Steuerrecht

Anfechtung einer geänderten Anordnung zur Hundehaltung

Aktenzeichen  RN 4 K 16.394

Datum:
13.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 1, § 57 Abs. 2, § 58, § 74 Abs. 1 S. 2, § 91, § 98
ZPO ZPO § 180, § 182, § 222 Abs. 1, § 418 Abs. 1, Abs. 2
BayVwZVG BayVwZVG Art. 3 Abs. 2 S. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Wenn eine sicherheitsrechtliche Anordnung durch eine andere ersetzt wird, wird der neue Bescheid nicht automatisch Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens, sondern kann im Wege der Klageerweiterung einbezogen oder mit einer selbständigen Klage angegriffen werden, wobei auch für eine geänderte Klage alle Sachurteilsvoraussetzungen einschließlich der Klagefrist einzuhalten sind. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Widerlegung der Beweiswirkung einer Postzustellungsurkunde als einer öffentlichen Urkunde setzt den vollen Nachweis eines anderen Geschenhensablaufs voraus, der jede Möglichkeit der Richtigkeit der beurkundeten Tatsachen ausschließt; ein bloßes Bestreiten oder Bezweifeln oder die bloße Behauptung eines möglicherweise abweichenden Geschehens reichen nicht aus. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
I.
Soweit die Klägerin mit ihrem ursprünglichen Klageantrag (Klageantrag zu 1) die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 4.3.2016 begehrt, ist diese Anfechtungsklage [§ 42 Abs. 1 Alternative 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)] bereits unstatthaft. Der Bescheid vom 4.3.2016 wurde unzweideutig als vorläufiger Bescheid erlassen. Dies ergibt sich zum einen aus der Überschrift des Bescheids („vorläufiger Bescheid“) als auch aus der Ziffer 2 des Bescheides, in welcher ausdrücklich klargestellt wird, dass dieser Bescheid als vorläufiger Bescheid ergeht, um die bestehende Gefahr bis zum Erlass eines endgültigen Bescheids sofort zu beseitigen. Aufgrund des Bescheids vom 11.7.2016, der die Hundehaltung der Klägerin neu und umfassend regelt, entfaltet der Bescheid vom 4.3.2016 keine die Klägerin belastende Wirkung mehr, so dass er sich erledigt hat. Da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung weder die Klage insoweit für erledigt erklärt noch einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt hat, sondern an dem Klageantrag zu 1 unverändert festgehalten hat, war die Klage insoweit als unzulässig abzuweisen.
II.
Soweit die Klägerin die Aufhebung des ersetzenden Bescheids vom 11.7.2016 begehrt (Klageantrag zu 2), ist die Klage wegen Nichteinhaltung der Klagefrist unzulässig.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sich die Klage gegen den ursprünglichen Bescheid nicht „automatisch“ auf den ersetzenden Bescheid erstreckt. Der Verwaltungsbehörde bleibt es unbenommen, auch während eines gerichtlichen Verfahrens den angegriffenen Verwaltungsakt zu ändern oder zu ersetzen. Tut sie dies, so bleibt zwar der geänderte Verwaltungsakt, soweit die Änderung die Beschwer nicht beseitigt, weiterhin Gegenstand der Klage. Eine im Änderungsbescheid liegende zusätz-liche Beschwer bzw. der Verwaltungsakt, der den angefochtenen Verwaltungsakt ersetzt, werden jedoch nicht automatisch Gegenstand der anhängigen Klage, sondern könne nur im Wege einer Klageänderung (§ 91 VwGO) in diese einbezogen werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 79 Rn. 17; Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 79 Rn. 31). Eine Vorschrift, die die automatische Einbeziehung eines neuen Bescheides in das gerichtliche Verfahren regelt, gibt es in der Verwaltungsgerichtsordnung im Gegensatz zu anderen Verfahrensordnungen (wie beispielsweise § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes oder § 68 der Finanzgerichtsordnung) nicht. Die von der Klägerin angeführte Entscheidung (VGH Baden-Württemberg, U. v. 19.7.2005, Az: 9 S 2278/03) führt zu keinem anderen Ergebnis, da der dort entschiedene Sachverhalt (vorläufiger Verwaltungsakt regelt das vorläufige Behaltendürfen eines empfangenen Zuschusses, endgültiger Verwaltungsakt gewährt die Zuschussbewilligung nach Grund und Höhe abschließend) nicht auf den vorliegenden Fall der vollständigen Ersetzung einer sicherheitsrechtlichen Anordnung durch eine andere übertragbar ist. Insoweit stehen hier nämlich zwei selbständige, voneinander unabhängige Verwaltungsakte im Raum, so dass sich die prozessuale Lage nach den allgemeinen Regeln bestimmt. Der Kläger hat in einem solchen Fall, wie bereits ausgeführt, die Möglichkeit, den neuen Bescheid im Wege der Klageerweiterung in das anhängige Klageverfahren einzubeziehen oder diesen neuen Bescheid mit einer selbständigen Klage anzugreifen (vgl. hierzu auch: BayVGH, U. v. 17.9.1992, Az: 6 B 92.2315).
2. Im Schriftsatz vom 9.9.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klage auf den Bescheid vom 11.7.2016 erweitert, also die Klage im Sinne des § 91 VwGO geändert. Es spricht viel dafür, dass die Sachdienlichkeit der Klageänderung (die Beklagte hat ihre Einwilligung in die Klageänderung ausdrücklich verweigert) zu bejahen ist. Dies kann aber im Ergebnis dahinstehen, da unabhängig von der Zulässigkeit der Klageänderung alle Sachurteilsvoraussetzungen für die geänderte Klage erfüllt sein müssen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 91 Rn. 31). Auch bei Einbeziehung des neuen Bescheids in die Klage musste die Klägerin daher diesbezüglich die Klagefrist einhalten (vgl. BayVGH, U. v. 7.5.2009, Az: 4 B 06.3357 und BayVGH, B. v. 12.8.2011, Az: 11 C 11.1785, wo die Einhaltung der Klagefrist bei Anfechtung und Einbeziehung eines neuen Verwaltungsakts in das laufende Verfahren als selbstverständlich einzuhaltende Voraussetzung angesehen wird).
In Bezug auf den Bescheid vom 11.7.2016 hat die Klägerin die Klagefrist nicht eingehalten, sodass die Klage diesbezüglich wegen Verfristung unzulässig ist.
a) Der Bescheid vom 11.7.2016 konnte wirksam an die Klägerin persönlich zugestellt werden. Soweit ein Beteiligter im Verwaltungsverfahren einen Bevollmächtigten hat, können Zustellungen nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) an diesen gerichtet werden. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG sind die Zustellungen an den Bevollmächtigten zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zwar mit Schreiben vom 15.3.2016 bei der Beklagten angezeigt, dass er die anwaltschaftliche Vertretung der Klägerin übernommen hat. Eine auf ihn lautende schriftliche Vollmacht wurde der Beklagten jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren vorgelegt. Da der eindeutige Wortlaut in Art. 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwZVG nicht zwischen Rechtsanwälten als Bevollmächtigten und sonstigen Bevollmächtigten unterscheidet, war daher betreffend die in Streit stehende Zustellung Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VwZVG anzuwenden. Somit lag es im Ermessen der Beklagten, an wen sie die Zustellung richten wollte. Diesbezügliche Ermessensfehler sind weder vorgetragen worden, noch ersichtlich. Denn die Behörde ist bei Nichtvorlage der schriftlichen Vollmacht lediglich berechtigt, aber nicht verpflichtet, den Bescheid an den Bevollmächtigten zu richten. Dass der Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden kann, stellt nur eine Erweiterung der der Behörde eröffneten Möglichkeiten der Bekanntgabe dar. Da die Beklagte bislang Zustellungen weder ständig an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtet hat und es auch weder für den Vertretenen noch für den Bevollmächtigten eine unzumutbare Belastung darstellt, der Behörde eine Vollmacht vorzulegen, wenn eine Zustellung allein an den Bevollmächtigten gewünscht ist, war die Zustellung an die Klägerin persönlich ermessensfehlerfrei (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, B. v. 29.11.2007, Az: 11 LA 172/07).
b) Da der Bescheid vom 11.7.2016 mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war, betrug die Klagefrist gemäß §§ 58, 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO einen Monat.
Gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) begann die Frist am Tag nach Eintritt des die Frist auslösenden Ereignisses, hier also der Zustellung des Bescheids vom 11.7.2016, zu laufen.
Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 13.7.2016 per Postzustellungsurkunde (Art. 3 VwZVG). Sie konnte zulässigerweise nach gescheiterter persönlicher Übergabe gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 180 ZPO durch Einlegung in den Briefkasten erfolgen.
Zwar bestreitet die Klägerin den Bescheid vom 11.7.2016 erhalten zu haben. Die (gemäß den Anforderungen des § 182 ZPO ordnungsgemäß ausgefüllte) Postzustellungsurkunde erbringt jedoch als öffentliche Urkunde im Sinne des § 98 VwGO i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Zwar kann nach § 418 Abs. 2 ZPO derjenige, zu dessen Nachteil sich die gesetzliche Beweisregel auswirkt, den Beweis für die Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen antreten. Ein derartiger Beweisantritt verlangt dann jedoch seinerseits den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs, es muss also zur Überzeugung des Gerichts jede Möglichkeit der Richtigkeit der öffentlichen Urkunde ausgeschlossen sein (vgl. z.B. BFH, B. v. 30.3.2000, Az: X B 50/99). Der erforderliche Beweisantritt muss in substantiierter Weise erfolgen, d. h. ein bloßes Bestreiten des Zugangs oder das Hervorrufen bloßer Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es erforderlich, solche Umstände darzulegen und zu beweisen, die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde belegen (vgl. BVerwG, B. v. 16.5.1986, Az: 4 CB 8/86).
Einen solchen substantiierten Beweisantritt hat die Klägerin mit ihrer eidesstattlichen Erklärung vom 9.9.2016 nicht erbracht. Allein der Hinweis darauf, dass es am Anwesen der Klägerin mehrere Briefkästen gebe und in der Vergangenheit bereits mehrfach Post weggekommen bzw. in den falschen Postkasten eingeworfen worden sei, ist, selbst, wenn dies bewiesen werden könnte, nicht geeignet, jede Möglichkeit der Richtigkeit der beurkundeten Tatsachen, nämlich gerade die Einlegung des Bescheids vom 11.7.2016 in den Briefkasten der Klägerin am 13.7.2016 nach gescheiterter persönlicher Übergabe, auszuschließen. Insoweit ergäbe sich nämlich allenfalls die Möglichkeit, dass auch der streitgegenständliche Bescheid falsch oder überhaupt nicht eingeworfen wurde. Mit der bloßen Behauptung eines möglichen abweichenden Geschehens kann die Richtigkeit der Angaben in der Postzustellungsurkunde nicht entkräftet werden, da diese ansonsten ersichtlich ihren vom Gesetzgeber gewollten hohen Beweiswert verlieren würde.
Das Gericht war auch nicht aufgrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) verpflichtet, selbstständig weitere Ermittlungen anzustellen, da sich das Maß der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach der Substanz des Vorbringens der Beteiligten richtet (vgl. z.B. BVerwG, U. v. 15.6.2016, Az: 9 C 19/15). Soweit die Klägerin aber keine Umstände vorträgt, welche die gesetzliche Zugangsvermutung gerade in Bezug auf den streitgegenständlichen Bescheid zu widerlegen geeignet sind, bedarf es hierzu auch keiner weiteren Ermittlung von Amts wegen.
Gemäß der nicht widerlegten Angabe auf der Postzustellungsurkunde geschah das fristauslösende Ereignis der Zustellung am 13.7.2016, so dass die Klagefrist am 14.7.2016 zu laufen begonnen hat. Sie endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 Alternative 1 BGB am 16.8.2016. Die Einbeziehung des Bescheids im Schriftsatz vom 9.9.2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erfolgte somit nach Ablauf der Klagefrist, sodass die geänderte Klage diesbezüglich unzulässig ist.
c) Nach alledem war auch dem Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht stattzugeben, da vor dem Hintergrund der angenommenen Wirksamkeit der Zustellung des Bescheids die eidesstattliche Erklärung der Klägerin, den Bescheid nicht erhalten zu haben, zur Glaubhaftmachung einer unverschuldeten Fristversäumung i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht ausreichend war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.


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