Sozialrecht

Voraussetzungen für die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens

Aktenzeichen  1 U 112/18

Datum:
10.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45663
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 412

 

Leitsatz

Ein Erstgericht muss ein neues Sachverständigengutachten einholen, wenn das erste Gutachten grobe Mängel (z.B. unlösbare Widersprüche) aufweist, nicht nachvollziehbar ist, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, dem Sachverständigen erkennbar die erforderliche Sachkunde fehlt oder wenn ein anderer Gutachter über Forschungs- und Erkenntnismittel verfügt, die denen des bisherigen Gutachters überlegen erscheinen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

34 O 239/16 2018-05-17 Endurteil LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 17.05.2018, Az. 34 O 239/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 178.955,00 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis einschließlich 01.10.2018.

Gründe

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 17.05.2018 offensichtlich im Sinne des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Erfolgsaussicht fehlt und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO weist der Senat den Kläger auf die beabsichtigte Entscheidung hin und gibt ihm zugleich hierzu sowie zur beabsichtigten Festsetzung des Streitwerts Gelegenheit zur Stellungnahme.
I.
Der Kläger begehrt Leistungen aus einem Unfallversicherungsvertrag. Am Samstag, den 08.11.2014 ist er bei Glatteis gestürzt und mit dem Brustkorb auf die Kofferrau mkante eines Reisebusses gefallen. Dabei ist es auch zu einem Anprall im Nackenbereich gegen eine Kofferkante gekommen. Nachdem er am darauffolgenden Montag noch gearbeitet hatte, suchte er am Dienstag, den 12.11.2014 seinen Hausarzt auf, der u.a. eine Lumbalgie und eine Zervikobrachialgie dokumentierte (Bl. 105 d.A.). Am 30.01.2015 und am 14.10.2015 wurde er letztlich an der Halswirbelsäule operiert.
Der Kläger trägt vor, aufgrund des Sturzes habe er einen Rippenbruch und einen Schaden an der Halswirbelsäule erlitten. Insbesondere durch Schäden an der Halswirbelsäule sei er zu 100% invalide.
Das Landgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass die Invalidität unfallbedingt sei. Gestützt auf die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. C. sei das Gericht davon überzeugt, dass die Schäden des Klägers an der Halswirbelsäule auf chronischen und degenerativen Veränderungen beruhten, welche bereits vor dem Unfall vorgelegen hätten.
Der Kläger rügt, die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen seien in mehrfacher Hinsicht unzureichend bzw. fehlerhaft. Aus der Feststellung eines Myeloms, der Ödeme, der damit zusammenhängenden Randzacken sowie des Bandscheibensequesters hätte zwingend die Feststellung gezogen werden müssen, dass diese Erscheinungen durch ein Trauma, mithin den streitgegenständlichen Unfall, entstanden sind. Das Landgericht hätte den Sachverständigen dazu veranlassen müssen, die CD mit Originalbildern der MRT-Aufnahme einzusehen. Der Sachverständige habe die vorliegenden ärztlichen Berichte nicht hinreichend beachtet. Er habe u.a. unbeachtet gelassen, dass der Kläger vor dem Unfall keine Beschwerden verspürt habe und diese erst danach aufgetreten seien. Das Gericht habe die Feststellungen des Gutachters unbesehen übernommen. Zudem hätte ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt werden müssen. Das Erstgericht hätte dem Antrag des Klägers auf Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung stattgeben müssen. Das Berufungsgericht möge eine entsprechende Beweisaufnahme durchführen; der Kläger beantragt zudem, den Kläger als Partei einzuvernehmen.
Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das angefochtene Urteil erweist sich nach Überprüfung durch den Senat anhand des Berufungsvorbringens sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung als zutreffend.
Es ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht zu der Auffassung gelangt ist, dass der Kläger den Beweis für eine versicherte unfallbedingte Erstschädigung nicht erbracht hat.
Mit Blick auf die Berufungsangriffe besteht Anlass zu folgenden Ausführungen:
1. Maßgaben
Ein Unfall liegt gemäß § 1 Ziff. 1A UB99-L vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Für diese Voraussetzung hatte der Kläger als Anspruchsteller gemäß § 286 BGB den Vollbeweis zu führen. Dies betrifft auch den Beweis einer unfallbedingten versicherten Erstkörperschädigung.
2. Original-CD der MRT-Aufnahmen
Es ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige seine Beurteilung auf Papierausdrucke von MRT-Aufnahmen gestützt und nicht die Original-CD der entsprechenden Aufnahmen eingesehen hat.
Soweit der Kläger vorträgt, eine Entscheidung allein aufgrund von Papierausdrucken zu fällen, sei nicht leitliniengemäß, ist dieser Vortrag unsubstantiiert. Gleiches gilt für seine Ausführungen, dass die Darstellung von Originalbildern für den Gutachter eine völlig andere sei, da diese im Gegensatz zum Papierausdruck eine höhere Auflösung biete. Der Kläger wäre gehalten gewesen vorzutragen, welche konkreten anderen Erkenntnisse sich aus der Betrachtung der Originalbilder ergeben, insbesondere im Hinblick auf den Unfall als Ursache der streitgegenständlichen Beschwerden. Dies ist nicht erfolgt. Bloße Vermutungen anzustellen reicht insoweit nicht aus.
2. Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht
Das Erstgericht war nicht gehalten, ein unfallanalytisches Gutachten einzuholen. Ebenso ist eine entsprechende Beweiserhebung durch das Berufungsgericht nicht veranlasst.
Generell gilt: Ein Erstgericht muss ein neues Sachverständigengutachten einholen, wenn das erste Gutachten grobe Mängel (z.B. unlösbare Widersprüche) aufweist, nicht nachvollziehbar ist, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, dem Sachverständigen erkennbar die erforderliche Sachkunde fehlt oder wenn ein anderer Gutachter über Forschungs- und Erkenntnismittel verfügt, die denen des bisherigen Gutachters überlegen erscheinen (§ 412 ZPO; Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl. § 412 Rn. 2; Schumann/Krämer, Die Berufung in Zivilsachen, 7. Aufl. Rn. 449).
Im vorliegenden Fall waren die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen entgegen dem Vortrag des Klägers in sich schlüssig und nachvollziehbar, worauf unter Ziff. 3 noch näher eingegangen wird. Die Qualifikation des gerichtlichen Sachverständigen auf dem für den Prozess relevanten Bereich steht für den Senat außer Frage. Ein weiteres unfallananalytisches Gutachten wäre für die streitentscheidenden Fragen irrelevant.
Soweit der Kläger zur Notwendigkeit eines unfallanalytischen Gutachtens auf die Ausführungen des OLG München im Urteil vom 13.05.2011, Az. 10 U 3951/10, verweist, verkennt er, dass es im Gegensatz zur dortigen Konstellation im vorliegenden Fall nach den Ausführungen des hiesigen Sachverständigen gerade nicht darauf ankommt, welche Krafteinwirkung der Unfall auf den Kläger ausgeübt hat. Es liegen keine hinreichenden Anzeichen dafür vor, dass die Verletzung des Klägers durch den streitgegenständlichen Unfall verursacht worden sind, unabhängig davon, welche Kräfte auf den Kläger bei dem Unfall eingewirkt haben. Relevant ist vorliegend vielmehr der Umstand, dass in den bildgebenden Verfahren, die kurz nach dem Unfall entstanden sind, keine Anzeichen für eine frische Verletzung zu erkennen sind, sondern vielmehr sich seit längerer Zeit bereits entwickelte degenerative Veränderungen.
3. Nachvollziehbarkeit der gutachterlichen Feststellungen Nach dem Vortrag des Klägers müsse aus der Feststellung eines Myeloms, der Ödeme, der damit zusammenhängenden Randzacken sowie des Bandscheibensequesters zwingend die Feststellung gezogen werden, dass diese Erscheinungen durch ein Trauma, mithin den streitgegenständlichen Unfall, entstanden sind. Dies trifft nicht zu.
a) Myelom<
Der Vortrag des Klägers zum Vorhandenseins eines „Myeloms“ – selbst wenn ein Myelom gemeint sein sollte -, und deren Bedeutung für die Unfallbedingtheit der Verletzung erschließt sich dem Senat nicht. Myelom ist lediglich eine andere Bezeichnung für das Rückenmark. Myelom bezeichnet eine Krebserkrankung der Plasmazellen.
b) Ödeme
Die Ödeme (Wassereinlagerungen im Körpergewebe, wodurch dieses anschwillt) in Grund- und Deckplatte lassen sich nicht eindeutig auf den Unfall zurückführen. Sie sind vielmehr typische Begleiterscheinungen einer Ostechondrose (Arthrose zwischen den Wirbelkörpern) aufgrund von Osteophyten (vgl. nachfolgend c)). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts auf S. 8 des Urteils (I. 2.c)) verwiesen. Der Sachverständige hat zwar erklärt, dass das auf der MRT-Aufnahme vom 14.01.2015 sichtbare Ödem für sich genommen auch unfallbedingt sein könnte; da jedoch keine zerrissene Bandscheibe oder Wirbelknochen feststellbar waren, sei eine Verletzung traumatischen Ursprungs nicht nachweisbar (Protokoll vom 26.04.2018 S. 4 = Bl. 284 d.A.). Diese Darlegung überzeugt. Überdies erklärt der Kläger selbst, dass ein durch ein Trauma verursachtes Ödem lediglich für 3 bis 6 Wochen nach dem traumatischen Ereignis sichtbar sei. Die Bilddiagnosen fanden nach Ablauf dieser Zeiträume statt. Wenn sie auf den Unfall zurückzuführen gewesen wären, hätten sie nach dem Vortrag des Klägers nicht mehr sichtbar sein dürfen.
c) Randzacken (Osteophyten)
Nach den nachvollziehbaren Erläuterungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen sind auch die Randzacken nicht Folge des streitgegenständlichen Unfalls.
Osteophyten sind degenerative strukturelle Veränderungen in Form von knöchernen Ausläufern am Rand des Knochens, die u.a. in Form von Randzacken auftreten können. Sie sind arthrosebedingt. Die beim Kläger vorhandene knöcherne Einengung des Spinalkanals entsteht generell nicht durch ein Trauma, sondern einen chronischen Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum von mehr als nur wenigen Wochen entwickelt hat. Insoweit wird auf die Ausführungen des Erstgerichts auf S. 5, 6 des Urteils (I. 2. a), b)) verwiesen. Zwar hat der Sachverständige erklärt, dass Randzacken durch einen Unfall verletzt werden oder verletzen können. Er konnte jedoch in den vorliegenden Unterlagen keine diesbezügliche Verletzung der Facetten (Zwischenwirbel) oder des umliegenden Gewebes erkennen (Protokoll vom 26.04.2018 S. 4 = Bl. 284 d.A.). Mithin kommt nachvollziehbar nicht in Betracht, dass die hiesigen Osteophyten durch den Unfall entstanden sind.
d) Bandscheibensequester
Ob ein Bandscheibensequesters vorliegt, ist im hiesigen Fall irrelevant. Ein Bandscheibensequester ist kein eindeutiges Anzeichen für eine unfallbedingte Verletzung. Ein Bandscheibensequester ist ausgestoßenes Bandscheibengewebe. Der Bandscheibenvorfall des Klägers war bereits verknöchert. Ob er als Vorwölbung (Protrusion) oder Vorfall (Prolaps) eingeordnet wird, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Ein verknöcherter Bandscheibenvorfall entsteht nicht binnen weniger Monate (vgl. Ersturteil S. 7 unter I.2.b)).
e) Bandscheibenvorfall
Der Umstand, dass der Sachverständige zum einen von einem Bandscheibenvorfall (Prolaps) und zum anderen von einer Bandscheibenvorwölbung (Protrusion) spricht, stellt keinen Grund dar, dessen Ausführungen als fragwürdig erscheinen zu lassen. Ein Bandscheibenvorfall wird in verschiedene Schweregrade eingeteilt. Der erste Schweregrad ist die Protrusion; der zweite Schweregrad ist der Prolaps in die Zwischenwirbellöcher bzw. den Spinalkanal; der dritte Schweregrad ist die Sequestration, wobei die Sequester keine Verbindung mit der Bandscheibe mehr haben (Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 257. Aufl. S. 158). Mithin ist der Begriff „Bandscheibenvorfall“ auch ein Oberbegriff für die genannten Schweregrade.
Der im Bericht der Gemeinschaftspraxis für Neurochirurgie (Dr. A.) erwähnte Befund „M 50.1 G Zervikaler Bandscheibenschaden mit Radikulopathie“ umfasst damit auch eine Bandscheibenvorwölbung, welche gleichfalls die Nerven reizen oder schädigen kann. Ein Widerspruch zu den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen liegt nicht vor.
Die Ausführungen des Klägers zur Art der durchgeführten Operationen und deren Notwendigkeit bewegen sich im Bereich vom laienhaften Vermutungen und Spekulationen, die die sachlich fundierten Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht in Frage stellen können.
f) Beschwerdefreiheit bis zum Unfall und Beschwerden danach
Der Vortrag des Klägers, bis zum Unfall am 08.11.2014 im Hinblick auf die Halswirbelsäule beschwerdefrei gewesen zu sein, wird dadurch in Frage gestellt, dass sich in den Unterlagen des Dr. B., dem Hausarzt des Klägers, ein Eintrag findet, der für den 12.01.2014 eine Cervicobracchialgie attestiert; dabei handelt es sich um Schmerzen, die vom Hals in den Arm ausstrahlen (Protokoll vom 26.04.2018 S. 3 = Bl. 283 d.A.). Dies sind typische Beschwerden bei Schäden an der Halswirbelsäule und deuten auf entsprechende Vorschäden hin. Dieselbe Diagnose findet sich in der Versichertenauskunft für den Kläger im Bezug auf die Behandlungsdaten 13.10.2011, 23.04.2012, 19.11.2012/20.11.2012/04.12.2012, 24.02.2014/25.03.2014 sowie 12.11.2014/24.11.2014/27.11.2014 (Sonderband Bl. 161-163).
Ein schlüssiger Vortrag des Klägers, wann die Beschwerden erstmals aufgetreten sind, liegt überdies nicht vor. In der Anhörung vom 27.10.2016 erklärte er zwar, er habe gegenüber dem Orthopäden auch über Schulterschmerzen geklagt. Dies findet sich jedoch in dessen Dokumentation vom 21.11.2014 nicht wieder. In der Berufungsbegründung trägt der Kläger vor, dass Schmerzen in anderen Regionen aufgrund starker Rückenbeschwerden kaum wahrnehmbar gewesen seien und sich eine Taubheit im linken Arm erst eingestellt hatte, nachdem die Schmerzen in den Rippen und im (unteren) Rückenbereich beseitigt worden waren. Daraufhin habe er sich beim Orthopäden vorgestellt (dort S. 3 = Bl. 360 d.A.). Diese Angabe legt zumindest nahe, dass die Schulterbeschwerden nicht unmmittelbar nach dem Unfall bemerkbar gewesen waren.
Dass sich in der Dokumentation des Hausarztes Dr. B. vom 12.11.2014 u.a. die Diagnose „Cervicobrachialgie“ findet, kann angesichts des Umstandes, dass dieselbe Diagnose bereits in den Jahren zuvor ebenfalls gestellt worden war, keine entscheidende Bedeutung für die Frage zukommen, ob die Schäden an der Halswirbelsäule durch den Unfall verursacht worden sind. Auch in der Schadensanzeige an die Beklagte vom 06.12.2014 erwähnt der Kläger als Diagnose des Hausarztes lediglich den Rippenbruch und eine Lendenwirbelsäulenverletzung (Anl. B 3 = Bl. 55 d.A.)
Unmittelbar in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall vorhandene Beschwerden aufgrund einer akuten Verletzung der Halswirbelsäule sind zudem nicht objektivierbar. Aus dem Vortrag des Klägers und den ärztlichen Berichten geht nicht hervor, wann konkret sich die Beschwerden im Hinblick auf eine vermeintliche Halswirbelsäulenverletzung zeigten. Im Bericht des MVZ Erlenbach/Radiologie vom 27.11.2014 sollte offenbar lediglich eine Fraktur der Lendenwirbelsäule ausgeschlossen werden; nur diese wurde radiologisch untersucht (Bl. 83 d.A.). Im Durchgangsarztbericht vom 21.11.2014, dem Zwischenbericht vom 25.11.2014 und der Überweisung in die Neurochirurgie vom 29.12.2014 finden sich ebenso keine Hinweise auf Beschwerden aufgrund einer Verletzung der Halswirbelsäule (Bl. 84 ff. d.A.). Eine Diagnostik der Halswirbelsäule per MRT liegt erst am 14.01.2015 vor. (Bl. 88 d.A.), mithin ca. 9 Wochen nach dem Unfallereignis. Es ist sehr untypisch, dass eine hochgradige Verletzung der Halswirbelsäule über mehrere Wochen unauffällig verbleibt, um erst dann offenbar zu werden. Nach den ärztlichen Dokumentationen bestand ein beschwerdefreies Intervall im Hinblick auf die Halswirbelsäule. Nach der Anhörung des Klägers vom 27.10.2016 steigerten sich die Beschwerden offenbar sukzessiv; dies ist typisch für sog. „schicksalshafte Erkrankungen“. Auch im Rahmen der Operationen fanden sich keine Anhaltspunkte für eine frische Verletzung der Bandscheiben, sondern chronische und degenerative Veränderungen (vgl. Gutachten Dr. C. vom 21.05.2017 S. 223 R, 224 = Bl. 223 R, 224 d.A.).
4. Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung
Das Erstgericht war nicht gehalten, dem im Schriftsatz vom 03.05.2018 gestellten Antrag des Klägers auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nachzukommen. Die Rüge des Klägers, das Erstgericht hätte seinem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) stattgeben müssen, da sich die Vorsitzende in der Verhandlung geweigert habe, einen vom Kläger überreichten Zeitungsartikel zur Kenntnis bzw. zur Akte zu nehmen, hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 156 ZPO lagen nicht vor. Der Kläger hatte die Möglichkeit, die sich aus dem Artikel ergebenden Fragen dem Sachverständigen in der Verhandlung zu stellen, wovon er auch Gebrauch gemacht hat. Insoweit wird auf die Ausführungen im Ersturteil (S. 9 I.3.) verwiesen.
5. Parteieinvernahme des Klägers
Dem Antrag des Klägers auf Parteieinvernahme ist nicht nachzukommen.
Obwohl der Kläger in der Berufungsbegründung die Parteieinvernahme „des Beklagten“ beantragt, geht der Senat davon aus, dass die Parteieinvernahme des Klägers beantragt werden sollte. Das Beweisthema der Parteieinvernahme wird nicht genannt. Auch im Übrigen wird nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der §§ 445 ff. ZPO vorlägen.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor. Der Streitfall ist geprägt durch die ihm eigenen Besonderheiten im tatsächlichen Bereich; streitentscheidend ist die Würdigung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Soweit es auf grundlegende Rechtsfragen ankommt, sind diese durch die Rechtsprechung, von der der Senat nicht abweicht, geklärt.
Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Anhaltspunkte dafür, dass in einer solchen neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, bestehen nicht.
Der Senat regt daher an, zur Vermeidung von Kosten die aussichtslose Berufung innerhalb offener Stellungnahmefrist zurückzunehmen, und weist in diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV Nrn. 1220, 1222) hin.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anwendung von §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 9 Satz 1 ZPO zu bestimmen sein.


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