Sozialrecht

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Vermögensberücksichtigung – Bausparguthaben – Treuhandverhältnis

Aktenzeichen  S 11 AS 126/21

Datum:
23.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG Nordhausen 11. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:SGNORDH:2021:0823.S11AS126.21.00
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Das Guthaben eines Bausparvertrages ist auch nach Auszahlung auf das Konto der Leistungsempfänger nicht als Vermögen im Sinne von § 12 SGB II zu berücksichtigen, wenn aufgrund einer nachvollziehbaren und nachgewiesenen Vereinbarung das Vermögen durch einen Dritten angespart und vollständig an diesen ausgekehrt wurde. (Rn.31)

Tenor

1. Die Bescheide des Beklagten vom 29. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2021 sowie des Teilanerkenntnisses vom heutigen Tage werden aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich zuletzt noch gegen die Aufhebung und Erstattung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeiträume März bis Mai und August 2019 sowie November 2019 bis Februar 2020 in Höhe von insgesamt 4160,78 €.
Der 1971 geborene Kläger zu 1) ist mit der 1967 geborenen Klägerin zu 2) verheiratet. Beide leben in einer Mietwohnung, für die monatlich eine Kaltmiete in Höhe von 387,75 €, Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in Höhe von 140,00 € sowie Stellplatzmiete in Höhe von 25,00 € zu zahlen waren. Der Kläger zu 1) bezog ein monatlich wechselndes Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Die Klägerin zu 2) führt eine selbstständige Tätigkeit aus, überwiegend ohne Einnahmen. Für kurze Zeit erzielten sie Einnahmen aus der Vermietung einer Ferienwohnung.
Sie beantragten am 14. März 2019 die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei dem Beklagten. Im Hinblick auf die Vermögenslage gaben die Kläger an, jeweils über einen Girokonto zu verfügen. Die Klägerin zu 2) gab zudem den Besitz eines Sparbuchs sowie eine Sparbriefes D-Sparen an. Der Kläger zu 1) legte Unterlagen für einen Bausparvertrag bei der L Bausparkasse (3115742946) vor. Die Klägerin zu 2) gab darüber hinaus an, Eigentümerin eines Wohngrundstücks zu sein, auf dem ihre Eltern wegen eines lebenslangen Wohnrechts leben. Darüber hinaus wird eine Ferienwohnung im Haus teilweise vermietet.
Mit Bescheid vom 1. Juli 2019 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum März 2019 bis August 2019 vorläufig Leistungen in wechselnder Höhe. Wegen der Einzelheiten der Bewilligung wird auf den Bescheid (Bl. 171ff. der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Auf den Fortzahlungsantrag von August 2019 lehnte der Beklagte zunächst die Gewährung von Leistungen ab (Bescheid vom 3. September 2019). Auf den Widerspruch und ergänzende Angaben bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 13. November 2019 vorläufig für September 2019 Leistungen in Höhe von 0,00 € und ab Oktober 2019 bis Februar 2020 in unterschiedlicher Höhe. Wegen der Einzelheiten der Bewilligung wird auf den Bescheid (Bl. 340ff. der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2019 wies der Beklagte den Widerspruch nach Erteilung des vorläufigen Bewilligungsbescheides als unbegründet zurück. Die Anhebung der Regelleistung zum 1. Januar 2020 setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 23. November 2019 um. Wegen der Einzelheiten der Bewilligung wird auf den Bescheid (Bl. 331ff. der Verwaltungsakte) Bezug genommen.
Im November 2019 beantragten die Kläger erneut die Fortzahlung der Leistungen. Sie gaben an, dass sich die Verhältnisse nicht verändert hätten. Sie legten separat eine Anlage zur Darstellung der Vermögensverhältnisse vor. Erwähnt waren darin im Wesentlichen die gleichen Vermögensgegenstände.
Nach Vorlage der abschließenden Erklärung zu den Einnahmen und Ausgaben aus der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2) sowie der Lohnnachweise für den Kläger zu 1) bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 5. März 2020 endgültig für den Zeitraum März bis August 2019 Leistungen, wobei für Juni und Juli 2019 jeweils monatlich 0,00 € festgesetzt worden. Wegen der Einzelheiten der Bewilligung wird auf den Bescheid (Bl. 440ff. der Verwaltungsakte) Bezug genommen.
Auf den (weiteren) Fortzahlungsantrag von Januar 2020 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 5. März 2020 vorläufig für den Zeitraum März 2020 bis August 2020 Leistungen in Höhe von jeweils 311,94 €.
Durch einen Datenabgleich wurde bekannt, dass die Kläger im Jahr 2018 Kapitalerträge in Höhe von 122,00 € erhalten haben. Auf die Anhörung hierzu legte die Klägerin zu 2) Unterlagen zu den bereits bekannten Vermögenswerten vor. Darüber hinaus erklärte sie, dass der Bausparvertrag Nr. 2495123501 zweckgebunden für den Abwasseranschluss des Grundstücks in K sei. Das Geld sei zudem auf das Konto des Vaters überschrieben worden.
Die Klägerin zu 2) legte Unterlagen der Sparkasse und der L Bausparkasse vor, wonach im März 2020 die Auflösung eines Girokontos mit der Kontonummer 160141630 beantragt worden sei und das Guthaben auf das Konto des H K überwiesen werden solle. Aus dem Bausparvertrag mit der Nr. 2495123501 sind danach am 31. Januar 2020 19.662,23 € auf das Konto 8 1601414630 gezahlt worden. Zum 31. Dezember 2018 waren auf diesem Bausparvertrag 17.707,78 € vorhanden. Am 31. Dezember 2019 waren es 19.360,16 €.
Mit Bescheid vom 28. April 2020 setzte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum September 2019 bis Februar 2020 endgültig fest. Auf den Zeitraum September und Oktober 2019 entfiel dabei eine Bewilligung in Höhe von 0,00 €. Wegen der Einzelheiten der Bewilligung wird auf den Bescheid (Bl. 517ff. der Verwaltungsakte) Bezug genommen.
Auf die Anforderung weiterer Unterlagen und Darstellung des Hergangs gab die Klägerin zu 2) im Mai 2020 an, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehemann im Jahr 2013 einen Bausparvertrag eröffnet habe. Durch finanzielle Engpässe hätte der Vater der Klägerin zu 2) die Einzahlung übernommen, damit finanzielle Rücklagen für das Haus da sind. Dies sei im Jahr 2014 gewesen das Konto mit der Nr. 1601414630 sei ein Zwischenkonto gewesen, auf das die Bausparsumme gezahlt worden sei. Dementsprechend wäre dies auch auf den Vater übertragen worden. Der Vater der Klägerin zu 2), H K, gab schriftlich im Februar 2020 an, dass der Bausparvertrag für einen Abwasseranschluss für das Grundstück in K errichtet worden sei. Der geschätzte Kostenaufwand liege bei 30.000,00 €. Die Stellungnahme enthält eine Aufschlüsselung verschiedener Einzahlungsbeträge aufgegliedert auf „Sparbuch H K“ sowie „Bausparvertrag W von Konto H K“. Zudem sei im April 2014 ein Zahlungseingang in Höhe von 11.000,00 € von einem weiteren Bausparvertrag berücksichtigt worden.
Auf die Anforderung des Beklagten legten die Kläger weitere Unterlagen vor. Der Bausparvertrag des Klägers zu 1) mit der Nummer 3115742946 wies am 31. Dezember 2018 ein Stand von 759,49 € auf und am 31.12.2019 1.348,54 €. Das Sparbuch der Klägerin zu 2) wies zum 14.01. 2019 ein Stand von 800,05 € auf.
Daraufhin hörte der Beklagte die Kläger wegen der beabsichtigten Rücknahme und Erstattung der für den Zeitraum März 2019 bis Mai 2019, August 2019 und November 2019 bis August 2020 bewilligten Leistungen in Höhe von jeweils 3.016,21 € an. Die Klägerin zu 2) gab hierzu an, dass sie sich bei Antragstellung in einer akuten Notlage befunden habe und daher den Antrag beim Beklagten stellte. Bis zu diesem Zeitpunkt sei eine finanzielle Unterstützung durch den Vater erfolgt. Er habe zudem den Bausparvertrag übernommen und weiter bespart bzw. eingezahlt. Es sei den Klägern nicht bewusst gewesen, dass dies ein Nachteil sein könne. Das Geld sei zweckgebunden und stünde nicht zur Verfügung.
Mit Bescheiden vom 29. September 2020 nahm der Beklagte die an die Kläger für den Zeitraum März bis Mai 2019, August 2019, November 2019 bis August 2020 gewährten Leistungen vollständig zurück und forderte jeweils einen Gesamtbetrag von 3.016,21 € erstattet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide (Bl. 698 und 702 der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch hob der Beklagte die Rücknahme und Erstattung für Juni bis August 2020 auf und reduzierte den Rückforderungsbetrag auf jeweils 2548,30 € (Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2021).
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der im Februar 2021 erhobenen Klage. Sie haben angegeben, dass der Bausparvertrag vom Vater der Klägerin zu 2) bedient worden sei und das Geld zweckgebunden. In der Folgezeit legte sie Kontoauszüge vom Konto des Vaters H K seit 2014 vor.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass die Rücknahme und Erstattung auf den Zeitraum März bis Mai, August 2019 sowie November 2019 bis Februar 2020 beschränkt wird. Nach Annahme dieses Teilanerkenntnisses haben die Kläger das Verfahren weiter betrieben und
beantragen,
die Bescheide des Beklagten vom 29. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2021 sowie des Teilanerkenntnisses vom heutigen Tage aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit ihr nicht durch Teilanerkenntnis vom heutigen Tage stattgegeben wurde.
Er hat die Auffassung vertreten, dass das Guthaben des Bausparvertrages bei der Vermögensberechnung der Kläger zu verwenden ist. Die Darstellung der Kläger habe deutlich gemacht, dass der Vater der Klägerin zu 2) das Vermögen ihr über das Grundstück zuwenden wolle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in Form der Anfechtungsklage statthaft, denn die Beschwer der Kläger wird durch die Rücknahme- und Erstattungsbescheide vom 29. September 2020 begründet. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt und die Klage ist im Ergebnis auch in vollem Umfang begründet. Der Beklagte war nicht berechtigt, die für März bis Mai, August 2019 sowie November 2019 bis Februar 2020 gewährten Leistungen aufzuheben und zurückzufordern.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide des Beklagten vom 29. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2021 sowie des Teilanerkenntnisses vom 23. August 2021, mithin die Zurücknahme und Erstattung der für den Zeitraum März bis Mai, August 2019 sowie November 2019 bis Februar 2020 bewilligten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die mit der Klage angegriffene Rückforderung über jeweils 2548,30 € wurde durch das Teilanerkenntnis auf jeweils 2080,39 € reduziert. Soweit ursprünglich auch die noch vorläufige Bewilligung für den Zeitraum ab März 2020 zurückgenommen wurde, war hierzu eine Entscheidung wegen des Teilanerkenntnisses nicht mehr zutreffen.
Rechtsgrundlage der kombinierten Rücknahme- und Erstattungsentscheidung ist § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn nicht der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Die Vorschrift ist über § 40 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) und auch Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die an die Kläger gewährten Grundsicherungsleistungen anwendbar. Zweifelsfrei greifen die Bescheide vom 29. September 2020 auf die Bewilligungsentscheidungen des Beklagten vom 5. März 2020 und 28. April 2020 und damit auf begünstigende Verwaltungsakte zurück. Beide Entscheidungen haben die bis zu diesem Zeitpunkt vorläufigen Bewilligungen für den Zeitraum März 2019 bis Februar 2020 ersetzt.
Die Bewilligungsbescheide waren nach Auffassung des Gerichts nicht von Beginn an rechtswidrig. Die Kläger hatten Anspruch auf Leistungen der bewilligten Höhe. Die Kläger sind zunächst unstreitig anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Beide haben gemäß § 7 Abs. 1 das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht, sind erwerbsfähig, hilfebedürftig und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Anhaltspunkte für Zweifel an diesen Voraussetzungen haben sich im Verlaufe des Verfahrens nicht ergeben.
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Nach § 12 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Die Vermögenswerte der Kläger überschreiten den Freibetrag, der im März 2019 bei insgesamt 16.200,00 € und im August 2019 bei 16.500,00 € lag, nicht. Nach § 12 Abs. 2 SGB II setzt sich der Freibetrag aus einem Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 € je vollendetem Lebensjahr für jeden volljährigen Hilfebedürftigen sowie den Partner bzw. die Partnerin zusammen sowie zusätzlich einen Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 €.
Das Vermögen der Kläger bestand zu den beiden Stichtagen im März und September 2019 aus folgenden Positionen:
März   
September
Girokonto 1040143241
114,04€
800,00 €
Girokonto 1490340285
7,54 €
100,00 €
Sparbuch 36133189
150,05 €
1,05 €
D Investment 0174765883
2.333,57 €
2.655,96 €
Bausparvertrag L 3115742946
ca. 920,00 €
ca. 1200,54 €
Die Summe erreicht keinesfalls den Freibetrag aus § 12 Abs. 2 SGB II. Soweit die Kläger zusätzlich Inhaber eines Bausparvertrages mit der Nummer 2495123501 sowie des Kontos bei der Sparkasse mit der Kontonummer 160141630 waren, war das hierauf befindliche Guthaben von mindestens 17.000,00 € nicht bei der Bestimmung des Vermögens zu berücksichtigen.
Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass diese Vermögensgegenstände durch die Kläger lediglich treuhänderisch verwaltet wurden. Es ist von einer verdeckten Treuhand in der Form auszugehen, dass die Kläger zwar Inhaber beider Verträge gewesen sind, wirtschaftlich sollten diese jedoch allein dem Vater der Klägerin zu 2) zugeordnet sein. Verdeckt ist das Treuhandverhältnis, da nach außen nicht sichtbar gewesen ist, dass der Inhalt des Bausparvertrages bzw. nach dessen Zuteilung der Inhalt des dazugehörenden Girokontos nicht den Kontoinhabern, sondern dem Vater der Klägerin zu 2) zugestanden hat. Zugleich ist von dem einer echten Treuhand auszugehen, da die Kläger offensichtlich Inhaber der Konten gewesen sind.
Diese Würdigung an sich ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Durch die Kontounterlagen ist belegt, dass die Kläger Inhaber beider Konten waren. Die Mitteilung zur Zuteilungsreife und Auszahlung des Bausparvertrages ist an die Kläger adressiert, der Antrag zur Abrechnung und Auflösung des Girokontos ist von den Klägern unterzeichnet worden.
Zwar wird im Falle der verdeckten echten bzw. fiduziarischen Treuhandschaft das Treuhandeigentum sachlich und wirtschaftlich dem Treuhänder zugeordnet und dies ist auch im Rahmen der grundsicherungsrechtlichen Hilfebedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Allerdings ist zusätzlich festzustellen, ob und in welchem Umfang der echte bzw. fiduziarische Treuhänder durch den schuldrechtlichen Treuhandvertrag in der Ausübung seiner Rechtsmacht im Innenverhältnis beschränkt ist. Dies hat jedoch Einfluss auf die Feststellung der Verwertbarkeit bzw. der Zumutbarkeit der Verwertung Bedeutung (vgl. Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 01/16, § 12 SGB II, Rn. 135 mwN).
Eine Treuhandvereinbarung kann einer Verwertbarkeit des Vermögens rechtlich entgegenstehen. Aufgrund seiner schuldrechtlichen (Herausgabe-)Verpflichtung, die auf dem Vermögensgegenstand lastet, ist dieser für den Treuhänder nicht verwertbar oder die Verwertung unzumutbar. Auch im Sozialrechtsverhältnis existiert kein Rechtsgrundsatz, nach dem sich ein Leistungsbezieher am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen muss. Dem SGB II lässt sich weder eine Regelung noch ein Anhalt dafür entnehmen, dass fiktives Vermögen, also solches, das nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben dem Inhaber nicht zusteht, im Rahmen des § 12 SGB II zu berücksichtigen ist. Ein Treuhandvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in der Ausübung der sich daraus im Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt. Einem Missbrauch kann dadurch begegnet werden, dass an den Nachweis der Aussonderung von Vermögen strenge Anforderungen gestellt werden.
Ein Guthaben ist nur dann als Treugut anzusehen, das nicht zum verwertbaren Vermögen des Kontoinhabers gehört, wenn, a) Treugeber und Treuhänder – bezogen auf das jeweilige Treugut – nachweislich einen Treuhandvertrag geschlossen haben, b) die Beweggründe für die Treuhandkonstruktion nachvollziehbar sind, c) das Treugut nachweislich vom Treugeber stammt und d) etwaige Transaktionen, Zahlungsströme, Kontobewegungen u. ä. lückenlos belegbar sind. Insbesondere sind Treuhandverhältnisse unter nahen Angehörigen nur anzuerkennen, wenn der Treuhandvertrag und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten dem entsprechen, was zwischen fremden Dritten üblich ist (vgl. unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 24.05.2006 – B 11a AL 7/05 R – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Mai 2017 – L 34 AS 1350/11 –, recherchiert bei Juris). Allein die Herkunft eines Guthabens kann dabei nicht über die wirtschaftliche Zuordnung entscheiden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg ebenda).
Diesen Grundsätzen schließt sich das Gericht in vollem Umfang an. In die gleiche Richtung geht auch die Rechtsprechung des BSG zur Frage des „bereiten“ Einkommens. Nach diesen Grundsätzen kann eine einmalige Einnahme im Verteilzeitraum nicht als Einkommen berücksichtigt werden, soweit sie bereits zu anderen Zwecken als zur Bestreitung einer aktuellen Notlage verwendet wurde und daher nicht mehr geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 9/20 R –, recherchiert bei Juris). Auch offensichtliche Geldmittel sind danach unabhängig von der Einordnung als Einkommen oder Vermögen darauf zu prüfen, inwieweit sie grundsicherungsrechtlichen relevant sind. Dies setzt eben eine Verwertbarkeit für eigene Bedarfe voraus.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Gericht im Ergebnis der mündlichen Verhandlung sowie der vorliegenden Unterlagen davon überzeugt, dass den Klägern das Guthaben aus dem Bausparvertrag zu keiner Zeit im hier streitigen Zeitraum zur eigenen Verwertung zur Verfügung stand. Die in der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg dargelegten Voraussetzungen sind im Fall der Kläger erfüllt.
Die Kläger haben für das Gericht überzeugend in Bezug auf den Bausparvertrag einen Treuhandvertrag geschlossen. Während des gesamten Verwaltungsverfahrens hat die Klägerin zu 2) wiederholt vorgetragen, dass die Verträge „auf den Vater übertragen“ worden sind. Im konkreten Anhörungsverfahren hat sie vorgetragen, dass das Geld zweckgebunden gewesen ist und ihnen nicht zur Verfügung gestanden hat. Auch im Klageverfahren wurde zunächst vorgetragen, dass der Vertrag vom Vater bedient worden ist und das Geld zweckgebunden. Eine konkrete Vereinbarung ist dann erst in der mündlichen Verhandlung weiter aufgeklärt worden. Die Klägerin hatte bereits im Vorfeld des Termins angekündigt, eine schriftliche Vereinbarung aufgefunden zu haben. Sie hat dieses handschriftliche Dokument in der mündlichen Verhandlung vorgelegt und vorgetragen, dass wegen der eigenen finanziellen Engpässe mit dem Vater vereinbart wurde, dass er das Geld einzahlt und letztlich auch über das Konto verfügen kann. Der Kläger zu 1) hat in gleicher Weise dargestellt, dass der Vater der Klägerin festgestellt hatte, dass die Kläger Schwierigkeiten mit der Bedienung des Bausparvertrages haben. Da ihm die Sicherung des Grundstücks jedoch am Herzen liege, habe er dann angeboten und letztlich auch bestimmt, dass er selbst den Bausparvertrag weiter bedient. Zwar ist die Aussage der Kläger nicht von besonderem Detailreichtum geprägt, gleichwohl ist für das Gericht deutlich geworden, dass es eine einvernehmliche Absprache zwischen den Klägern und dem Vater der Klägerin zu 2) gegeben hat, dass dieser künftig den Bausparvertrag bedient und das Geld allein für das Grundstück verwendet werden sollte. Für die persönliche Lebensführung der Kläger war die Ansparung nicht gedacht.
Dabei hat das Aussageverhalten der Kläger das Gericht letztlich überzeugt. Es stand in Fortsetzung der schriftlich dokumentierten Äußerungen der Kläger und deckt sich zudem mit den handschriftlichen Unterlagen, die der Vater der Klägerin zu 2) im Verwaltungsverfahren vorgelegt hat. Danach sind alle Beteiligten davon ausgegangen, dass durch die Übernahme der Einzahlungen durch den Vater der Klägerin zu 2) eine verbindliche Zuordnung zu dessen Vermögen erfolgt ist.
Die Beweggründe für die Treuhandkonstruktion sind für das Gericht nachvollziehbar. Grundsätzlich sind Bausparverträge darauf angelegt, die Finanzierung von Grundstückseigentum zu ermöglichen. Neben der Schaffung von Grundeigentum gehört nach Einschätzung des Gerichts auch die Erhaltung zu den originär angestrebten Zielen von Bausparverträgen. Von Beginn an hat die Klägerin zu 2) dargestellt, dass vor allem mögliche Forderungen aufgrund von Abwasseranschlussgebühren eine starke finanzielle Belastung des Grundstücks darstellten, die mit allen möglichen Mitteln vorbereitet werden sollte. Diese Formulierung und eine Kostenschätzung findet sich auch in der schriftlichen Darstellung des Vaters der Klägerin zu 2) wieder. Auch in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 2) dies erneut bestätigt. Beide Kläger haben übereinstimmend dargestellt, dass die Eltern der Klägerin zu 2) sämtliche Reparaturen am Haus selbst bezahlen. Für die Klägerin zu 2) ist allein das grundbuchliche Eigentum am Grundstück geblieben.
Das Treugut stammt nachweislich vom Treugeber und die Transaktionen, Zahlungsströme, Kontobewegungen u. ä. sind lückenlos belegbar. Die Einzahlungen stammten bereits seit 2015 vom Vater der Klägerin zu 2. Eine entsprechende Aussage haben sowohl die Kläger als auch der Vater im schriftlichen Verfahren vorgenommen. Zusätzlich belegt ist dies für die Jahrgänge 2018 und 2019 durch die im Klageverfahren vorgelegten Kontoauszüge vom Konto des Vaters mit der Kontonummer 1600028590. Ersichtlich ist hierbei das seit 2015 innerhalb eines Jahres jeweils monatlich gleich hohe Beträge für die „Besparung B“ ausgewiesen waren. Im Jahr 2018 waren dies jeweils monatlich 700,00 € und im Jahr 2019 100,00 €. Der Kontoauszug für 2019 (ua. Bl. 551 der Verwaltungsakte) weist monatliche Einzahlungen in Höhe von 100,00 € aus. Im Jahr 2018 waren dies ausweislich Blatt 479 der Verwaltungsakte monatlich 700,00 €. Soweit in 2019 auch eine Wohnungsbauprämie gutgeschrieben wurde, stammt diese nicht aus eigenen Mitteln der Kläger. Das Guthaben aus dem Bausparvertrag ist im Januar 2020 ausweislich der Mitteilung der Bausparkasse auf das Konto 160144630 ausgezahlt worden. Das Guthaben von diesem Konto sollte entsprechend des Auftrags der Kläger auf das Konto mit der Nr. 3701044839 des Vaters der Klägerin zu 2) ausgezahlt werden.
Nach den auch insoweit glaubhaften Darstellungen der Kläger ist diese abschließende Zahlung an den Vater auch erfolgt. Dem hat sich letztlich auch der Beklagte angeschlossen, indem er im Wege des Teilanerkenntnisses eine Verwertung des Vermögens im März 2020 als erfüllt ansah und die Rückforderung entsprechend reduzierte. Aufgrund der durchgängig inhaltsgleichen und letztlich in der mündlichen Verhandlung auch persönlich überzeugenden Darstellung der Kläger hat das Gericht eine weitere Beweiserhebung, vor allem durch Einvernahme des Vaters der Klägerin zu 2), nicht für erforderlich gehalten. Es bestand kein vernünftiger Zweifel daran, dass tatsächlich der Vater der Klägerin zu 2) den Bausparvertrag faktisch übernommen hat, um finanzielle Mittel zur Erhaltung des Grundstücks zu sichern. In die Abwägung eingeflossen ist auch die schriftliche Äußerung des Vaters der Klägerin zu 2. Darüber hinaus hat das Gericht auch berücksichtigt, dass aufgrund des Alters (83 Jahre) und des seitens der Klägerin zu 2) dargestellten Gesundheitszustandes des Vaters eine Einvernahme mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre.
Die von dem Beklagten vertretene Auffassung, der Vater der Klägerin habe die monatlichen Zahlungen auf den Bausparvertrag letztlich doch den Klägern zuwenden wollen, überzeugt demgegenüber nicht. Zunächst ist aktuell noch nicht belegt, dass das Guthaben aus dem Bausparvertrag bereits in Maßnahmen zur Erhaltung oder Wertsteigerung des Grundstücks geflossen ist. Auch die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Forderung von Abwasseranschlussgebühren aktuell noch nicht akut ist. Eine weitergehende Aufklärung war für das Gericht auch grundsätzlich nicht veranlasst. Letztlich ist aber ebenfalls durch die Einvernahme der Kläger für das Gericht deutlich geworden, dass derzeit und vor allem auch im streitigen Zeitraum eine echte Bindung der Kläger an das Grundstück nicht bestand. So hat insbesondere auch der Kläger zu 1) in der Verhandlung deutlich gemacht, für die Klägerin zu 2) ist das Grundstück eher eine psychische Belastung. Beide haben übereinstimmend angegeben, der Umzug nach N ist der Versuch, von den Eltern unabhängig zu werden. Damit ist jedenfalls im streitigen Zeitraum nicht ersichtlich, in welcher Weise die Kläger von dem Vermögen profitieren würden. Soweit die monatlichen Zahlungen auf das Konto der Kläger regelmäßige Geldflüsse und damit Einkommen i. S. d. § 11 SGB II darstellen könnten, ist nicht ersichtlich, dass dies verwertbar für die Kläger gewesen wäre. Auch hier verhindert die Vereinbarung zwischen den Klägern und dem Vater der Klägerin zu 2) eine Berücksichtigung.
Schlussendlich war auch das Grundstück als solches nicht in die Vermögensprüfung einzubeziehen. Hierbei hindert zunächst bereits der Umstand, dass die Kläger von Beginn an des Eigentums am Grundstück angegeben haben, eine rückwirkende Korrektur der Berechnung. Darüber hinaus dürfte in Anbetracht des Wohnrechts der Eltern eine Verwertbarkeit in angemessener Zeit eher zweifelhaft sein.
Im Ergebnis war daher an der bisherigen Leistungsbewilligung festzuhalten. Einwände gegen die Berechnung im Rahmen der endgültigen Festsetzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es kann somit dahinstehen, ob ein Vertrauensschutz im Übrigen eine Rücknahme und Erstattung verhindert hätte. Es fehlt bereits an einer Rechtswidrigkeit der Bewilligung. Der Klage war damit vollständig stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.


Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben