Sozialrecht

Unbegründete Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls

Aktenzeichen  S 13 U 243/16

Datum:
27.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII SGB VII § 8 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Für die Frage, ob der unmittelbare Weg zwischen der Arbeit und der Wohnung des Versicherten unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, kommt es wesentlich auf die Handlungstendenz des Versicherten im Zeitpunkt des Unfalls an. (redaktioneller Leitsatz)
2 Nicht nur der kürzeste, sondern auch der „unmittelbare“ Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit steht unter Unfallversicherungsschutz. Der Weg über den Rasen um die Katze zu rufen, anstelle über den gepflasterten Weg zu gehen, ist jedoch aus eigenwirtschaftlichen Erwägungen gewählt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat, im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen, ob die Voraussetzungen des streitgegenständlichen Arbeitsunfalls vorliegen (vgl. BSG v. 02.12.2008 – B 2 U 15/07 R – zitiert nach juris).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Kläger hat am 08. April 2016 keinen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb „Versicherter“ ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG vom 15.05.2012 – B 2 U 16/11 R).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteil vom 09. Dezember 2003 (B 2 U 23/03 – zitiert nach juris) kommt es für die Frage, ob der unmittelbare Weg zwischen der Arbeit und der Wohnung des Versicherten dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfällt, wesentlich auf die Handlungstendenz des Versicherten im Zeitpunkt des Unfalls an.
Nach dieser Rechtsprechung besteht Versicherungsschutz, so lange die Fortbewegung nach ihrer Handlungstendenz der Zurücklegung des Weges von oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt ist.
Wird der Weg zu oder von der Arbeit demgegenüber durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz. Dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und die Handlungstendenz auch nach außen erkennbar wieder darauf gerichtet ist, den ursprünglichen versicherten Weg wieder aufzunehmen (vgl. BSG, Urt. v. 04.07.2013 – B 2 U 3/13 R – zitiert nach juris).
Die Unterbrechung des Versicherungsschutzes setzt nach der Rechtsprechung in dem Moment ein, wo der Versicherte seine eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nach außen dokumentiert (vgl. BSG Urt. v. 04.07.2013 – B 2 U 3/13 R – zitiert nach juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht in Betracht.
Der Weg über den Rasen stellt einen Umweg im Verhältnis zu dem direkten Heimweg über den gepflasterten Weg zur Haustür dar. Zwar steht nach der Rechtsprechung des BSG vom 09. Dezember 2003 (B 2 U 23/03 – zitiert nach juris) nicht nur der kürzeste, sondern auch der „unmittelbare“ Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit unter Unfallversicherungsschutz. Der Versicherte besitzt damit ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit welchen Weg er nutzt. Versicherungsschutz besteht jedoch nur dann, wenn der Versicherte sich einen bestimmten Weg wählt, weil er ihn für den schnellsten, sichersten oder kostengünstigsten Weg zwischen dem Versicherungsort und der Wohnung hält.
Sowohl nach den Erstangaben des Klägers als auch nach den Ausführungen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wäre er, wenn er die Katze nicht hätte rufen müssen, jedoch nicht über den Rasen gelaufen, sondern hätte den direkten, gepflasterten Weg vom Carport in Richtung seiner Haustür genommen. Nur der gepflasterte Weg ist damit als versicherter „unmittelbarer“ Weg anzunehmen. Das Betreten des Rasens stellt demgegenüber einen Umweg dar, der nicht mehr dem Ziel des „Nachhause-Kommens“, sondern dem eigenwirtschaftlichem Ziel des Klägers, sich um seine Katze zu kümmern, diente.
Vor diesem Hintergrund war der Versicherungsschutz des Klägers somit aber ab dem Moment unterbrochen, wo er den Rasen betreten hat.
Da in dem Betreten des Rasens ein Umweg im Verhältnis zum „unmittelbaren“ Arbeitsweg zu sehen ist, kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass keine erhebliche Zäsur eingetreten sei und er eine privatwirtschaftliche Tätigkeit lediglich „im Vorbeigehen“ erledigt hat. Die Annahme einer Tätigkeit „im Vorbeigehen“ scheitert aus Sicht der Kammer bereits daran, dass der Kläger mit dem Betreten des Rasens eine Richtungsänderung Weg von dem versicherten Weg eingeleitet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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