Sozialrecht

Erstattungsanspruch eines Grundsicherungsgegen einen Rentenversicherungsträger wegen “aufstockender” Leistungen

Aktenzeichen  L 19 R 585/18

Datum:
3.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 8710
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 25;
SGB VI § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1;
SGB VI § 20 Abs. 1 Nr. 3b;
SGB VI § 21 Abs 4;
SGB VI § 3 Satz 1 Nr 3a;
SGB X § 102 Abs. 1;
SGB X § 102 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein Erstattungsanspruch eines Grundsicherungsgegen einen Rentenversicherungsträger wegen “aufstockender” Leistungen bei Anspruch des Versicherten auf Übergangsgeld besteht nicht (entgegen BSG Urteil vom 12.04.2017 – B 13 R 14/16 R).

Verfahrensgang

S 16 R 279/17 2018-07-05 Urt SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 05.07.2018 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert des Verfahrens wird für beide Instanzen auf jeweils 756,53 € festgesetzt.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Insbesondere ergeben sich hinsichtlich der Statthaftigkeit der Berufung im Hinblick auf den für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern eigentlich notwendigen Berufungsstreitwert von 10.000,00 € (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG) keine Bedenken, weil das SG die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen hat. Der Senat ist gemäß § 144 Abs. 3 SGG an die Zulassung gebunden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 05.07.2018 einen Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von 756,53 € abgelehnt. Ein Anspruch auf Erstattung des vom Kläger an die Versicherte aufstockend gezahlten Arbeitslosengeldes II gegen die Beklagte besteht nicht. Der vom Kläger geltend gemachte „Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X“ führt nicht zu einem Anspruch, weil die hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben sind (1.). Aber auch auf § 25 SGB II i.V.m. § 102 SGB X entsprechend kann ein Erstattungsanspruch des Klägers nicht gestützt werden (2.).
1. Kein Erstattungsanspruch des Klägers nach § 104 SGB X.
Der Kläger hat vorliegend zunächst mit Schreiben vom 09.12.2014 bei der Beklagten einen „Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 ff. SGB X“ angezeigt und – nach telefonischer Ablehnung durch die Beklagte – mit weiterem Schreiben vom 17.04.2015 konkret einen „Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X i.V.m. §§ 40 Abs. 2, 40a SGB II“ in Höhe von 756,53 € geltend gemacht. Für die Zeit vom 24.02.2015 – 14.04.2015 habe die Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld. Es bestünden Erstattungsansprüche in Höhe von 673,17 €, für die die Beklagte sei nach seinen Unterlagen erstattungspflichtig sei. Zudem bestünde ein Anspruch auf Ersatz der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 70,31 € bzw. 13,05 € auf der Grundlage des § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II. Dem Schreiben vom 17.04.2015 war noch folgender Zusatz angefügt: „Auf das Übergangsgeld in Höhe von täglich 13,51 € (Höhe wie ALG I) werde kein Erstattungsanspruch angemeldet. Die Versicherte sei im ALG-II-Bezug. Es werde nur der Restbetrag zwischen dem Übergangsgeld und den SGB II-Leistungen als Erstattungsanspruch angemeldet“.
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob ein Schreiben, mit dem ein „Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 ff SGB X“ angezeigt wird, überhaupt ausreichend wäre, um die für einen Erstattungsanspruch notwendige Individualisierung und Konkretisierung des Sozialleistungsverhältnisses annehmen zu können (vgl. hierzu grundlegend: Roos, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, Vor §§ 102 – 114 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls liegen die gesetzlich in § 104 SGB X genannten Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte offensichtlich nicht vor.
Gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger nach § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (§ 104 Abs. 1 S. 3 SGB X). Grundsätzlich kann ein Leistungsträger nach dem SGB II ein nachrangig zuständiger Leistungsträger im Sinne des § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X auch in Bezug auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sein.
Ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X setzt aber zwingend einen Leistungsanspruch des Versicherten auf die vorrangige Leistung voraus (Roos, in: Schütze, Kommentar zum SGB X, 9. Aufl, 2020, § 104 Rdnr 8 m.w.N.). Die Versicherte hatte aber infolge des Aufhebungsbescheids der BA vom 18.02.2015 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der stationären Reha mehr, wobei vorliegend dahingestellt bleiben kann, ob die BA diesen Bescheid zu erlassen hatte oder den Weg nach § 145 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III – hätte begehen müssen. Eine Zahlung von Arbeitslosengeld ist an die Versicherte aufgrund dieses Bescheids der BA während der Rehamaßnahme nicht mehr erfolgt. Die Beklagte wiederum hatte der Versicherten mit bestandskräftigem Bescheid vom 23.03.2015 ein Übergangsgeld für die Dauer der stationären Rehamaßnahme in Höhe des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes zuerkannt. Ein Rechtsbehelf der Versicherten ist hiergegen nicht ergriffen worden. Ein darüber hinausgehender Anspruch wurde von der Versicherten auch sonst nicht geltend gemacht.
Zum anderen hat die Beklagte bereits vor dem 17.04.2015 auf dringende Bitte der Versicherten das Übergangsgeld an diese ausgezahlt, nachdem diese keine Leistungen von der BA mehr erhalten hatte. Wenn erst in dem Schreiben des Klägers vom 17.04.2015 die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gesehen würde, hätte die Beklagte bereits mit befreiender Wirkung an die Versicherte die Leistungen erbracht, so dass insoweit kein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X mehr bestehen würde. Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 17.04.2015 wohl auch deshalb den Zusatz angefügt, dass auf das Übergangsgeld in Höhe von 13,51 € auch kein Erstattungsanspruch angemeldet werde.
Die von ihm eingeforderten Beträge betreffen also offensichtlich nur die Leistungen nach dem SGB II, die die Versicherte als aufstockende Leistungen im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II zu beanspruchen hatte, um ihr verfassungsrechtlich garantiertes Existenzminimum abzudecken. § 104 Abs. 1 S. 3 SGB X schließt aber ausdrücklich einen Erstattungsanspruch des nachrangigen Trägers aus, soweit er diese Leistungen auch dann zu erbringen hätte, wenn der vorrangige Leistungsträger seine Leistung erbracht hat (Roos, a.a.O., § 104 SGB X, Rdnr 6 m.w.N.). Der Kläger hätte sowohl bei einem weiteren Bezug von Arbeitslosengeld durch die Versicherte die aufstockenden Leistungen nach dem SGB II erbringen müssen als auch bei dem – das Arbeitslosengeld für die Dauer der stationären medizinischen Rehamaßnahme ersetzenden – Bezug von Übergangsgeld. Zu einem Wegfall der Leistungsverpflichtung des Klägers kommt es gerade nicht.
2. Keine Erstattung auf der Grundlage des § 25 SGB II i.V.m. § 102 SGB X entsprechend Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass sein Erstattungsbegehren für die Beklagte als Anspruchsgegnerin zumindest individualisierbar und konkretisierbar in Bezug auf die Person der Versicherten, die Dauer der stationären medizinischen Rehamaßnahme und die erbrachten Leistungen gewesen war, liegen die Voraussetzungen für eine Erstattung der hier streitgegenständlichen Zahlungen nicht vor, weil der Kläger auch auf der Grundlage des § 25 SGB II keinen Anspruch auf Erstattung der geleisteten Zahlungen in Höhe von 756,53 € gegen die Beklagte hat.
Gemäß § 25 S. 1 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung vom 13.05.2011, gültig vom 01.04.2011 bis 17.02.2021 (BGBl 2011 I, 850), erbringen die Träger der Leistungen nach dem SGB II die bisherigen Leistungen „als Vorschuss“ auf die Leistungen der Rentenversicherung weiter, wenn Leistungsberechtigte nach dem SGB II dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Gemäß § 25 S. 3 SGB II gilt § 102 SGB X entsprechend.
a. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 25 S. 1 SGB II wird durch diese Norm eine gesetzliche Fiktion begründet, dass Leistungen nach dem SGB II „als Vorschuss“ auf die Leistungen des Rentenversicherungsträgers zu werten sind, wenn die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung an Leistungsbezieher nach dem SGB II medizinische Leistungen zur Rehabilitation erbringen. Weitere, unabdingbare Voraussetzung ist jedoch auch, dass die Leistungsbezieher dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Ob dieser Anspruch dem Grunde nach für den jeweiligen Leistungsbezieher besteht, richtet sich nicht nach den Vorschriften des SGB II, sondern – wie das BSG dies in seiner Entscheidung vom 12.04.2017 (Az B 13 R 14/16 R) auch festgestellt hat – nach den Vorschriften des SGB VI, hier den §§ 20, 21 SGB VI. Allein die Zahlung von Arbeitslosengeld II – so wie von den Vertretern des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2021 vorgetragen – löst eine Erstattungspflicht des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung sicherlich nicht aus.
b. Grundsätzlich ist zu beachten, dass ein Anspruch auf Übergangsgeld nach den §§ 20, 21 SGB VI zum einen unabdingbar verknüpft ist mit einem Anspruch eines Versicherten im Sinne der §§ 1 ff. SGB VI auf Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, insoweit, als ein Anspruch auf Übergangsgeld nach §§ 20, 21 SGB VI nur als Annex zu Rehaleistungen zu sehen ist, auf das es ohne Rehaleistungen grundsätzlich keinen Anspruch geben kann. Zum anderen entsteht der Anspruch auf Übergangsgeld aber umgekehrt auch nicht automatisch mit Zuerkennung einer Rehamaßnahme durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, also bei Vorliegen der §§ 9 bis 17 SGB VI, er fordert vielmehr weitere Voraussetzungen, insbesondere den Eintritt eines Ausfalls von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder von beitragspflichtigen Entgeltersatzleistungen (wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld) infolge der Teilnahme an der – meist nur kurzfristigen, wenige Wochen in Anspruch nehmenden – Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Sinn und Zweck des Übergangsgeldanspruchs nach den §§ 20, 21 SGB VI ist es, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder – falls Arbeitsunfähigkeit nicht vorliegt – unmittelbar vor Beginn der Rehamaßnahme bestehende Einkommenssituation des/der Versicherten auch für die Zeit der medizinischen Rehabilitation sicherzustellen (Entgeltersatzprinzip und Kontinuitätsauftrag durch den Anspruch auf Übergangsgeld) (so auch BSG, a.a.O., Rdnr 27).
c. Ein Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach den §§ 9 ff. SGB VI kann dabei nur Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung zustehen. Wer versichert ist in der gesetzlichen Rentenversicherung regeln die §§ 1 ff. SGB VI. Im vorliegenden Fall ist die Versicherte als Bezieherin von Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit Würzburg nach § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI versichert, da sie vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 25.03.2014 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist und unmittelbar anschließend zunächst Krankengeld und nahtlos ab dem 05.10.2014 Arbeitslosengeld bezogen hat. Diese Versicherteneigenschaft liegt nach § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI vor, ohne dass es auf den Bezug von aufstockend gezahltem Arbeitslosengeld II oder auf den Bezug von Arbeitslosengeld II als Anrechnungszeiten, die die Einjahresfrist des § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI verlängern würden, ankäme. Die Versicherte hat offensichtlich auch die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Leistung der stationären medizinischen Rehabilitation nach den §§ 10 und 11 SGB VI erfüllt gehabt.
d. Ein Anspruch auf Übergangsgeld nach § 20 Abs. 1 SGB VI setzt neben der Versicherteneigenschaft (hier nach § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI) und der Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitation weiter voraus, dass Versicherte unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen, also der Maßnahme zur stationären medizinischen Rehabilitation, entweder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt und im Bemessungszeitraum (§§ 64 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX – n.F. bzw. §§ 46 ff. SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (a.F.)) Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben (§ 20 Abs. 1 Nr. 3a SGB VI) oder Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezuges von Arbeitslosengeld II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind (§ 20 Abs. 1 Nr. 3b SGB VI). Beitragsbemessungszeitraum ist dabei in der Regel der letzte Entgeltabrechnungszeitraum vor Beginn der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, üblicherweise die letzten 4 Wochen vor Beginn als Regelentgeltabrechnungszeitraum. Bereits daraus wird der gesetzlich formulierte enge zeitliche Vorbezug von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt oder -einkommen vor der Rehamaßnahme deutlich gemacht, der auch bei der Auslegung der Vorschriften der §§ 20, 21 SGB VI zu beachten ist.
e. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass § 25 SGB II ebenfalls eine Einschränkung seiner Anwendbarkeit beinhaltet. § 25 SGB II ist ausdrücklich nur dann anzuwenden, wenn es sich um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation handelt, nicht hingegen bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Bei letzteren Leistungen (z. B. Wiedereingliederungen, Ausbildungen und Umschulungen) ist davon auszugehen, dass diese durchaus einen erheblichen Zeitraum beanspruchen, so dass hier ein Wechsel des zuständigen Leistungsträgers auch gegenüber dem Leistungsbezieher bzw. Versicherten sinnvoll und ohne weitere Belastung ist (Ausnahme § 16 SGB II). Medizinische Leistungen zur Rehabilitation sind in der Regel auf einen relativ kurzen Zeitraum begrenzt (meist wenige Wochen), so dass für diesen kurzen Zeitraum im Verhältnis zum Leistungsbezieher ein Wechsel des Leistungsträgers vermieden werden soll, nicht zuletzt, weil von einem aktuellen Entgeltausfall auszugehen ist und unterschiedliche Fälligkeiten und aufwändige Ermittlungen des Leistungsanspruchs zu Lasten des Leistungsempfängers/Versicherten gehen würden. Die Regelung des § 25 SGB II dient deshalb nach herrschender Meinung der Vermeidung des Trägerwechsels (vgl. hierzu u. a. Bittner, in: juris-PK-SGB II, 5. Aufl., 2020, § 25 Rdnr 14; Köhler, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2018, § 25 Rdnr 11 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Wenn aber § 25 SGB II bei medizinischen Rehabilitationsleistungen der Vermeidung eines Trägerwechsels dient und gerade keine materiell-rechtliche Verschiebung der Leistungszuständigkeit auslösen soll, folgt daraus zur Überzeugung des Senats zwingend, dass sowohl ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II als auch auf Übergangsgeld zeitgleich für die Dauer der medizinischen Rehamaßnahme bestehen muss. Gleichzeitig darf aber für diesen Zeitraum der Dauer der medizinischen Rehamaßnahme nur einer der beiden Leistungsträger nach materiellem Recht (d. h. entweder nach dem SGB VI oder nach dem SGB II) leistungszuständig sein. Nur insoweit kommt der Zahlung von Arbeitslosengeld II der Charakter eines Vorschusses zu, der nach § 25 SGB II eine Erstattung durch den Rentenversicherungsträger nach sich ziehen kann. In diesem Fall ist dann auch die für einen Erstattungsanspruch notwendige und auch hier zu berücksichtigende zeitliche und sachliche Kongruenz der zu erbringenden Leistungen gegeben. Sind aber trotz einer materiell-rechtlich eindeutigen Leistungszuständigkeit weiterhin Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts nach dem SGB II „aufstockend“ notwendig, um das Existenzminimum des Leistungsbeziehers zu sichern, führt § 25 SGB II nicht zu einer Änderung der nach materiellem Recht bestehenden Leistungszuständigkeit.
f. Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI macht darüber hinaus auch deutlich, dass ein Anspruch auf Übergangsgeld nur dann bestehen kann, wenn eine Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt ist, entweder aus dem Entgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (Arbeitsentgelt) oder aus einer versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit (Arbeitseinkommen), oder aber aus der bezogenen Sozialleistung, deren Höhe und Berechnung sich an dem zuvor beitragspflichtigen Arbeitsentgelt orientiert. Der Bezug von Arbeitslosengeld II als solcher orientiert sich jedoch nicht an der Höhe des zuvor beitragspflichtigen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, sondern ausschließlich an der Bedürftigkeit des Leistungsempfängers im Sinne der §§ 7, 9 SGB II, d. h. an der Einkommens- und Vermögenssituation des Leistungsempfängers zur Bestreitung seines Lebensunterhalts (allgemeine Meinung, vgl. u. a. Köhler, a.a.O., § 25 SGB II Rdnr 13; Zabre, in: Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl., 2017, § 20 SGB VI, Rdnr 8; Jabben, in: BeckOK Sozialrecht, Stand 01.09.2020, § 20 SGB VI Rdnr 8 jeweils m. w. N.; so aber auch BSG, Urteil vom 12.04.2017, a.a.O., Rdnr28).
g. Des Weiteren ist aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 3b SGB VI zu entnehmen, dass die darin aufgezählten Sozialleistungen nicht kumulativ genannt sind, sondern eine alternative Auflistung erfolgt, weil die dort genannten Sozialleistungen jeweils Anspruchsvoraussetzungen haben, die zu einem individuellen Leistungsbezug führen, der andere – gleichzeitige – weitere Sozialleistungen, die auf den Ausgleich der gleichen Bedarfssituation gerichtet wären, grundsätzlich ausschließen. Ein Entgeltausfall kann aus unterschiedlichen Gründen eintreten, z. B. durch Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit. Der Kompensation des Entgeltausfalls dienen die jeweils in den einzelnen Gesetzbüchern des Sozialgesetzbuches genannten Geldleistungen, die von den jeweiligen, dort genannten Sozialleistungsträgern zu erbringen sind. Der Anspruch auf Zahlung von Krankengeld setzt z. B. einen Versicherungsfall nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – voraus, nämlich eine Krankheit im Sinne eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes, der Arbeitsunfähigkeit und/oder Behandlungsbedürftigkeit nach sich zieht. Wer erkrankt ist und Krankengeld bezieht, kann in der Regel nicht gleichzeitig Arbeitslosengeld nach den §§ 136 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III – beziehen, es sei denn, der Anspruch auf Krankengeld ist erschöpft (§ 48 SGB V) und es greift die sog. Nahtlosigkeitsregelung nach § 145 SGB III. § 145 Abs. 3 SGB III sieht wiederum einen gesetzlichen Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X vor, wenn der leistungsgeminderten Person von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Übergangsgeld oder eine Rente wegen Erwerbsminderung zuerkannt wird. Durch diese Erstattungsregelung wird sichergestellt, dass einerseits der regelmäßig leistende Sozialleistungsträger die laufende Zahlung an den Versicherten zunächst weiter erbringt und im Wege der Erstattung so diese Leistung für den Zeitraum wieder ausgeglichen wird, für den es die Leistungszuständigkeit eines anderen Sozialleistungsträgers im gegliederten System der gesetzlichen Sozialversicherung gibt. Hat der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung einem Versicherten eine Leistung der stationären medizinischen Rehabilitation zu erbringen, ist er auch für die Sicherung des Entgeltausfalls zuständig (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX a.F. bzw. § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX n.F.) und hat Übergangsgeld nach Maßgabe der §§ 20, 21 SGB VI zu zahlen. Aber nur im Falle der zeitgleichen Leistung mit Entgeltersatzfunktion – also von Arbeitslosengeld und Übergangsgeld – während der Dauer der medizinischen Rehabilitation wird durch den gesetzlich vorgesehenen Erstattungsanspruch auch ein Ausgleich hergestellt, dahingehend, dass der für die Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zuständige Leistungsträger – hier die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung – auch die Entgeltersatzleistung zu übernehmen haben. Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld haben Entgeltersatzfunktion, die sich an dem vorausgegangenen beitragspflichtigen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen orientieren. Sie sind sachlich kongruent, d. h. auf gleichartige Kompensation von Verdienstausfall gerichtet wie das Übergangsgeld während der Rehamaßnahme und erfüllen damit eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch. Sobald auch eine zeitliche Kongruenz vorliegt, d. h. die beiden Leistungen für den gleichen Zeitraum zustehen würden, kommt es zur Erstattung der primären Sozialleistung durch den Träger der Rentenversicherung.
h. Aufstockend gezahltes Arbeitslosengeld II erfüllt aber keine Entgeltausfallfunktion in dem soeben aufgezeigten Sinn, d. h. es berechnet sich nicht aus dem vorher beitragspflichtigen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und stellt den Ersatz dieses Arbeitsentgelts in Notsituationen der gesetzlichen Sozialversicherung sicher, sondern orientiert sich ausschließlich am nicht abgedeckten Lebensbedarf eines Leistungsempfängers nach dem SGB II (so auch BSG a.a.O., Rdnr 28 unter Bezugnahme auf die Begründung der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 30.03.2004 zum Entwurf eines Kommunalen Optionsgesetzes, BT-Drucks 15/2816, 16 zu Nr. 2). Die primären Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld, Übergangsgeld etc. sind dabei grundsätzlich als Einkommen im Rahmen der Bedarfsprüfung nach § 11 SGB II zu werten. Soweit Einkommen vorliegt, das den Bedarf deckt, fehlt es an einer Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ergibt sich beim Bezug von anderen Sozialleistungen deshalb nur insoweit, als diese Sozialleistungen als anrechenbares Einkommen nicht zur Bedarfsdeckung ausreichen (§ 9 Abs. 1 2. Alt. SGB II).
i. Im Gegensatz zu den primären Sozialleistungen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld, Verletztengeld u. ä. sind aus dem Arbeitslosengeld II – unabhängig davon, ob es nur aufstockend oder laufend gezahlt wird – keine Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu entrichten. Es handelt sich gerade nicht um eine selbst beitragspflichtige Sozialleistung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 3b SGB VI.
Trotzdem nennt § 20 Abs. 2 Nr. 3b SGB VI auch den Bezug von Arbeitslosengeld II als möglichen Leistungsvorbezug für einen Anspruch auf Übergangsgeld, aber nur dann, wenn zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind. Wie aber oben bereits dargestellt, sieht § 20 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI keine Kumulation von Sozialleistungen als Berechnungsgrundlage des Übergangsgeldes vor, sondern nennt die Leistungen alternativ, so dass bereits deswegen ein Anspruch auf Übergangsgeld bei Bezug von Arbeitslosengeld II nur dann in Betracht kommen kann, wenn es sich um den alleinigen laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II handelt, dem dann die Funktion einer Lohnersatzleistung z. B. nach Erschöpfung der Anspruchsdauer eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld zukommt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Des Weiteren gilt auch hier eine beitragsrechtliche Anknüpfung durch die gesetzlich in § 20 Abs. 1 Nr. 3b SGB VI geforderte Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die dem Arbeitslosengeld II-Bezug vorausgegangen sein muss, und zwar, wie auch bei den anderen dort genannten Sozialleistungen, unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit, alternativ vor Beginn der Reha-Maßnahme. Das BSG hat in seinem Urteil vom 12.04.2017 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Begriff „zuvor“ in der Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich interpretiert wird. Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur vertritt die Auffassung, dass es sich um einen nahtlosen Übergang zwischen beitragspflichtigem Arbeitsentgelt und nachfolgender Sozialleistung handeln muss und deshalb auch nur dann ein Anspruch auf Übergangsgeld zustehen kann, wenn dem Bezug von Arbeitslosengeld II (als Lohnersatzleistung in dem soeben beschriebenen Sinn) nahtlos ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer versicherungspflichtigen Tätigkeit mit Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung vorangegangen ist (so etwa Zabre, a.a.O., § 20 SGB VI Rdnr 4; Haack, in: Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 22.01.2019, § 20 SGB VI, Rdnr 11 ff.; Kater, in: KassKomm, Stand September 2020, § 20 Rdnr 10 ff.). Zur Vermeidung von Nachteilen des Versicherten wird aber auch bei Vorliegen besonderer Gründe im Einzelfall eine kurze Unterbrechung zwischen dem Vorbezug des beitragspflichtigen Entgelts oder Einkommens für unschädlich erachtet, etwa wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen (z. B. nach einer akuten Erkrankung) die medizinische Rehamaßnahme nicht unmittelbar antreten kann und z. B. unbezahlter Urlaub in Anspruch genommen werden muss (so z. B. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.04.2019 – L 13 R 4452/18 -, mit einer Zusammenfassung des Meinungsstandes, insbesondere Rdnrn 24 ff., juris). Zur Bestimmung einer zeitlichen Grenze wird teilweise an die Regelung des § 19 SGB V angeknüpft, in der ein zeitlich nachgehender Versicherungsschutz für die Dauer eines Monats vorgesehen ist (Kater, a.a.O., § 20 SGB VI Rdnr 9 ff. m.w.N.).
Das LSG Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung vom 09.04.2019 die Auffassung vertreten, dass sich eine exakte zeitliche Grenze zur Bestimmung des Begriffs der Unmittelbarkeit („zuvor“) nicht ziehen lasse, sondern nur einzelfallbezogen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm bestimmt werden könne. Es verweist dabei auf die Funktion des Übergangsgeldes, während einer Rehamaßnahme die Entgelt- und Einkommensverhältnisse aufrecht zu erhalten, die dem bisherigen Lebensstandard des Versicherten zugrunde lägen (a.a.O., Rdnr 26 unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 12.04.2017). Dann schränkt es aber den zeitlichen Rahmen unter Bezug auf die Bemessungsgrundlage des Übergangsgeldes nach §§ 46 ff. SGB IX a.F. wiederum ein, dass sich zwischenzeitlich keine andere Leistungsgrundlage gebildet habe oder hätte bilden können, weil sonst eine von Zufälligkeiten freie und den Lebensstandard des Versicherten ausreichend widerspiegelnde Bemessung des Übergangsgeldes nicht gewährleistet wäre (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rdnr 26).
Es ist jedoch zu beachten, dass der Anspruch auf Übergangsgeld nach § 20 SGB VI sich nicht nach dem „Lebensstandard“ des Versicherten richtet, sondern sich als kurzfristige Entgeltersatzleistung an dem vorherigen Arbeitseinkommen orientiert, das gegebenenfalls bereits durch andere beitragspflichtige Sozialleistungen ersetzt wird. Es orientiert sich an der Höhe dieser Entgeltersatzleistungen und hat deshalb eine unmittelbare Anknüpfung an die Einkommensverhältnisse vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bzw. des Beginns der Reha-Maßnahme und der vorausgegangenen Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte und das SG in seinen Entscheidungsgründen des Urteils vom 05.07.2018 haben insoweit bereits zutreffend auf die rechtshistorische Entwicklung der §§ 3, 11 und 20 SGB VI sowie auf die ursprüngliche Beitragspflicht auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II generell bis 31.12.2010 hingewiesen. Der Senat macht sich diese Ausführungen zu eigen und verzichtet auf eine weitere Darlegung.
Ohne diesen unmittelbaren Vorbezug, von dem zugunsten des Versicherten in begründeten Ausnahmefällen um wenige Tage oder einzelne Wochen abgewichen werden könnte (wie bereits in der Vergangenheit immer wieder von Gerichten entschieden) gäbe es keine zeitliche Grenze der Rückwirkung und auch keine ausreichende Begründung für eine Begrenzung. Das BSG hat in seinem Urteil vom 12.04.2017 ausgeführt, dass es keine zeitliche exakte Grenze gäbe und es deshalb „nahe läge“, auf die Regelung des § 11 SGB VI zurückzugreifen, wonach jedenfalls für eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation ausreichend sei, dass innerhalb von 2 Jahren vor Antragstellung mindestens 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorlägen (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Wie oben aber bereits ausgeführt, ist zwischen den gesetzlich genannten Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Leistung der medizinischen Rehabilitation nach den §§ 9 bis 17 SGB VI und dem Anspruch auf Übergangsgeld nach den §§ 20, 21 SGB VI streng zu unterscheiden. Für die Anknüpfung an § 11 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI bezieht sich das BSG auf den Kontinuitätsgrundsatz, legt hierbei aber den „Lebensstandard“ des Versicherten zugrunde, auf den es aber gerade nicht ankommt. Das BSG hat bislang auch nicht entschieden, ob etwa die sog. große Wartezeit von 15 Jahren im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ausreichend sein könnte, um einen Anspruch auf Übergangsgeld auszulösen, die z.B. auch ohne Pflichtbeiträge aus versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit erfüllt werden könnte. Dies ist hier allerdings nicht zu entscheiden. Dies entspricht aber sicherlich – wie das BSG ausgeführt hat – nicht der Entgeltausfallfunktion des Übergangsgeldes und auch nicht den unterschiedlichen Leistungszuständigkeiten im gegliederten System der gesetzlichen Sozialversicherung, denen durch entsprechende Erstattungsansprüche Rechnung zu tragen ist, ohne dass der Versicherte einen (ggf. auch nur vorübergehenden) Entgeltausfall durch nicht rechtzeitige Leistungserbringung des zuständigen Trägers zu schultern hat.
j. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 21 SGB VI über die Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes, dass lediglich aufstockend gezahltes Arbeitslosengeld II der Berechnung des Übergangsgeldes nicht zugrunde gelegt werden kann. Zum einen wird in Abs. 1 auf die Vorschriften des Teils I, 11. Kapitel des SGB IX verwiesen, das den engen zeitlichen Bezug zum letzten Entgeltabrechnungszeitraum und damit zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen herstellt. Zum anderen erhalten nach § 21 Abs. 4 S. 1 Hs 1 SGB VI Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen Arbeitslosengeld bezogen und die zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen in Höhe des bei Krankheit zu erbringenden Krankengeldes (§ 47b SGB V). Eine Erhöhung des Anspruchs auf Übergangsgeld durch aufstockend gezahltes Arbeitslosengeld II ist in § 21 Abs. 4 S. 1 Hs 1 SGB VI gerade nicht vorgesehen. Demgegenüber wird in § 21 Abs. 4 S. 1 Hs 2 SGB VI die Höhe des Übergangsgeldanspruchs bei ausschließlichem Bezug von Arbeitslosengeld II festgelegt. Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen Arbeitslosengeld II bezogen und die zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, erhalten Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II. Durch diese gesetzliche Regelung ist sichergestellt, dass bei laufendem Bezug von Arbeitslosengeld II, das in diesem Fall fiktiv die Funktion einer laufenden Lohnersatzleistung haben würde, nicht zwischen den einzelnen Kompensationen des zu deckenden Lebensbedarfs des Leistungsempfängers nach dem SGB II differenziert werden soll, um eine möglichst reibungslose Abwicklung des Erstattungsanspruchs im Rahmen des § 25 SGB II zu gewährleisten. Sicherlich könnte man die Frage aufwerfen, ob es überhaupt Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung sein kann, Zahlungen eines Fürsorgesystems aus Steuermitteln zur Deckung der Wohnraummiete, Heizung, Nebenkosten etc. oder etwa anteilige Zahlungen für aufwändige Ernährung oder Sonderbedarfe von Leistungsempfängern auszugleichen. Gerade eine solche Differenzierung wird durch das Zusammenspiel der Regelungen des § 21 Abs. 4 S. 1 Hs 2 SGB VI mit § 25 SGB II vermieden. Dies erfolgt zur Verwaltungsvereinfachung, die aufgrund des zeitlich befristeten Rahmens einer medizinischen Rehabilitation zugunsten des Versicherten, der jetzt Arbeitslosengeld II als (faktische) Lohnersatzleistung bezieht, auch durchaus akzeptabel und vernünftig erscheint. Soweit laufend Arbeitslosengeld II gezahlt wird und dieser Leistung unmittelbar vorher Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vorangegangen sind, ist Übergangsgeld in Höhe des laufend gezahlten Arbeitslosengeldes II festzustellen. Insoweit – und nur insoweit – greift nach Auffassung des Senats die Fiktion des § 25 S. 1 SGB II, dass die Leistungen des Trägers nach dem SGB II als Vorschuss auf die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zu verstehen sind (so wohl auch unter Kritik an der Rechtsprechung des BSG als „nicht restlos überzeugend“: Köhler, a.a.O., § 25 SGB II Rdnr 13 m.w.N.).
k. Die hier herausgearbeitete Rechtssystematik des Verhältnisses der Regelungen der §§ 20, 21 SGB VI zu den Vorschriften der §§ 9 bis 17 SGB VI über den Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation auf der einen Seite mit der konkreten Zielsetzung des Anspruchs auf Übergangsgeld als Entgeltersatz oder auch Ersatz einer beitragsbezogenen vorangegangenen Sozialleistung einerseits sowie der Frage der Leistungszuständigkeiten im gegliederten System der gesetzlichen Sozialversicherung und den daraus folgenden Erstattungsansprüchen in Verhältnis zu den Leistungen nach dem SGB II andererseits hat im Übrigen auch der Gesetzgeber zwischenzeitlich durch eine Neufassung der hier relevanten Vorschriften des § 21 Abs. 4 SGB VI und des § 25 SGB II mit Gesetz vom 11.02.2021 (BGBl I 2021, 154) klarstellend umgesetzt: In der ab dem 18.02.2021 geltenden Fassung lautet § 25 SGB II nunmehr: „Haben Leistungsberechtigte dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II, erbringen die Träger der Leistungen nach diesem Buch die bisherigen Leistungen als Vorschuss auf die Leistungen der Rentenversicherung weiter; dies gilt entsprechend bei einem Anspruch auf Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung.“
§ 21 Abs. 4 S. 2 SGB VI, der bisher bei bestimmten Gründen einen Anspruch auf Übergangsgeld ausgeschlossen hatte, wurde um einen Buchstaben e) ergänzt. Nach § 21 Abs. 3 S. 2 e) SGB VI besteht „kein Anspruch auf Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes II für Empfänger der Leistung, die Arbeitslosengeld II als ergänzende Leistung zum Einkommen erhalten“.
Nach der gesetzgeberischen Begründung (BT-Drs 19/23550 S. 103) stellt die Vorschrift des § 21 Abs. 4 S. 1, 2. Hs SGB VI eine Ausnahmeregelung im Rahmen der Bemessung von Übergangsgeld dar, weil ein aktuelles, beitragspflichtiges Entgelt aus Erwerbseinkommen oder Entgeltersatzleistungen nicht herangezogen werden könne. Im Falle der Aufstockung rentenversicherungspflichtiger Einkommen mit Arbeitslosengeld II sei dies jedoch möglich und – mit Blick auf die Entgeltersatzfunktion des Übergangsgeldes – geboten. Zudem trete eine Versorgungslücke aufgrund unterschiedlicher Auszahlungszeitpunkte des Übergangsgeldes einerseits und des Erwerbseinkommens bzw. der weiteren Entgeltersatzleistungen andererseits in der Regel nicht ein. Mit Einführung von Buchstabe e) werde deshalb klargestellt, dass die Ausnahmeregelung des Abs. 4 S. 1 2. Hs keine Anwendung für Versicherte finde, die neben Erwerbseinkommen oder Entgeltersatzleistungen Arbeitslosengeld II als ergänzende, sogenannte aufstockende Leistungen erhalten. Deren Anspruch auf Übergangsgeld richtet sich vielmehr allein nach den für die jeweilige Einkommensart geltenden Regelungen. Denn es sei nicht Aufgabe der Rentenversicherung, existenzsichernde Unterhaltsleistungen, die von den Jobcentern aufstockend gezahlt würden, im Rahmen von Übergangsgeld zu finanzieren. Vielmehr zahlen die Jobcenter neben dem auf der Grundlage von Beiträgen zur Rentenversicherung bemessenen Übergangsgeld im Bedarfsfall weiterhin Arbeitslosengeld II als aufstockende Leistungen.
Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 05.07.2018 als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens (§ 197a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung).
Die Revision war zuzulassen, weil der Senat mit der vorliegenden Entscheidung vom Urteil des BSG vom 12.04.2017 – B 13 R 14/16 R – abweicht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 S. 1 Gerichtskostengesetz.


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