. 26; Wagner in: MünchKommBGB, 8. Aufl., § 844 Rn. 97; Schwab, DAR 2018, 284, 285; Witschen, JZ 2018, 490, 494). Jedoch ist es wegen der Verschiedenheit beider Ordnungssysteme nicht erforderlich, dass der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung erhält. Während der Schaden im Zivilrecht nach § 249 BGB konkret ausgeglichen wird, folgt die gesetzliche Unfallversicherung dem Prinzip des abstrakten Schadensausgleichs, sodass nicht allen durch §§ 104, 105 SGB VII ausgeschlossenen Ansprüchen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gegenüberstehen (vgl. Giesen, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl., vor §§ 104-113 Rn. 4; von Koppenfels-Spies, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB VII, 7. Aufl., § 104 Rn. 2).
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Soweit bestimmte Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht übernommen bzw. bestimmte Schadenspositionen durch die gesetzliche Unfallversicherung nicht ausgeglichen werden, ändert dies nichts daran, dass der Haftungsausschluss verfassungskonform ist. Eine Deckungsgleichheit der Leistungen ist verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 – III ZR 191/11, VersR 2012, 724 Rn. 12; vgl. BVerfGE 34, 118; BAG, NZA 2020, 745 Rn. 25 mwN; Hollo, in: juris-PK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 9.1). Die Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfGK 15, 156, juris Rn. 11 unter Bezugnahme auf: BVerfGE 34, 118, 129 ff.; BVerfG, NJW 1995, 1607, juris Rn. 4; vgl. auch BAGE 110, 195, juris Rn. 20; im Ergebnis auch Plagemann, SGb 2016, 245 ff.: “Prinzip noch legitim”; vgl. auch zur Rechtslage in Österreich OGH, Entsch. vom 21. April 2005 – 2 Ob 82/05f, wonach das Haftungsprivileg des Dienstgebers aus § 333 ASVG auch auf die Schockschäden der nahen Angehörigen eines bei einem Arbeitsunfall Getöteten anwendbar ist). Der die Anwendung von §§ 104 ff. SGB VII rechtfertigende Kompensationsgedanke setzt lediglich voraus, dass für die bei einem Arbeitsunfall eingetretene Rechtsgutverletzung sozialversicherungsrechtliche Leistungen jedenfalls grundsätzlich in Betracht kommen. Dies ist erst dann nicht mehr der Fall, wenn das System der Unfallversicherung nicht etwa nur eine bestimmte Schadensart ausklammert, sondern für eine Rechtsgutsverletzung überhaupt keine Leistungen vorsieht, wie dies bei der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit nicht versicherter Dritter der Fall ist (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 2007 – VI ZR 55/06, VersR 2007, 803 Rn. 15). Anders als den Dritten in diesen Fällen können Angehörigen und Hinterbliebenen wegen der Tötung des Versicherten grundsätzlich durchaus unfallversicherungsrechtliche Ansprüche nach §§ 63 ff. SGB VII (Sterbegeld, Überführungskosten, Hinterbliebenenrenten, Beihilfe) zustehen (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 2007 – VI ZR 55/06, VersR 2007, 803 Rn. 16 mwN; Witschen, JZ 2018, 490, 495 f.; Hollo in: juris-PK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 12). Dass es sich dabei im Verhältnis zum Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB nicht um kongruente Leistungen handelt, ist nach dem oben Gesagten unbeachtlich.
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c) Die Erwägungen, die den Senat in der Entscheidung vom 6. Februar 2007 (VI ZR 55/06, VersR 2007, 803) dazu bewogen haben, den Anspruch auf Schmerzensgeld wegen eines sogenannten Schockschadens nicht gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII als ausgeschlossen zu erachten, sind nicht auf den Streitfall zu übertragen. Bei dem Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB und dem Schockschadensersatz handelt es sich im Hinblick auf deren Rechtsnatur und Anwendungsbereich um unterschiedliche Institute (vgl. OLG Schleswig, DAR 2021, 332, juris Rn. 36 f.; Baur, Das Hinterbliebenengeld, S. 121 ff.; Eichelberger in: BeckOGK BGB, Stand: 01.09.2021, § 844 Rn. 241; Huber in: Huber/Kadner Graziano/Luckey, Hinterbliebenengeld, 1. Aufl., Teil 1, § 1 Rn. 186 ff.; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 10. Aufl., Teil 1 Rn. 576 ff.; Ricke in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 116. EL, § 104 SGB VII Rn. 5a; Staudinger in: HK-BGB, 11. Aufl., § 844 Rn. 17 f.; Halm/Fritz, DAR 2021, 422, 430; Jaeger, VersR 2017, 1041, 1055; Schwab, DAR 2018, 284, 285; Staudinger, DAR 2019, 601 f.). Während der Schockschadensersatz als Anspruch auf Schmerzensgeld auf der Verletzung eines eigenen Rechtsguts beruht (vgl. Senatsurteile vom 21. Mai 2019 – VI ZR 299/17, BGHZ 222, 125 Rn. 7; vom 10. Februar 2015 – VI ZR 8/14, NJW 2015, 2246 Rn. 19; vom 11. Mai 1971 – VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163, 168 f., juris Rn. 16), setzt der Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB keine eigene Gesundheitsbeeinträchtigung des Hinterbliebenen im Sinne der § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB voraus. Vielmehr knüpft das Hinterbliebenengeld auf der Ebene der Haftungsbegründung an die Verletzung eines fremden Rechtsguts, des in § 823 Abs. 1 BGB explizit genannten Lebens des Versicherten, an und sucht erst auf der Ebene der Haftungsausfüllung den eigenen Gefühlsschaden der Hinterbliebenen zu entschädigen (vgl. BT-Drs. 18/11397, S. 8; Witschen, JZ 2018, 490, 491). Der Sache nach handelt es sich bei dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld um einen immateriellen Ersatzanspruch eigener Art (vgl. Baur, Das Hinterbliebenengeld, S. 128; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 10. Aufl., Teil 1 Rn. 577 f., 584 ff.; Müller, VersR 2017, 321, 322; Nugel, ZfSch 2018, 72, 74; Schwab, DAR 2018, 284, 285; Walter, MedR 2018, 213; aA Huber, in: Huber/Kadner Graziano/Luckey, Hinterbliebenengeld, 1. Aufl., Teil 1, § 1 Rn. 207; Slizyk, in: Handbuch Schmerzensgeld, 18. Aufl., Rn. 342; Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 413 – Schadensersatzanspruch). Dass in beiden Fällen dem Erstverletzten nahestehende Personen eine finanzielle Entschädigung für eigene immaterielle Beeinträchtigungen verlangen und sich Ansprüche auf Hinterbliebenengeld und Ersatz des immateriellen Schockschadens auf Rechtsfolgenseite sogar überschneiden können (vgl. BT-Drs. 18/11397, S. 12), ändert nichts an ihrer unterschiedlichen dogmatischen Herleitung (vgl. Witschen, JZ 2018, 490, 492).
III.
34
Nach alledem war das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO.
Seiters
von Pentz
Oehler
Müller
Böhm