Sozialrecht

Fachpsychiatrisches Gutachten, Dienstunfallrecht, Dienstunfallfolge, Widerspruchsbescheid, Verwaltungsgerichte, Ablehnungsbescheid, Angststörung, Befähigung zum Richteramt, Schriftsätze, Einholung eines Gutachtens, Kein Gutachten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Fürsorgepflicht des Dienstherrn, Kostenentscheidung, Aufhebung, Rechtsmittelbelehrung, Grad der Schwerbehinderung, Behördliche Verfahrenshandlung, Streitwertfestsetzung, Verdachtsdiagnose

Aktenzeichen  AN 1 K 20.00846

Datum:
9.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 8268
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 45 ff.
BayVwVfG Art. 22
VwGO § 44a S. 1

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid vom 13. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2017 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) wird Unfallfürsorge gewährt, wenn ein Beamter oder eine Beamtin durch einen Dienstunfall verletzt wird. Ein Körperschaden wird als Folge eines – wie hier: anerkannten – Dienstunfalles festgestellt, wenn das Unfallereignis zumindest als wesentliche Teilursache für das Entstehen des Körperschadens betrachtet werden kann.
Mit streitgegenständlichem Bescheid lehnte der Beklagte die Anerkennung einer Angststörung als weitere Dienstunfallfolge des anerkannten Dienstunfalls vom 23. Dezember 2009 ab. Die Ablehnung der Anerkennung einer Angststörung als weitere Dienstunfallfolge mit Bescheid vom 13. September 2017 stellt sich aber als rechtmäßig dar, da ein Körperschaden in Form einer Angststörung nicht besteht. Dies steht fest aufgrund des durch den Beklagten eingeholten fachpsychiatrischen Gutachtens des …, … – Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 18. Dezember 2019, hinsichtlich dessen Verwertbarkeit die Kammer keine Bedenken hat. Vielmehr liegt beim Kläger aufgrund des bereits anerkannten Unfallereignis vom 23. Dezember 2009 seit 18. Mai 2010 eine Anpassungsstörung, ab Mai 2012 übergehend in eine leicht bis mittelgradig depressive Episode vor, die mit Bescheid des Beklagten vom 9. Juli 2020 als weitere Dienstunfallfolge anerkannt worden ist.
Entgegen der Annahme des Klägers stand der Ablehnung einer Angststörung als Dienstunfallfolge nicht ein fehlender Antrag des Klägers entgegen.
Gemäß Art. 22 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) entscheidet die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss (Art. 22 Satz 2 Nr. 1 BayVwVfG) oder nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt (Art. 22 Satz 2 Nr. 2 BayVwVfG).
Nach Art. 47 Abs. 1 und 2 BayBeamtVG bedarf es sowohl für den Dienstunfall als auch für Dienstunfallfolgen einer Meldung an den Dienstvorgesetzten bzw. die Pensionsbehörde. Eine entsprechende Meldung hat der Kläger dem Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – mit Schreiben vom 20. Juni 2017, 3. Juli 2017, 27. Juli 2017 und 6. September 2017 gegenüber vorgenommen. Unter Hinweis auf das Fachneurologischen Gutachten des …, …, vom 18. April 2017 verwies der Kläger wegen des Verdachtes einer Angststörung auf die Notwendigkeit eines fachärztlichen Gutachtens.
Dabei musste und durfte der Beklagte die Schreiben des Klägers auch als Antrag auf Anerkennung einer Angststörung als weitere Dienstunfallfolge verstehen. Auch wenn der Kläger in einem Teil seiner Schreiben lediglich die Beauftragung eines fachpsychiatrischen Gutachtens vorgeschlagen bzw. gefordert hat, konnte der Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger im Falle des Vorliegens einer Angststörung diese auch tatsächlich als Unfallfolge anerkannt hätte haben wollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 44a Satz 1 VwGO behördliche Verfahrenshandlungen nicht isoliert angegriffen bzw. durchgesetzt werden können. Vielmehr können Rechtsbehelfe hinsichtlich behördlicher Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (VG Düsseldorf, U.v. 18.10.2010 – 23 K 195/10 – juris Rn. 33; VG Göttingen, B.v. 25.7.2006 – 3 B 270/06 – juris Rn. 3). Entsprechend konnten die Schreiben vom 18. Juni 2017, 3. Juli 2017 und 27. Juli 2017, mit denen die Beauftragung eines fachpsychiatrischen Gutachtens bzw. eines rechtsbehelfsfähigen Ablehnungsbescheides zur Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens beantragt worden waren, zumindest als konkludente Anträge auf Anerkennung der ggf. feststellbaren Körperschäden bzw. rechtsmittelfähige Ablehnung derselben betrachtet werden.
Hinzukommt, dass sich aufgrund der Argumentation des Klägers in einem Teil seiner Schriftsätze hinsichtlich des Erfordernisses eines fachpsychiatrischen Gutachtens aufdrängen musste, dass es dem Kläger um die Anerkennung einer Angststörung gegangen ist. So sprach der Kläger in seinem Schreiben vom 6. September 2017 davon, dass es in der Natur der Sache liege, dass der Betroffene einer Angststörung diese als solche nicht wahrnehme, sondern seine Vermeidungsstrategien vor sich selbst rechtfertige und eine ärztliche Behandlung nicht für geboten halte. In einem weiteren Schreiben vom 25. Oktober 2017 verweist der Kläger auf einen Anscheinsbeweis hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen den Symptomen einer Angststörung und seiner durch den Dienstunfall erlittenen, bereits anerkannten Körperschäden und erneut auf nicht ausgeschlossene Vermeidungsstrategien. Diesen Äußerungen ist nach Überzeugung des Gerichts zu entnehmen, dass der Kläger – selbst wenn er eine Angststörung für sich negiere und eine Behandlung ablehne – die Möglichkeit des Vorliegens einer Angststörung nicht ausschließt und im Falle des Vorliegens einer Angststörung diese dann – logischerweise – auch anerkannt haben wolle.
Soweit der Kläger mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 sich dahingehend aussprach, dass es ihm darum gehe, mit dem beantragten Gutachten den „Makel“ der Angststörung zu beseitigen, so hat der Kläger keinen Anspruch darauf, im Rahmen eines dienstunfallrechtlichen Verfahrens das Vorliegen einer Gesundheitsstörung auszuschließen.
Letztlich hat der Kläger aber spätestens im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2017, mit dem er auf gerichtlichen Hinweis hin ausdrücklich klargestellt hat, dass er u.a. die Feststellung einer Angststörung als weitere Dienstunfallfolge begehre, und mit Schreiben vom 22. Mai 2018, mit dem er „am Antrag zur Einholung eines unabhängigen fachpsychiatrischen Gutachtens zur vollständigen Feststellung aller Dienstunfallfolgen“ festgehalten hat, bestehende Widersprüche in seinen Einlassungen dahingehend beseitigt, dass er tatsächlich im Falle ihres Vorliegens eine Angststörung als Dienstunfallfolge anerkannt haben wolle. Selbst bei Annahme eines fehlenden Antrages wäre gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayVwVfG spätestens mit diesen Klarstellungen Heilung eingetreten.
Entsprechend war die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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