Sozialrecht

Kein Anspruch auf zukünftige Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht

Aktenzeichen  M 19 K 17.1311

Datum:
3.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 37246
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 4

 

Leitsatz

Wenn es an einem Sozialleistungsbescheid fehlt und aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 RBStV für die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nicht vorliegen, scheidet regelmäßig auch die aus denselben wirtschaftlichen Gründen begehrte Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV aus. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Dies Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Festsetzung der bisherigen Beitragshöhe richtet. Soweit die Klage auf Befreiung von der künftigen Pflicht zur Rundfunkbeitragszahlung zielt, ist sie unbegründet.
1. Der Kläger wendet sich mit seinem Klagebegehren zunächst gegen die Beitragsforderungen des Beklagten in Höhe von 904,47 €, zuletzt durch Schreiben vom 3. Juni 2016.
Das Schreiben vom 3. Juni 2016 stellt allerdings nur eine Zahlungsaufforderung bzw. eine Fälligkeitsmitteilung über die aufgelaufenen Beiträge dar. Es handelt sich hingegen nicht um eine Festsetzung der Rundfunkgebühren im Sinne des § 10 Abs. 5 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (i.d.F. d. Bek. vom 7. Juni 2011, GVBl. S. 258, BayRS 2251-17-S; nachfolgend RBStV) durch Verwaltungsakt. Gegen diese Mitteilung wendet sich der Kläger in der Sache auch nicht. Er erhebt keine Einwände gegen die „rechnerische Richtigkeit“ der Mitteilung, sondern vielmehr gegen die Festsetzung der Rundfunkbeiträge an sich. Wie auch die mündliche Verhandlung gezeigt hat, hat der Kläger grundsätzliche Einwände gegen die Ausgestaltung der Rundfunkfinanzierung durch geräteunabhängige Beitragspflichten.
Die nach seinem Begehren daher allein sachgerechte und statthafte Anfechtungsklage gegen die Beitragsfestsetzung ist allerdings verfristet. Denn die Festsetzung der jeweils geschuldeten Beiträge erfolgte durch mehrere Bescheide, zuletzt durch einen Bescheid vom 3. Januar 2016, der am 7. Januar 2016 zur Post aufgegeben wurde. Im Zeitpunkt der Erhebung seiner Klage – beim unzuständigen Sozialgericht (vgl. zur Möglichkeit der Fristwahrung bei Erhebung der Klage beim unzuständigen Gericht Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 74 Rn. 9) – am 21. November 2016 war der Bescheid daher bestandskräftig und ist insoweit eine Anfechtungsklage bereits unzulässig.
2. Soweit der Kläger sich gegen eine künftige Heranziehung zur Beitragszahlung wendet, begehrt er in der Sache eine Befreiung von der Beitragspflicht nach § 4 RBStV.
Die insoweit erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig, weil sich der Akte des Beklagten nicht entnehmen lässt, wann der Ablehnungsbescheid vom 22. August 2016 zur Post aufgegeben wurde oder tatsächlich dem Kläger zugegangen ist. Es ist daher davon auszugehen, dass der Ablehnungsbescheid noch nicht bestandskräftig wurde.
Die Klage ist allerdings nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.
Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag enthält in § 4 Abs. 1 verschiedene Tatbestände fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, bei deren Vorliegen der Gesetzgeber eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht vorgesehen hat. Diese Tatbestände knüpfen grundsätzlich an den Empfang bestimmter Sozialleistungen an und stellen hierzu auf den Erlass und Inhalt der entsprechenden Bewilligungsbescheide ab.
Der Kläger hat keinen einschlägigen Bewilligungsbescheid vorgelegt. Er beruft sich allein auf seinen spartanischen Lebensstil und eine sehr karge finanzielle Situation.
In der Sache stützt er damit seinen Befreiungsantrag auf das Vorliegen eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV ab. Der Kläger hat jedoch auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach dieser Vorschrift. Voraussetzung für einen Befreiungsanspruch nach § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV wäre ein – hier nicht vorliegender – Ablehnungsbescheid einer Sozialbehörde, aus dem hervorgeht, dass eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten.
Auch ein sonstiger Härtefall nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV ist nicht gegeben. Eine (nicht durch entsprechende Leistungsbescheide nachgewiesene) materielle Bedürftigkeit allein führt nicht zu einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gemäß § 4 Abs. 1 oder Abs. 6 RBStV. Eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV als „bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit“ kommt nur in Betracht, wenn ein entsprechender Sozialleistungsbescheid vorgelegt wird. Wenn es aber an einem solchen Bescheid fehlt und aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 RBStV nicht vorliegen, scheidet regelmäßig auch die aus denselben wirtschaftlichen Gründen begehrte Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV aus. Denn angesichts des Normzwecks von Absatz 1 soll die gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit nicht dadurch umgangen werden, dass einkommensschwache Personen, die keine Sozialhilfe erhalten, weil sie diese Leistung nicht in Anspruch nehmen wollen – so verhält es sich beim Kläger -, dem Härtefalltatbestand des § 4 Abs. 6 RBStV zugeordnet werden. Vielmehr hatte der Normgeber bei der Schaffung des Härtefalltatbestands die Fälle im Blick, in denen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorliegen, eine vergleichbare Bedürftigkeit aber gleichwohl vorliegt und nachgewiesen werden kann (vgl. ausführlich VGH BW, B.v. 9.11.2018 – 2 S 1874/18 – juris Rn. 6 ff. m.w.N.).
Ein solcher Fall ist beim Kläger nicht gegeben. Er stellt keinen Antrag auf Sozialleistungen, da er nachteilige Auswirkungen auf sein Hausgrundstück befürchtet. Er verzichtet damit freiwillig auf die Inanspruchnahme ihm mutmaßlich zustehender Leistungen i.S.d. § 4 Abs. 1 RBStV. Für solche Konstellationen ist die Vorschrift § 4 Abs. 6 RBStV nicht konzipiert.
Die Klagen waren daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung. M 19 K 17.1311


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