Steuerrecht

Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit (abgelehnt), Offensichtlich missbräuchliches Ablehnungsgesuch, Bloße Wiederholung von bereits in der Vergangenheit mehrfach gestellten Ablehnungsgesuchen ohne weitere Begründung

Aktenzeichen  Au 8 K 22.26, Au 8 M 22.167

Datum:
4.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 5833
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 54
ZPO § 42

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Entscheidung über die Ablehnungsgesuche in den Verfahren Au 8 K 22.26 und Au 8 M 22.167 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht … in den Verfahren Au 8 K 22.26 und Au 8 M 22.167 werden abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich im Klageverfahren Au 8 K 22.26 gegen eine Nebenbestimmung im Rahmen der Entscheidung des Beklagten über seine Unterbringung als Obdachloser. Gegen die in diesem Verfahren mit Kostenrechnung vom 11. Januar 2022 erhobenen Gerichtskosten hat er Erinnerung erhoben (Au 8 M 22.167). In beiden Verfahren hat der Kläger jeweils den Vorsitzenden Richter der …. Kammer des Verwaltungsgerichts Augsburg wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
1. Der Kläger ist seit März 2020 in einer Obdachlosenunterkunft des Beklagten, bestehend aus einem Wohn-/Schlafraum und Sanitärräumen, untergebracht. Die Unterbringung wird jeweils mit (Änderungs-) Bescheid des Beklagten für die Dauer von zwei Monaten verlängert, zuletzt mit dem im Klageverfahren streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 29. Dezember 2021 bis zum 28. Februar 2022. Der jeweilige (Änderungs-) Bescheid enthält als Nebenbestimmung unter anderem jeweils gleichlautend die Verpflichtung des Klägers zur Duldung der Unterbringung einer unfreiwillig obdachlos gewordenen Person des gleichen Geschlechts in dem dem Kläger zugewiesenen Zimmer (jeweils Ziffer 4 lit. c des Bescheids).
Gegen die vorgenannte Nebenbestimmung hat der Kläger im Jahr 2020 Klage erhoben (Au 8 K 20.2190) sowie im Jahr 2021 Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gestellt (Au 8 K 21.1778) und – ebenso wie im vorliegenden Klageverfahren – im Wesentlichen geltend gemacht, dass es ihm unzumutbar sei, die Aufnahme einer weiteren oder mehrerer Personen in der Obdachlosenunterkunft im selben Zimmer dulden zu müssen. Die Klage bzw. der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage blieben erfolglos (VG Augsburg, U.v. 26.2.2021 – Au 8 K 20.2190 sowie BayVGH, B.v. 8.4.2021 – 4 ZB 21.866; VG Augsburg, B.v. 20.10.2021 – Au 8 K 21.1778 sowie BayVGH, B.v. 5.11.2021 – 4 C 21.2721).
Weiter hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Juni 2021 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt (Au 8 E 21.1419), nachdem der Beklagte ihm mit Schreiben vom 16. Juni 2021mitgeteilt hatte, dass eine weitere unfreiwillig obdachlos gewordene männliche Person in der Unterkunft untergebracht werden soll. Nachdem diese Person beim Beklagten in der Folge nicht erschienen ist, wurde der Antrag vom Kläger für erledigt erklärt und das Verfahren nach der Zustimmung des Beklagten mit Beschluss vom 12. Juli 2021 eingestellt. Dem Kläger wurden unter Verweis auf die Gründe des Beschlusses des BayVGH vom 8. April 2021 die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Auf die Entscheidungen wird im Einzelnen verwiesen.
Im Verfahren Au 8 K 20.2190 entschied der Vorsitzende Richter der …. Kammer als Einzelrichter über das Klagebegehren und wies die Klage mit Urteil vom 26. Februar 2021 ab.
Im Klageschriftsatz im Verfahren Au 8 K 21.1778 beantragte der Kläger, den Vorsitzenden Richter der …. Kammer wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, da der Vorsitzende Richter völlig emotionslos und ungerecht entschieden habe, obwohl er wisse, wie der Beklagte ihn behandle. Der Vorsitzende Richter wisse auch, dass es aufgrund der Schmerzen und Beschwerden, wofür ein ärztliches Attest vorgelegt worden sei, für den Kläger unzumutbar sei, in eine Obdachlosenunterkunft „reingedrückt“ zu werden.
Nach der Abgabe einer dienstlichen Äußerung durch den Vorsitzenden Richter der …. Kammer sowie der Möglichkeit der Stellungnahme der Beteiligten dazu wurde der Antrag auf Ablehnung mit Beschluss der Kammer vom 20. Oktober 2021 abgelehnt.
Auf den Beschluss wird im Einzelnen verwiesen.
2. Mit Schriftsatz vom 1. Januar 2022, bei Gericht eingegangen am 7. Januar 2022 hat der Kläger im Verfahren Au 8 K 22.26 Klage gegen die Regelung in Ziffer 4 lit. c des Bescheids des Beklagten vom 29. Dezember 2022 erhoben, mit dem der Kläger zur Duldung der Unterbringung einer unfreiwillig obdachlos gewordenen Person des gleichen Geschlechts in dem dem Kläger zugewiesenen Zimmer verpflichtet worden ist und wiederholte dabei das Vorbringen aus den Verfahren Au 8 K 20.2190 und Au 8 K 21.1778. Gleichzeitig lehnte er den Vorsitzenden Richter der …. Kammer weiter als befangen ab.
Nach der Festsetzung des vorläufigen Streitwerts in dem Verfahren Au 8 K 22.26 in Höhe von 2.500,- EUR setzte der Kostenbeamte des Gerichts mit Kostenrechnung vom 11. Januar 2022 die Gerichtskosten in gesetzlicher Höhe von 357,- EUR an. Dagegen erhob der Kläger am 17. Januar 2022, bei Gericht eingegangen am 19. Januar 2022 Erinnerung (Au 8 M 22.167). Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass er finanziell zur Tragung der Gerichtskosten nicht in der Lage sei. Bei der Regelung des Beklagten zur Duldung handle es sich um Behördenwillkür und Psychoterror. Mit weiterem Schreiben vom 17. Januar 2022 an den Kostenbeamten wiederholte er im Wesentlichen das Vorbringen im Klageverfahren, beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe und lehnte wiederum den Vorsitzenden Richter der …. Kammer als befangen ab.
Im Klageverfahren und zum Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie im Erinnerungsverfahren ist noch keine Entscheidung ergangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in beiden Verfahren sowie den beigezogenen Gerichtsakten der Verfahren Au 8 K 20.2190 und Au 8 K 21.1778 Bezug genommen.
II.
Die Ablehnungsgesuche in den beiden Verfahren bleiben ohne Erfolg.
Die Entscheidung über die Anträge konnte nach § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden.
1. Vorliegend kann die Entscheidung über die Anträge des Klägers unter Mitwirkung des vom Ablehnungsgesuch betroffenen Vorsitzenden Richters der …. Kammer ergehen. Die Ablehnungsgesuche, die hinsichtlich der Begründung in identischer Weise bereits im Verfahren Au 8 K 21.1778 vorgebracht worden ist, sind rechtsmissbräuchlich (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2021, § 54 Rn. 16; BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 2 KSt 1.11 – juris Rn. 2).
Die Entscheidungen des Vorsitzenden Richters lassen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erkennen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Ablehnung des Richters gerechtfertigt werden kann. Außer der bloßen Wiederholung des Ablehnungsgesuchs trägt der Kläger zur Begründung nichts vor, was über das Ablehnungsgesuch im Verfahren Au 8 K 21.1778 hinausgeht.
2. Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Zwar setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht voraus, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es ist vielmehr ausreichend, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, rechtfertigen hingegen das Ablehnungsgesuch nicht (BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 2 KSt 1.11 – juris Rn. 4). Dabei kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden, denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Persönlichkeit des Richters, nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein einem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist geboten, wenn sich die Verfahrensgestaltung oder die Entscheidungen des Richters so weit von rechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht einer Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch der Eindruck einer unsachlichen Einstellung des Richters erweckt wird (BayVGH, B.v. 31.5.2011 – 5 ZB 11.831 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Nach diesen Maßgaben kann vorliegend nicht von einer Befangenheit des Vorsitzenden Richters ausgegangen werden. Es sind weder objektive Anhaltspunkte dafür vorhanden noch hat der Kläger außer der bloßen Wiederholung des Ablehnungsgesuchs solche dargelegt, die Anlass geben könnten, an der Unparteilichkeit des genannten Richters zu zweifeln. Die Frage, ob eine weitere oder mehrere Personen in das Zimmer des Klägers eingewiesen werden dürfen, ist eine Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids. Das gleiche gilt hinsichtlich der Erinnerung des Klägers gegen die Kostenrechnung vom 11. Januar 2022. Hinreichend objektive Gründe, die geeignet sein könnten, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters zu rechtfertigen, liegen dagegen in beiden Verfahren nicht vor.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO).


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