Sozialrecht

Rückforderung von Ausbildungsförderung wegen nicht angegebenen Kontoguthabens

Aktenzeichen  M 15 K 18.1334

Datum:
17.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43081
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 45, § 50 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
BAföG § 11 Abs. 1, § 26, § 27
BGB § 158, § 812

 

Leitsatz

1. Zum anrechenbaren Vermögen eines Auszubildenden gehört grundsätzlich das Guthaben eines auf seinen Namen lautenden Kontos; ohne Belang ist, aus wessen Mitteln das eingezahlte Geld stammt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Stellen Familienangehörige dem Auszubildenden Geld zur Finanzierung des Lebensunterhalts während der Ausbildung bzw. zur Rückzahlung des BAföG-Darlehens zur Verfügung, liegt weder ein Treuhandverhältnis noch eine Zweckschenkung noch ein rechtliches Verwertungshindernis vor, die der Anrechnung des Vermögens bei der Ausbildungsförderung entgegenstehen. (Rn. 26 – 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 26. Juli 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte nahm zu Recht die Bewilligungsbescheide betreffend den Zeitraum 10/2007 bis 9/2011 teilweise zurück und forderte überbezahlte Ausbildungsförderung in Höhe von 7.944,- Euro zurück. Das Gericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des Widerspruchsbescheids, der das Gericht folgt, Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend wird ausgeführt:
I.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist § 45 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X), wenn sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen kann (§ 45 Abs. 2 SGB X). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
1. Die begünstigenden Verwaltungsakte vom 27. November 2007, 10. Dezember 2008, 17. Dezember 2009 und 13. Oktober 2011 sind rechtswidrig, soweit in den Bescheiden zum Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung vorhandenes Vermögen des Klägers, das nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BAföG i.V.m. §§ 26 ff. BAföG anzurechnen gewesen wäre, nicht berücksichtigt worden ist.
1.1 Grundlage für die Bewilligung von Ausbildungsförderung ist § 1 BAföG. Demnach besteht ein Anspruch nur insoweit, als dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (Subsidiarität der staatlichen Ausbildungsförderung, vgl. OVG Sachsen, U.v. 26.11.2009 – 1 A 288/08 – juris Rn. 19). Auf den Bedarf i.S.d. § 11 Abs. 1 BAföG sind das Einkommen und Vermögen des Auszubildenden nach Maßgabe der §§ 26 ff. BAföG anzurechnen (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BAföG). Zum Vermögen des Auszubildenden zählen nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG Forderungen und sonstige Rechte – wie hier das Bankguthaben -, wobei nach § 28 Abs. 2 BAföG deren Wert im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist. Für die anrechnungsfreien Vermögensbeträge aus § 29 Abs. 1 Satz 1 BAföG – in den hier maßgeblichen Fassungen vom 19. März 2001 und 7. Dezember 2010, die für Vermögen des Auszubildenden jeweils einen Freibetrag i.H.v. 5.200,- Euro vorsehen – sind nach § 29 Abs. 1 Satz 2 BAföG ebenfalls die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung heranzuziehen.
1.2 Unstrittig bestand an den jeweiligen Stichtagen ein den Freibetrag übersteigendes Guthaben auf dem gegenüber der Beklagten nicht angegebenen, auf den Namen des Klägers lautenden Girokonto (Nr. …) sowie Sparkonto (Nr. …, fortgeführt unter Nr. …) bei der Kreissparkasse … Der Kläger war als Kontoinhaber nach dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen, objektiv für die Bank erkennbaren Willen Gläubiger des Guthabens (vgl. BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12.08 – juris Rn. 12 unter Hinweis auf BGH, U.v. 18.10.1994 – IX ZR 237/93 – BGHZ 127, 229). Insoweit ist ohne Belang, aus wessen Mitteln das eingezahlte Geld stammt. Soll nicht derjenige, der in den Kontounterlagen als Kontoinhaber bezeichnet ist, sondern ein Dritter im Verhältnis zur Bank Rechte auf das Guthaben erwerben, muss sich dies aus den schriftlichen Kontounterlagen ergeben (BayVGH, U.v. 28.1.2009 – 12 B 08.824 – juris Rn. 31 ff. unter Hinweis auf BGH, U.v. 2.2.1994, a.a.O.). Ein etwaiger anderweitiger, nicht nach außen kundgetaner Vorbehalt bei der Kontoerrichtung wäre gemäß § 116 Satz 1 BGB unbeachtlich.
1.3 Auch wurde vorliegend kein Sachverhalt vorgetragen, bei dem das Guthaben auf den betreffenden Konten ausnahmsweise nicht als Vermögen des Klägers im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG anzusehen wäre, Schulden in Form von Rückzahlungsansprüchen der Eltern nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG abzuziehen wären oder ein Härtefreibetrag nach § 29 Abs. 3 BAföG in Betracht käme (vgl. hierzu VG SH, U.v. 10.11.2008 – 15 A 35/08 – juris Rn. 25). Insbesondere bestanden vorliegend weder ein Treuhandverhältnis (1.3.1) noch eine Zweckschenkung (1.3.2) oder rechtliche Verwertungshindernisse (1.3.3).
Die Anerkennung von Herausgabeansprüchen gegen den Auszubildenden setzt voraus, dass die entsprechende Vereinbarung zivilrechtlich wirksam zustande gekommen und von dem insoweit darlegungspflichtigen Auszubildenden nachgewiesen worden ist. An den Nachweis sind wegen der Missbrauchsgefahr bei solchen Vereinbarungen unter Angehörigen im Zusammenhang mit beantragter Ausbildungsförderung strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BayVGH, U.v. 28.1.2009 – 12 B 08.824 – juris Rn. 38; BVerwG, B.v. 9.1.2009 – 5 B 53.08 – juris). Zur Klärung der Frage, ob überhaupt eine wirksame Abrede geschlossen worden ist und welchen Inhalt diese gegebenenfalls hat, sind alle Umstände des Einzelfalles sorgsam zu würdigen. Soweit die tatsächlichen Grundlagen des Vertragsschlusses der Sphäre des Auszubildenden zuzuordnen sind, obliegt ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht insoweit zu seinen Lasten (vgl. BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12.08 – juris Rn. 19; B.v. 9.1.2009 – 5 B 53.08 – juris Rn. 5). Da die relevanten Umstände oft in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht zweifelsfrei feststellbar sind, ist es zudem gerechtfertigt, für die Frage, ob ein entsprechender Vertragsschluss vorliegt, äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen (BVerfG, B.v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90 – juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12.08 – juris Rn. 19; B.v. 9.1.2009 – 5 B 53.08 – juris Rn. 5). Dabei spricht es gegen die Glaubhaftigkeit eines behaupteten Vertragsschlusses, wenn der Inhalt der Abrede und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden. Gleiches gilt, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Vertrages nicht genannt werden kann. Zweifel am Eingehen einer entsprechenden Verbindlichkeit können ferner berechtigt sein oder bestätigt werden, wenn die tatsächliche Durchführung nicht den geltend gemachten Vereinbarungen entspricht und die Abweichung nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Ebenso lässt es sich als Indiz gegen einen wirksamen Vertragsschluss werten, wenn der Auszubildende einen etwaigen Rückzahlungsanspruch nicht von vornherein in seinem Antragsformular bezeichnet hat, sondern erst geltend macht, nachdem er der Behörde gegenüber nachträglich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen (zu alledem vgl. z.B. BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12.08 – juris Rn. 20 f.).
1.3.1 Ein Treuhandvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in der Ausübung der sich aus dem Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (BSG, U.v. 28.8.2007 – B 7/7a AL 10/06 R – juris Rn. 16). Die Treuhandabrede muss die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem Treuhänder und dessen Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treugutes zum Gegenstand haben. Die Vereinbarung eines entsprechenden Auftrags-, Geschäftsbesorgungs- oder Darlehensverhältnisses muss ernsthaft gewollt sein und es muss eine konkrete, mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache nachgewiesen werden. Dabei muss das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse wegen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig erkennbar sein (vgl. BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 12.08 – juris Rn. 18 sowie Rn. 13 zur möglichen Berücksichtigung von verdeckten Treuhandverhältnissen).
Das Bestehen einer Treuhandabrede scheitert vorliegend bereits daran, dass das Guthaben nach dem Willen der Parteien zum Zeitpunkt der hier relevanten Antragstellungen unstrittig nicht an die Eltern des Klägers zurückfließen, sondern dem Kläger zur Finanzierung des Lebensunterhalts während der Ausbildung bzw. zur Rückzahlung des BAföG-Darlehens zustehen sollte. Wenn aber nach dem Willen der Beteiligten kein Herausgabeanspruch des vermeintlichen Treugebers gegen den Treuhänder bestehen soll und der Treuhänder damit auch nicht im fremden Interesse handelt, kann nach den obigen Grundsätzen kein Treuhandverhältnis vorliegen.
1.3.2 Auch ist vorliegend nicht von einer Zweckschenkung auszugehen, d.h. einer Schenkung, die nach dem übereinstimmenden Parteiwillen mit einem konkreten Zweck verbunden ist und bei der dem Schenker ein Rückforderungsrecht nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB wegen Zweckverfehlung zukommen kann (Koch in Münchener Kommentar, BGB, 8. Auflage 2019, § 516 Rn. 29, § 525 Rn. 8). Die Zweckschenkung ist dabei von einer Wunschschenkung, bei der die Schenkung mit einem unverbindlichen Wunsch ohne daraus entstehende Rechtsfolgen vorgenommen wird, der Auflagenschenkung, bei der eine einklagbare Verpflichtung des Beschenkten besteht, sowie der aufschiebend bedingten Schenkung (§ 158 BGB), bei welcher der Beschenkte die Verfügungsgewalt erst zu dem Zeitpunkt erlangen soll, in welchem er sich zur Verwendung zum vorgesehenen Zweck entscheidet (vgl. hierzu VG München, U.v. 17.3.2016 – M 15 K 13.4194 – juris Rn. 48; VGH BW, U.v. 29.4.2009 – 12 S 2493/06 – juris Rn. 34 ff.), anhand des durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermittelnden Willens der Beteiligten abzugrenzen (vgl. Koch in MüKo, BGB, 8. Auflage 2019, § 525 Rn. 8).
Hier ergibt sich aus den vom Kläger und seinen Eltern im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren dargestellten Vereinbarungen sowie der tatsächlichen Durchführung, dass dem Kläger auf Vertrauensbasis – nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei aufgrund des Vertrauens innerhalb der Familie auch kein schriftlicher Vertrag geschlossen worden – und aufgrund des familiären Kontextes eine gewisse Flexibilität bei der Verwendung des Geldes zustehen sollte. Die Vorgabe der Eltern, der Kläger solle sparsam leben und das Geld vernünftig ausgeben, sollte allenfalls zu einer moralischen, nicht jedoch einer rechtlichen Verpflichtung des Klägers führen. Auch der Umstand, dass der Onkel des Klägers diesem das Sparbuch mit dem nach Rückzahlung des BAföG-Darlehens verbleibenden Restbetrag ausgehändigt habe, spricht dafür, dass die Zuwendung des Geldes nicht ausschließlich mit dem Ziel der Rückzahlung des BAföG-Darlehens erfolgte. Damit handelte es sich nach dem Willen der Beteiligten um eine bloße Wunschschenkung ohne ein Rückforderungsrecht der Eltern bei Zweckverfehlung und ohne einklagbare Verpflichtung des Klägers. Auch eine aufschiebend bedingte Schenkung scheidet aus, da der Kläger nach eigenen Angaben das Geld von seinen Eltern in bar erhielt und damit – vor Eintritt der vermeintlichen Bedingung – die Verfügungsgewalt innehatte.
Selbst wenn man entgegen der dargestellten Auslegung vom Bestehen einer Zweckschenkung ausginge, führte dies bei Verwendung des Geldes durch den Kläger zu Ausbildungszwecken mangels Zweckverfehlung i.S.d § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB nicht zu einem berücksichtigungsfähigen Kondiktionsanspruch der Eltern des Klägers. Denn der Zweck der Zuwendungen der Eltern an den Kläger bestand gerade darin, diesem die Finanzierung der Ausbildung und einen möglichst schuldenfreien Start in sein Berufsleben zu ermöglichen, sodass – anders als z.B. bei Luxusaufwendungen – gerade eine zweckentsprechende Verwendung vorgelegen hätte (zur Zweckbestimmung „Schaffung einer nachhaltigen Existenzgrundlage“ vgl. VG SH, U.v. 10.11.2008 – 15 A 35/08 – juris Rn. 26). Überdies hätte sich – ebenfalls in Einklang mit dem verfolgten Zweck – bei Vermögensanrechnung die Höhe des BAföG-Darlehens und damit die Rückzahlungsverpflichtung reduziert.
1.3.3 Auch bestand vorliegend kein Verwertungshindernis aus rechtlichen Gründen i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG. Aufgrund der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung kann ein solches nur anerkannt werden, wenn ein ausbildungsbedingter Verwertungszugriff rechtlich und tatsächlich objektiv unmöglich ist; sonstige vertragliche Bindungen und Beschränkungen reichen insoweit nicht aus (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.2000 – 5 B 182.99 – juris Rn. 3; Stopp in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2019, § 27 Rn. 12). Insbesondere aufgrund des Umstands, dass der Kläger wie dargestellt durch die Bar-Auszahlung des Geldes die Verfügungsgewalt innehatte, sind die engen Voraussetzungen eines Verwertungshindernisses i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG nicht erfüllt.
1.3.4 Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass aufgrund einer Vielzahl von Widersprüchen, die der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht aufklären konnte, erhebliche Zweifel am klägerischen Vortrag bestehen. Die Nichterweislichkeit von Umständen, die im Rahmen der Vermögensanrechnung bzw. eines Härtefreibetrags zu berücksichtigen wären, geht jedoch wie ausgeführt zu Lasten des Klägers.
Über die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid aufgezeigten Ungereimtheiten hinaus stehen bereits die Ausführungen des Klägers und seiner Eltern im Verwaltungsverfahren, wonach der Kläger das Geld einerseits zur Finanzierung seiner Ausbildung erhalten habe, andererseits das Geld den Eltern des Klägers gehört habe, solange das BAföG nicht abzubezahlen sei und zuletzt, dass es geschenktes Geld gewesen sei, dass der Kläger angespart habe und nur für die Rückzahlung des BAföG nach dem Studium habe verwenden dürfen, in Widerspruch zueinander. Auch gab der Kläger bei Stellung der BAföG-Anträge weder das Sparbuch noch das Girokonto an, obwohl nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung auf das Girokonto auch eigene Einkünfte (Honorar- bzw. Praktikumsbeträge) geflossen seien und er mittels EC-Karte und PIN-Nummer auf das Girokonto zugegriffen habe. Überdies wechselte die Begründung für die Nichtangabe der Konten, indem der Kläger teilweise damit argumentierte, dass die Eingänge auf dem Girokonto im Rahmen des Freibetrags gewesen seien, und teilweise darauf abstellte, dass für ihn immer klar gewesen sei, dass das auf dem Sparbuch und dem Girokonto befindliche Geld nicht seines gewesen sei. Auf Hinweis des Gerichts, dass er die Einkünfte auch dann hätte angeben müssen, wenn diese im Rahmen des Freibetrags geblieben seien, erklärte der Kläger schließlich, dass er nicht mehr wisse, ob die Beträge während der BAföG-Förderung eingegangen seien; dies ist jedoch aufgrund der früheren Ausführungen des Klägers als Schutzbehauptung zu werten. Auch stellt sich die Angabe des Klägers bei den Antragstellungen, kein Bargeld zu besitzen, als realitätsfern dar, zumal er nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung die Unterstützung seiner Eltern in Form von Bargeld erhalten und beispielsweise auch die Mietzahlungen in bar geleistet habe. Zudem erklärte der Kläger zunächst, dass das Guthaben auf dem Sparbuch komplett für die Rückzahlung des BAföG-Darlehens verwendet worden sei, wohingegen er später angab, dass er das Sparbuch mit dem nach der Rückzahlung des Darlehens verbliebenen Restguthaben von seinem Onkel ausgehändigt bekommen habe. Auch gab der Kläger zunächst an, dass er von seinen Eltern ungefähr 500,- Euro pro Monat in bar erhalten habe, wenn er diese in Polen besucht habe, und dass die Eltern die Zahlungen gestoppt hätten, nachdem die BAföG-Zahlungen geleistet worden seien. Dies steht jedoch in Widerspruch zu seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, wonach es auch nach der BAföG-Bewilligung noch ein paar Zahlungen der Eltern auf das Girokonto gegeben habe, und zu den Ausführungen des Klägers und seiner Eltern im Verwaltungsverfahren, dass das BAföG nicht ausgereicht habe und die Eltern den Kläger auch nach Bewilligung in dieser Form weiter unterstützt hätten. Inhalt und Umstände der getroffenen Vereinbarung sowie die tatsächliche Durchführung wurden nach alledem nicht substantiiert dargelegt.
2. Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da der Bewilligungsbescheid auf Angaben beruhte, die er jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), indem er bei Antragstellung das Vorhandensein von Vermögen verschwiegen hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SGB X), weil schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt wurden und das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BVerwG, B.v. 18.3.2009 – 5 B 10.09 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 27.11.2006 – 12 C 06.1171 – juris Rn. 6). Die Nichtangabe des Giro- und Sparguthabens stellt sich vorliegend als grob fahrlässig dar. Aufgrund der ausdrücklichen Abfrage von Vermögenswerten auf dem Formblatt musste sich dem Kläger vorliegend aufdrängen, dass er die Vermögenswerte angeben musste; zumindest hätte der Kläger sich insoweit vor der Nichtangabe von der Beklagten beraten lassen müssen.
3. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X lagen vor. Insbesondere wurden die Fristen nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X – da die Rücknahme erst ab dem Bewilligungszeitraum 10/2007 bis 9/2008 erfolgte – und nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Auch wurde das Rücknahmeermessen von der Beklagten ordnungsgemäß ausgeübt und begründet (§ 114 VwGO).
II.
Die Beklagte hat das Vermögen des Klägers unter Zugrundelegung der von der Kreissparkasse … mitgeteilten – von der Klagepartei der Höhe nach nicht in Zweifel gezogenen – Vermögenswerte zum Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung neu festgesetzt. Wie in der mündlichen Verhandlung seitens der Klagepartei unstrittig gestellt wurde, wurde auch die Umrechnung der ausländischen Einkünfte der Eltern des Klägers korrekt durchgeführt, sodass die Rückforderung nicht aus diesem Grunde zu reduzieren war. Da der Rücknahmebescheid somit zu Recht erging, hat der Kläger die ihm zu Unrecht erbrachten Förderleistungen in Höhe von insgesamt 7.944,- Euro zurückzuzahlen (§ 50 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB X).
Nach alledem war die nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreie Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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