Aktenzeichen M 22 K 18.4892
SGB X § 45, § 50, § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsatz
1. Die Ausnahmetatbestand des § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X über die Entbehrlichkeit der Anhörung bei der Anpassung einkommensabhängiger Leistungen an geänderte Verhältnisse greift nicht ein, wenn mit der Anpassung gleichzeitig auf der Grundlage des § 50 SGB X für die Vergangenheit Leistungen erstattet verlangt werden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wer Sozialleistungen beantragt, muss hinsichtlich aller im Antragsformular abgefragten Punkte zutreffende und vollständige Angaben machen und ist dabei gehalten, die Erläuterungen im Antrag oder in beigefügten Merkblättern zur Kenntnis zu nehmen und ggf. bei Unklarheiten bei der zuständigen Stelle nachzufragen; ein Verstoß hiergegen stellt sich grundsätzlich als grob fahrlässig dar und führt zur Versagung der Berufung auf Vertrauensschutz. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach Ablauf des Prognoseermittlungszeitraums und nach Wohngeldbewilligung kann während des Laufs des Bewilligungszeitraums eine Änderung des Bewilligungsbescheids zugunsten des Berechtigten nur nach ausdrücklicher Stellung eines neuen Antrags erfolgen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die (Teil-)Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide der Beklagten 12. April 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2018 erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die mit Bescheid 1 vom 12. April 2018 vorgenommene teilweise Aufhebung des Wohngeldbewilligungsbescheides vom 6. Juli 2016 für die Zeit ab 1. Oktober 2016 bis 30. April 2017 sowie die damit einhergehende Neubewilligung von Wohngeld für diese Zeit in Höhe von 309,00 Euro und die Rückforderung des überzahlten Wohngeldes (896,00 Euro) sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der korrekterweise auf § 27 Abs. 2 WoGG gestützte Bescheid 1 erweist sich sowohl in formeller (1.1) als auch in materieller Hinsicht (1.2) als rechtmäßig.
1.1 Durchgreifende Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides sind nicht ersichtlich. Die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung ist zwar zunächst unterblieben, wurde jedoch gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X mit heilender Wirkung nachgeholt (zur Anwendbarkeit des SGB X im Bereich des Wohngeldrechts vgl. § 68 Nr. 10 SGB I).
Zunächst ist festzustellen, dass von einer Anhörung im Fall einer (Teil-)Aufhebung der Wohngeldbewilligung nach § 27 Abs. 2 WoGG sowie Neuberechnung und Rückforderung des überzahlten Betrages nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht bereits nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X abgesehen werden kann. Danach ist eine Anhörung im Falle der Anpassung einkommensabhängiger Leistungen an die geänderten Verhältnisse zwar nicht obligatorisch. Dieser Ausnahmetatbestand greift jedoch bereits tatbestandlich nicht ein, wenn – wie vorliegend – nicht lediglich einkommensabhängige Leistungen an geänderte Verhältnisse angepasst werden, sondern die Behörde gleichzeitig auf der Grundlage des § 50 SGB X für die Vergangenheit Leistungen erstattet verlangt. Da es sich bei § 24 Abs. 2 SGB X um einen abschließenden Ausnahmekatalog handelt, kann dementsprechend auch der Umstand, dass eine Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X ohnehin akzessorisch zu der Aufhebung der zuvor bewilligten Leistung ist, keine andere Beurteilung rechtfertigen (vgl. hierzu BSG, U.v. 7.7.2011 – B 14 AS 153/10 R – juris Rn. 19 f. m.w.N.).
Die Anhörung wurde vorliegend allerdings gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X ordnungsgemäß nachgeholt. Der Kläger hatte im Widerspruchsverfahren ausreichend Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Das Widerspruchsverfahren ersetzt die förmliche Anhörung, wenn dem bis dahin nicht ausreichend angehörten Beteiligten in diesem Rahmen im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X Gelegenheit gegeben wird, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen sachgerecht zu äußern (stRspr, vgl. etwa BSG, U.v. 19.10.2011 – B 13 R 9/11 R – juris Rn. 14). Dem Kläger war eine sachgerechte Stellungnahme im Widerspruchsverfahren vorliegend ohne weiteres möglich, da ihm sowohl im streitgegenständlichen Bescheid 1 vom 12. April 2018 als auch (insbesondere) im ausführlichen Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 7. Juni 2018 die entscheidungserheblichen Tatsachen zugänglich gemacht wurden. Dass der Kläger im Widerspruchsverfahren die Gelegenheit zur Äußerung nicht wahrgenommen hat, ist insoweit ihm überlassen und ändert nichts daran, dass der in der zunächst unterbliebenen Anhörung liegende Verfahrensfehler geheilt wurde; auf die Äußerungsmöglichkeit im Widerspruchsverfahren musste der Kläger nicht ausdrücklich nochmals hingewiesen werden (vgl. zum Ganzen ausführlich von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 41 Rn. 15 m.w.N).
1.2 Der Bescheid 1 vom 12. April 2018 erweist sich auch materiell als rechtmäßig; die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 6. Juli 2016 und Neubewilligung des Wohngeldes nach § 27 Abs. 2 WoGG liegen vor.
Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 WoGG ist über die Leistung des Wohngeldes von Amts wegen mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse unter Aufhebung des Bewilligungsbescheides unter anderem dann neu zu entscheiden, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum nicht nur vorübergehend das Gesamteinkommen um mehr als 15 Prozent erhöht (§ 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WoGG) und dadurch das Wohngeld wegfällt oder sich verringert. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt im Fall des Satzes 1 Nr. 3 der Beginn des Zeitraums, für den das erhöhte Einkommen bezogen wird, das zu einer Erhöhung des Gesamteinkommens um mehr als 15 Prozent führt (§ 27 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 3 WoGG). Tritt die Änderung der Verhältnisse nicht zum Ersten eines Monats ein, ist mit Wirkung vom Ersten des nächsten Monats an zu entscheiden (§ 27 Abs. 2 Satz 3 WoGG).
Nach § 27 Abs. 4 WoGG gilt Absatz 2 entsprechend, wenn sich die Änderungen nach Absatz 2 Satz 1 und 4 auf einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum beziehen. Werden die Änderungen erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums bekannt und wirken sie auf einen oder mehrere abgelaufene Bewilligungszeiträume zurück, so ist eine Entscheidung nach Absatz 2 längstens für die drei Jahre, bevor die wohngeldberechtigte Person oder die zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder von der Änderung der Verhältnisse Kenntnis erlangt haben, zulässig; der Kenntnis steht die Nichtkenntnis infolge grober Fahrlässigkeit gleich (§ 27 Abs. 4 Satz 2 WoGG).
1.2.1 Diese Voraussetzungen liegen hier für den Zeitraum ab 1. Oktober 2016 bis 30. April 2017 vor. Das Gesamteinkommen des klägerischen Haushalts hat sich durch die Rentenerhöhung des Klägers, den durch die Ehefrau des Klägers begonnenen Minijob bei der … (ab April 2017) sowie durch den vom Sohn des Klägers am 15. September 2016 aufgenommenen Minijob bei … (mit Wirkung zum 1. Oktober 2016; vgl. § 27 Abs. 2 Satz 3 WoGG) während des laufenden Bewilligungszeitraums um (deutlich) mehr als 15 Prozent erhöht. Das von Beklagter und Widerspruchsbehörde insoweit jeweils zutreffend ermittelte Gesamteinkommen des klägerischen Haushalts stieg durch die Rentenerhöhung und die Aufnahme der geringfügigen Beschäftigungen von 13.437,37 Euro auf 17.124,11 Euro; dies entspricht einer Steigerung von mehr als 27 Prozent.
1.2.2 Die zeitlichen Grenzen der Aufhebung der Wohngeldbewilligung sowie der sich anschließenden Neuberechnung wurden vorliegend unproblematisch eingehalten. Der Änderung der Verhältnisse wurden der Wohngeldbehörde erst mit Einreichung der Unterlagen für den Folgezeitraum am 8. Mai 2017 und damit nach Ablauf des Bewilligungszeitraums bekannt; die demnach einschlägige Drei-Jahres-Frist nach § 27 Abs. 4 Satz 2 WoGG war vorliegend noch nicht abgelaufen.
1.3 Die Beklagte hatte daher den Wohngeldanspruch des Klägers und seiner Familie von Amts wegen neu zu berechnen. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffende Berechnung im Bescheid 1 der Beklagten vom 12. April 2018 sowie die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 31. August 2018 verwiesen. Bei einem anrechenbaren monatlichen Gesamteinkommen von 1.427,00 Euro ergibt sich bei einem vierköpfigen Haushalt im Stadtgebiet der Beklagten ein Wohngeldanspruch in Höhe von 309,00 Euro. Dem Kläger wurden für den benannten Zeitraum daher über sieben Monate jeweils monatlich 128,00 Euro, insgesamt also 896,00 Euro zu viel Wohngeld ausbezahlt. Diese Wohngeldüberzahlung ist vom Kläger nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzuerstatten.
2. Die mit Bescheid 2 vom 12. April 2018 vorgenommene, auf § 45 SGB X gestützte (Teil-)Rücknahme der Wohngeldbewilligung (Bewilligungsbescheid vom 21.6.2017) für den Zeitraum von Juni 2017 bis Mai 2018 begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
2.1 Der Kläger wurde mit Schreiben der Beklagten vom 20. Februar 2018 ausdrücklich und ordnungsgemäß zur Rücknahme des Bewilligungsbescheides sowie zu einer etwaigen Erstattung der überzahlten Beträge angehört. Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit sind dementsprechend hier nicht ersichtlich.
2.2 Rechtsgrundlage für die Neufestsetzung des Wohngeldes und die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 19. Juli 2012 ist § 45 SGB X. Nach Abs. 1 der Norm darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch insbesondere dann nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Abs. 2 Satz 3 Nr. 2). Grobe Fahrlässigkeit ist insoweit anzunehmen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2).
In den Fällen des Abs. 2 Satz 3 (wenn also eine Berufung auf Vertrauensschutz ausgeschlossen ist) wird gemäß § 45 Abs. 4 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Satz 1). Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (Satz 2).
Dies zu Grunde gelegt sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine (Teil-)Rücknahme der Wohngeldbewilligung vom 21. Juni 2017 sowie der daran anschließenden Neuberechnung und Erstattungsforderung gegeben.
2.2.1 Der den Kläger begünstigende Bewilligungsbescheid vom 21. Juni 2017 war bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig, da sich bei der gebotenen Berücksichtigung des im Wohngeldantrag 6. Juni 2017 nicht angegebenen, zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheids dem klägerischen Haushalt aber zufließenden Gehalts des Sohnes des Klägers aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei … aufgrund eines höheren Gesamteinkommens ein geringeres Wohngeld errechnet hätte. Die Arbeitsaufnahme des Klägers erfolgte bereits am 1. Juni 2017 und hätte daher bei der Antragstellung am 6. Juni 2017 durch den Kläger bereits angegeben werden können und müssen.
2.2.2 Der Kläger kann sich hinsichtlich der unterbliebenen Nennung des Verdienstes seines Sohnes auch nicht nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf Vertrauensschutz berufen, da die Wohngeldbewilligung insoweit auf Angaben beruhte, die in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw. unvollständig und für die Ermittlung des Anspruchs von Relevanz waren. Das Unterlassen der Angabe des Arbeitsverdienstes seines Sohnes erfolgte zur Überzeugung des Gerichts zumindest grob fahrlässig.
Wer Sozialleistungen beantragt, hat alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I). Die den Antragsteller treffende Sorgfaltspflicht geht, soweit die Antragstellung unter Verwendung eines Antragsformulars erfolgt, dahin, hinsichtlich aller dort abgefragten Punkte zutreffende und vollständige Angaben zu machen, wobei er, um diesen Pflichten nachkommen zu können, auch gehalten ist, die Erläuterungen im Antrag oder in beigefügten Merkblättern zur Kenntnis zu nehmen und ggf. bei Unklarheiten bei der zuständigen Stelle nachzufragen bzw. im Antrag in geeigneter Weise hierauf hinzuweisen, wenn für ihn die mögliche Erheblichkeit der betreffenden Angaben erkennbar war. Ein Verstoß hiergegen stellt sich grundsätzlich als grob fahrlässig dar und führt zur Versagung der Berufung auf Vertrauensschutz (vgl. zur groben Fahrlässigkeit etwa auch VG Köln, B.v. 31.1.2014 – 16 K 3018/13 – juris Rn. 10).
Der Kläger hat demgegenüber in seinem Wohngeldantrag den Verdienst seines Sohnes aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit nicht angegeben, obwohl diese bereits seit 1. Juni 2017 und damit im Zeitpunkt der (endgültigen) Antragstellung bereits bestand. Es hätte dem Kläger oblegen, nach sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung der Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die Tätigkeit des Sohnes des Klägers wurde der Beklagten erst durch einen am 22. August 2017 durchgeführten Datenabgleich (vgl. § 33 Abs. 2 WoGG) bekannt. Gehaltsabrechnungen hat der Kläger nach mehrmaliger Aufforderung erstmals am 28. September 2017 vorgelegt. Es war für den Kläger jedoch auch bei gebotener Zugrundelegung eines subjektiven Maßstabes (vgl. hierzu etwa BSG, U.v. 1.7.2010 – B 13 R 77/09 R – juris Rn. 32 m.w.N.) erkennbar, dass er den Arbeitsverdienst seines Sohnes – zumal dieser im Zeitpunkt der Antragstellung das Gesamteinkommen des klägerischen Haushalts deutlich erhöhte – zwingend hätte angeben müssen. Der Kläger ist daher seinen ihm obliegenden gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, sodass die Rücknahme und Neuberechnung – auch für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) zu Recht erfolgte.
2.2.3 Die nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltende Jahresfrist war vorliegend offensichtlich noch nicht abgelaufen; sie wurde durch den Bescheidserlass am 12. April 2018 selbst dann gewahrt, wenn man für die Kenntnis der zur Rücknahme berechtigenden Tatsachen auf den frühestmöglichen Zeitpunkt (Datenabgleich am 22.8.2017) abstellen würde.
2.3 Ermessensfehler seitens der Beklagten sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat den Wohngeldanspruch des Klägers unter Einbeziehung des im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich vorliegenden und damit in die Prognoseentscheidung einzubeziehenden Verdienstes des Sohnes des Klägers mit monatlich 12,00 Euro zutreffend berechnet (anrechenbares monatliches Gesamteinkommen von 2.065,39 Euro). Das Gericht verweist hierzu auf die ausführliche und korrekte Berechnung im Bescheid 2 vom 12. April 2018. Aufgrund des im Bewilligungsbescheid vom 21. Juni 2017 zunächst gewährten monatlichen Wohngeldes in Höhe von 357,00 Euro ergibt sich für die Monate Juni 2017 bis September 2017 eine jeweilige Überzahlung in Höhe von 345,00 Euro (insgesamt daher 1.380 Euro). Für die weiteren Monate des Bewilligungszeitraums wurde die Wohngeldzahlung nach § 29 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WoGG vollständig eingestellt, sodass insoweit bereits keine Auszahlung erfolgte.
2.4 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die im laufenden Bewilligungszeitraum eingetretenen Veränderungen der Einkommensverhältnisse im Rücknahmebescheid korrekterweise nicht berücksichtigt wurden. Zwar hat sich das Einkommen des Sohnes des Klägers bereits ab Oktober 2017 wieder verringert, da sein bisheriges versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis in einen Minijob umgewandelt wurde. Auch dieser Minijob wurde zum 15. Dezember 2017 beendet; eine neue Nebentätigkeit hat der Sohn des Klägers dann am 15. Januar 2018 aufgenommen.
Dennoch durfte die Beklagte bei der Rücknahme und Neuberechnung diese Veränderungen, die im Laufe des Bewilligungszeitraums nach Antragstellung eingetreten sind, unberücksichtigt lassen und von dem Verdienst des Sohnes des Klägers aus dem bei Antragstellung bestehenden Arbeitsverhältnis ausgehen. Denn nach § 24 Abs. 2 Satz 1 WoGG sind der Entscheidung die Verhältnisse im Bewilligungszeitraum, die im Zeitpunkt der Antragstellung zu erwarten sind, zu Grunde zu legen. Im Zeitpunkt der Antragstellung war davon auszugehen, dass dem Sohn des Klägers im Bewilligungszeitraum jährliche Einnahmen in Höhe von 15.588,00 Euro aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zufließen werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt in eine geringfügige Beschäftigung umgewandelt werden würde, waren bei Antragstellung nicht ersichtlich. Soweit in § 24 Abs. 2 Satz 2 und 3 WoGG geregelt ist, dass (dort im Einzelnen bezeichnete) Änderungen der Verhältnisse berücksichtigt werden können, gilt das ausdrücklich nur für den Zeitraum zwischen Antragstellung und Bekanntgabe des Wohngeldbescheides (bzw. gegebenenfalls des Widerspruchbescheides, vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, 76. Ergänzungslieferung, Stand: Januar 2019, § 24 Rn. 42). Nach Ablauf dieses Prognoseermittlungszeitraums und nach Wohngeldbewilligung kann während des Laufs des Bewilligungszeitraums eine Änderung dieses Bescheids zugunsten des Berechtigten nur nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 WoGG und danach nur nach ausdrücklicher Stellung eines neuen Antrags erfolgen (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, 76. Ergänzungslieferung, Stand: Januar 2019, § 27 Rn. 1 ff. und 8 ff., m.w.N.; VG Freiburg, B.v. 8.6.2015 – 4 K 364/15 – juris Rn.10). Der Kläger hat vorliegend jedoch keinen weiteren Wohngeldantrag für die Zeit ab Änderung der Verhältnisse gestellt; vielmehr hat die Beklagte von der Veränderung der Verhältnisse erst mit der endgültigen Vorlage der erforderlichen Unterlagen am 20. Februar 2018 und damit weit nach Bestandskraft des Bewilligungsbescheides erfahren. Somit fehlt es bereits an der zwingenden Voraussetzung für die Berücksichtigung von zugunsten des Klägers im laufenden Bewilligungszeitraum eingetretenen Veränderungen. In der bloßen Vorlage der von der Beklagten angeforderten Unterlagen kann auch kein zu berücksichtigender konkludenter oder stillschweigend gestellter Wohngeldantrag gesehen werden. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass eine rückwirkende Bewilligung von Wohngeld ohnehin nur in den Fällen, in denen sich die zu berücksichtigende Miete oder Belastung um mehr als 15 Prozent erhöht hat, möglich ist (§ 27 Abs. 1 Satz 2 WoGG). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; es käme einzig einer Verringerung des Gesamteinkommens um mehr als 15 Prozent in Betracht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WoGG). In diesem Fall kommt aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut eine Neubewilligung nur ab (hier ohnehin fehlender) Antragstellung in Betracht.
3. Die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 WoGG insgesamt zu erstattenden Leistungen wurden von der Beklagten im Bescheid 2 vom 12. April 2018 korrekterweise auf 2.180,00 Euro beziffert. Der Rückzahlungsbetrag für den Zeitraum Oktober 2016 bis April 2017 (Bescheid 1) beträgt 896,00 Euro; für den Zeitraum Juni 2017 bis Mai 2018 errechnet ein Erstattungsbetrag in Höhe von 1.284,00 Euro (da dem Kläger für die bisher noch nicht ausbezahlten Monate Oktober 2017 bis Mai 2018 jeweils 12,00 Euro zustehen, die auf den Rückforderungsbetrag von 1.380,00 Euro anzurechnen sind).
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).