Sozialrecht

Keine Verwaltungsaktkompetenz des Durchgangsarztes

Aktenzeichen  L 2 U 121/16 B ER

Datum:
19.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII SGB VII § 34 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, § 26 Abs. 5

 

Leitsatz

Auch wenn ein Durchgangsarzt bzw. bis 31.12.2015 ein H Arzt bei der Entscheidung, ob eine besondere Heilbehandlung oder eine allgemeine Heilbehandlung einzuleiten ist, ein öffentliches Amt ausübt, ergibt sich daraus keine Verwaltungsaktkompetenz des Arztes, über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, über Erstschäden oder Unfallfolgen etc. verbindlich zu entscheiden. (amtlicher Leitsatz)
Der H Arzt oder Durchgangsarzt ist kein Beliehener. (amtlicher Leitsatz)
Weder Durchgangsärzten noch an der besonderen Heilbehandlung beteiligte Ärzte nach dem SGB VII kommt die Verwaltungsaktkompetenz zu, das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, von Erstschäden oder von Unfallfolgen verbindlich festzustellen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 18 U 78/16 2016-04-06 Bes SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 06.04.2016 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, dass sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.01.2016 aufschiebende Wirkung hat.
Der 1955 geborene Bf. war seit Juli 2015 als Staplerfahrer abhängig beschäftigt. Er stürzte laut Unfallanzeige vom 14.08.2015 am 12.08.2015 um 8:10 Uhr auf dem Heimweg von der Nachtschicht nach Hause mit dem Fahrrad und verletzte sich die Hände und das linke Kniegelenk. Am nächsten Tag arbeitete er wieder in Nachtschicht.
Am 14.08.2015 gegen 9:00 Uhr stellte sich der Bf. beim H-Arzt Dr. P. vor, der einen H-Arztbericht an die Beschwerdegegnerin (Bg.) erstellte. Darin diagnostizierte Dr. P. nach Untersuchung und Auswertung von Röntgenbildern eine Knieprellung links, versorgte den Bf. mit einem Zinkleimverband und Ibuprofen und beurteilte ihn ab 13.08.2015 als arbeitsunfähig, mit voraussichtlichem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ab 21.08.2015. Er kreuzte bei Frage 10 („Sprechen Hergang und Befund gegen die Annahme eines Arbeitsunfalles“) das Kästchen „Nein“ und bei Frage 12 (Art der Heilbehandlung) „allgemeine Heilbehandlung durch mich“ an. Auf eine im September 2012 erfolgte Knie-Totalendoprothese (TEP) als unfallunabhängige Gesundheitsstörung wies er hin.
Das Computertomogramm (CT) des linken Kniegelenks vom 21.08.2015 zeigte keine Fraktur. Das Skelettszintigramm vom 12.10.2015 ergab laut Radiologen Prof. Dr. S. keine Infektion oder Lockerung der Knie-TEP, bei Hinweisen auf Retropatellararthrose. Die geringe bandförmige Tracermehrspeicherung am Tibiaplateau sah Prof. Dr. S. als Hinweis auf eine proximale Tibiofibulararthrose. Auf die Berichte von Dr. P. über Operationen vom 27.10.2015 und 08.12.2015 wegen Carpaltunnelsyndroms (CTS) beidseits und auf den Arztbrief des Neurologen und Psychiater Dr. S. vom 17.09.2015 wird Bezug genommen.
Der beratende Chirurg Dr. G. führte in seiner Stellungnahme vom 14.01.2016 aus, dass unfallbedingt nur eine Prellung vorgelegen habe, dass das CTS beidseits eine unfallunabhängige Erkrankung sei, dass keine Lockerung der TEP bestehe und dass Behandlungsbedürftigkeit von Unfallfolgen bzw. unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur bis 12.10.2015 vorgelegen habe.
Daraufhin lehnte die Bg. mit Bescheid vom 14.01.2016 die zukünftige Übernahme weiterer Behandlungskosten wegen des Unfalls vom 12.08.2015 ab. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit werde bis einschließlich 12.10.2015 anerkannt; ab 13.10.2015 seien keine Ansprüche auf Verletztengeld mehr gegeben. Zu viel gezahlte Kosten brauche der Bf. nicht zurückzuzahlen. Unfallfolgen seien nicht mehr nachweisbar; die Unfallverletzungen wie die beidseitige Handgelenkszerrung seien folgenlos ausgeheilt. Das CTS beidseits sei eine degenerative Erkrankung und keine Unfallfolge. Eine Lockerung der Knie-TEP liege nicht vor. Mit Schreiben vom 14.01.2016 teilte die Bg. den bisher behandelnden Ärzten einschließlich Dr. P. mit, dass keine Behandlungen mehr zu ihren Lasten durchzuführen seien.
Zur Begründung seines Widerspruchs vom 25.01.2016 stützte sich der Bf. auf eine Stellungnahme von Dr. P. vom 03.02.2016. Im Bericht über eine weitere Skelettszintigraphie vom 15.02.2016 legte der Radiologe Dr. D. dar, dass der Befund – eine bandförmige Knochenstoffwechselsteigerung in Projektion auf das laterale, geringer auf das mediale linke Tibiaplateau – für eine Lockerung des tibialen Prothesenschenkels spreche bei degenerativen Veränderungen im Bereich beider Kniescheiben.
Der Bf. hat die Bg. mit Schreiben vom 08.03.2016 zur zeitnahen Entscheidung über seinen Widerspruch aufgefordert, weil sich sonst die Kostenübernahme für die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M. (BGU M.) verzögere. Sein Bevollmächtigter hat mit Schreiben vom 10.03.2016 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und Fortsetzung der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung begehrt. Er hat auf einen Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 30.05.2013 verwiesen.
Die Bg. wies mit Schreiben vom 15.03.2016 auf die fehlende aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der abgebrochenen Heilbehandlung hin.
Dr. G. führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.03.2016 aus, dass der aussagekräftige erste Befund der Szintigraphie vom 12.10.2015 keine Lockerung der TEP nachweise. Die am 15.02.2016 festgestellte Lockerung sei später im Verlauf unfallunabhängig eingetreten.
Am 23.03.2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Bf. beim Sozialgericht Augsburg (SG) die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 22.01.2016 gegen den Bescheid vom 14.01.2016 beantragt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass Dr. P. mit Wirkung zum 14.08.2015 eine berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung eingeleitet und die Bg. im Anschluss Heilbehandlung gewährt habe. Mit Bescheid vom 14.01.2016 habe die Beklagte diese Heilbehandlung eingestellt bzw. entzogen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs sei analog § 86b Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch deklaratorischen Beschluss festzustellen. Ein Anordnungsgrund sei nicht erforderlich.
Auf den richterlichen Hinweis vom 24.03.2016 wird Bezug genommen. Das SG hat dargelegt, dass die Anfechtung des Bescheides mangels vorangegangener Leistungsbewilligung nicht zur Leistungsgewährung führe und dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund für eine Regelungsanordnung nicht glaubhaft gemacht seien.
Der Prozessbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 31.03.2016 entgegnet, der H-Arzt Dr. P. habe als Beliehener der Bg. über einen Rechtsanspruch des Bf. auf allgemeine berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung mit Rechtsqualität eines Verwaltungsaktes entschieden. Die Bekanntgabe sei mündlich durch den Arzt und ergänzend durch Aushändigung des H-Arzt-Berichtes erfolgt. Zu ähnlichen Ergebnissen führe eine Prüfung der Rechtsposition nach § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Durch den Verweis auf eine kassenärztliche Behandlung sei der Bf. beschwert, weil diese nicht dem Standard der berufsgenossenschaftlichen Rehabilitation entspreche. Eine Behandlung in der BGU M. sei dringend indiziert und ohne Behandlungsauftrag der Bg. nicht möglich.
Die Bg. hat die Ablehnung des Antrags begehrt. Erstmals mit Bescheid vom 14.01.2016 sei über Verletztengeldgewährung und Heilbehandlung entschieden worden. Ein H-Arzt-Bericht erfülle nicht die Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes mit Außenwirkung, sondern diene nur der raschen adäquaten Versorgung von Unfallverletzten. Ein Anspruch auf andauernde Leistungen werde nicht geschaffen. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung fehle es an Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Behandlungsbedürftige Unfallfolgen lägen nicht vor. Eine unfallbedingte Lockerung der TEP sei nicht nachgewiesen, so dass Behandlungskosten dafür nicht zu übernehmen seien. Außerdem könne die Heilbehandlung zulasten der Krankenkasse erfolgen; die dann anfallenden Eigenanteile seien keine erheblichen wirtschaftlichen Nachteile, so dass der Ausgang des Widerspruchsverfahrens abgewartet werden könne.
Das SG hat mit Beschluss vom 06.04.2016 den Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt. Dem Antrag fehle das Feststellungsinteresse bzw. das Rechtsschutzbedürfnis. Denn der angegriffene Bescheid enthalte die erstmalige Entscheidung über Behandlungskosten und Verletztengeld. Durch isolierte Anfechtung des Bescheides durch Klage oder Widerspruch bzw. durch aufschiebende Wirkung des Widerspruchs könne die angestrebte Leistung nicht unmittelbar erlangt werden. Der H-Arzt-Bericht sei reines Verwaltungsinternum und enthalte keine Bewilligung von Verletztengeld oder Heilbehandlung von Unfallfolgen mangels Regelung und Außenwirkung i. S.v. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 SGG, der ausdrücklich nicht gestellt worden sei, habe ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg, da weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht seien.
Mit der am 13.04.2016 beim SG eingegangenen Beschwerde macht der Bevollmächtigte des Bf. ausweislich des Schreibens vom 02.05.2016 weiterhin die (deklaratorische) Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Abbruch der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung geltend.
Auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 25.04.2016 wird Bezug genommen.
Der Prozessbevollmächtigte des Bf. hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die Bg die Entscheidung des H-Arztes über 5 Monate akzeptiert und Heilbehandlung gewährt habe. Der H-Arzt habe bei Entscheidung zur Übernahme der Heilbehandlung durch den Unfallversicherungsträger als Beliehener bzw. Behörde gehandelt mit Regelungscharakter bzw. mit Verwaltungsaktqualität. Die Bg. habe im Bescheid vom 14.01.2016 nur die zukünftige Übernahme weiterer Behandlungskosten abgelehnt; bei Aufhebung würde die mit Feststellung des Leistungsfalls eingegangene Verpflichtung zur Gewährung von Heilbehandlungsmaßnahmen fortbestehen.
Die Bg. hat mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2016 den Widerspruch des Bf. als unbegründet zurückgewiesen. Die Erhebung einer Klage ist bislang nicht bekannt.
Die Bg. hat sich im Beschwerdeverfahren auf den Beschluss des SG gestützt. Ein H-Arzt-Bericht sei kein Verwaltungsakt. Außerdem sei Dr. P. als H-Arzt ab 2016 nicht mehr zur Behandlung Unfallverletzter zulasten der Gesetzlichen Unfallversicherung zugelassen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund seien nicht gegeben. Nach den Erstbefunden sei ein über die Knieprellung hinausgehender Erstschaden im Bereich des linken Kniegelenks nicht im Vollbeweis nachgewiesen.
Der Bf. beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 06.04.2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.01.2016 aufschiebende Wirkung hat.
Die Bg. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten des SG und LSG Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde erweist sich als unbegründet.
Der Bf. macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anspruch auf weitere Maßnahmen der Heilbehandlung über den 14.01.2016 hinaus geltend. Als konkrete Leistung nennt er eine Operation in der BGU M. mit Ersatz der 2002 implantierten Knie-TEP links.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nur noch bis zum Ablauf der Klagefrist gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.04.2016 zulässig ist. Denn nach Ablauf der Klagefrist ohne Klageerhebung ist wegen Bestandskrafts des Bescheides vom 14.01.2016 der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bereits unzulässig. Bei fristgerechter Klageerhebung wäre der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu richten.
Die vom Bf. begehrte Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (oder einer Klage) gegen den Bescheid vom 14.01.2016 „wegen Abbruchs der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung“ analog § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist ebenso unzulässig wie ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Denn der Bf. kann sein Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mittels isolierter Anfechtung und Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2016 erreichen (vgl. zur Abgrenzung von § 86b Abs. 1 und Abs. 2 u. a. Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, Kommentar zum SGG, 2. Auflage 2014, zu § 86b RdNr. 10 f.).
Gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) bestimmen die Unfallversicherungsträger Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BSG vom 29.11.2011 – B 2 U 21/10 R – Juris RdNr. 16). Ein Anspruch auf Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen kann ebenso wie ein Anspruch auf noch nicht bewilligte Leistungen nur im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG geltend gemacht werden.
Fällig bzw. vollziehbar werden Ansprüche auf konkrete Heilbehandlungsmaßnahmen in der Regel erst mit Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung (vgl. § 40 Abs. 2 i. V. m. § 41 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I). Der Bescheid vom 14.01.2016 hat aber keinen Verwaltungsakt zurückgenommen, mit dem zuvor konkrete Heilbehandlungsmaßnahmen für die Zeit ab 14.01.2016 bewilligt worden waren, so dass bei Beseitigung des Bescheides vom 14.01.2016 keine konkreten Leistungsansprüche aufgrund Bewilligung aufleben könnten.
Die Bg. als Unfallversicherungsträger hatte vor dem angegriffenen Bescheid keine konkreten Maßnahmen der Heilbehandlung für die Zeit ab 14.01.2016 gegenüber dem Bf. bewilligt oder angeordnet, insbesondere nicht eine stationäre Behandlung in der BGU M. oder die gewünschte Operation des linken Kniegelenks. Dr. P. war ab 01.01.2016 nicht befugt, als H-Arzt für die Bg. zu handeln, weil das H-Arztverfahren mit Ablauf des 31.12.2015 geendet hat (vgl. u. a. § 35 ff. des Vertrags gemäß § 34 Abs. 3 SGB VII zwischen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V., dem Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen – Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger Stand 01.01.2011 und Stand 01.01.2016). Überdies ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass Dr. P. für die Zeit ab 14.01.2016 konkrete Heilbehandlungsmaßnahmen zulasten der Bg. angeordnet haben könnte. Soweit sich der Bf. auf den H-Arztbericht von Dr. P. stützen will, enthält dieser schon keine Aussagen über entsprechende Leistungen für die Zeit ab 14.01.2106. Dass Dr. P. bis zur Bekanntgabe des Bescheides vom 14.01.2016 tatsächlich verschiedene Leistungen der allgemeinen Heilbehandlung auf Kosten der Bg. erbracht hat, begründet keinen Rechtsanspruch des Bf. auf weitere, noch nicht erbrachte konkrete Leistungen der Heilbehandlung durch die Bg. Auch wenn ein Durchgangsarzt bzw. bis 31.12.2015 der H-Arzt bei der Entscheidung, ob eine besondere Heilbehandlung oder eine allgemeine Heilbehandlung einzuleiten ist nach § 34 Abs. 3 SGB VII i. V. m. 27 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger ein öffentliches Amt ausübt (vgl. dazu BGH vom 09.03.2010 – VI ZR 131/09 – Juris RdNr.9), ergibt sich daraus keine Verwaltungsaktkompetenz des Arztes, über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, über Erstschäden oder Unfallfolgen etc. verbindlich zu entscheiden. Der H-Arztbericht nach § 36 des Vertrags Ärzte /Unfallversicherungsträger in der bis 31.12.2015 geltenden Fassung beinhaltet – wie der Name schon sagt – lediglich einen Bericht an den Unfallversicherungsträger, aber keine Verwaltungsakte gegenüber dem Versicherten; auf die zutreffenden Ausführungen des SG nimmt der Senat Bezug. Der H-Arzt oder Durchgangsarzt ist insoweit kein Beliehener.
Der vom Prozessbevollmächtigten des Bf. zitierte Beschluss des Sozialgerichts B-Stadt vom 30.05.2013 (S 40 U 143/13 ER) mit Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gibt schon keinerlei Aufschluss über den dort zugrunde gelegten Sachverhalt.
Einen Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG auf weitere konkrete Heilbehandlungsmaßnahmen wegen unfallbedingter Lockerung der Hüft-TEP durch die Bg. hat der Prozessbevollmächtigte des Bf. ausdrücklich und bewusst nicht gestellt. Außerdem sind nach summarischer Prüfung weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, zumal der Bf. Anspruch auf Heilbehandlung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gegen seinen Krankenversicherungsträger hat.
Eine Zuständigkeit der Bg. für weitere – ambulante oder stationäre – Heilbehandlungsmaßnahmen nach § 14 SGB IX kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe, insbesondere nicht um Leistungen der medizinischen Rehabilitation handelt. Das SGB VII unterscheidet wie das SGB V nach seiner Regelungssystematik zwischen Krankenbehandlung einerseits (vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 SGB VII) und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 bis 7 und Abs. 3 SGB IX andererseits (§ 27 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII; vgl. hierzu auch BSG vom 17.12.2013 – B 1 KR 50/12 R – Juris RdNr. 9).
Während die Rehabilitation die Aufgabe hat, Folgen von Krankheiten in Form von Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen – also Behinderungen – abzuwenden, sie zu beseitigen oder zu mindern oder deren wesentliche Verschlechterung abzuwenden bzw. ihre Folgen zu mindern, ist vorrangiges Ziel der Krankbehandlung die Heilung, die Beseitigung oder die Vermeidung der Verschlimmerung von Krankheiten (vgl. hierzu Oppermann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB IX, zu § 14 RdNr. 15; Luik in Juris-PK zu § 14 SGB IX RdNr. 111; Nellissen in Juris-PK zu § 26 RdNr. 21 f.; vgl. zur Abgrenzung auch BT-Drucks. 14/1245 S. 61 zu Nr. 6 ). Der Bf. macht aber eindeutig Ansprüche auf Heilbehandlung geltend, insbesondere auf ärztliche Behandlungen einschließlich Operation zur Behebung der Lockerung einer Knie-TEP und damit zur Beseitigung einer Erkrankung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.


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