Sozialrecht

Meldeterminsversäumnis mit dem Hinweis auf ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis

Aktenzeichen  S 14 AS 879/16

Datum:
27.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 130218
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 20, § 31b Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Der Meldezweck der “Besprechung der Mitarbeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes” ist ein zulässiger Meldezweck. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein bloßer Hinweis auf das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist nicht ausreichend für die Darlegung eines wichtigen Grundes. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis, dass die betroffene Person sich nicht von ihrer Arbeitsverpflichtung freistellen lassen oder Urlaub in Anspruch nehmen kann, um den Meldetermin wahrzunehmen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Kammer konnte den Rechtsstreit auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten waren ordnungsgemäß geladen und wurden in der Ladung jeweils auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen (§§ 110, 126, 132 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
I.
1. Die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 21.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2016 ist unzulässig. Klagebefugt ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen Sanktionsbescheid nur die Klägerin, da nur ihre Leistungen aufgrund der Sanktion gemindert werden und deshalb nur sie hiervon beschwert ist.
2. Die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 21.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2016 ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Sanktionsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
§ 32 Abs. 1 SGB II regelt, dass bei Leistungsberechtigten, die trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen, sich das Arbeitslosengeld II jeweils um 10% des für sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs mindert. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.
Vorliegend wurde die Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2016 zu einem Termin am 23.05.2016 eingeladen. Nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hat sich der Leistungsberechtigte – und das ist die Klägerin auch im Falle einer Beschäftigung im Betrieb ihres Ehemannes, des Klägers, weiterhin – ab Antragstellung persönlich beim SGB-II-Leistungsträger zu melden, wenn der Leistungsträger ihn dazu auffordert. Die Meldeaufforderung muss sich auf einen in § 309 Abs. 2 SGB III aufgezählten Grund beziehen. Dies ist hier der Fall; der Meldezweck der Besprechung der Mitarbeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes dient sowohl der Prüfung von Leistungsvoraussetzungen (§ 309 Abs. 2 Nr. 5 SGB II) als der Klärung der Frage, ob und inwieweit weiterhin Leistungen des Beklagten zur Vermittlung der Klägerin in Arbeit erforderlich sind (§ 309 Abs. 2 Nr. 2 SGB II).
Ein Meldeversäumnis liegt dann vor, wenn der Leistungsberechtigte sich nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort meldet, der in der Aufforderung genannt ist. Insofern liegt ein Meldeversäumnis vor, da die Klägerin am 23.05.2016 nicht beim Beklagten vorgesprochen hat. Der Verstoß gegen die Meldeaufforderung ist der Klägerin auch subjektiv vorwerfbar. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Klägerin die Aufforderung des Beklagten vom 10.05.2016, am 23.05.2016 bei ihm vorzusprechen, erhalten hat. Dennoch hat die Klägerin den Termin nicht wahrgenommen.
Voraussetzung für eine Sanktionierung ist die vorherige schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis. Hier hatte der Beklagte die Klägerin mit Einladungsschreiben vom 10.05.2016 konkret, richtig, vollständig und zeitnah darüber belehrt, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für sie ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt. Die Klägerin wurde explizit auf die weitere Minderung ihrer Leistungen nach dem SGB II um 10% des für sie maßgebenden Regelbedarfs für einen Zeitraum von drei Monaten hingewiesen.
Ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen am 23.05.2016 liegt nicht vor. Als wichtige Gründe sind alle Umstände anzusehen, die eine Meldung unmöglich gemacht haben oder diese als unzumutbar erscheinen lassen, so dass ein anderes Verhalten billigerweise nicht zu erwarten war. Ein solcher Umstand liegt nicht in der behaupteten Mitarbeit der Klägerin im Betrieb des Klägers begründet. Ein bloßer Hinweis auf das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist nicht ausreichend als wichtiger Grund. Erforderlich wäre vielmehr der Nachweis, dass die Klägerin sich nicht von ihrer Arbeitsverpflichtung freistellen lassen oder Urlaub in Anspruch nehmen konnte, um den streitigen Meldetermin wahrzunehmen. Entsprechendes hat sie aber nicht einmal vorgetragen.
Soweit die Kläger sich darauf berufen, das BSG habe „ganz klar untersagt“, dass „mehrfach wegen der gleichen Sache geladen“ werde, ist dies schon nicht zutreffend. Vielmehr hat das BSG mit Urteil vom 29.04.2015 (Az.: B 14 AS 19/14 R = SozR 4-4200 § 31a Nr. 1, dort Rn. 45ff.) lediglich entschieden, dass ein Jobcenter ab der vierten („nach der dritten“) gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins Ermessen ausüben muss, ob die weitere – also die vierte – gleichlautende Meldeaufforderung den Leistungsbezieher noch bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen kann oder ob sie nur noch der Minderung seines Arbeitslosengeld II-Anspruchs dient. Der Meldezweck „Besprechung der Mitarbeit im Betrieb des Klägers“ wurde vor der streitgegenständlichen Meldeaufforderung vom 10.05.2016 erst zweimal verfolgt (Meldeaufforderungen vom 11.12.2015 und vom 05.04.2016). Das vorgenannte BSG-Urteil betrifft insoweit erst die vierte gleichlautende Meldeaufforderung und steht dem streitgegenständlichen Vorgehen des Beklagten, das auch im Übrigen nicht zu beanstanden ist, nicht entgegen.
Der Beklagte hat Dauer und Umfang der Leistungsminderung gemäß § 32 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II i.V.m. § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II zutreffend bestimmt. Die Frist des § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II ist eingehalten.
II.
Die Klagen der Kläger auf Unterlassung der „Mehrfachladung wegen der gleichen Begründung“ sind unzulässig.
Das Klagebegehren ist sinngemäß darauf gerichtet, dass der Beklagte Meldeaufforderungen, die sich auf einen bereits in vorangegangenen Meldeaufforderungen genannten Grund beziehen, künftig unterlassen soll. Insoweit handelt es sich um eine sog. vorbeugende Unterlassungsklage, denn das Begehren der Kläger ist auf die Zukunft gerichtet.
Für vorbeugende Unterlassungsklagen ist ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis erforderlich (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rn. 42a, m.w.N.). Daran fehlt es, wenn der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Auch im vorliegenden Fall ist ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse nicht gegeben. Es ist den Klägern weiterhin zuzumuten, gegen vermeintlich rechtswidrige belastende Bescheide mit Widerspruch und Klage vorzugehen, siehe § 54 SGG.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.


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