Sozialrecht

Rechtmäßigkeit von Säumniszuschlägen aufgrund von Gewerbesteuer

Aktenzeichen  AN 19 K 19.01933

Datum:
21.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27507
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 247
AO § 240, § 227
GewStG § 20 Abs. 2

 

Leitsatz

Es bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Zweifel hinsichtlich der in § 240 AO angeordneten Höhe der Säumniszuschläge von 1% je Monat. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.
Das Gericht durfte den in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2020 erstmals gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ablehnen und über die Klageanträge nach Schluss der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Voraussetzungen gemäß § 94 VwGO vorliegend nicht gegeben sind.
So sind beim Bundesverfassungsgericht nach Auskunft des Klägervertreters mehrere Vorlageverfahren des Bundesfinanzhofes anhängig, bei denen es um die Frage der Verfassungswidrigkeit des § 233a AO geht. Zwar mag in den vorliegend zur Entscheidung stehenden Säumniszuschlägen ein Zinsanteil enthalten sein, wie es der Klägervertreter unter Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung und Literatur vorgetragen hat. Dennoch hätte eine mögliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit von § 233a AO keine unmittelbare Auswirkung auf das vorliegende Verfahren. § 240 AO wäre nach wie vor gültig und daher durch das erkennende Gericht anzuwenden. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens durfte daher abgelehnt und über die Klage entschieden werden.
B.
Der Kläger begehrt den Erlass von Säumniszuschlägen zur Gewerbesteuer für die Jahre 2013 und 2014 in Höhe von 1.983,00 Euro (I. und II.) sowie die Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im behördlichen Vorverfahren notwendig war (III.).
I.
Die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage erweist sich bereits als unzulässig.
Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung zur Begründung seines Klageantrages argumentiert, aus seiner Sicht sei die Anfechtungsklage die richtige Klageart, weil die gesetzlichen Säumniszuschläge aufgrund der Verfassungswidrigkeit von § 240 AO gar nicht erst entstanden seien. Das hier streitgegenständliche Schreiben der Beklagten vom 26. Juni 2018 wäre demnach als Abrechnungsbescheid im Sinne von § 218 Abs. 2 AO auszulegen (vgl. zur Abgrenzung: Kögel in Gösch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 150. Lieferung, § 240, Rn. 112 ff.). Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der Klägervertreter selbst mit Schreiben vom 12. Juni 2018 den Erlass der Säumniszuschläge beantragt hatte (Bl. 4 ff. der Behördenakte). Zudem ist auch unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung zur etwaigen Verfassungswidrigkeit der Nachzahlungszinsen und des in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteils einzuwenden, dass § 240 AO bislang nicht Gegenstand eines Vorlageverfahrens ist (s.o.). § 240 AO war daher von der Beklagten anzuwenden und durch das hier erkennende Gericht zu berücksichtigen, so dass davon auszugehen ist, dass die Säumniszuschläge kraft Gesetzes entstanden sind und es vorliegend um den Erlassantrag des Klägers vom 12. Juni 2018 geht. Allein die Aufhebung des hier angefochtenen Bescheids würde nicht zu dem vom Kläger angestrebten Zustand führen, da insoweit die Säumniszuschläge bereits um die Hälfte reduziert wurden. Die im Rahmen des Hauptantrages beantragte Aufhebung würde zu einem „Wiederaufleben“ des vollen Säumniszuschlages führen und entspräche nicht dem Klagebegehren des Klägers im Sinne eines vollständigen Erlasses.
II.
Nach dem so zu verstehenden Rechtsschutzbegehren des Klägers (§ 88 VwGO) und dem in der mündlichen Verhandlung präzisierten Klageantrag ist die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Die Klage ist insoweit ausdrücklich auf die Verpflichtung der Beklagten gerichtet, den noch streitgegenständlichen Säumniszuschlag in Höhe von 1.983,00 Euro – unter Aufhebung des insoweit ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 26. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung … vom 3. September 2019 – zu erlassen.
1. Die so zu verstehende Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden, weil das im Bereich der Kommunalabgaben gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Nummer 1 AG VwGO fakultativ durchzuführende Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt und die Klage fristgerecht gemäß § 74 VwGO erhoben worden ist.
Der insoweit erhobene Einwand der Widerspruchsbehörde, der Widerspruch sei nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und damit verspätet eingelegt worden, greift nicht durch. Denn gemäß § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist nur zu laufen, wenn der Betroffene über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Diese Pflicht zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:ist vorliegend unterblieben. Zwar enthält das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten vom 26. Juni 2018 unter „Anlage“ den Hinweis auf eine beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:. Diese ist jedoch in der vorgelegten Behördenakte der Beklagten nicht enthalten, sodass die insoweit bestehenden Zweifel, ob dem angefochtenen Bescheid tatsächlich eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt war, zu Lasten der Beklagten gehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 22. Aufl., 2016, § 108, Rn. 17). Aus diesem Grund ist vorliegend die Vorschrift des § 58 Abs. 2 VwGO anwendbar, wonach bei fehlender oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung:für die Einlegung des Rechtsbehelfs eine Jahresfrist gilt, welche unzweifelhaft eingehalten worden ist. Der am 2. August 2018 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch (Bl. 8f. der Behördenakte) ist somit fristgerecht erhoben worden.
2. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Erlass der noch zur Hälfte von der Beklagten geforderten Säumniszuschläge hat, § 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO.
Inmitten steht gemäß § 227 AO eine – gerichtlich gemäß § 114 VwGO nur eingeschränkt überprüfbare – Ermessensentscheidung der Steuerbehörde darüber, ob die – kraft Gesetzes entstandenen – Säumniszuschläge ganz oder zum Teil erlassen werden können, wenn deren Einziehung nach Lage des Falls unbillig wäre.
2.1 Zunächst ist festzustellen, dass Säumniszuschläge kraft Gesetzes entstehen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Säumnis verwirklicht sind. Insoweit bestimmt die hier einschlägige Vorschrift des § 240 AO, dass für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten ist, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet worden ist.
Seitens der Beklagten ist zwar im vorliegenden Verfahren von „3% je Hauptforderung“ die Rede gewesen. Richtigerweise beträgt der Säumniszuschlag gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz AO jedoch 1%; in dieser Höhe ist der Säumniszuschlag vorliegend von der Beklagten auch berechnet worden.
Dass die Voraussetzungen für den angefochtenen Säumniszuschlag vorliegen, wird seitens des Klägers nicht bestritten: So ist zunächst festzustellen, dass der Steueranspruch bereits fällig geworden ist, § 220 AO i.V.m. § 20 Abs. 2 GewStG. Der von der Beklagten mitgeteilte Fälligkeitstermin für die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis für die Jahre 2012 bis 2014 am 19. Februar 2018 (Bl. 2 der Behördenakte) wurde im gesamten behördlichen und gerichtlichen Verfahren nicht in Frage gestellt. Genauso unstreitig ist, dass die Zahlungen des Klägers für die Gewerbesteuerjahre 2013 und 2014 erst am 25. April 2018 eingegangen sind. Das Veranlagungsjahr 2012 kann insoweit außer Betracht bleiben, weil die Beklagte hier eine Korrektur vorgenommen und dieses bei der Berechnung der Säumniszuschläge folgerichtig nicht zugrunde gelegt hat.
§ 240 AO ist trotz der vom Kläger geltend gemachten Zweifel hinsichtlich dessen Verfassungsmäßigkeit aufgrund der Rechtsprechung des BFH zur Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen anzuwenden. So hat das FG München in dem vom Klägervertreter herangezogenen Beschluss vom 13. August 2018 (14 V 736/18 – juris) im Hinblick auf die auch vorliegend streitgegenständlichen Säumniszuschläge entschieden: „Diese Vorschrift ist grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 30. Januar 1986 2 BvR 1336/85, Deutsche Steuerzeitung Eildienst, 1986, 101; vgl. BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 V R 42/08, BStBl II 2010, 955, Rz 21). Daran hat sich auch dadurch nichts geändert, dass inzwischen gegen die Höhe des Zinssatzes bei den sog. Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO jedenfalls ab dem Verzinsungszeitraum 2015 schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel bestehen (zu Letzterem: BFH-Beschluss in DStR 2018, 1020; a. A. BFH-Urteil vom 9. November 2017 III R 10/16, BStBl II 2018, 255 für das Jahr 2013; Beschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 16. Januar 2018 2 V 3389/16, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2018, 997 für AdV-Zinsen). Aufgrund des vorrangigen Zwecks der Säumniszuschläge als Druckmittel stellen – anders als die Antragstellerin meint – verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich der im Gesetz angeordneten Zinshöhe nicht zugleich die grundsätzliche Vereinbarkeit der in § 240 AO angeordneten Höhe der Säumniszuschläge von 1% je Monat in Frage (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: Juni 2018, § 240 Rz 19).“ (Rn. 29ff.)
Dieser Auffassung schließt sich die Einzelrichterin des hier erkennenden Gerichts an. Nachzinsenregelung und Säumniszuschläge haben verschiedene Zielrichtungen und unterliegen daher einer unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Etwaige Bedenken, welche für die Höhe der Nachzinsen erhoben werden, können nicht ohne weiteres auf die gesetzlich angeordneten Säumniszuschläge übertragen werden, da zu ihrer gesetzlichen Rechtfertigung vor allem ihr – legitimer – Zweck als Druckmittel für den Steuerschuldner heranzuziehen ist. Vorliegend ist daher auf die – bestehende und daher von den Fachgerichten anzuwendende – gesetzliche Regelung des § 240 AO abzustellen. Auch die vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung angestellte Prognose, dass eine etwaige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit der Nachzinsenregelung Auswirkungen auf die Säumniszuschläge, nämlich im Sinne einer zu erwartenden Reaktion des Gesetzgebers, haben werde, kann nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Solange § 240 AO Gültigkeit besitzt, ist die Vorschrift – mangels Verwerfungskompetenz der Fachgerichte – anzuwenden. Allerdings drängen sich Zweifel an der Verfassungswidrigkeit auch unter Berücksichtigung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, welche der Klägervertreter herangezogen hat, nicht auf, so dass weder eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war (s.o.) noch etwa eine Vorlageentscheidung des hier erkennenden Gerichts.
2.2 Eine Billigkeitskorrektur scheidet im vorliegenden Fall aus, auch wenn das FG München (a.a.O., Rn.33) insoweit folgendes entschieden hat: „Die Anwendung des § 240 AO begegnet jedoch dann schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Zweifeln, wenn die Säumniszuschläge wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen teilweise zu erlassen sind (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: Juni 2018, § 240 Rz 19). Denn dann sind sie sowohl ihrem verbleibenden Zweck nach als auch der Höhe nach mit einer Verzinsung vergleichbar. In diesem Fall liegt ein vollständiger Erlass der Säumniszuschläge nahe.“
Der Klägervertreter geht dem folgend wohl davon aus, dass vorliegend zumindest hilfsweise eine Billigkeitsentscheidung der Beklagten zu einem vollständigen Erlass der Säumniszuschläge führen müsste. Die Entscheidung der Beklagten, die Säumniszuschläge nicht in voller Höhe zu erlassen, ist jedoch nicht zu beanstanden. So sind weder gemäß § 114 VwGO justiziable Ermessensfehler ersichtlich, noch bestehen Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null.
Inmitten steht vorliegend der auf Antrag des Bevollmächtigten des Klägers im behördlichen Verfahren ergangene Bescheid vom 26. Juni 2018. Auch wenn das Schreiben der Beklagten vom 26. Juni 2018 (Blatt 7ff. der Behördenakte) nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet worden und eine Rechtsbehelfsbelehrung:entgegen dem Hinweis unter „Anlage“ in der Behördenakte nicht enthalten ist, ist von einem formellen Bescheid im Sinne eines Verwaltungsaktes auszugehen. Die Beklagte wollte mit dem Schreiben vom 26. Juni 2018 ersichtlich über den Erlassantrag abschließend und rechtsmittelfähig entscheiden.
Gemäß § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Behörde, so dass das Gericht vorliegend nur eine eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit hat, § 114 VwGO.
Die Klage trägt insoweit vor, dass die Geltendmachung der Säumniszuschläge nach dem hälftigen Teilerlass der Beklagten verfassungswidrig sei. Das FG München führt in dem o.g. Beschluss insoweit aus: „Kann der Steuerpflichtige die Steuer wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit nicht mehr rechtzeitig zahlen, verliert der vorrangig mit den Säumniszuschlägen verfolgte Zweck, Druck auf den Steuerpflichtigen auszuüben, seinen Sinn. In diesen Fällen ist die Erhebung der Säumniszuschläge sachlich unbillig. Grundsätzlich kommt aber aufgrund des weiteren Zwecks der Säumniszuschläge, als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands zu dienen, regelmäßig nur ein Teilerlass in Betracht. Sie sind dann nur zur Hälfte zu erlassen, weil ein Säumiger grundsätzlich nicht besser stehen soll als ein Steuerpflichtiger, dem AdV oder Stundung gewährt wurde (BFH-Urteil in BStBl II 2006, 612, Rz 19 m.w.N.; für einen vollständigen Erlass in diesen Fällen: Loose, Tipke/Kruse, AO, Stand: Februar 2018, § 240 AO, Rz 5). Der Höhe nach entsprechen die Säumniszuschläge dann der Verzinsung nach § 238 AO (z. B. bei einer AdV oder bei Nachzahlungszinsen).
Die Säumniszuschläge dienen in diesen Fällen im Wesentlichen dem gleichen Zweck wie die Verzinsung: Der Sinn und Zweck der Verzinsungspflicht ist es, den Nutzungsvorteil wenigstens z.T. abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Nichtentrichtung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht ‚an sich‘ dem Steuergläubiger zusteht (BFH-Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BStBl II 2014, 925, Rz 10 zu § 237 AO; BFH-Beschluss in DStR 2018, 1020, Rz 23). Soweit nach der Rechtsprechung des BFH die Säumniszuschläge als Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung angesehen werden, ist damit nach Auffassung des Senats das gleiche Ziel wie bei der Verzinsung lediglich anders umschrieben (vgl. BFH-Urteile vom 29. August 1991 V R 78/86, BStBl II 1991, 906, unter B.II.2.a; vom 16. Juli 1997 XI R 32/96, BStBl II 1998, 7, unter 2. am Ende; Heuermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, Stand: Juni 2018, § 240 Rz 11).“
Dem Kläger ist, soweit er sich darauf beruft, entgegenzuhalten, dass eine Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen im gesamten behördlichen oder gerichtlichen Verfahren nicht – hinreichend konkret und substantiiert – vorgetragen worden ist. Im Schriftsatz vom 10. März 2020 an das Gericht (Blatt 51ff. der Gerichtsakte) hat der Klägervertreter lediglich pauschal vorgetragen, dass der Kläger zum Fälligkeitszeitpunkt nicht in der Lage gewesen sei, die festgesetzten Gewerbesteuern zu entrichten. Zu den Gründen für die verspätete Zahlung wurde zunächst nichts vorgetragen.
In der mündlichen Verhandlung erklärte der Klägervertreter lediglich, dass es sich um eine für den Kläger sehr hohe Steuernachzahlung gehandelt habe. Außerdem habe er noch ausstehende Umsatzsteuer einklagen müssen. Dieser Vortrag ist jedoch nicht hinreichend substantiiert, um eine Überschuldung des Klägers, welche nach dem hiesigen Verständnis zu einer Unbilligkeit der nur noch zur Hälfte geschuldeten Säumniszuschläge und damit zu einem Anspruch auf Erlass des gesamten Säumniszuschlages führen würde, glaubhaft zu machen.
Von einem Gewerbetreibenden darf erwartet werden, dass er seine Steuerschulden grundsätzlich rechtzeitig, d.h. mit Fälligkeit, begleicht. Ein pauschaler Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit des Steuerschuldners kann daher nicht genügen, um zu einem – ggf. verfassungsrechtlich gebotenen – vollständigen Erlass zu gelangen. Selbst wenn die Säumniszuschläge zumindest teilweise denselben Zweck verfolgen wie die vom BFH in Zweifel gezogenen Nachzahlungszinsen, nämlich den Vorteil abzuschöpfen, welcher dem Steuergläubiger entgangen ist, und auf diese Weise Steuergerechtigkeit herzustellen, wäre dennoch vom Kläger glaubhaft zu machen, dass er seine Steuerschuld wegen Überschuldung nicht rechtzeitig begleichen konnte und das Druckmittel der Säumniszuschläge schlechterdings sinnlos und daher nicht gerechtfertigt war. Ob man vorliegend überhaupt von einer „Überschuldung“ sprechen kann, wenn der Kläger noch außenstehende Verbindlichkeiten (Umsatzsteuerverbindlichkeiten Dritter) erwarten durfte, wie es der Klägervertreter vorgetragen hat, kann dahinstehen, weil es, wie bereits dieser Umstand belegt, an einer hinreichenden und widerspruchsfreien Substantiierung fehlt.
Nach alledem besteht kein Anspruch des Klägers auf Erlass des Säumniszuschlages über den bereits erlassenen Teil hinaus, so dass die Klage unbegründet und damit abzuweisen war.
III.
Da die Klage voll umfänglich unbegründet ist, richtet sich die Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO. Somit ist kein Raum für eine den Kläger begünstigende Entscheidung nach § 162 VwGO über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im behördlichen Vorverfahren.


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