Sozialrecht

Erstattung von Ausbildungskosten nach Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit

Aktenzeichen  6 ZB 18.2273

Datum:
2.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15135
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 55 Abs. 3, § 56 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Ein Soldat auf Zeit, dessen Ausbildung mit einem Studium oder Fachausbildung verbunden war und der auf eigenen Antrag entlassen wurde, hat die Kosten des Studiums oder der Fachausbildung zu erstatten. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auf die Erstattung kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn bei der Prüfung der besonderen Härte berücksichtigt wird, wie lange der Kläger dem Dienstherrn mit den durch sein Studium erworbenen Kenntnissen zur Verfügung stand (sog. Abdienquote). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3 Es ist Sache des Klägers, zur Erlangung einer Ratenzahlung einen Antrag zu stellen und entsprechende Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen, insbesondere dann, wenn ihm bereits im Anhörungsschreiben die Ratenzahlungs-/Stundungsmöglichkeit eingeräumt wurde. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 K 17.4769 2018-09-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. September 2018 – M 21 K 17.4769 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 29.886,38 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Solche Zweifel wären begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 26.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungskosten in Höhe von 29.886,83 €, nachdem er mit Ablauf des 22. November 2013 gemäß § 55 Abs. 3 SG aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit (vorzeitig) entlassen worden ist. Er war am 1. Juli 2005 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr eingestellt und mit Urkunde vom 30. August 2005 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden. Seine Dienstzeit wurde schrittweise auf zwölf Jahre bis zu einem Dienstzeitende am 30. Juni 2017 festgesetzt. Vom 1. Oktober 2007 bis zum 23. März 2011 absolvierte er erfolgreich ein Studium der Betriebswirtschaft an der Universität der Bundeswehr M. Unter dem 17. Dezember 2012 beantragte der Kläger seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. In der irrigen Annahme, dass dieses Verfahren erfolgreich abgeschlossen sei, „entließ“ der stellvertretende Kommandeur den Kläger „auf Befehl“ am 27. Mai 2013 aus der Bundeswehr. Unmittelbar danach nahm der Kläger eine zivile Erwerbstätigkeit auf. Nachdem die irrtümliche „Entlassung“ festgestellt worden war, wurde der Kläger zunächst zum erneuten Dienstantritt bei der Bundeswehr aufgefordert. Mit Bescheid vom 21. November 2013 wurde er auf seinen Antrag hin (rückwirkend) gemäß § 9 SUV für die Zeit vom 28. Mai bis 22. November 2013 unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge beurlaubt. Mit Beschwerdebescheid vom 21. November 2013 wurde er auf eigenen Antrag gemäß § 55 Abs. 3 SG wegen einer besonderen Härte aus der Bundeswehr entlassen.
Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr bezifferte die Kosten für das Studium der Betriebswirtschaft des Klägers auf 42.000,25 € sowie die persönlichen Kosten auf 297,20 €. Mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid vom 19. Mai 2016 forderte die Beklagte vom Kläger unter Berücksichtigung seiner Abdienquote die Erstattung eines Teils der anlässlich des Studiums entstandenen Kosten in Höhe von 29.886,38 €. Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2017 zurück.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. September 2018 die dagegen erhobene Klage abgewiesen und – mangels über die Widerspruchsbegründung hinausgehender Klagebegründung – zur Begründung auf die Gründe des Leistungsbescheides, des Widerspruchsbescheids sowie der Klageerwiderung der Beklagten vom 21. November 2017 Bezug genommen. Diesen – durch zulässige Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide – zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts setzt der Kläger mit dem Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegen, das weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfte.
Rechtsgrundlage für die anteilige Rückforderung von Ausbildungskosten und persönlichen Kosten ist § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG. Danach muss ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war und der auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag entlassen gilt, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten. Das Verwaltungsgericht hat – durch Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide – zu Recht festgestellt, dass der Kläger dem Grunde nach der Erstattungspflicht unterliegt. Denn seine militärische Ausbildung war mit einem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Bundeswehr M. verbunden und er wurde vor Ablauf der eingegangenen Verpflichtungszeit auf eigenen Antrag gem. § 55 Abs. 3 SG entlassen.
Der Zulassungsantrag zieht auch die Höhe des vom Kläger geforderten Erstattungsbetrages nicht ernstlich in Zweifel.
Nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Die Beklagte hat in Anwendung dieser Vorschrift ohne Rechtsfehler berücksichtigt, wie lange der Kläger dem Dienstherrn mit den durch sein Studium erworbenen Kenntnissen nach Beendigung der Ausbildung uneingeschränkt zur Verfügung stand. Insoweit wurde auf einen Teil der Kosten des Studiums entsprechend der sog. Abdienquote verzichtet. Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die auf seinen Antrag hin nachträglich gewährte Beurlaubung vom 28. Mai bis zum 22 November 2013 (176 Tage) zu Recht von der Stehzeit abgezogen. Denn der Kläger stand in dieser Zeit seinem Dienstherrn nicht mehr zur Verfügung, sondern ist einer zivilen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Aus welchen Gründen die vom Kläger selbst beantragte Beurlaubung und seine Entlassung aus der Bundeswehr erfolgt sind und welche Umstände dem im einzelnen zugrundelagen, ist rechtlich irrelevant. Entscheidend ist allein, dass die Beurlaubung nicht im dienstlichen Interesse der Beklagten erfolgte und der Kläger während dieser Zeit dem Dienstherrn nicht mehr zur Verfügung stand. Eine Anrechnung der 176 Tage Urlaubszeit auf die Stehzeit kommt somit nicht in Betracht.
Mit seinen unsubstantiierten Angriffen gegen die vom Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr ermittelte Höhe der Kosten für das Studium (42.000,25 €) sowie die persönlichen Kosten (297,20 €) legt der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit dar. Die Kostenermittlung ergibt sich im einzelnen aus den Auflistungen des Bundesamts (VG-Akte Bl. 38 bis 41), die genaue Berechnung der Abdienquote ist dem Leistungsbescheid der Beklagten vom 19. Mai 2016 zu entnehmen.
Fehl geht auch der Einwand des Klägers, dass hinsichtlich der Rückzahlungsmodalitäten ein Ermessensausfall und ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliege, weil im Leistungsbescheid die Rückforderung in voller Höhe und unverzüglich gefordert werde. Die Beklagte hat dem Kläger im Anhörungsschreiben vom 1. Februar 2016 eine Ratenzahlungs-/Stundungsmöglichkeit eingeräumt. Dem Schreiben lag ein Antrag auf Ratenzahlung/Stundung bei mit dem Hinweis, dass die dort enthaltenen Fragen lückenlos beantwortet und entsprechende Unterlagen beigefügt werden müssten. Hierauf hat der Kläger nicht reagiert und weder einen Antrag gestellt noch entsprechende Angaben gemacht. Aufgrund des fehlenden Antrags auf Ratenzahlung/Stundung und der fehlenden Angaben des Klägers zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen hat die Beklagte keine Ratenzahlung bewilligt. Sie durfte aus der mangelnden Mitwirkung des Klägers schließen, dass dieser in der Lage sei, den Erstattungsbetrag sofort und in voller Höhe zu bezahlen. Es wäre Sache des Klägers gewesen, zur Erlangung einer Ratenzahlung entsprechende Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen, zumal ihn die Beklagte hierzu aufgefordert hatte (BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 6 ZB 18.1761 – juris Rn. 16; B.v. 26.10.2017 – 6 ZB 17.1640 – juris Rn. 16; OVG NW, B.v. 23.5.2017 – 1 A 867/17 – juris Rn. 18).
Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge, die bloße Bezugnahme auf den vorangegangenen Leistungsbescheid und den Widerspruchsbescheid stelle keine ausreichende Begründung dar und verstoße gegen § 117 Abs. 5 VwGO. Nach § 117 Abs. 5 VwGO kann das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Das ist hier der Fall, weil das Verwaltungsgericht – mangels einer über das Widerspruchsvorbringen hinausgehenden Klagebegründung – auf die (zutreffenden) Gründe des angefochtenen Leistungsbescheides und des Widerspruchsbescheids Bezug genommen hat und ihnen gefolgt ist. Das ist ausreichend und entgegen der Annahme des Klägers verfassungsrechtlich unbedenklich, weil der Kläger den ihm bekannten Bescheiden, auf die das Urteil Bezug genommen hat, deutlich entnehmen konnte, welche Erwägungen maßgeblich waren. Die Funktion einer hinreichenden schriftlichen Urteilsbegründung erfüllt auch eine Bezugnahme auf die den Beteiligten bekannten Verwaltungsakte, sofern sich hieraus – wie hier – die für die richterliche Überzeugung maßgebenden Gründe mit hinreichender Klarheit ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 9.4.2019 – 6 ZB 18.2402 – juris Rn. 8).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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