Sozialrecht

Kein Anspruch auf Verletztenrente im Überprüfungsverfahren

Aktenzeichen  S 4 U 53/14

Datum:
28.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135597
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII § 8 Abs. 1, § 56
SGB X § 44
SGG § 109

 

Leitsatz

1. Wenn der gerichtlich beauftragte Sachverständige für die Kammer nachvollziehbar erläutert, zwischen dem dokumentierten Gesundheitserstschaden und den heute beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen keinen Zusammenhang erkennen zu können, so besteht kein rechtlich wesentlicher Zusammenhang, weshalb die Funktionsstörungen bei der Bewertung der MdE unberücksichtigt bleiben.   (Rn. 31 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Widersprüchliche Angaben des Klägers zu der Entstehung angeblicher Unfallfolgen sind in der Beweisführung zu berücksichtigen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Gutachten ist für den Nachweis von weiteren Unfallfolgen im gerichtlichen Verfahren unbrauchbar, wenn es die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsgrundsätze nicht berücksichtigt. Eine Unbrauchbarkeit ergibt sich auch aus der Vermischung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie der fehlenden Abgrenzung der festzusetzenden Minderung der Erwerbsfähigkeit hinsichtlich Vorschaden, Unfallfolge und Nachschaden. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig, sie ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung weiterer Unfallfolgen als Folge der Arbeitsunfälle vom 06.10.2008 und vom 13.12.2011 abgelehnt.
Das Gericht folgt der Begründung der streitgegenständlichen Verwaltungsakte der Beklagten und macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen.
Lediglich ergänzend führt das Gericht aus:
Gemäß § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Handlung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. u.a. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – BSGE 96, 196 – 209 m.w.N.). Der Gesundheitserstschaden (Primärschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung) ist eine den Versicherungsfall begründende Tatbestandsvoraussetzung und daher keine Folge des Arbeitsunfalls (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 – 289). Voraussetzung für weitergehende Leistungsansprüche wie die Gewährung einer Verletztenrente ist das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen (weiteren Gesundheitsschäden auch Sekundärschäden oder Dauerschäden) aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2008 – B 2 U 27/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 30, SozR 4-2700 § 2 Nr. 12 m.w.N.).
Beweismaßstab für das Unfallereignis, den Gesundheitserstschaden und die weiteren Gesundheitsschäden ist nach ständiger Rechtsprechung der Vollbeweis, also die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis, dem Gesundheitserstschaden und den weiteren Gesundheitsschäden genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, also die überwiegende Wahrscheinlichkeit, wenn nach der medizinisch-naturwissenschaftlichen Auffassung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht (vgl. BSG vom 02.04.2009, B 2 U 29/07; vom 13.11.2012 – B 2 U 19/11 R).
Ausgehend von diesen Maßgaben und nach Würdigung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen und ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen ist das Gericht überzeugt, dass kein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen den heute noch bestehenden Gesundheitsstörungen des Klägers an dessen rechtem Arm (Handgelenk, Ellenbogen, Schulter) mit den Unfallereignissen vom 06.10.2008 und vom 13.12.2011 besteht.
Nach Überzeugung des Gerichts ist als Gesundheitserstschaden für den Unfall vom 06.10.2008 in Bezug auf die rechte Schulter/das rechte Handgelenk nur eine Schulterprellung nachgewiesen. Für den Unfall vom 13.12.2011 ist nach der Einschätzung des Gerichts selbst die Anerkennung einer Schulterprellung durch die Beklagte als äußerst großzügig anzusehen. Jedenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind über eine Schulterprellung hinausgehenden Gesundheitsstörungen.
Das Gericht ist unter eigener sorgfältiger Prüfung der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere auch der bildgebenden Befunde, davon überzeugt, dass die gutachterliche Einschätzung von Dr. E. zutreffend ist. Die gutachterliche Einschätzung von Dr. G. vermag dagegen nicht zu überzeugen.
Das Gericht hat daher keine Bedenken, sich der Einschätzung von Dr. E. anzuschließen. Denn der Sachverständige ist aufgrund eingehender Untersuchung des Klägers und sorgfältiger Befunderhebung sowie unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen zu der von ihm vorgenommenen Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen gelangt. Anhaltspunkte für eine unvollständige Befunderhebung oder unzutreffende Beurteilung sind nicht ersichtlich. Die ausschlaggebenden Ausführungen von Dr. E. sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und überzeugend begründet. Sie stimmen mit der einschlägigen unfallmedizinischen Literatur und den konkreten (bildgebenden) Befunden von den Gesundheitsstörungen des Klägers vor und nach dem Unfall überein.
Insbesondere auch zu berücksichtigen ist, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen ergibt, dass der Kläger selbst widersprüchliche Angaben zu der Entstehung der angeblichen Unfallfolgen aus den Unfällen 2008 bzw. 2011 gemacht hat. Das Gericht verweist hierzu auf die im Tatbestand genannten Befundberichte aus der Akte zum Schwerbehindertenfeststellungsverfahren, insbesondere die Angabe des Klägers gegenüber Dr. K. im Befundbericht vom 08.04.2013, dass er nach Privatunfall unter einer Funktionsbehinderung von Schulter, Hand und Ellenbogen rechts leide.
Das Gutachten von Dr. G. ist für den Nachweis von weiteren Unfallfolgen im gerichtlichen Verfahren unbrauchbar, denn es berücksichtigt nicht die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsgrundsätze. Vielmehr vermischt Dr. G. die einzelnen Versicherungsfälle – sowohl Arbeitsunfälle als auch Berufskrankheiten. Dr. G. lässt erkennen, dass er den im SGB VII bestehenden Unterschied zwischen einem Versicherungsfall in Form eines Arbeitsunfalles und in Form einer BK nicht kennt oder aber nicht wahrhaben will. Er grenzt gerade bei den Unfallfolgen und der hierfür festzusetzenden MdE nicht hinreichend Vorschaden, Unfallfolge und Nachschaden voneinander ab. Auch die dargestellten Beweismaßstäbe werden von Dr. G. – obwohl im Gutachtensauftrag ausführlich von der Vorsitzenden dargestellt – ignoriert. Völlig unverständlich bleibt für das Gericht auch die Bildung des konkreten „Gesamt-MdE“ aus den einzelnen MdE. Weiter ist an dem Gutachten zu kritisieren, dass sich Dr. G. bei den wesentlichen Beweisfragen nicht konkret bezogen auf den Kläger medizinisch festlegt, sondern Fragen offen lässt oder lediglich abstrakte Angaben macht. Das Gutachten von Dr. G. konnte somit zur Aufklärung des Sachverhaltes nichts beitragen.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, § 193 SGG.


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