Aktenzeichen L 3 U 52/15
Leitsatz
1. Während einer Dienstreise ist ein Versicherter nicht bei allen Verrichtungen unfallversicherungsrechtlich geschützt; vielmehr lassen sich gerade bei längeren Dienstreisen im Ablauf der einzelnen Tage in der Regel Verrichtungen unterscheiden, die mit der Tätigkeit für das Unternehmen wesentlich im Zusammenhang stehen, und solche, bei denen dieser Zusammenhang in den Hintergrund tritt. (Rn. 27)
2. Stress als solcher stellt sich nicht als Krankheit dar, sondern kann nur eine Vielzahl von völlig unterschiedlichen Symptomen und Beschwerden auslösen, die von Person zu Person in verschiedenster Art und Intensität auftreten. (Rn. 30)
3. In Abgrenzung zum Berufskrankheitenrecht erfüllen länger anhaltende Einwirkungen, welche sich über mehrere Arbeitsschichten erstrecken grundsätzlich nicht den Unfallbegriff des § 8 SGB VII. (Rn. 31)
Verfahrensgang
S 24 U 20/13 2014-12-16 GeB SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht haben die Beklagte und das Sozialgericht München die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen abgelehnt, da kein versicherter Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorlag.
1. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung sind erfüllt, da insbesondere die Voraussetzungen der §§ 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beachtet wurden. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.
2. Hinterbliebene haben gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle im Sinne von § 8 SGB VII.
Nach den überzeugenden Ausführungen von Professor Dr. P., Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum D-Stadt, vom 02.04.2012 ist der Tod des Versicherten in den späten Abendstunden des 28.02. 2012 bis in die frühen Morgenstunden des 29.02.2012 eingetreten.
Für einen Arbeitsunfall ist nach der Legaldefinition des § 8 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit (siehe unter a) zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang – siehe unter b -), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt (Unfallkausalität – siehe unter c -) und dass das Unfallereignis hier den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität – siehe unter d -).
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung zurzeit des Unfallereignisses, das Unfallereignis, der Gesundheitserstschaden und die Unfallfolge mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Danach darf ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Betrachter keinen Zweifel mehr haben (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 27.03.1958, Az.: 8 RV 387/55 -, Rn. 16, BSGE 7, 103). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreichend (BSG vom 02.04.2009, Az.: B 2 U 30/07, UV-Recht aktuell 2009, 1055 ff; BSG vom 02.04.2009, Az.: B 2 U 9/08 R, SozR 4-5671, Anlage 1 Nr. 2103 Nr. 1). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt (BSG Urteil vom 09.05.2006, BSG vom 01.02.1996, Az.: 2 RU 1095; BSGE 45, 285, 286). Es muss dabei mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Es genügt, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (st. Rsprch. z.B. BSG Urteil vom 22.09.1977 – 10 RV 15/77; BSG Urteil vom 02.02.1978 – 8 RU 66/77 -, BSGE 45, 285-290, SozR 2200 § 548 Nr. 38, Rn. 13).
a) Der Verstorbene war als abhängig beschäftigter Bauleiter und daher grundsätzlich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bei der Beklagten auch auf Betriebsreisen und Betriebswegen versichert.
b) Versicherungsschutz ist jedoch nur gegeben, wenn insoweit ein innerer sachlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit besteht. Während einer Dienstreise ist ein Versicherter allerdings nicht schlechthin bei allen Verrichtungen unfallversicherungsrechtlich geschützt; vielmehr lassen sich gerade bei längeren Dienstreisen im Ablauf der einzelnen Tage in der Regel Verrichtungen unterscheiden, die mit der Tätigkeit für das Unternehmen wesentlich im Zusammenhang stehen, und solche, bei denen dieser Zusammenhang in den Hintergrund tritt (BSG, Urteil vom 12.06.1990, 2 RU 57/89, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16). Die besonderen Umstände bei einer dienstlich veranlassten Reise bringen es aber mit sich, bei einer Reihe von Tätigkeiten anders als an sich am Wohn- oder Betriebsort einen inneren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit zu begründen (BSG, Urteil vom 12.06.1990 – 2 RU 57/89 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16). Der betrieblich bedingte Aufenthalt an einem fremden Ort auch außerhalb der Arbeitszeit wird nämlich nicht in demselben Maße von rein eigenwirtschaftlichen Belangen beeinflusst, wie derjenige am Wohnort (BSG, Urteil vom 12.06.1990 – 2 RU 57/89 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16). Der Versicherungsschutz während einer Dienstreise kann sich daher auch auf solche Tätigkeiten erstrecken, die sonst dem privaten Bereich zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 12.06.1990 – 2 RU 57/89 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16; BSG, Urteil vom 25.03.1964 – 2 RU 123/61 – in BG 1964, 373 zu Wegen in einem Restaurant; BSGE 50, 100 zu Wegen nach einem längeren Gaststättenaufenthalt; BSG, Urteil vom 26.04.1990 – 2 RU 54/89 – zum Erkunden der örtlichen Verhältnisse eines Tagungshotels). Der Versicherungsschutz entfällt allerdings dann, wenn sich der Reisende persönlichen, von der beruflichen Tätigkeit und den Besonderheiten des auswärtigen Aufenthalts nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (BSG, Urteil vom 12.06.1990 – 2 RU 57/89 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 3, Rn. 16; BSG, Urteil vom 27.07.1989 – 2 RU 3/89 – zu einem Saunabesuch; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 110 zu einem Spaziergang).
Nach den Feststellungen des Senats bestehen bereits Zweifel am inneren bzw. sachlichen Zusammenhang im Zeitpunkt des Todes des Versicherten. Aus den beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft ergibt sich lediglich, dass im Zimmer des Versicherten dessen Laptop noch mit einem Reisekostenprogramm lief und Belege neben dem Computer lagen. Der Versicherte hat ausweislich der Aufzeichnungen des Hotels um 19:32 Uhr zuletzt seine Schlüsselkarte verwendet. Der Senat geht daher davon aus, dass der Versicherte von diesem Zeitpunkt an bis zu seinem Tod im Hotelzimmer verweilte. Nach den überzeugenden Ausführungen von Professor Dr. P., Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum D-Stadt, vom 02.04.2012 ist der Tod des Versicherten in den späten Abendstunden des 28.02.2012 bis in die frühen Morgenstunden des 29.02.2012 eingetreten. Diesen Feststellungen schließt sich der Senat an und verwertet insoweit das Schreiben von Professor Dr. P. im Urkundsbeweis nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff ZPO. Dabei steht jedoch nicht der gesamte Aufenthalt im Hotel unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Unklar bleibt, welche Tätigkeit der Versicherte im Zeitpunkt des Todes konkret ausgeübte. Auch wenn im Zimmer des Versicherten ein Computerprogramm zur Abrechnung von Reisekosten geöffnet war, ist unklar, ob der Versicherte sich im Zeitpunkt seiner Herzattacke mit der Reisekostenabrechnung beschäftigte. Dabei kann offen bleiben, ob eine Reisekostenabrechnung überhaupt im konkreten Fall noch vom Versicherungsschutz mit erfasst wäre. Durch den Aufenthalt im Hotelzimmer haben sich auch nicht besondere Umstände verwirklicht, welche einen sachlichen Zusammenhang begründen. Soweit der Klägerbevollmächtigte meint, der Versicherte wäre zuhause von seiner Ehefrau gerettet worden, stellt dies nur eine Möglichkeit dar. Auch zuhause wäre nicht sichergestellt gewesen, dass die Klägerin innerhalb einer nur kurzen Zeitphase von wenigen Minuten nach Eintreten der dilatativen Kardiomyopathie die Erkrankung des Versicherten entdeckt und den Rettungsdienst verständigt hätte, der Rettungsdienst rechtzeitig eingetroffen und erfolgreich eine Reanimation mit einem Defibrillator durchgeführt worden wäre. Dr. M. weist darauf hin, dass aufgrund des anzunehmenden Todeszeitpunktes in den späten Abendstunden des 28. bzw. frühen Morgenstunden des 29.02.2012 der Tod auch im Schlaf hätte eintreten können. Der Umstand, dass der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes alleine gewesen ist, stellt überdies keine spezifische Gefahrensituation einer Dienstreise dar, sondern kann genauso im privaten Bereich vorkommen. Zur Problematik der hypothetischen Kausalität wird ergänzend auf die Ausführungen unter 2d) bb) verwiesen. Soweit der Todeszeitpunkt durch den Klägerbevollmächtigten ohne nähere Begründung bestritten wurde, schließt sich der Senat insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. in seinem Gutachten vom 07.07.2014 an, welche insbesondere mit den Todesermittlungen der Polizei D-Stadt und den Obduktionsergebnissen und der Leichenschau von Professor Dr. P./PD Dr. S./J. vom Universitätsklinikum D-Stadt, Institut für Pathologie (Schreiben vom 02.04.2012), übereinstimmen. Dieser Arztbrief wurde durch den Senat im Urkundsbeweis nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff ZPO verwertet. Daher ist bereits der sachliche Zusammenhang nicht im Vollbeweis nachgewiesen.
c) Auch wenn man mit dem Vorbringen der Klägerin eine besonders stressreiche Tätigkeit des Versicherten während des Aufenthalts in D-Stadt unterstellt, so ist dennoch nach Auffassung des Senats ein Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht nachgewiesen.
Stress als solcher stellt sich nicht als Krankheit dar, sondern kann nur eine Vielzahl von völlig unterschiedlichen Symptomen und Beschwerden auslösen, die von Person zu Person in verschiedenster Art und Intensität auftreten (Bundestagsdrucksache 18/13543, S. 15). Stress kann durch das berufliche aber auch das private Umfeld entstehen. Stress kann sich in den vielfältigsten Formen manifestieren (Zeitdruck, Arbeitspensum, Überforderung, Arbeitsplatzverhältnisse,…). Stress tritt deshalb in den unterschiedlichsten Betätigungsfeldern in und außerhalb des Arbeitslebens auf (Bundestagsdrucksache 18/13543, S. 15).
Ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung verlangt ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zeitlich auf eine Arbeitsschicht begrenzt ist und im vorliegenden Fall den Tod als Folge verursachte (Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 10). Ein konkretes von außen auf den Körper einwirkendes Unfallereignis wurde von der Klägerin nicht vorgetragen und ist auch aus den beigezogenen Unterlagen der D. und der Beklagten nicht erkennbar. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass auch Einflüsse auf die Psyche durch die versicherte Tätigkeit Einwirkungen von außen auf den Körper im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII darstellen können. So werden in der Rechtsprechung und Literatur z.B. schwere Beleidigungen (Bereiter-Hahn/ Mehrtens, § 8 Rz. 11.2.; vgl. BVerwG, 09.04.1970, II C 49.68, BVerwGE 35, S. 133 ff.), der Anblick verletzter Personen oder von Blut durch einen Rettungssanitäter (Bultmann/ Fabra, MedSach 2009, S. 172 ff., 174), die versehentliche Tötung eines Kollegen (Bay. LSG, 19.07.1968, L 2/U 170/65, Breith. 1969, S. 475), ein belastendes Personalgespräch (Bay. LSG, 29.04.2008, L 18 U 272/04, NZS 2009, S. 232 ff.), eine Versagenssituation eines Schülers (BSG, 18.12.1979, 2 RU 77/77, USK 79208), erheblicher psychischer Stress während einer betrieblichen Besprechung (LSG BaWü., 11.01.2012, L 6 U 2574/09, UV-Recht Aktuell 2012, S. 586 ff.) und Einwirkungen auf die Psyche als Führer eines Schienenfahrzeugs (BSG, 29.11.2011, B 2 U 23/10 R, NZS 2012, S. 390 ff.; Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 11c) als Beispiele genannt. Erleidet jemand einen Schockschaden, so ist er jedoch nur dann versichert, wenn das Unfallereignis durch Vorgänge verursacht wird, die der grundsätzlich versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Problematisch ist insoweit, dass es wie bei organisch-physischen Einwirkungen für eine psychische Stresssituationen keine feste Untergrenze der erforderlichen Einwirkungsintensität gibt (Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 11c; LSG Berlin-Bbg., 26.01.2012, L 3 U 329/09, UV-Recht Aktuell 2012, S. 586 ff., 593; Düsel in: Die Sicherung von Arbeitnehmerrechten, 2008, S. 75 ff., 86). Bezüglich der zeitlichen Begrenzung der Einwirkungen liegt die Grenze höchstens innerhalb einer Arbeitsschicht (BSG vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R). Dabei muss der komplette Zeitpunkt des Ereignisses nicht zwingend festgestellt sein, das Ereignis muss jedoch an einem bestimmten, wenn auch nicht mehr genau bestimmbaren Tag eingetreten sein (BSG vom 30.04.1985, 2 RU 7/84). In Abgrenzung zum Berufskrankheitenrecht (vgl. § 9 SGB VII) erfüllen länger anhaltende Einwirkungen, welche sich über mehrere Arbeitsschichten erstrecken grundsätzlich nicht den Unfallbegriff des § 8 SGB VII. Ein Unfallereignis im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist jedoch dann anzunehmen, wenn im Rahmen zahlreicher über eine Arbeitsschicht hinausgehender Beeinträchtigungen einem Ereignis eine eigenständige wesentliche Bedeutung für den eingetretenen Schaden zukommt (Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 12b; BSG, 30.05.1985, 2 RU 17/84, SozR 2200 § 548 Nr. 71; Köhler, SGb 2014, S. 69 ff., 76). Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Tätigkeit des Versicherten grundsätzlich sehr verantwortlich und mit allgemeinem Stress verbunden war. Die von der Klägerin vorgetragene Stresssituation bei der Anreise nach D-Stadt am 27.02.2012, kann insoweit jedoch nicht berücksichtigt werden, da diese nicht in der Arbeitsschicht des Klägers am 28.02.2012 stattfand. Hinweise auf andere herausragende Ereignisse, welche eine besondere Stresssituation beim Versicherten in der Arbeitsschicht vom 28.02.2012 verursacht haben könnten, waren für den Senat nicht erkennbar und wurden auch nicht durch den Klägerbevollmächtigten oder die Klägerin vorgetragen. Die vom Klägerbevollmächtigten vorgetragene allgemeine Stresssituation des Versicherten ist insoweit nicht geeignet das Tatbestandsmerkmal eines geeigneten Unfallereignisses zu erfüllen.
d) Auch bezüglich der Ursachenzusammenhänge folgt der Senat den von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Grundsätzen (vgl. z.B. BSG vom 24.07.2012, Az.: B 2 U 9/11 R, BSG vom 12.04.2005, Az.: B 2 U 27/04 R). Danach ist zunächst eine Kausalitätsprüfung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn (siehe unter aa) durchzuführen. Es ist zu prüfen, ob das äußere Geschehen nach aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen und allgemeinem ärztlichen Erfahrungswissen generell geeignet ist, den Tod des Versicherten zu verursachen. Diese Feststellung beruht auf der Äquivalenztheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Weiter stellt sich die Frage, ob die Gesundheitsstörungen ohne das angeschuldigte Ereignis überhaupt nicht, wesentlich später oder in anderer Intensität eingetreten wäre.
Wegen der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen hat nach der Theorie der sogenannten wesentlichen Bedingung eine wertende Eingrenzung zu erfolgen (ständ. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 13; – siehe hierzu unter bb -).
aa) Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. und dem Obduktionsbericht des Instituts für Rechtsmedizin im Klinikum D-Stadt ist als Todesursache eine dilatative Kardiomyopathie im Vollbeweis nachgewiesen, welche nach Auffassung des Senats als reine innere Ursache anzusehen ist. Der Versicherte ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. an den Folgen maligner Herzrhythmusstörungen bei dilatativer Kardiomyopathie akut verstorben. Die beim Versicherten bestehende dilatative Kardiomyopathie ist nach Auffassung des Sachverständigen Ausdruck einer länger zurückliegenden Erkrankung. Eine dilatative Kardiomyopathie hat nach Auffassung des Sachverständigen verschiedenste Ursachen, zum einen kann ein Trainingsmangel als Ursache herangezogen werden, auch früher zurückliegende virale Erkrankungen sind mögliche Ursachen. Eindeutige Hinweise auf eine klare Ursache konnten nicht gefunden werden. Eine Myokarditis konnte histologisch ausgeschlossen werden. Eine virale Genese des Infektes wurde durch den Sachverständigen als Verdachtsdiagnose bewertet. Bei Abwägung dieser Umstände kam der Sachverständige überzeugend zu dem Ergebnis, dass es sich jedoch um ein schicksalhaftes Ereignis gehandelt hatte. Unter Bezugnahme auf die Literatur führt der Sachverständige weiter aus, dass die beim Kläger vorliegende dilatative Kardiomyopathie ihre Ursache in deutlich länger zurückliegenden Ereignissen hatte. Dem schließt sich der Senat ebenfalls an. Insoweit kann kein eindeutiger Zusammenhang zwischen einem akuten viralen Infekt und hieraus entstehenden malignen Herzrhythmusstörungen hergestellt werden. Der Sachverständige Dr. M. wie auch Professor Dr. P. sehen auch keine Veranlassung, eine Zurechnung im Sinne der Verschlimmerung anzunehmen. Ausweislich des Schreibens vom Professor Dr. L./J. vom Universitätsklinikum D-Stadt, Institut für Rechtsmedizin, vom 07.03.2012 wies das Herz des Versicherten eine Reihe von krankhaften Veränderungen auf. So waren die Kammerwände verdickt und die Herzhöhlen erweitert. Das sogenannte kritische Herzgewicht war deutlich überschritten. Die Herzinnenhaut war bindegewebig umgebaut. Die Herzschlagadern waren mittelgradig verkalkt. Ferner wiesen Professor Dr. L./J. darauf hin, dass es aufgrund dieser Befunde zu jeder Zeit zu dem Auftreten von sogenannten bösartigen Herzrhythmusstörungen mit Kreislaufstillstand, rascher Bewusstlosigkeit und nachfolgendem Tod hätte kommen können. Eine Herzmuskelentzündung konnte nach Professor Dr. P. im Befundbericht vom 19.03.2014 histologisch ausgeschlossen werden. Auch diese Berichte wurden durch den Senat im Urkundsbeweis nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff ZPO verwertet.
In der einschlägigen sozialmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S.S. 858) wird auf eine sogenannte Stress-Kardiomyopathie hingewiesen. Danach sollen nach einer akuten emotionalen Ausnahmesituation (Tod eines Angehörigen, Kündigung) Symptome auftreten, die vom Herzinfarkt nicht zu unterscheiden sind. Vorliegend ist jedoch der im Vollbeweis erforderliche Nachweis einer besonderen Stresssituation nicht gegeben. Daneben haben aber auch weder Professor Dr. P. noch der Sachverständige Dr. M. Hinweise für eine Stress-Kardiomyopathie erkennen können. Als Ursache kommt daher nur die außerberuflich erworbene dilatative Kardiomyopathie für den Versicherten als Todesursache in Betracht. Nach Auffassung des Senats ist die allgemeine berufliche Belastung durch Stress, insbesondere wenn sie über einen längeren Zeitraum anhält und nicht innerhalb einer Arbeitsschicht sich verwirklicht, nicht ausreichend um eine Stress-Kardiomyopathie anzunehmen.
Unter Heranziehung der Äquivalenztheorie sind daher die berufliche Tätigkeit des Klägers und deren Umstände bereits nicht als kausal im naturwissenschaftlichen Sinn anzusehen.
bb) Aber auch unter Anwendung der Theorie der wesentlichen Bedingung scheidet eine Zurechnung aus. Insoweit hat die Rechtsprechung des BSG folgende Grundsätze herausgearbeitet (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 15): „Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 15; BSG SozR Nr. 69 zu § 542 aF RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO;). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich“ und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als „wesentlich“ anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R – BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils Rn. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R – BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils Rn. 11).”
Kriterien der Wesentlichkeitsgrenze eines Arbeitsunfalls für den Gesundheitsschaden sind z.B. die versicherte Ursache, das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, die konkurrierenden Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Krankheitsbild, die Belastbarkeit vor dem Unfallereignis sowie die gesamte Krankengeschichte BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt dabei nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 16; BSG vom 02.04.2009, Az.: B 2U 9/08 R). Ein Zusammenhang ist dann gegeben, wenn der Unfall und seine Folgen nach ihrer Eigenart und Stärke unersetzlich und damit nicht mit anderen alltäglichen Ereignissen austauschbar sind. Eine Ursache ist nicht schon deshalb wesentlich, weil sie als letzte Bedingung eingetreten ist. Unfallunabhängige Faktoren überwiegen, wenn sie bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens darstellen, das Unfallereignis deshalb völlig zurückdrängen. Ein hypothetischer Verlauf steht mit dem Versicherungsfall nicht im Zusammenhang.
Ein Unfallereignis ist wesentlich, wenn eine Krankheitsanlage entweder zur Entstehung krankhafter Veränderungen einer besonderen, in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung bedurfte und diese im Unfallereignis enthalten ist oder ohne das Unfallereignis zu einem – nicht unwesentlichen – späteren Zeitpunkt aufgetreten wäre, diese aber durch die schädigende Einwirkung erheblich vorverlegt wurde. Unfallunabhängige Faktoren überwiegen und stellen daher eine nicht wesentliche Bedingung dar, wenn sie bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt eines Gesundheitsschadens darstellen. Man sprach insoweit auch von Gelegenheitsursache.
Mit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. kann der Senat jedoch auch nicht die berufliche Tätigkeit des Klägers als wesentliche Ursache des eingetretenen Todes des Versicherten annehmen. Hiergegen spricht insbesondere, dass eine massive Vorschädigung des Herzens des Versicherten im Sinne einer dilatativen Kardiomyopathie nachgewiesen ist und keine besonderen Umstände erkennbar sind, welche vorliegend eine überragende Stresssituation für den Versicherten begründen. Der Gesetzgeber hat in der gesetzlichen Unfallversicherung zwischen Arbeitsunfällen im Sinne von § 8 SGB VII und Berufskrankheiten nach § 9 SGB VII unterschieden. Wie bereits ausgeführt wurde, ist insoweit eine Begrenzung des „Unfallereignisses“ auf eine Arbeitsschicht vorzunehmen. Vorliegend war jedoch nicht über die Frage einer Berufskrankheit zu entscheiden. Diese Vorerkrankung des Versicherten steht daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine allgemeine stressbedingte berufliche Tätigkeit scheidet daher auch als wesentliche Bedingung auf der zweiten Stufe der Zurechnung aus.
Auch der Schutzbereich von § 8 SGB VII und die Abgrenzung zum Berufskrankheitenrecht in § 9 SGB VII sprechen insoweit gegen eine Zurechnung im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung.
e) Soweit der Klägerbevollmächtigte rügt, dass der Sachverständige Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 26.08.2014 nicht ausreichend konkret die Fragen des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 08.08.2014 beantwortet hätte, kann sich der Senat diesen Bedenken nicht anschließen. Bezüglich des Todeszeitpunktes nimmt der Sachverständige in seiner Stellungnahme auf den Obduktionsbericht von Professor Dr. P. Bezug. Auf die Frage, in welchem Ausmaß die Überlebenschancen des Versicherten sich verändert hätten, wenn die Erkrankung des Versicherten früher erkannt worden wäre, ist der Sachverständige ebenfalls eingegangen. Der Sachverständige sieht auch nicht die mögliche Verschlimmerung der Erkältung durch Aufnahme der Reise als wesentliche Ursache für die malignen Herzrhythmusstörungen. Insoweit wurde auch diese Fragestellung beantwortet. Ausdrücklich hat der Sachverständige ausgeführt, dass im vorliegenden Fall der berufliche Stress nach Auffassung des Sachverständigen Dr. M. nicht wesentliche Ursache der Herzrhythmusstörungen war.
Die vom Klägerbevollmächtigten vorgetragenen Argumentationen bezüglich einer möglicherweise früheren Rettung, wenn er zuhause gewesen wäre, betrifft eine in der Unfallversicherung unzulässige hypothetische Kausalität. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sind grundsätzlich hypothetische Verläufe nicht zu berücksichtigen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII vorliegt und insoweit keine Hinterbliebenenleistungen gewährt werden können.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).