Sozialrecht

Zeitpunkt der Feststellung einer Gesundheitsstörung oder Unfallfolge

Aktenzeichen  L 3 U 332/16

Datum:
21.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 12579
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB
VII § 8

 

Leitsatz

Die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Gesundheitserstschaden bzw. Folge eines Arbeitsunfalls setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem ersten Schritt voraus, dass die Gesundheitsstörung selbst im Beweismaßstab des Vollbeweises bewiesen ist.
2. In einem zweiten Schritt ist die Gesundheitsstörung dann als Gesundheitserstschaden bzw. Unfallfolge im Rechtssinne des § 8 Abs. 1 SGB VII zu qualifizieren, wenn ein wesentlich ursächlicher Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis festgestellt werden kann. Hierfür genügt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit.
3. Wird eine Gesundheitsstörung erst mit einem langen zeitlichen Abstand zum Unfallereignis diagnostisch gesichert, hindert dies grundsätzlich nicht den Nachweis der Gesundheitsstörung im Vollbeweis. Der zeitliche Abstand zum Unfallereignis stellt vielmehr einen Umstand dar, der bei der Prüfung des Ursachenzusammenhanges unter Anwendung des Beweismaßstabes der hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen ist.

Verfahrensgang

S 5 U 322/14 2016-07-22 GeB SGREGENSBURG SG Regensburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 22. Juli 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers werden nicht erstattet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Nach Auffassung des Senats ist die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Unfallereignis und der beim Kläger vorliegenden Septumdeviation nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
1. a) Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit Schreiben vom 03.04.2019 bzw. 12.02.2019 hierzu ihr Einverständnis erklärten.
b) Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung sind erfüllt, da insbesondere die Voraussetzungen der §§ 144 und 151 SGG beachtet wurden.
c) Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 06.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2014 (§ 95 SGG). Es ist über eine Beklagtenberufung zu entscheiden, welche sich gegen die Feststellung einer erheblichen Septumdeviation und damit verbunden einer behinderten Nasenatmung, einer Nasenmuschelhyperplasie sowie einer Minderung der Geruchswahrnehmung als weitere Folgen des Versicherungsfalls vom 03.09.2000 richtet.
2. Die Klage ist in der Gestalt der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft.
3. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Recht hat die Beklagte als Folgen des Unfalls lediglich eine folgenlos verheilte Fraktur des Nasenbeines festgestellt. Die Nasenscheidewandverkrümmung (Septumdeviation) mit eingeschränkter Nasenatmung, chronisch geschwollene (hyperplastische) Nasenmuscheln, kleinknotige (follikuläre) Körnchenbildung (Granulationen) im Bereich der Rachenhinterwand und die Minderung der Geruchswahrnehmung (Hyposmie) rechts sind nicht Folgen des anerkannten Arbeitsunfalles.
Für einen Arbeitsunfall ist nach der Legaldefinition des §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls (BSG vom 17.02.2009, B 2 U 18/07 R, Rz. 9, zitiert nach juris). Im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität ist dann weiter zu prüfen, inwieweit neben dem Gesundheitserstschaden noch weitere Unfallfolgen letztlich wesentlich durch das Unfallereignis verursacht wurden.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung zurzeit des Unfallereignisses, das Unfallereignis, der Gesundheitserstschaden und die Unfallfolge mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Sinne des Vollbeweises bewiesen sein (siehe unter a). Danach darf ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Betrachter keinen Zweifel mehr haben (BSG, 27.03.1958, 8 RV 387/55, Rn. 16, BSGE 7, 103). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität -siehe unter c und d) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreichend (BSG; 02.04.2009, B 2 U 30/07, UV-Recht aktuell 2009, 1055 ff; BSG; 02.04.2009, B 2 U 9/08 R, SozR 4-5671, Anlage 1 Nr. 2103 Nr. 1). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt (BSG, 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196-209, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Es muss dabei mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Es genügt, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (st. Rspr: z.B. BSG; 22.09.1977; 10 RV 15/77; BSG; 02.2.1978; 8 RU 66/77, BSGE 45, 285-290, SozR 2200 § 548 Nr. 38, Rn. 13). Liegt ein Vorschaden vor (siehe unter b), so ist zunächst dessen Bestehen mit Gewissheit festzustellen (z.B. BSG, 17.12.2015 – B 2 U 8/14 R).
a) Nachdem die Beklagte das Unfallereignis als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt hat, geht es vorliegend insbesondere um die Frage, ob beim Kläger durch das Ereignis vom 03.09.2000 eine Septumdeviation (Nasenscheidewandverkrümmung) aufgetreten ist.
Dr. H. führt in seinem Gutachten vom 22.05.2015 dazu aus, dass die Nasenscheidewand aus einer annähernd quadratischen Knorpelplatte im vorderen Anteil und im hinteren Anteil aus zwei Knochen, der Lamina perpendiculis im oberen Bereich und dem Pflugscharbein im unteren Teil besteht. Eine Nasenscheidewandverbiegung ist definiert als eine Abweichung knorpeliger und knöcherner Nasenscheidewandanteile aus der Median- oder Sagitalebene. Es gibt dafür zwei Ursachen; häufiger Wachstumsstörungen und seltener traumatische Verletzungen. Wachstumsbedingte Verbiegungen werden durch ungleiches Wachstum von Septum, zwischen Kiefer und Gaumen verursacht. Veränderungen am Septum werden nach ihrer Lage beschrieben und erlauben eine Zuordnung hinsichtlich einer wachstums- oder traumabedingten Deviation. Den wachstumsbedingten Veränderungen steht die traumatische Deviation gegenüber, die sich durch Knickbildung, knorpelige Schiefnase und mögliche Deformierung des Nasensteges auszeichnet, bei starker Befundausprägung kann ein Septumquerstand entstehen. Sowohl Dr. H. wie auch Dr. E. haben in ihren Gutachten den Befund einer auf ein Trauma zurückzuführende Septumdeviation festgestellt, welche nicht dem klinischen Bild einer rein wachstumsbedingten Störung entspricht. Diesen Feststellungen schließt sich der Senat an.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend der Vollbeweis einer Septumdeviation für den Senat erbracht, da durch die CT-Untersuchung des Klägers vom 22.03.2007 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Septumdeviation gesichert ist. Soweit die Beklagte versucht den Vollbeweis dadurch zu erschüttern, indem sie vorträgt, dass die Septumdeviation nicht unfallzeitpunktnah festgestellt worden sei, ist dies nicht mit den Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu vereinbaren. Die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Gesundheitserstschaden bzw. Folge eines Arbeitsunfalls setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem ersten Schritt voraus, dass die Gesundheitsstörung selbst im Beweismaßstab des Vollbeweises bewiesen ist. In einem zweiten Schritt ist die Gesundheitsstörung dann als Gesundheitserstschaden bzw. Unfallfolge im Rechtssinne des § 8 Abs. 1 SGB VII zu qualifizieren, wenn ein wesentlich ursächlicher Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis festgestellt werden kann. Hierfür genügt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Nach Auffassung des Senats ist der lange zeitliche Abstand zwischen dem Unfallereignis und der Feststellung der angeschuldigten Septumdeviation nicht eine Frage der im Vollbeweis zu sichernden Gesundheits(erst) störung, sondern der Zurechnung im Rahmen der Kausalität (unter b). Das von der beklagten Berufsgenossenschaft postulierte Erfordernis, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass der Gesundheits(erst) schaden bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall eingetreten ist, findet weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des BSG eine Grundlage und würde in allen Fällen, in denen – wie häufig – der sichere Nachweis einer Gesundheitsstörung erst Wochen oder Monate nach dem Unfallereignis gelingt, die Beweiserleichterung hinsichtlich der Kausalität im Sinne des Nachweises mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konterkarieren (so überzeugend BayLSG vom 22.11.2018 – L 2 U 18/16 -, Rn. 77, juris).
Vorliegend ergibt sich der Vollbeweis einer Septumdeviation für den Senat aus den Ausführungen der Sachverständigen Dr. E. und Dr. H., Fachärzte für HNO-Heilkunde, sowie der radiologischen Stellungnahme von Dr. H., Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie vom 22.05.2017. Danach ergibt sich aus der CTUntersuchung des Klägers vom 22.03.2007, dass das knöcherne Nasenseptum eine Deviation mit Stufenbildung und umschriebener hyperostotischer Sklerosierung im mittleren Drittel aufweist. Das Nasenseptum wirkt hier verkürzt im Sinne einer alten posttraumatischen Einstauchung, welche in Fehlstellung knöchern konsolidiert ist. Ein weiterer Nachweis posttraumatischer Residuen liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist damit die Gesundheitsstörung Septumdeviation im Vollbeweis gesichert. Ob diese Gesundheitsstörung im Sinne eines Gesundheitserstschadens oder einer weiteren Unfallfolge in einem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht ist, wie die Klägerbevollmächtigte zutreffend ausführt, eine Frage der Kausalität bzw. der Frage, ob sich das Unfallereignis vom 03.09.2000 als wesentliche Bedingung erweist.
b) Der Senat musste daher weiter im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität prüfen, ob die im Jahr 2007 im Vollbeweis nachgewiesene Septumdeviation mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dem Unfallereignis vom 03.09.2000 im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung zugerechnet werden kann. Bezüglich der Ursachenzusammenhänge folgt der Senat den von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Grundsätzen (vgl. z.B. BSG, 24.07.2012, B 2 U 9/11 R; BSG, 12.04.2005, B 2 U 27/04 R). Danach ist zunächst eine Kausalitätsprüfung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn durchzuführen (1. Stufe). Diese beruht auf der Äquivalenztheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non).
Nach der Rechtsprechung des BSG setzt die Zurechnung auf der 1. Stufe voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde (BSG vom 07.12.2015 – B 2 U 8/14/R – SGb 2016, 705, 706). Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der „conditio-Formel“ eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, in einer besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.
Wie die Sachverständigen Dr. H. und Dr. E. in ihren Gutachten ausführen, war das Unfallereignis vom 03.09.2000 mit der nachgewiesenen dislozierten Nasenbeinfraktur grundsätzlich geeignet, die nachgewiesene Septumdeviation zu verursachen. Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung des BSG nicht im Sinne der conditio sine qua non ausreichend. Danach muss das schädigende Ereignis nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele. Der Gutachter Dr. S. führt in seinem Gutachten vom 31.12.2012 dagegen wesentlich differenzierter aus, dass nur „möglicherweise“ auch die Septumdeviation rechts, darüber hinaus das sensible Defizit im Bereich der linken Schläfe und des Unterliedes, als Folge des Unfallereignisses zu sehen sind. Die bloße Möglichkeit erfüllt aber nicht die Voraussetzungen der Zurechnung im naturwissenschaftlichen Sinn.
Bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles kann sich der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass das Ereignis vom 03.09.2000 wesentliche Ursache der nachgewiesenen Septumdeviation war.
Dabei spricht für einen wesentlichen Zusammenhang, dass eine dislozierte Nasenbeinfraktur durch das Ereignis vom 03.09.2000 zweifelsfrei entstanden ist. So hat der Facharzt für HNO-Erkrankungen Dr. S. in seinem Gutachten für die Beklagte vom 31.12.2012, welches im Urkundsbeweis verwertet wird, auch ausgeführt, dass möglicherweise die Septumdeviation nach rechts sowie das sensible Defizit im Bereich der linken Schläfe und des Unterliedes hierdurch entstanden sein könnten. Der Sachverständige Dr. H. hat ebenfalls ausgeführt, dass das Unfallereignis geeignet war, die Veränderungen hervorzurufen.
Gegen eine Zurechnung spricht jedoch, dass der einzige zeitnah zum Unfallereignis behandelnde HNO-Arzt Dr. P. ausdrücklich keine Septumfraktur, sondern lediglich einen Schleimhauteinriss festgestellt hat. Im HNO-Arztbericht vom 05.10.2000 gibt Dr. P. an, dass eine Septumdeviation nach rechts bereits am 05.10.2000 bei der Untersuchung im Sinne eines Vorschadens bekannt war. So hat er in seinem sehr ausführlichen Bericht vom 05.10.2000 ausdrücklich aufgenommen, dass bezüglich der Mund- und Rachenorgane „keine Septumfraktur und kein Hämatom“ vorliegt. Unter der Ziffer 8b) führte er weiter aus, „bekannte Septumdeviation nach rechts“. Aus der Abrechnung von Professor Dr. B. vom 07.02.2001 ergibt sich, dass bei der Behandlung durch Dr. P. eine direkte Laryngoskopie, eine Nasen-/Rachenraum-Endoskopie und eine Binokularmikroskopie durchgeführt wurden. Diese Untersuchungen sind geeignet, auch wenn im Unfallzeitpunkt keine radiologische Untersuchung erfolgte bzw. nicht mehr nachvollziehbar ist, eine frische Septumdeviation nachzuvollziehen. Auch kann nicht unterstellt werden, dass die ausdrücklich und letztlich mehrfach von Dr. P. mit Befundbericht vom 05.10.2000 niedergelegte Aussage, dass keine Septumfraktur vorlag und eine Vorschädigung mit Septumdeviation nach rechts gegeben ist, ohne gesicherte Erkenntnisse abgegeben wurde. Hierfür sprechen die durch die Abrechnung vom 07.02.2001 belegten umfangreichen Untersuchungen. Im Übrigen ist der Befundbericht sehr ausführlich und differenziert eindeutig zwischen dislozierter Nasenbeinfraktur und nicht festgestellter Septumfraktur. Im weiteren Befundbericht der HNO-Klinik im Klinikum F-Stadt vom 14.11.2018 wurde nochmals bestätigt, dass kein Hinweis auf eine frische Septumfraktur bestand. Die letzte Behandlung erfolgte nach Reposition der Nasenbeinfraktur am 07.09.2000. Der Senat hat die Befundberichte vom 05.10.2000 und 14.11.2018 im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Es bestehen daher für den Senat keine Zweifel, dass eine Septumdeviation als Vorschaden vorlag.
Gegen einen Zusammenhang spricht weiter, wie der Beratungsarzt der Beklagten Dr. H., Facharzt für HNO-Heilkunde, in seiner Stellungnahme vom 28.08.2017 ausführt, dass die positiven Gutachten von Dr. E. und Dr. H. weit über zehn Jahre nach dem Unfallereignis erstellt wurden. Der erste radiologisch gesicherte Befund einer Septumdeviation liegt durch ein Nasennebenhöhlen-CT vom 22.03.2007 vor. Aufgrund dieses langen zeitlichen Abstandes zum Unfall 2000 lässt sich nur sehr eingeschränkt eine gesicherte Aussage zum Kausalzusammenhang abgeben. Eine zeitliche Zuordnung des Septumbefundes explizit auf das Nasentrauma vom 03.09.2000 ist nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit möglich. Der Kläger hatte seit 2000 weitere Schädeltraumen mit Verletzungen im Bereich des Gesichtsschädels. Insoweit kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen dieser Verletzungen über den nachgewiesenen Vorschaden hinaus eine weitere Septumdeviation aufgetreten ist. Dies gilt insbesondere bei Frakturen der medialen Kieferhöhlenwand. Ferner spricht gegen eine Zurechnung im Sinne der wesentlichen Bedingung, dass der Kläger als Leistungssportler nach dem angeschuldigten Ereignis 2000 bis zum Jahr 2016 professionell Eishockey spielen konnte. Im Zeitraum von September 2000 bis 31.12.2012 traten offensichtlich keine so schwerwiegenden Beeinträchtigungen oder Einschränkungen der Atmung beim Kläger auf, die ihn zu weiteren fachärztlichen Konsultationen oder Behandlungen bezüglich der vorliegenden Septumdeviation veranlassten. Dies ist umso verwunderlicher, als der Kläger im Zeitraum bis 2012 in der Regionalliga, der Landesliga, der Oberliga und der zweiten Bundesliga professionell als Leistungssportler spielte. Zutreffend weist Dr. H. auch darauf hin, dass traumatische Ereignisse, die häufig zu einer Septumdeviation führen, insbesondere das Geburtstrauma und auch Traumen im Kindesalter sind. Insoweit wäre auch erklärbar, weshalb sich der Kläger nicht mehr an ein traumatisches Ereignis vor dem Unfall 2000 erinnert. Es bestehen jedoch auch Zweifel, dass ein professioneller Eishockeyspieler, der jedenfalls seit 1992 bis zum Unfallereignis in verschiedenen höherwertigen Eishockeyligen spielt, kein anderes geeignetes Unfallereignis erlitten haben soll. So ergibt sich aus den beigezogenen Befundberichten der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Universitätsklinikum A-Stadt vom 16.02.2015, dass der Kläger 2003 ein Gesichtsschädeltrauma erlitten hat. 2005 erfolgte aufgrund eines Schlages ein Implantatverlust des Zahnersatzes. 2010 lag ein Zustand nach einem Trauma suborbital rechts und der Unterlippe vor, im Dezember 2011 kam es zu einer erneuten Jochbeinfraktur links. Auch aus diesen Unfällen besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Septumverletzung.
Bei Abwägung dieser für und gegen einen wesentlichen Zurechnungszusammenhang sprechenden Umstände geht der Senat davon aus, dass mehr gegen als für einen Zurechnungszusammenhang spricht. Daher war die Berufung erfolgreich. Wie bereits ausgeführt, ist eine bloße Möglichkeit nicht ausreichend.
Diese Feststellungen des Senats bezüglich des Vorschadens werden in den Gutachten der Sachverständigen Dr. H. sowie Dr. E. nicht zutreffend erkannt. Die in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.10.2018 gemachten Ausführungen des Sachverständigen Dr. E., sind mit den Beweisregeln in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vereinbar. Insoweit konnte der Senat den Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. und Dr. E. im Ergebnis nicht Folgen.
Die beim Kläger weiterbestehende Nasenatmungsbehinderung, wie auch die Trockenheit im Inneren der Nase sind nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. E. in der Stellungnahme vom 29.09.2017 Folge der stattgehabten Nasenseptumfraktur. Die vom Kläger vorgetragene Schilderung der Geruchsstörung lässt sich nach den oben dargestellten Ausführungen von Dr. E. ebenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).


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