Sozialrecht

Silikose, versicherte Tätigkeit

Aktenzeichen  L 17 U 378/16

Datum:
28.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 29536
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII § 9 Abs. 1

 

Leitsatz

Zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4101 und 4107

Verfahrensgang

S 15 U 26/16 2016-10-06 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch ansonsten zulässige (§§ 143, 144, 151 SGG) Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 04.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2016 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Feststellung einer BK 4101 und 4107 abgelehnt hat. Nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden ist der Bescheid vom 12.06.2017, mit dem die Beklagte die Anerkennung einer BK 4201 (exogen-allergische Alveolitis) abgelehnt hat, weil dieser Bescheid die o.g. Bescheide weder abändert noch ersetzt. Streitgegenständlich sind die Anerkennung einer BK 4101 (Quarzstaublungenerkrankung – Silikose) und die Anerkennung einer BK 4107 (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen). Ausweislich des zuletzt gestellten Antrags des Klägers nicht mehr streitgegenständlich sind die Zuerkennung einer Rente oder sonstiger Leistungen; insofern wäre die Klage mangels entsprechender Verwaltungsentscheidung auch unzulässig gewesen. Die entsprechenden Ausführungen im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 04.09.2015 (siehe ebendort Entscheidungssatz Punkt 2) enthalten keine Regelungen im Sinne des § 31 SGB X; eine Prüfung der Leistungsvoraussetzungen hat mit Blick auf die von der Beklagten abgelehnte Anerkennung der BKen nicht stattgefunden.
Zu Recht hat das SG die Klagen auf Verurteilung zur Anerkennung einer BK 4101 und 4107 abgewiesen. Die Klagen waren zulässig, insbesondere als Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 SGG) statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung eines seine geltend gemachten Ansprüche verneinenden Verwaltungsakts und ausdrücklich eine Verurteilung der Beklagten zum Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts, nämlich zur Anerkennung der BKen 4101 und 4107 (zur Zulässigkeit eines Antrags auf Verurteilung zur behördlichen Feststellung des Versicherungsfalles und nicht unmittelbar auf gerichtliche Feststellung vgl. BSG vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R, juris Rn 9; vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, juris Rn 12 m.w.N.).
Die Klagen waren aber unbegründet. Denn die BKen 4101 und 4107 liegen beim Kläger nicht vor.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Der Verordnungsgeber hat die BK 4101 bezeichnet als „Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)“, die BK 4107 als „Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen“.
Für die Bewertung der Krankheit und des Ursachenzusammenhangs zwischen beruflichen Belastungen und BK ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand zu berücksichtigen. Daher sind neben der Begründung des Verordnungsgebers insbesondere auch die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums zu beachten, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergeben.
Die genannten Maßgaben zugrunde legend lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall und auch für die hier zu prüfenden BKen folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Bedingung für die Feststellung einer Listen-BK (vgl. u.a. BSG vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, B 2 U 33/07 R, B 2 U 7/08 R, B 2 U 9/08 R m.w.N.; BSG vom 29.11.2011, B 2 U 26/10 R m.w.N.).
Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i.d. „Vollbeweises“, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen Tatbestandsmerkmalen, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (BSG, Urteil vom 27.06.2006 – B 2 U 20/04 R; Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 34/99 R m.w.N.). Für den Vollbeweis ist keine absolute, jeden möglichen Zweifel und jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewissheit zu fordern, vielmehr genügt für die entsprechende richterliche Überzeugung ein der Gewissheit nahekommender Grad von Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 27.03.1958 – 8 RV 387/55, juris Rn. 16). Die volle Überzeugung wird als gegeben angesehen, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, d.h. eine Wahrscheinlichkeit besteht, die nach der Lebenserfahrung praktisch der Gewissheit gleichkommt, weil sie bei jedem vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen keine Zweifel mehr bestehen lässt (BSG, Urteil vom 27.04.1972 – 2 RU 147/71, juris Rn. 30; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128 Rn. 3b m.w.N.). Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zu bejahen, muss absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache sprechen. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B, juris Rn. 4 m.w.N.; BSG, Urteil vom 02.02.1978 – 8 RU 66/77, juris Rn. 13). Die Beweisanforderungen bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit sind höher als bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im Sinne eines Beweismaßes, vgl. dazu BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B, juris Rn. 5). Überwiegende Wahrscheinlichkeit bedeutet die gute Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können; dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet (vgl. BSG vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B, juris Rn. 5 und Orientierungssatz; vom 14.12.2006 – B 4 R 29/06, juris Rn. 116; vom 17.04.2013 – B 9 V 3/12 R, juris Rn. 36; Keller, a.a.O., Rn. 3d m.w.N.; zum Zivilrecht BGH vom 11.09.2003 – IX ZB 37/03, juris Rn. 8; vom 15.06.1994 – IV ZB 6/94).
Die oben dargestellten Grundsätze zugrunde legend steht nicht mit der zu fordernden an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger an einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) im Sinne der BK 4101 erkrankt war bzw. ist. Umgekehrt steht fest, dass der Kläger eine solche Krankheit nicht hat (dazu unter 1.). Ferner steht nicht mit der zu fordernden an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben im Sinne der BK 4107 vorgelegen hat. Insofern fehlt es bereits an den sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen (dazu unter 2.).
1. Zur Überzeugung, dass der Kläger nicht an einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) im Sinne der BK 4101 erkrankt war bzw. ist, gelangt der Senat unter Würdigung der Gutachten des S und des F, insbesondere aufgrund der von diesen getroffenen medizinischen Feststellungen und gestellten Diagnosen, sowie unter Würdigung der weiteren aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen und Berichte. Die eingeholten Gutachten, die vorliegenden Untersuchungsbefunde einschließlich Histologie und Röntgenverlauf sowie der Verlauf der Erkrankung sprechen dafür, dass keine Silikose vorliegt. Dies legt insbesondere S in seinem Gutachten in überzeugender Weise dar. S kommt zu dem Ergebnis, es bestehe kein Zweifel an der vorliegenden Lungenerkrankung mit Lungenfunktionseinschränkung, die sich subjektiv in deutlicher Luftnot bei körperlicher Belastung zeige und es habe auch eine Exposition gegenüber Quarzstaub bestanden. Es fänden sich aber keine gesicherten quarzstaubbedingten Veränderungen in den entnommenen Lungenproben. Anhand der umfangreichen Untersuchungsbefunde einschließlich Histologie und Röntgenverlauf sei die Beweisfrage dahingehend zu beantworten, dass eine BK 4101 nicht vorliege. S weist insbesondere darauf hin, dass die Pathologie zum Schluss komme, dass das vorliegende Untersuchungsgut auf pathologisch-anatomischem Gebiet nicht geeignet sei, den versicherungsmedizinischen Vollbeweis einer Silikose mit ausreichend qualitativer und quantitativer Beherdung zu erlauben. In der histologischen Begutachtung im Institut für Pathologie der R. Universität B., das aufgrund der örtlichen Nähe zum Bergbau besondere Erfahrung in der Begutachtung von Silikosen besitze, werde eine geringgradige paraseptale Anthrakofibrose und eine mäßiggradige Siderose beschrieben; auch würden Makrophagen mit Anreicherung von Mischstaub gesehen. Es werde aber betont, dass voll entwickelte silikotische Knötchen und Schwielen nicht zur Darstellung gelangen, auch nicht das Bild einer voll entwickelten dissiminierten interstitiellen oder mikronodulären Silikose. Besondere Bedeutung für die Diagnostik der Silikose komme den Röntgenbefunden zu. Es liege eine CT-Aufnahme vom 04.07.2012 aus der Radiologie F-Stadt vor. Hier sehe man zum einen deutliche Lagerungseffekte durch Hypostase von Flüssigkeit in dorsalen Lungenanteilen. Darüber hinaus seien aber milchglasartige Verschattungen zu sehen, teils mosaikartig angeordnet in den basalen Oberlappen- und Unterlappensegmenten beidseits. Die Durchsicht der Aufnahmen zeige aber keine retikulären Strukturveränderungen, auch keine Knötchenbildungen mit Ausnahme eines kleinen Knötchens im rechten Unterlappen, lateral gelegen. Letztlich fänden sich in der CT-Aufnahme keine silikotischen Granulome, auch keine silikotischen Schwielenbildungen. Diese milchglasartigen Veränderungen seien typisch für eine akute Lungenbläschenentzündung. Die Folgeaufnahmen vom 11.04.2013, ebenfalls aus der Radiologie in F-Stadt, würden keine wesentlichen Befundänderungen anzeigen. Auch hier fänden sich keine silikotischen Knötchen. Die CT-Aufnahme vom 06.03.2014 zeige eine deutliche Teilrückbildung der milchglasartigen Veränderungen. Weiterhin seien keine silikotischen Knötchen und keine Schwielen erkennbar. Auch die neueren CT-Aufnahmen vom 18.06.2015 aus der Radiologie F-Stadt zeigten keine silikotischen Knötchen und keine Lungengerüstveränderungen. Dieser Befund bestätige sich auch auf der aktuellsten Aufnahme vom 26.11.2015 aus der Röntgenpraxis in F-Stadt, auf der weiterhin die leicht vergrößerten Lymphknoten erkennbar seien.
Nach alledem ist festzustellen, dass in der histologischen feingeweblichen Untersuchung einer Lungenprobe keine silikotischen Knötchen nachgewiesen werden konnten und sich kein röntgenmorphologisches Korrelat einer Quarzstaublungenerkrankung, einer Silikose ergeben hat, was den Vollbeweis einer Silikose ausschließt. Hinzu kommt, dass, wie S ebenfalls in nachvollziehbarer Weise darlegt, der Verlauf der Erkrankung mit vorübergehender Besserung der Lungenfunktion und erneuter Verschlechterung der Lungenfunktion gegen eine Quarzstaublungenerkrankung spricht. Das Ergebnis, dass keine Silikose vorliegt, wird letztlich auch durch das Gutachten des F bestätigt, auch wenn insofern die von diesem gestellte und mit der des K übereinstimmende Diagnose „Mischstaubpneumokoniose (Metallose und Silikose)“ irritiert. Die sonstigen Ausführungen des F zeigen jedoch in nachvollziehbarer Weise, dass auch er eine Silikose nicht für gegeben hält. So führt F unzweideutig aus, eine Quarzstaublungenerkrankung habe bislang weder histologisch noch radiologisch gesichert werden können. Er kommt dann auch zu dem Ergebnis, eine BK 4101 läge nicht vor. Aus alledem ergibt sich die Überzeugung des Senats, dass beim Kläger eine Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) nicht vorliegt.
Die vom Senat bezüglich der BK 4101 gewonnene Überzeugung wird auch nicht durch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des K erschüttert. Es ist schon gar nicht dazu geeignet, eine volle Überzeugung des Senats vom Vorliegen einer Silikose herbeizuführen. K diagnostiziert – wie F – eine Mischstaubpneumokoniose (Metallose und Silikose). Eine überzeugende Begründung für die Diagnose „Silikose“ liefert K jedoch nicht. Seine diesbezügliche Diagnose stützt K lediglich auf die nachgewiesene Staubexposition und den histologischen Befund aus der Missionsärztlichen Klinik, in dem der Befund mit einer Metallose und Silikose vereinbar gehalten wurde. Die Ausführungen des K überzeugen, worauf S nachvollziehbar hinweist, schon deshalb nicht, weil in der Röntgenthoraxaufnahme eine nur minimale feinfleckige interstitielle Zeichnungsvermehrung beidseits beschrieben worden war, die eben nicht dem typischen Befund einer Silikose entspricht. K weist im Übrigen in seinem Gutachten (Seite 7 f. ebendort) selbst auf die nur geringfügigen interstitiellen Lungenveränderungen und die allenfalls minimalen Röntgenveränderungen hin.
In der Gesamtschau bestehen – auch und gerade unter Berücksichtigung der Gutachten des F und des K – jedenfalls erhebliche, den zu fordernden Überzeugungsgrad ausschließende Zweifel daran, dass bei dem Kläger eine Krankheit gegeben ist, die eine Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) im Sinne der BK 4101 darstellt.
2. Die Anerkennung der BK 4107 (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen) scheitert bereits am Fehlen der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen. Es steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben im Sinne der BK 4107 nicht vorgelegen hat. Es gibt keine Hinweise auf eine solche Exposition. Dabei steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass sich der Arbeitsplatz des Klägers bei der Fa. H so darstellte wie oben im Tatbestand beschrieben. Die entsprechende volle Überzeugung des Senats gründet sich auf die Arbeitsplatzbeschreibung des PD. Bei den Ermittlungen des PD im Betrieb der Fa. H war der Kläger anwesend, die im Bericht des PD enthaltene Arbeitsplatzbeschreibung hat er ausweislich zweier aktenkundiger Gesprächsnotizen erhalten und unwidersprochen hingenommen. Die protokollierten Ausführungen des Klägers im Erörterungstermin vom 30.05.2017 und seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben im Übrigen die Arbeitsplatzbeschreibung des PD bestätigt.
Dass eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben im Sinne der BK 4107 nicht vorgelegen hat, ergibt sich in überzeugender Weise aus den Stellungnahmen des PD, insbesondere aus der zuletzt auf Anforderung des Senats (vergleiche dazu Protokoll des Erörterungstermins vom 30.05.2017) vorgelegten Stellungnahme. In dieser ergänzenden Stellungnahme bestätigt der PD nochmals die bereits zuvor abgegebene Einschätzung, dass eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben in den Arbeitsbereichen des Klägers nicht vorgelegen hat. Im Einzelnen hat der PD mitgeteilt, unter Hartmetallen verstehe man Verbundwerkstoffe mit Hartstoffphasen, meist Wolframcarbid, aber auch Titancarbid, Niobcarbid, Tantalarbid. Diese Einschätzung des PD steht in Übereinstimmung mit den einschlägigen Hinweisen des Merkblatts zur BK 4107 (vgl. die Erläuterungen ebendort vor Punkt I). Hartmetalle seien in den Arbeitsbereichen des Versicherten nicht be- und verarbeitet worden. Dies wird vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten. Insbesondere wird nicht substantiiert behauptet, der Kläger habe mit Verbundwerkstoffen mit Hartstoffphasen wie Wolframcarbid, Titancarbid, Niobcarbid oder Tantalarbid zu tun gehabt. Für die in seinem Gutachten aufgestellte pauschale Behauptung des F, der Kläger sei von 1993 bis 1996 gegenüber Hartmetallstäuben exponiert gewesen, fehlt jeder sachliche Anknüpfungspunkt. Seine Annahme, der Kläger sei in diesen Jahren Hartmetallstäuben ausgesetzt gewesen, beruht offenbar auf den gegenüber F gemachten Angaben des Klägers, er habe in dieser Zeit die Grate der frisch gegossenen Metallteile begradigt bzw. geflext (vgl. die Berufsanamnese im Gutachten des F Seite 5). Dies überzeugt jedoch nicht. Denn die BK 4107 bezieht sich nicht auf irgendwelche Metalle, sondern wie oben ausgeführt auf die Exposition gegenüber bestimmten Hartmetallen. Dafür, dass solche Hartmetalle bei der Fa. H zum Einsatz kamen, liefert auch das Gutachten des F keinen Anhaltspunkt. Die Annahme einer BKrelevanten Exposition steht, auch für den Zeitraum März 1993 bis Oktober 1996, vielmehr im Widerspruch zu den Ermittlungen des PD im Betrieb der Fa. H, bei denen, wie bereits ausgeführt, auch der Kläger anwesend war. Insofern ist nochmals hervorzuheben, dass der Kläger den Bericht des PD samt Arbeitsplatzbeschreibung und zusammenfassenden Ergebnissen erhalten hat. Wie die aktenkundigen Gesprächsnotizen vom 20.11.2014 und 24.11.2014 zeigen, hat der Kläger den vom PD getroffenen Feststellungen zunächst nicht widersprochen und später auch nur in unsubsantiierter Weise eine entsprechende Exposition behauptet. Auch im beim LSG durchgeführten Erörterungstermin vom 30.05.2017 hat der Kläger mit Bezug zu der hier relevanten BK 4107 nur angegeben, „Guss“ geschliffen zu haben. Insgesamt bestehen nach alledem den zu fordernden Überzeugungsgrad ausschließende Zweifel bezüglich einer BK 4107-relevanten Exposition. Da mithin eine Exposition gegenüber Hartmetallstäuben nicht mit der zu fordernden an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (Vollbeweis) vorgelegen hat, liegt keine BK 4107 vor.
Weitere Ermittlungen waren nicht geboten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gegenüber Hartmetallstäuben exponiert war, sind nicht gegeben. Für die entsprechenden Behauptungen des Klägers fehlt jede tatsächliche Grundlage. Umgekehrt liegen bereits Erhebungen zur Arbeitsplatzsituation des Klägers vor, die eine Beurteilung der beruflichen Exposition des Klägers gegenüber Hartmetallstäuben zulassen. Von der Durchführung weiterer Erhebungen zur Arbeitsplatzsituation sind ferner schon aufgrund des Zeitablaufs und der seit der entsprechenden Beschäftigung des Klägers veränderten Arbeitsumstände keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten. Diesbezügliche weitere Beweiserhebungen würden daher ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“ erfolgen. Auch das Gebot zur Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 103 Halbsatz 1 SGG) verpflichtet die Sozialgerichte nicht dazu, Beweise „ins Blaue hinein“ zu erheben (BSG vom 14.05.1996 – 4 RA 60/94, juris Rn. 37). Ein entsprechender Beweisantrag ist ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2018 vom Kläger auch nicht gestellt worden.
Ein Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war nicht erforderlich. Wie der Erörterungstermin gezeigt und die Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, ist der Kläger der deutschen Sprache mächtig.
Im Übrigen weist der Senat die Berufung auch aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass Klage und Berufung erfolglos geblieben sind.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).


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