Sozialrecht

Fiktive Vorverlegung des Diensteintritts

Aktenzeichen  B 5 K 18.777

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10918
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 34 Abs. 2
BayLlbG Art. 39 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Diensteintritt der Klägerin nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG um den Zeitraum vom 01.01.2004 bis zum 30.11.2009 fiktiv vorzuverlegen oder darüber neu zu entscheiden. Zurecht hat der Beklagte die Anerkennung dieses Zeitraums in Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid abgelehnt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Während in Art. 31 Abs. 1 BayBesG diejenigen Zeiträume aufgeführt sind, um die bei Vorliegen der Voraussetzungen der Diensteintritt zwingend fiktiv vorzuverlegen ist, betrifft Absatz 2 Zeiträume, um die fakultativ und nur auf Antrag eine Vorverlegung vorgenommen werden kann. Tatbestandlich erforderlich für diese Ermessensnorm ist, dass sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten vorliegen, die nicht aus rechtlichen Gründen unberücksichtigt bleiben müssen.
Insgesamt stehen folgende Zeiträume und Tätigkeiten im Raum:
01.01.2002 bis 31.11.2004
NWHK und DFG-Graduiertenkolleg
Beantragt am 28.02.2018
Erstmalig abgelehnt im Widerspruchsbescheid v. 25.06.2018
01.12.2004 bis 30.11.2006
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Beantragt am 27.10.2017
Abgelehnt im Ausgangsbescheid v. 02.02.2017, Widerspruch dagegen zurückgewiesen
01.12.2006 bis 30.11.2009
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Beantragt am 27.10.2017
Anerkannt im
Ausgangsbescheid,
abgelehnt im Widerspruchsbescheid
01.12.2009 bis 30.11.2010
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Beantragt am 27.10.2017
Anerkannt in Ausgangs- und Widerspruchsbescheid
Die Tätigkeit als NWHK an der Universität … vom 01.01.2002 bis 30.11.2004 erfolgte im Umfang von 19 Stunden pro Monat. Im selben Zeitraum war sie Stipendiatin am DFG-Graduiertenkolleg und leitete in diesem Rahmen ein eigenes Forschungsprojekt. Ab dem 01.12.2004 war sie im Umfang von 40 Stunden pro Monat als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität … tätig. Parallel dazu promovierte sie vom 01.01.2000 bis 01.12.2009 und war vom 01.01.2001 bis 31.03.2005 als Promotionsstudentin eingeschrieben.
Über den in Bescheid und Widerspruchsbescheid bereits anerkannten Zeitraum vom 01.12.2009 bis 30.11.2010 hinaus ist kein weiterer Zeitraum zu berücksichtigen. Zurecht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass eine förderliche hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des Tatbestands von Art. 31 Abs. 2 BayBesG nur ab dem 01.12.2004 vorliegt (dazu unter a). Hiervon sind insgesamt fünf Jahre in Abzug zu bringen (dazu unter b), sodass es bei dem bereits anerkannten Zeitraum von 01.12.2009 bis 30.11.2010 verbleibt. Dem steht die Anerkennung des Zeitraums von 01.12.2004 bis 30.11.2006 im Ausgangsbescheid nicht entgegen, weil dieser insoweit in letztlich nicht zu beanstandender Weise im Rahmen des Widerspruchsbescheids zurückgenommen worden ist (dazu unter c).
a) Hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Landesanstalt für landwirtschaftliche Chemie der Universität … im Zeitraum von 01.12.2004 bis 30.11.2010 ist unstreitig, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer förderlichen hauptberuflichen Tätigkeit vorliegen. Für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 30.11.2004 hingegen fehlt es zwar nicht an der Tatbestandsvoraussetzung der förderlichen (dazu unter aa), aber an derjenigen einer hauptberuflichen Tätigkeit (dazu unter bb).
aa) Inhaltlich förderlich waren sowohl die Mitarbeit am DFG-Graduiertenkolleg, als auch die Tätigkeit als NWHK. Der Begriff der Förderlichkeit nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG ist gem. Nr. 31.2.3 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 22.12.2010, Az. 23 P 1502/1 – 022 – 16 997/10, FMBl. 2011 S. 9 – BayVwVBes) weit auszulegen und auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit bezogen. Es kommen insbesondere Tätigkeiten in Betracht, durch die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben wurden, die für die auszuübenden Tätigkeiten von Nutzen oder Interesse sind. Zwar entfalten die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften gegenüber der erkennenden Kammer grundsätzlich keine Bindungswirkung. Sie sind jedoch als Auslegungshilfe heranzuziehen (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2002 – 8 C 30/01 – juris; BayVGH, B.v. 26.3.2015 – 3 BV 13.157 – juris). Daran gemessen hat die Klägerin im Rahmen der NWHK-Tätigkeit insbesondere Erfahrung mit der selbstständigen Laborarbeit und im Rahmen des Graduiertenkollegs unter anderem eine fundierte wissenschaftliche Methodik sowie Erfahrungen im Umgang mit Kunden aus der Industrie und hinsichtlich der Interpretation von Untersuchungsergebnissen gewonnen, die auch für ihre jetzige Tätigkeit an der Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen nutzbar sind.
bb) Hinsichtlich des insoweit fraglichen Zeitraums vom 01.01.2002 bis zum 30.11.2004 liegt jedoch das Tatbestandsmerkmal der Hauptberuflichkeit nicht, auch nicht in der Zusammenschau der Tätigkeit der Klägerin als NWHK und des Graduiertenkollegs, zur Überzeugung des Gerichtes vor.
Das Kriterium der „Hauptberuflichkeit“ wird in den in Nr. 31.1.1.9 BayVwVBes näher ausgeführt. Danach ist zur Hauptberuflichkeit erforderlich, dass eine Tätigkeit entgeltlich ausgeübt wird, nach den Lebensumständen den beruflichen Tätigkeitsschwerpunkt darstellt und mindestens in dem im Beamtenverhältnis zugelassenen Umfang ausgeübt wird. Die Berufstätigkeit kann unselbstständiger oder selbstständiger Art sein.
Unschädlich ist zunächst die Einschreibung der Klägerin in diesem Zeitraum als Promotionsstudentin. Zwar können gem. Nr. 31.2.1 Abs. 3 Satz 2 BayVwVBes während der Zeiten einer Berufsausbildung, die üblicherweise in Vollzeit erbracht wird, wie z.B. eines Studiums, grundsätzlich keine hauptberuflichen Beschäftigungszeiten vorliegen. Allerdings ist die Einschreibung der Klägerin als Promotionsstudentin dem Besuch eines Grundstudiums im Sinne einer akademischen Hochschulausbildung nicht vergleichbar. Während letzteres auf die Wissensvermittlung für eine studienabschließende Graduierung abzielt, dient ersteres vornehmlich dazu, Promovenden den sozialrechtlichen Status eines Studierenden zu erhalten und universitäre Einrichtungen leichter nutzbar zu machen. Insoweit hat das Promotionsstudium nicht den Charakter einer Berufsausbildung.
Die Tätigkeit als geprüfte wissenschaftliche Hilfskraft wurde nicht im erforderlichen Zeitumfang ausgeübt. Maßgeblich für den zeitlichen Mindestumfang ist der zum Zeitpunkt der Tätigkeit geltende Mindestumfang der den Beamtinnen und Beamten eröffneten Teilzeitbeschäftigung (vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2005 – 2 C 20/04 – ZBR 2006 S. 169; U.v. 24.6.2008 – 2 C 5.07 – ZBR 2009 S. 15). Demnach beträgt die Untergrenze für die Tätigkeit als NWHK im Zeitraum 01.01.2002 bis 30.11.2004 nach Art. 80b Abs. 2 des Bayerischen Beamtengesetzes 1960 (BayBG 1960) in der von 01.01.2001 bis 31.08.2004 geltenden Fassung ein Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, bzw. nach Art. 80b Abs. 2 BayBG 1960 in der von 01.09.2004 bis 31.12.2004 geltenden Fassung zehn Stunden pro Woche. Dem genügt der Umfang der NWHK-Tätigkeit, der bei 19 Stunden pro Monat 4,75 Stunden pro Woche beträgt, jedenfalls nicht.
Allerdings kann das Merkmal der Hauptberuflichkeit auch dann erfüllt sein, wenn im selben Zeitraum mehrere gleichartige Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt werden, deren Beschäftigungszeiten in Addition den für das Beamtenverhältnis zulässigen Mindestumfang überschreiten, Nr. 31.1.1.9 Satz 6 BayVwVBes. Das scheidet hier aber aus, weil das Graduiertenkolleg, an dem die Klägerin parallel zur NWHK-Tätigkeit mitwirkte, insgesamt überwiegend der persönlichen Aus- und Weiterbildung der Klägerin, nämlich ihrer Promotion, gedient hat und deshalb nicht anerkennungsfähig ist. Ein abgrenzbarer Zeitaufwand des Graduiertenkollegs, der über das Promotionsvorhaben der Klägerin hinausgegangen und zu der Tätigkeit als NWHK hinzuzuaddieren wäre, ist nicht zur Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen.
Das Betreiben eines Promotionsvorhabens an sich stellt keine berufliche Tätigkeit dar. Es dient nicht dazu, durch den Erwerb eines Entgelts eine Lebensgrundlage zu schaffen oder zu erhalten, sondern dazu, einen höheren akademischen Grad und damit einen weiteren Bildungsabschluss zu erhalten und mithin der Aus- und Weiterbildung (vgl. zu Parallelvorschriften OVG NW, U.v. 9.4.2019 – 1 A 740/16 – juris Rn. 64; Kuhlmey in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, 82. Aktualisierung Juli 2019, § 28 BBesG Rn. 17). Das DFG-Graduiertenkolleg „Strategien zur Vermeidung der Emission klimarelevanter Gase und umwelttoxischer Stoffe aus der Landwirtschaft und Landesnutzung“ diente in erster Linie dem Promotionsvorhaben der Klägerin. Es bot der Klägerin für ihre Promotion einen strukturierten Rahmen durch einen engen thematischen Fokus, besondere Betreuungsmöglichkeiten und der Dissertation nützliche Fortbildungsprogramme. Im Falle der Klägerin trat noch die Finanzierung des Promotionsvorhabens durch ein mit dem Graduiertenkolleg verknüpftes Stipendium hinzu. Das Kolleg mag zwar anders gestaltet gewesen sein, als dies heute bei Graduiertenkollegs üblich ist. Anstelle von Qualifizierungsprogrammen zur Vermittlung von „soft skills“ lag der Fokus auf eigenständigen Forschungsprojekten, wie dem von der Klägerin umgesetzten Teilprojekt 16 „Einfluss verschiedener Faktoren der N-Versorgung des Pansens auf die Methanproduktion und die N-Verwertung beim Wiederkäuer“, sowie auf fachlichen Treffen, die sich mit dem Forschungsprojekt befassten. Zusätzlich wurde ein Studienprogramm angeboten, das vor allem wissenschaftliche Methodik, etwa zur interdisziplinären Forschung, vermittelte. Die Klägerin nahm insbesondere an Lehrveranstaltungen zum Thema des Graduiertenkollegs, einem Symposium, einer Exkursion, einem Seminar und einem Sprachkurs teil. Im Rahmen des Teilprojektes 16 führte die Klägerin sehr zeitintensive eigene Forschung durch, die sich in eine ca. sechs- bis achtmonatige Laborphase, eine ca. einjährige Tierversuchsphase nebst Tierversorgung, eine Auswertungsphase sowie eine Phase der Mast- und Schlachtversuche gliederte. Hierauf lag der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin im Zeitraum 01.01.2002 bis 30.11.2004. Die Tätigkeit als NWHK, in deren Rahmen die Klägerin Auftragslaborarbeiten durchführte, trat eigenständig, aber in bedeutend geringerem Zeitumfang daneben. Die aus dem aufwändigen Teilprojekt 16 gewonnenen Forschungsergebnisse flossen in die Dissertation der Klägerin zum – mit dem Forschungsprojekt schon dem Titel nach eng zusammenhängenden – Thema „Einfluss verschiedener Faktoren der Stickstoffversorgung auf den Stickstoff- und Energieumsatz sowie die Methanproduktion bei Wiederkäuer“ ein. Zwar wurde auch ein eigenständiger Abschlussbericht zum Forschungsprojekt durch die Klägerin angefertigt. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Durchführung des Forschungsprojektes, das inhaltlich im Wesentlichen dem Promotionsthema entspricht, zumindest weit überwiegend der Promotion der Klägerin diente. Ein über das Promotionsvorhaben hinausgehender Zeitaufwand ist zum einen deshalb nicht ersichtlich, weil das Forschungsprojekt inhaltlich nicht über das Dissertationsthema hinausgeht, sondern umgekehrt die Dissertation ihrem Titel nach weiter reicht als das Teilprojekt 16. Zum anderen wurde seitens der Klägerin kein abgrenzbarer, zusätzlich zur promotionsbezogenen Forschung angefallener Zeitaufwand nachgewiesen, der Anhaltspunkte für eine teilweise Anerkennung des Graduiertenkollegs liefern würde. Eines solchen Nachweises bedürfte es aber, um abschätzen zu können, ob der über die Promotion hinausgehende Zeitaufwand in Addition zur Tätigkeit als NWHK den erforderlichen zeitlichen Mindestumfang erreicht.
Selbst dann läge aber jedenfalls der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin im Zeitraum 01.01.2002 bis 30.11.2004 auf der Erstellung ihrer Dissertation bzw. der Erlangung der nötigen Forschungsergebnisse im Rahmen des Graduiertenkollegs. Insbesondere sind auch die Veranstaltungen, die die Klägerin zusätzlich zu ihrem Forschungsprojekt besuchte, weit überwiegend auf dieses bezogen, ausweislich des Zertifikats über das Graduiertenkolleg vom 23.06.2005 z.B. die Blockveranstaltungen im März 2002, Juni 2002, Dezember 2002 sowie das Symposium im Februar 2003. Dem Gesamtcharakter nach war das Graduiertenkolleg – auch in seiner konkreten damaligen Gestalt – deutlich auf die Promotion zugeschnitten.
Der Umstand, dass die Klägerin ihre Promotion erst im Jahr 2009 abschloss, steht dem nicht entgegen. Über welchen Zeitraum in welcher Intensität ein Promotionsvorhaben betrieben wird, ist höchst einzelfallabhängig. Maßgeblich sind immer die konkreten Umstände. Im Falle der Klägerin stellt sich ihr Werdegang nach den tatsächlichen Anhaltspunkten in der Gesamtschau so dar, dass sie in den Jahren 2002 bis 2004 zunächst zeitintensiv die in die Dissertation eingeflossenen Versuchsergebnisse generierte und währenddessen über das DFG-Stipendium finanziell abgesichert war, bevor sie dann ab 01.12.2004 den Fokus auf eine berufliche Vollzeittätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin legte und die Promotion nur noch begleitend betrieb.
b) Von der förderlichen hauptberuflichen Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin auf einer Vollzeitstelle im Zeitraum vom 01.12.2004 bis 01.12.2010 sind aber zunächst drei Jahre als Zeitraum des Qualifikationserwerbs nach Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 LlbG abzuziehen (dazu unter aa) und zusätzlich zwei Jahre nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBesG (dazu unter bb), sodass es bei einem anerkennungsfähigen Zeitraum von einem Jahr (01.12.2009 bis 30.11.2010) verbleibt.
aa) Drei Jahre sind als Zeitraum des Qualifikationserwerbs nach Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 LlbG abzuziehen, weil nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG nur „sonstige“ Zeiten anerkannt werden können, die über den Qualifikationserwerb hinausgehen (vgl. Nr. 31.2.1. Satz 1 BayVwVBes). Die Qualifikation für die vierte Qualifikationsebene, in die die Klägerin nach ihrer Übernahme vom vorherigen Dienstherren eingestiegen ist, wird gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LlbG entweder durch Ableisten eines Vorbereitungsdienstes oder durch Erwerb der Vorbildung und hauptberufliche Tätigkeit erworben. Das gilt gem. Art. 10 Abs. 3 LlbG auch, wenn ein Beamter von einem Dienstherrn außerhalb des Geltungsbereichs des Bayerischen Beamtengesetzes übernommen wird. Einen Vorbereitungsdienst i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Art. 8 LlbG hat die Klägerin nicht absolviert. Sie hat ihre Qualifikation für die vierte Qualifikationsebene aber kumulativ durch den Erwerb der Vorbildung gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Art. 39 Abs. 2 Nr. 1 LlbG, nämlich den Abschluss ihres Studiums der Agrarwissenschaften als Diplom-Agraringenieurin, und die nötige Lebens- und Praxiserfahrung nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Art. 39 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 LlbG erworben. Die erforderliche hauptberufliche Tätigkeit muss entweder für drei Jahre oder bei zusätzlichem Nachweis der Promotion für zwei Jahre nach Abschluss der Promotion ausgeübt worden sein, Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 LlbG. Da die Promotion der Klägerin erst im Jahr 2009 abgeschlossen wurde, hat der Beklagte die Dreijahresfrist als für die Klägerin günstiger und daher maßgeblich zugrunde gelegt.
Die Frist ist nicht auf zwei Jahre entsprechend der Dauer des Vorbereitungsdienstes gem. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LlbG zu reduzieren. Der Wortlaut des Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 LlbG ist insofern eindeutig. Dass es sich um ein gesetzgeberisches Versehen handelt, ist nicht anzunehmen, weil beide Regelungen bereits vor Einführung des neuen Dienstrechts in Bayern wortgleich in § 53 Abs. 2 Nr. 2 der Bayerischen Laufbahnverordnung bzw. Art. 34 Abs. 1 Nr. 2 des Bayerischen Beamtengesetzes a. F. vorhanden waren und inhaltlich unverändert in das neue Dienstrecht übernommen wurden. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber beide Vorschriften bewusst nicht geändert hat. Auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 LlbG her ist die Dreijahresfrist nicht zu beanstanden. Die hauptberufliche Tätigkeit soll den zweijährigen Vorbereitungsdienst kompensieren. Jedoch vermittelt die hauptberufliche Tätigkeit nur allgemeine Berufs- und Lebenserfahrung. Zieht man mit der zweiten Variante des Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 LlbG zusätzlich eine Promotion heran, so tritt neben die zweijährige Berufserfahrung der Wissens- und Kompetenzgewinn aus dem Promotionsverfahren. Der Vorbereitungsdienst ist dagegen spezifisch auf die jeweilige Laufbahn hin konzipiert und bildet zielgerichtet für die Anforderungen der jeweiligen Beamtenlaufbahn aus. Deshalb wird ein identisches Qualifikationsniveau mit Absolventen des Vorbereitungsdienstes durch allgemeine Lebens- und Berufserfahrung folgerichtig erst nach entsprechend längerer Dauer erreicht.
Die ersten drei Jahre der Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin von 01.12.2004 bis 30.11.2007 sind deshalb nicht berücksichtigungsfähig. Erst ab dem 01.12.2007 übte die Klägerin die Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin als „sonstige“ Tätigkeit im Sinne des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG aus.
bb) Weitere zwei Jahre vom 01.12.2007 bis 30.11.2009 sind abzuziehen, weil gem. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Hs. 1 BayBesG für Beamte der vierten Qualifikationsebene die ersten beiden Jahre einer über den Qualifikationserwerb hinausgehenden förderlichen Berufstätigkeit nicht berücksichtigungsfähig sind. Diese zweijährige Ausschlussfrist tritt additiv zu den drei für den Qualifikationserwerb benötigten Jahren hinzu. Das Vorbringen der Klägerin, die ersten beiden Jahre der Berufstätigkeit könnten zugleich als Qualifikation gelten und nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayBesG zum Abzug gebracht werden, dringt nicht durch.
Dass Zeiten, die dem Qualifikationserwerb dienen, nicht zugleich „sonstige“ förderliche Zeiten nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG sein können, ergibt sich zum einen deutlich aus Nr. 31.1.1.5 Satz 1, Nr. 31.2.1 Satz 1 und Nr. 31.2.2 Satz 1 BayVwVBes. Zum anderen entspricht es auch dem Sinn und Zweck der fiktiven Vorverlegung des Diensteintritts, damit nur Kompensation für den Mehrwert von über das Notwendige hinausgehenden Beschäftigungszeiten zu bieten. Die Gegenleistung für die Qualifikationszeiten erfolgt hingegen durch die Einstellung in ein Amt der jeweiligen Qualifikationsebene selbst.
Demgemäß sind weitere zwei Jahre von 01.12.2007 bis 30.11.2009 von der Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiterin abzuziehen.
Als einzig berücksichtigungsfähiger Zeitraum verbleibt das Jahr bis zur Verbeamtung vom 01.12.2009 bis zum 30.11.2010. Dieser Zeitraum wurde in Bescheid und Widerspruchsbescheid bereits berücksichtigt.
c) Dem steht nicht entgegen, dass der Zeitraum vom 01.12.2006 bis 30.11.2009 im Ausgangsbescheid des Beklagten vom 02.02.2018 zunächst noch berücksichtigt worden war. Denn der Bescheid ist diesbezüglich im Rahmen des Widerspruchsbescheids zurückgenommen worden.
aa) Der Prüfungsumfang des Widerspruchsverfahrens wird durch den Widerspruch selbst bestimmt. Zwar hat die Klägerin gem. § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO fristwahrend mit ihrem persönlichen Schreiben vom 25.02.2018 zunächst vollumfänglich Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.02.2018 eingelegt. Ihr Bevollmächtigter hat mit Schreiben vom 27.03.2018 jedoch unmissverständlich klargestellt, dass dieser sich nur gegen Ziffer 2 des Bescheides richte und die Entscheidung angreifen solle, soweit die Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten abgelehnt wurde. Hierin ist eine teilweise Rücknahme des Widerspruchs zu sehen. Dieser wurde in zulässiger Weise auf Ziffer 2 des Ausgangsbescheids beschränkt. Eine Teilanfechtung ist möglich, soweit ein Verwaltungsakt teilbar ist und separat angreifbare Regelungen enthält (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1969 – IV C 11/68 – DÖV 70, 138; zum Ganzen z.B. Pietzcker in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 37. EL Juli 2019, § 42 Rn. 13 mwN) – wie vorliegend die teilweise Anerkennung und teilweise Ablehnung eines geltend gemachten Gesamtzeitraums. Beide Regelungen haben einen eigenen Gehalt, der nicht vom Bestand der jeweils anderen Regelung abhängig ist. Die Rücknahme war auch nach Ablauf der Widerspruchseinlegungsfrist jederzeit möglich und führte insoweit zur Unanfechtbarkeit von Ziffer 1 der Ausgangsentscheidung (vgl. Hüttenbrink in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 01.07.2019, § 73 Rn. 10). Nur soweit der Widerspruch durch den Bevollmächtigten der Klägerin aufrechterhalten wurde, wurde auch eine Prüfungskompetenz der Widerspruchsbehörde begründet. Diese durfte den Teilwiderspruch nicht ohne weiteres zum Anlass nehmen, die Entscheidung in vollem Umfang zu revidieren (vgl. Geis in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 68 Rn. 90).
Demgemäß geht der Beklagte fehl in der Annahme, dass im Rahmen des Widerspruchsverfahrens der gesamte Ausgangsbescheid der Überprüfung zugänglich gewesen sei und davon auch eine Verböserung im Sinne einer reformatio in peius umfasst gewesen wäre (Nr. 2.2.1 des Widerspruchsbescheids). Denn die Frage nach einer reformatio in peius stellt sich nur im Umfang der Anfechtung des Ausgangsbescheids. Weitergehende Entscheidungen sind insoweit grundsätzlich nur außerhalb des Widerspruchsverfahrens durch gesonderten Verwaltungsakt möglich (Dolde/Porsch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 37. EL Juli 2019, § 68 Rn. 47).
bb) Allerdings sind die Ausführungen des Beklagten zur Abänderung von Ziffer 1 des Ausgangsbescheids im Rahmen von Nr. 2.2.2 des Widerspruchsbescheids als teilweise Rücknahme des Ausgangsbescheids hinsichtlich der Anerkennung des Zeitraums 01.12.2006 bis 30.11.2009 zu deuten.
Ausdrücklich und getrennt vom Widerspruchsverfahren ist eine Teilrücknahme von Ziffer 1 des Ausgangsbescheids nicht erfolgt. Die Abänderung von Ziffer 1 des Ausgangsbescheids erfolgte als Ziffer 2 des mit „Widerspruchsbescheid“ übertitelten Verwaltungsaktes und unter der Annahme des Beklagten, im Zuge des Widerspruchsverfahrens über den gesamten Ausgangsbescheid nochmals befinden zu können. Der Verweis auf Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG erfolgte nur ergänzend und hilfsweise in Nr. 2.2.2 des Widerspruchsbescheids. Den dortigen Ausführungen nach wäre eine Aufhebung der Ziffer 1 des Ausgangsbescheids nach Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG selbst dann möglich gewesen, wenn der Streitgegenstand des Widerspruchsverfahrens auf Ziffer 2 des Ausgangsbescheids beschränkt worden wäre. Die Anerkennung des Zeitraums 01.12.2006 bis 30.11.2009 sei nämlich rechtswidrig gewesen. Das Vertrauen der Klägerin sei nicht schutzwürdig, weil sie durch Widerspruchseinlegung selbst zum Ausdruck gebracht habe, von der Rechtswidrigkeit des Bescheids auszugehen, und weil sich auf Vertrauensschutz nicht berufen könne, wer die Rechtswidrigkeit kannte oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Dass bei Gelegenheit des Widerspruchsverfahrens zusätzlich zur Verbescheidung des Widerspruchs auch Regelungen, die nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sind, getroffen werden, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Widerspruchsbehörde auch für die ergänzend getroffenen Regelungen zuständig ist und die Voraussetzungen der jeweiligen Rechtsgrundlage erfüllt sind (so im Ergebnis, wenn auch unter irriger Annahme einer reformatio in peius OVG Hamburg, B.v. 6.5.2004 – 3 Bs 611/01 – juris Rn. 20 ff.; vgl. auch BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 3 B 13.1069 – juris). Eine Interpretation von Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid in eine Rücknahme oder eine Umdeutung in eine solche ist aber nur unter zusätzlichen Voraussetzungen möglich (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 1.7.1999 – 4 C 23/97 – juris Rn. 25 ff.). So darf eine Bescheidsbegründung nur für eine andere Rechtsgrundlage herangezogen werden, wenn der Bescheid durch die Berücksichtigung der geänderten Begründung nicht in seinem Wesen verändert wird (BVerwG, U.v. 27.1.1982 – 8 C 12.81 – juris). Eine Wesensveränderung ist in aller Regel zumindest dann anzunehmen, wenn sich der Bescheid durch die Umdeutung als eine bislang nicht getroffene Ermessensentscheidung darstellt (BVerwG, U.v. 1.7.1999 – 4 C 23/97 – juris Rn. 26). Dann ist eine Umdeutung nach Art. 47 Abs. 3 BayVwVfG nicht möglich. Liegt schon zuvor eine Ermessensentscheidung vor, so darf sich das ausgeübte Ermessen seiner Reichweite und seinem Blickwinkel nach nicht wesentlich vom Rücknahmeermessen unterscheiden.
Daran gemessen ist eine Umdeutung des Widerspruchsbescheids in eine Teilrücknahme von Ziffer 1 des Ausgangsbescheids möglich.
Zuständige Ausgangs- und Widerspruchsbehörde war jeweils das StMUV, sodass sich Kompetenzfragen nicht ergeben. Nach Lesart des StMUV erfolgte die Abänderung von Ziffer 1 des Ausgangsbescheids im Wege der reformatio in peius. Diese ist nach inzwischen wohl herrschender Meinung grundsätzlich zulässig. Die materiell-rechtlichen Anforderungen für eine Verböserung im Widerspruchsverfahren richten sich dabei – vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen – nach den Vorschriften über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten. Art. 48 und 49 BayVwVfG können dafür sinngemäß herangezogen werden, die reformatio in peius ist ihnen angelehnt (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 23.5.1962 – V C 73.61 – juris Rn. 15 ff.; U.v. 12.11.1976 – IV C 34.75 – juris; Rn. 28 f.; zum Streitstand im Überblick z.B. Dolde/Porsch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 37. EL Juli 2019, § 68 Rn. 47 ff.). Damit ist der Rechtsgedanke einer „verbösernden“ Widerspruchs- und einer Rücknahmeentscheidung grundsätzlich derselbe, sodass sich der Charakter des Verwaltungsaktes bei Umdeutung nicht wesentlich ändert.
Allerdings besitzt der Vertrauensschutz des Begünstigten im Rahmen der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts einen anderen Stellenwert als im Rahmen der reformatio in peius im Widerspruchsverfahren. Während die Rücknahme Verwaltungsakte betrifft, deren Begünstigung bestandskräftig geworden ist, steht dem Bestandsvertrauen im Falle der reformatio in peius regelmäßig entgegen, dass der Begünstigte selbst durch Erhebung des Widerspruchs die Bestandskraft verhindert hat (vgl. BVerwG, B.v. 19.5.1999 – 8 B 61/99 – juris Rn. 9). Zudem überwiegt die Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht in diesen Fällen regelmäßig das (geringe) Vertrauensschutzinteresse des Widerspruchsführers (BVerwG, U.v. 19.5.1965 – V C 143.63 – juris Rn 23), sodass die Entscheidung über die reformatio in peius nur eingeschränkt oder gar nicht im Ermessen der Widerspruchsbehörde steht (vgl. Dolde/Porsch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 37. EL Juli 2019, § 68 Rn. 49). Nichtsdestotrotz hat das StMUV in Nr. 2.2.2 des Widerspruchsbescheids sowie ergänzend in der mündlichen Verhandlung Ausführungen zu der Abwägung des Rücknahme- bzw. Abänderungsinteresses der Behörde mit dem Vertrauensschutzinteresse der Klägerin – wenn auch in knapper Form – getroffen. Somit wurde unter der Annahme einer reformatio in peius de facto ein Rücknahmeermessen ausgeübt. Ob diese Ermessenserwägungen ausreichend sind, um außerhalb der Besonderheiten der reformatio in peius eine Rücknahme zu stützen, ist getrennt von der Frage der Umdeutungsmöglichkeit zu beantworten. Jedenfalls aber ist eine Umdeutung der Ausführungen zur reformatio in peius in eine Teilrücknahme des Ausgangsbescheids möglich, ohne dass der Bescheid ein anderes Gepräge erhielte oder dass der zentrale Aspekt des Rücknahmeermessens – der Vertrauensschutz – gänzlich unberücksichtigt bliebe.
cc) Die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG lagen vor. Im Ergebnis ist unter Einbezug der ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung auch die Ausübung des Rücknahmeermessens durch den Beklagten nicht zu beanstanden.
Weil die fiktive Vorverlegung des Diensteintritts sich auf die Festlegung der Besoldungsstufen auswirkt, ist der Ausgangsbescheid ein Verwaltungsakt, der Vorrausetzung für eine laufende Geldleistung im Sinne des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG ist. Er war insoweit rechtswidrig, als in Ziffer 1 des Ausgangsbescheids Zeiten über den Zeitraum vom 01.12.2009 bis 30.11.2010 hinaus als förderliche hauptberufliche Zeiten anerkannt wurden, weil unter Berücksichtigung des oben Ausgeführten nur dieser Zeitraum anerkennungsfähig ist.
Die Rücknahme der Anerkennung des Zeitraums von 01.12.2006 bis 30.11.2009 stand im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten, wobei dieser insbesondere das Vertrauensschutzinteresse der Klägerin zu beachten hatte. Die Schutzwürdigkeit dieses Interesses ist nicht nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG entfallen, weil die Rechtswidrigkeit der Anerkennung des Zeitraums vom 01.12.2006 bis 30.11.2009 nicht so offensichtlich war, dass sich die Klägerin Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit diesbezüglich vorwerfen lassen müsste. Grobe Fahrlässigkeit kann vorliegen, wenn der Adressat eines Verwaltungsakts einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt oder Unklarheiten nicht nachgeht. Gerade Beamten ist aufgrund ihrer Treuepflicht eine Überprüfung des Verwaltungsakts auf grobe Rechtsfehler zuzumuten. Hängt das Erkennen der Unklarheiten aber von detaillierten Rechtskenntnissen ab, so ist keine grobe Fahrlässigkeit gegeben (zum Ganzen ausführlich z.B. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 159 ff. mwN). Die Anerkennung des Zeitraums 01.12.2006 bis 30.11.2009 erfolgte nicht allein aufgrund eines offensichtlichen Rechenfehlers, weil das STMUV die erkennbar zu beachtenden Zeiten des Qualifikationserwerbs nach Art. 39 Abs. 2 LlbG außer Acht gelassen hatte. Denn inwiefern die Zeit vom 01.12.2006 bis 30.11.2009 berücksichtigungsfähig ist, hängt zusätzlich von der unter a) beantworteten Frage ab, ob die Tätigkeit vom 01.01.2002 bis 30.11.2004 den Anforderungen einer hauptberuflichen, förderlichen Tätigkeit genügt und diese Zeiten ebenfalls für einen Abzug in Frage kommen. Zudem hängt damit die unter b) behandelte Frage zusammen, ob die Zeit des Qualifikationserwerbs parallel oder kumulativ zu der Zweijahresfrist nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayBesG in Abzug zu bringen ist. Damit sind rechtliche und Wertungsfragen verknüpft, die jedenfalls über den Maßstab der groben Fahrlässigkeit weit hinausgehen.
Allerdings durfte das StMUV den Umstand, dass im Ausgangsbescheid die Zeiten des Qualifikationserwerbs völlig unberücksichtigt geblieben sind, dergestalt für seine Ermessenserwägungen heranziehen, als dass das Vertrauen der Klägerin jedenfalls nur eingeschränkt schutzwürdig war. Denn dass sie für ihre Qualifikation als Beamtin der vierten Qualifikationsebene grundsätzlich hauptberufliche Tätigkeitszeiten nach Art. 39 Abs. 2 LlbG vorzuweisen hatte und dass diese vom Anwendungsbereich des Art. 31 Abs. 2 BayBesG ausgenommen sind, musste der Klägerin als Beamtin der höchsten Qualifikationsebene bekannt sein. Damit musste sie jedenfalls für möglich halten, dass die Anerkennung förderlicher Beschäftigungszeiten nicht in voller Höhe der Ziffer 1 des Ausgangsbescheids rechtmäßig sein könnte.
Fehlerhaft ist dagegen der Vorhalt des Beklagten, der Klägerin sei kein Vertrauensschutz zuzubilligen, weil sie selbst durch Einlegung des Widerspruchs die Bestandskraft des Bescheids verhindert habe. Dieses Argument ist nur im Rahmen der reformatio in peius tragfähig, aber nicht, wenn der Widerspruch – wie vorliegend – gerade deshalb auf den ablehnenden Teil des Bescheids beschränkt wurde, um die begünstigende Regelung zu erhalten.
Als weiteres sachliches Argument dafür, dass insgesamt das Rücknahmeinteresse das Vertrauensschutzinteresse überwiege, hat die Vertreterin des Beklagten darauf verwiesen, dass noch immer die Möglichkeit bestehe, die Zeit vom 01.12.2006 bis 30.11.2009 in einem gesonderten Verfahren nach Art. 31 Abs. 1 BayBesG anzuerkennen. Damit entgehe der Klägerin mit der Rücknahme nicht die letzte Chance auf Berücksichtigung dieses Zeitraums.
In Unkenntnis dessen, ob ein solches Verfahren eingeleitet wurde oder werden soll, ist zumindest dieses Argument sachgemäß und stützt die Entscheidung der Behörde, dem behördlichen Rücknahmeinteresse den Vorzug vor dem (nur eingeschränkt schutzwürdigen) Vertrauensschutzinteresse der Klägerin zu geben.
Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfbarkeit nach § 114 VwGO ist die Teilrücknahme des Ausgangsbescheids, als die die Ausführungen im Widerspruch zu lesen sind, deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über die Anerkennung des Zeitraums von 01.12.2004 bis 30.11.2009 als sonstige förderliche hauptberufliche Zeiten nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG.
2. Als unterliegende Beteiligte hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung von Vollstreckungsschutz bedurfte es aufgrund der allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht.


Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben