Steuerrecht

Beihilfebeantragung bei Eintritt des Vorsorgefalls – Verschulden des Bevollmächtigten

Aktenzeichen  AN 18 K 18.00645

Datum:
14.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16138
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG aF Art. 96 Abs. 3a
BayVwVfG Art. 32
BGB § 278

 

Leitsatz

1. Bei der einjährigen Antragsfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG aF handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Versäumnis zum Erlöschen des Beihilfeanspruchs führt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Wiedereinsetzungsvorschrift des Art. 32 BayVwVfG findet auf die Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG aF Anwendung. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 85 Abs. 2 ZPO verdrängt als Sonderregel den § 278 BGB. Für Art. 32 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG, der dem § 85 Abs. 2 ZPO nachgebildet ist, gilt nichts anderes. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Sohn, der kraft rechtsgeschäftlicher Vollmacht zur Stellung von  Beihilfeanträgen für seine Mutter befähigt ist, und im Lauf   der Laufs der Antragsfrist von der fortgeschrittenen Demenzerkrankung seiner Mutter, die diese an einer eigenständigen Antragstellung gehindert hat, Kenntnis erlangt, ist im Hinblick auf seine umfassende erfolgte Bevollmächtigung dazu verpflichtet, sich durch geeignete Maßnahmen einen Überblick über die Finanzen seiner Mutter zu verschaffen und auf diese Weise für die Stellung eines fristgemäßen Beihilfeantrags Sorge zu tragen. Unterlässt er dies in pflichtwidriger Weise, muss sich seine Mutter sein Verschulden zurechnen lassen, wenn dieser deshalb die einjährige Antragsfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG aF versäumt. (Rn. 32 – 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Die Klage ist unbegründet. Die beihilferechtliche Nichtanerkennung der Aufwendungen, die der Klägerin aus den Rechnungen vom 2. November 2016, vom 11. November 2016 sowie vom 7. Dezember 2016 entstanden sind, mit Bescheid des Beklagten vom 16. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2018 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Etwaige Ansprüche auf die Gewährung einer entsprechenden Beihilfe über 1.126,63 EUR sind jedenfalls erloschen, weil die einjährige Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. im Zeitpunkt der Antragstellung am 16. Januar 2018 (Eingang beim Landesamt für Finanzen) bereits abgelaufen war und auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Gewährung sog. Nachsicht nicht erfüllt sind.
1. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Beihilfe ist Art. 96 BayBG in Verbindung mit den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV). Für die rechtliche Beurteilung beihilfe-rechtlicher Streitigkeiten ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – juris Rn. 9; U.v. 8.11.2012 – 5 C 4.12 – juris Rn. 12). Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird.
Die streitigen Aufwendungen sind der Klägerin allesamt im Laufe des Jahres 2016 entstanden; dies betrifft sowohl den Zeitpunkt der Leistungserbringung als auch den Zeitpunkt der Rechnungsstellung. Hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des Art. 96 Abs. 3a BayBG ist außerdem Art. 144 Abs. 2 BayBG zu beachten; danach ist für Aufwendungen, die bis zum 1. Januar 2020 entstanden und in Rechnung gestellt worden sind, Art. 96 Abs. 3a BayBG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 geltenden Fassung weiter anzuwenden (im Folgenden: alte Fassung – a.F.). Gemäß Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt wird.
2. Etwaige Beihilfeansprüche der Klägerin sind danach jedenfalls mit Verstreichen der einjährigen Antragsfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. erloschen. Es handelt sich hierbei um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 14 ZB 17.1841 – juris Rn. 7; s. auch BVerwG, U.v. 28.6.1965 – VIII C 334.63 – BVerwGE 21, 258/261), deren Versäumnis zum Erlöschen des Beihilfeanspruchs führt.
Dies trifft auch auf die streitgegenständlichen Aufwendungen der Klägerin zu. Die zugehörigen Rechnungen wurden jeweils am 2. November 2016, am 11. November 2016 sowie am 7. Dezember 2016 ausgestellt. Die Beihilfebeantragung durch den Sohn der Klägerin am 16. Januar 2018 (Eingang beim Landesamt für Finanzen) ist in allen drei Fällen jedoch erst nach Ablauf dieser Jahresfrist erfolgt, die gemäß Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB jeweils mit Ablauf des 2. November 2017, des 13. November 2017 (Art. 31 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG) bzw. des 7. Dezember 2017 geendet hatte.
Die Kammer hat schließlich keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit der einjährigen Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. mit höherrangigem Recht. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ist nicht ersichtlich. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit erfordert es nicht, dass von der Rechtsordnung verliehene Ansprüche ohne zeitliche Schranken Bestand haben müssen. Ist die zeitliche Grenze – wie im Fall der hier einschlägigen Jahresfrist – so gezogen, dass nach der Lebenserfahrung den Berechtigten auch dann noch genügend Zeit zur Anspruchsverwirklichung zur Verfügung steht, wenn sie im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs oder später nur vorübergehend daran gehindert waren, so verletzt der Normgeber nicht seine Pflicht, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 28.6.1965 – VIII C 334.63 – BVerwGE 28, 258/262). Im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn und den Gleichheitssatz ist die Frist zumindest dann unbedenklich, wenn – was im Folgenden auszuführen ist – die Möglichkeit besteht, in besonderen Fällen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG zu beantragen (BayVGH, B.v. 7.2.1994 – 3 B 93.45 – juris Rn. 21).
3. Der Klägerin war keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zwar ist die dafür maßgebliche Regelung des Art. 32 BayVwVfG dem Grunde nach auch auf die Antragsfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. anzuwenden. In der hier zur Entscheidung stehenden Fallkonstellation mangelt es insoweit aber an dem Erfordernis einer schuldlosen Versäumnis der fristgemäßen Antragstellung.
a) Es ergibt sich unmittelbar kraft Gesetzes, dass die Wiedereinsetzungsvorschrift des Art. 32 BayVwVfG auf die Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. Anwendung findet. Im Ausgangspunkt ist Art. 32 BayVwVfG nämlich sowohl auf verfahrensrechtliche als auch auf materi-ellrechtliche gesetzliche Fristen anzuwenden (vgl. BVerwG, U.v. 17.7.1980 – 7 C 101.78 – BVerwGE 60, 297/309). Die Möglichkeit zur Wiedereinsetzung ist damit vom Gesetzgeber selbst in Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG als Regelfall vorgegeben. Anderes gilt nach der Ausnahmeregelung des Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG nur dann, wenn die Wiedereinsetzung durch das jeweils einschlägige Fachrecht ausgeschlossen wird.
Ein derartiger fachgesetzlicher Ausschluss des Instituts der Wiedereinsetzung kann dem bayerischen Beihilferecht indessen nicht entnommen werden. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F., der sich mit keinem Wort zu einem Ausschluss dieses gesetzlichen Grundmodells äußert. Nichts anderes ergibt sich aus § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV, dessen Wortlaut mit dem des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. vollumfänglich übereinstimmt. Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für einen Ausschluss der grundsätzlich vorgesehenen Wiedereinsetzungsmöglichkeit. Ausweislich der Begründung zu Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. sollte mit der Einführung dieser Vorschrift eine gesetzliche Normierung der bereits bisher in § 48 Abs. 7 BayBhV a.F. geregelten und auch schon vor dem 1. Januar 2007 nach § 17 Abs. 9 BhV-Bund geltenden üblichen Ausschlussfrist von einem Jahr erfolgen. Es sollte dadurch weiterhin eine zügige Geltendmachung von Aufwendungen und mithin eine ordnungsgemäße und zeitnahe Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel sichergestellt werden (vgl. LT-Drs. 16/9837, 2). Bereits auf Grundlage der früheren Beihilfevorschriften war nach bayerischem Recht bei Fristversäumnis Wiedereinsetzung zu gewähren, wobei das Erfordernis einer ordnungsgemäßen und zeitnahen Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel seit jeher bestand. Für den Bereich der Beihilfevorschriften des Bundes ist die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen der entsprechenden bundesrechtlichen Vorschrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, gleichermaßen anerkannt (vgl. zum Ganzen mit weiteren Nachweisen: BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 14 ZB 17.1841 – juris Rn. 11-17).
b) In Bezug auf die hier streitgegenständlichen Aufwendungen aus dem Jahr 2016 muss eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedoch deshalb ausscheiden, weil eine Beihilfebeantragung innerhalb der Jahresfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. nicht ohne Verschulden versäumt wurde. Losgelöst von der Frage, inwieweit an dieser Stelle ein eigenes Verschulden der Klägerin in Betracht kommen mag, muss sich diese jedenfalls die schuldhafte Nichteinhaltung der Antragsfrist durch ihren Sohn als rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Vertreter zurechnen lassen.
aa) Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist jemandem, der ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Verschuldet ist eine Fristversäumnis dann, wenn der Betroffene nicht diejenige Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist (BVerwG, U.v. 8.3.1983 – 1 C 34.80 – juris Rn. 19).
Es kann insoweit dahinstehen, ob hinsichtlich der versäumten Antragsfrist ein eigener Sorgfaltsverstoß der Klägerin angenommen werden kann oder vor dem Hintergrund der wohl bereits damals fortgeschrittenen Demenzerkrankung von einem schuldlosen Verhalten der Klägerin auszugehen ist. In Krankheitsfällen wird namentlich dann von fehlendem Verschulden auszugehen sein, wenn der Betroffene ernsthaft erkrankt war und infolgedessen die Frist nicht selbst wahren oder einen Bevollmächtigten beauftragen konnte (VG München, U.v. 8.11.2016 – M 17 K 16.4499 – juris Rn. 28; Kopp/Ramsauer, 20. Aufl. 2019, VwVfG, § 32 Rn. 29). Zwar erscheinen die beigebrachten Schreiben des Neurologie-Facharztes Dr. … vom 10. April 2017 und vom 7. September 2017, die bei der Klägerin jeweils eine „progredient nachlassende mentale Leistungsfähigkeit im Sprach- und Kurzzeitgedächtnis“ attestieren, sowie der Arztbrief des Klinikums … – Klinik für Neurologie – vom 13. September 2017, welcher eine „progredient dementielle Entwicklung, vor allem Sprach- und Kurzzeitgedächtnisstörung“ diagnostiziert, als Nachweise für eine durchaus schwerwiegende mentale Erkrankung grundsätzlich geeignet. Auch dürfte die Klägerin deswegen wohl nicht mehr selbst zur Stellung eines fristgemäßen Beihilfeantrags in der Lage gewesen sein. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Klägerin bereits im Jahr 2010 eine umfassende Vollmacht zugunsten ihres Sohnes erteilt hat, welche unter anderem die Aufgabenkreise „Gesundheitssorge“, „Vertretung gegenüber Behörden“ sowie „Post- und Fernmeldeverkehr“ erfasst. Es wäre damit grundsätzlich eine fristgemäße Beihilfebeantragung durch den entsprechend bevollmächtigten Sohn der Klägerin möglich gewesen.
bb) Die Klägerin muss sich deshalb jedenfalls das Verschulden ihres Sohnes als Bevollmächtigtem zurechnen lassen. Dieser hat es in Bezug auf die Rechnungen vom 2. November 2016, vom 11. November 2016 und vom 7. Dezember in pflichtwidriger Weise unterlassen, für eine rechtzeitige Beantragung der Beihilfe Sorge zu tragen.
(1) Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG ist das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen. Von der Vorschrift wird damit allgemein jeder gesetzliche oder rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter erfasst (Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Stamm, 9. Aufl. 2018, VwVfG, § 32 Rn. 16; HK-VerwR/Schwarz, 4. Aufl. 2016, VwVfG, § 32 Rn. 24).
Anders als die Klagebegründung meint, kommt es insoweit auch nicht auf die engeren Voraussetzungen des § 278 BGB an, der hier durch die Spezialvorschrift des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG verdrängt wird. Den Gesetzgebungsmaterialien zur inhaltsgleichen Vorschrift im Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes ist zu entnehmen, dass § 32 VwVfG eng an die verwaltungsprozessuale Regelung des § 60 VwGO angelehnt ist, wobei die in Absatz 1 Satz 2 vorgesehene Anrechnung des Vertreterverschuldens der Rechtsprechung zu § 60 VwGO entnommen wurde (vgl. BT-Drs. 7/910, 55). Diese Rechtsprechung zieht für die Verschuldenszurechnung im Rahmen des § 60 VwGO über die Verweisungsnorm des § 173 VwGO die zivilprozessuale Bestimmung des § 85 Abs. 2 ZPO heran (so z.B. BVerwG, B.v. 26.6.1986 – 3 C 46.84 – BVerwGE 74, 289/295; B.v. 8.4.1991 – 2 C 32.90 – juris Rn. 11). Für den Anwendungsbereich des § 85 Abs. 2 ZPO gilt wiederum, dass dieser als Sonderregel den § 278 BGB verdrängt (LAG BW, B.v. 11.6.2002 – 18 Ta 9/02 – juris Rn. 18; MüKoBGB/Grundmann, 8. Aufl. 2019, § 278 Rn. 13). Für Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, der letztlich auch dem § 85 Abs. 2 ZPO nachgebildet ist, kann insofern nichts anderes gelten.
(2) Der Sohn der Klägerin ist als deren Vertreter im Sinne des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG anzusehen. Eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vollmacht wurde bereits im Jahr 2010 erteilt. Kraft dieser Bevollmächtigung war der Sohn auch zur Stellung der Beihilfeanträge für die streitgegenständlichen Aufwendungen befähigt. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Vollmachtsurkunde erstreckt sich diese insbesondere auf die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge sowie der Vertretung gegenüber Behörden und Versicherungen.
Die Zweifel der Klägerseite, ob bzw. in welchem Umfang hierdurch eine wirksame Bevollmächtigung des Sohnes erfolgen konnte, teilt das Gericht nicht. Die Auslegung der Vollmacht ergibt zunächst, dass diese bereits im Zeitpunkt ihrer Erteilung wirksam werden und ihre Gültigkeit nicht etwa durch den Eintritt eines sog. Vorsorgefalls – wie namentlich den Verlust der Geschäftsfähigkeit der Klägerin – bedingt sein sollte. Dass die Bevollmächtigung des Sohnes vorrangig im Hinblick auf ein etwaiges Fürsorgebedürfnis der Klägerin erfolgt ist und es sich damit wohl um eine sog. Vorsorgevollmacht handeln dürfte, lässt für sich genommen noch keinerlei Rückschlüsse auf den Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit zu. Vielmehr ist auch insoweit der in der Vollmachtsurkunde zum Ausdruck gelangte Wille des Vollmachtgebers maßgeblich, der in Zweifelsfällen auszulegen ist (MüKoBGB/Schneider, 8. Aufl. 2020, § 1896 Rn. 58). Hier sprechen sowohl der Wortlaut der Vollmacht als auch der mit ihrer Erteilung verfolgte Zweck für eine sofortige Wirksamkeit. In dem einleitenden Abschnitt der Vollmachtsurkunde ist zu lesen, die namentlich benannte Vertrauensperson – hier der Sohn der Klägerin – werde „hiermit“ zur Vertretung des Vollmachtgebers in allen darin angegebenen Angelegenheiten ermächtigt. Eine zeitliche Befristung oder aufschiebende Bedingung der Bevollmächtigung ist gerade nicht vorge-sehen. Als Bedingung für die Wirksamkeit werden alleine der Besitz der Vollmachtsurkunde sowie deren Vorlage im Original bei der Vornahme des betreffenden Rechtsgeschäfts genannt. Es ist dort außerdem festgelegt, dass die Vollmacht für den Fall einer nach Errichtung eintretenden Geschäftsunfähigkeit weiterhin in Kraft bleiben soll. Ein solches „Inkraftbleiben“ nach Eintritt der Geschäftsunfähigkeit setzt freilich ein Inkrafttreten im Zeitpunkt der Geschäftsfähigkeit voraus. Für eine sofortige Wirksamkeit der Vollmacht spricht außerdem das mit ihrer Erteilung verfolgte Ziel, eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden. Wäre die Bevollmächtigung etwa durch den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit der Klägerin bedingt, so bestünden erhebliche Zweifel, ab welchem Zeitpunkt der Sohn als Bevollmächtigter wirksam im Namen der Klägerin handeln könnte. Wie auch die Klagebegründung ausführt, wird es für diesen kaum feststellbar sein, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen von einer Geschäftsunfähigkeit der Klägerin auszugehen wäre. Vielmehr könnte die Frage nach der Geschäftsfähigkeit der Klägerin und der daran anknüpfenden Wirksamkeit der Vollmacht nur unter Hinzuziehung eines Sachverständigen im Rahmen eines gerichtlichen Betreuungsverfahrens einer abschließenden Klärung zugeführt werden, was aber dem Sinn und Zweck der Bevollmächtigung erkennbar zuwiderliefe.
Eine Unwirksamkeit der Vollmacht kann schließlich nicht mit einem (vermeintlichen) Verstoß der darin enthaltenen Befugnis zur Entgegennahme und Öffnung der Post der Klägerin gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen begründet werden. Es bleibt insoweit zunächst festzuhalten, dass selbst bei unterstellter Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB eine Unwirksamkeit dieser Klausel gemäß § 306 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit der Vollmacht im Übrigen unberührt ließe, zumal keinerlei Anhaltspunkte für eine andernfalls bestehende unzumutbare Härte für die Beteiligten zu ersehen sind, welche gemäß § 306 Abs. 3 BGB ausnahmsweise die Unwirksamkeit der gesamten Vollmacht zur Folge hätte. Darauf kommt es jedoch im Ergebnis gar nicht an, weil die Vollmacht, wie sie die Klägerin an ihren Sohn erteilt hat, dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ohnehin nicht unterfällt. Gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei, der sog. Verwender, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Ein solches „Stellen“ gegenüber einer anderen Vertragspartei liegt aber schon begrifflich nicht vor, wenn sich der Verwender für eigene einseitige Rechtsgeschäfte vorformulierter Texte bedient. Daher stellen allgemeine Bestimmungen, die der Verwender bei eigenen einseitigen Rechtsgeschäften trifft, grundsätzlich keine nach den §§ 305 ff. BGB kon-trollfähigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar, weil der Verwender hier regelmäßig nicht fremde, sondern ausschließlich eigene rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht in Anspruch nimmt (BGH, U.v. 23.9.2010 – III ZR 246/09 – BGHZ 187, 86 ff. = juris Rn. 23; Palandt/Grüne-berg, 78. Aufl. 2019, BGB, § 305 Rn. 6; MüKoBGB/Basedow, 8. Aufl. 2019, § 305 Rn. 11). So liegt auch der hier zu entscheidende Fall. Indem die Klägerin ihrem Sohn im Jahr 2010 eine umfassende Bevollmächtigung erteilt hat, um auf diese Weise einer gerichtlich angeordneten Betreuung vorzubeugen, hat sie sich ausschließlich eigener rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht bedient. Es geht damit insbesondere keine Beeinträchtigung von Rechten des Sohnes einher, so dass insoweit kein Bedürfnis für eine Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB be-steht. Es ist nicht Aufgabe des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Klägerin als Verwenderin vor gegebenenfalls nachteiliger Einwirkung auf eigene Rechtspositionen zu schützen.
(3) Der Sohn der Klägerin hat die einjährige Antragsfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. auch nicht ohne Verschulden versäumt. Er hat diesbezüglich nicht diejenige Sorgfalt walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Bevollmächtigten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist. Insbesondere hat der Sohn noch während des Laufs der Antragsfrist von der fortgeschrittenen Demenzerkrankung der Klägerin, die diese an einer eigenständigen Antragstellung gehindert hat, Kenntnis erlangt und wäre daher im Hinblick auf seine umfassende – gerade für einen solchen Fall erfolgte – Bevollmächtigung dazu verpflichtet gewesen, sich durch geeignete Maßnahmen einen Überblick über die Finanzen seiner Mutter zu verschaffen und auf diese Weise für die Stellung eines fristgemäßen Beihilfeantrags Sorge zu tragen.
Spätestens im Anschluss an die Untersuchung der Klägerin durch den Neurologie-Facharzt Dr. … am 7. September 2017 hätte der Sohn erkennen können und müssen, dass seine Mutter krankheitsbedingt nicht mehr zur eigenständigen Wahrnehmung ihrer finanziellen Angelegenheiten – wozu auch die Beantragung von Beihilfeleistungen zählt – in der Lage war. Dem hierüber gefertigten ärztlichen Bericht ist zu entnehmen, dass die Klägerin den Arzttermin in Begleitung ihres Sohnes wahrgenommen hat; dieser habe unter anderem von Orientierungsstörungen sowie Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der finanziellen Versorgung berichtet, wobei auch diesbezügliche konkrete Angaben von der Klägerin immer schwerer zu erhalten seien. Derselbe Bericht empfiehlt außerdem die zeitnahe Aufnahme der Klägerin in einer neurologischen Klinik zur Überprüfung eines mit großer Wahrscheinlichkeit notwendigen Erfordernisses zur Einrichtung einer rechtlichen Betreuung. Wie einem ambulanten Arztbrief des Klinikums … – Klinik für Neurologie – zu entnehmen ist, wurde die Klägerin dort rund eine Woche später, am 13. September 2017, wiederum in Begleitung ihres Sohnes vorstellig, welcher erneut von stark zunehmenden Orientierungsstörungen seiner Mutter berichtete. Derselbe Arztbrief äußert abermals die Empfehlung, aufgrund der zunehmenden kognitiven Störungen der Klägerin eine Betreuung einzurichten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte der Sohn daher nicht mehr auf die mit der Klägerin getroffene Vereinbarung, wonach diese den von ihm zu bearbeitenden Schriftverkehr in ein Körbchen bzw. einen Karton legen sollte, vertrauen dürfen. Aus dem Umstand, dass dieses Vorgehen in der Vergangenheit stets funktioniert haben mag, ergibt sich nichts anderes. Wie die Klagebegründung insoweit zutreffend ausführt, kann eine Demenzerkrankung gerade zum abrupten Verlust bestimmter Fähigkeiten „von jetzt auf gleich“ führen. In der Annahme, dass der Sohn noch während des Laufs der Antragsfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. Kenntnis von der zunehmenden Verschlechterung des mentalen Gesundheitszustands seiner Mutter und dem damit einhergehenden Verlust zur eigenständigen Wahrnehmung finanzieller Belange erlangt hat, sieht sich die Kammer letztlich durch dessen Einlassung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt. Er gab dort an, es sei ihm jedenfalls im Jahr 2017 aufgefallen, dass die Klägerin Probleme mit ihren finanziellen Angelegenheiten habe. So habe seine Mutter beispielsweise an einem Tag zweimal 500,00 EUR bei der Sparkasse abge-hoben. Er habe insoweit vor der Wahl gestanden, den Verfügungsrahmen des klägerischen Kontos dahingehend zu ändern, dass seine Mutter entweder überhaupt kein Geld mehr abheben könne, oder aber den Höchstbetrag auf 500,00 EUR täglich zu beschränken. Gleichwohl aber habe er sich dazu entschlossen, den Dingen weiterhin ihren Lauf zu lassen, solange damit keine größeren Probleme einhergingen, anstatt der Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt alle finanziellen Geschäfte vollständig zu entziehen.
Aufgrund dieser Erkenntnisse über den Geisteszustand der Klägerin wäre der Sohn, dessen Bevollmächtigung gerade mit Blick auf den Eintritt eines derartigen Betreuungsbedarfs bei der Klägerin erfolgt war, gehalten gewesen, sich umgehend selbst einen Überblick über die finanziellen Angelegenheiten der Klägerin zu verschaffen und so für eine fristgemäße Beihilfebeantragung Sorge zu tragen. Dies wäre ihm in Anbetracht der zu seinen Gunsten bestehenden um-fassenden Vollmacht insbesondere in rechtlicher Hinsicht möglich und auch unter Berücksichtigung der sonstigen tatsächlichen Umstände zumutbar gewesen.
Wie bereits dargelegt, war der Sohn der Klägerin durch die Vollmacht aus dem Jahr 2010 unter anderem zur Wahrnehmung von Angelegenheiten der Gesundheitssorge sowie zur Vertretung gegenüber Behörden und Versicherungen ermächtigt. Soweit die Vollmacht den Sohn daneben zur Entgegennahme und Öffnung der klägerischen Post befugt, verhelfen auch die Einwände gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung der Klage nicht zum Erfolg. Dem diesbezüglichen Vorbringen, es habe vor dem Hintergrund des § 1896 Abs. 4 BGB, der es einem Betreuer grundsätzlich verbiete, die Post des Betreuten zu öffnen, an einer Möglichkeit des Sohnes zur Kenntnisnahme vom Inhalt der klägerischen Post und damit eventuell auch der streitgegenständlichen Rechnungen aus dem Jahr 2016 gefehlt, folgt die Kammer nicht. Gemäß § 1896 Abs. 4 BGB wird die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betreuten und über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten seiner Post vom Aufgabenkreis des Betreuers nur dann erfasst, wenn das Gericht dies ausdrücklich angeordnet hat. Auf rechtsgeschäftliche (Vorsorge-)Vollmachten findet die Vorschrift jedoch keine (entsprechende) Anwendung (vgl. BeckOK-BGB/Müller-Engels, 53. Ed. 1.11.2019, § 1896 Rn. 53; Müller, DNotZ 2015, 403/407). Hierfür sprechen zunächst der Wortlaut der Vorschrift („Aufgabenkreis des Betreuers“) sowie ihre Stellung innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Buch 4 Abschnitt 3 Titel 2 „Rechtliche Betreuung“). Es kommt darüber hinaus keine entsprechende Anwendung des § 1896 Abs. 4 BGB in Betracht, da es insoweit jedenfalls an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Während mit der gerichtlich angeordneten Betreuung regelmäßig ein hoheitlicher Eingriff in die Rechtsposition des Betroffenen einhergeht, nimmt der Vollmachtgeber bei der Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung eigene rechtliche Gestaltungsmacht in Anspruch. Im Ergebnis wird es aber – zumindest für die hier streitgegenständlichen Rechnungen – auf die Frage nach der Befugnis des Sohnes zur Entgegennahme und Öffnung der klägerischen Post ohnehin nicht ankommen. Dieser hat sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen, dass seine Mutter die betreffenden Rechnungen noch selbst bezahlt bzw. überwiesen habe; hierfür sprechen ferner die auf der Rechnung vom 2. November 2016 angebrachte Unterschrift der Klägerin sowie der – wohl ebenfalls von der Klägerin angebrachte – handschriftliche Erledigungsvermerk auf der Rechnung vom 7. Dezember 2016. Eine solche Überweisung bzw. Zahlung der Rechnungen durch die Klägerin selbst konnte freilich nur dann erfolgen, wenn diese zuvor die jeweiligen Briefe in Empfang genommen und geöffnet hat. In einem solchen Fall aber ist das von der Klagebegründung angeführte Postgeheimnis nicht mehr einschlägig. Der Zeitraum nach der Kenntnisnahme, wenn etwa der Brief geöffnet aufbewahrt wird, unterfällt nämlich nicht mehr dem Schutz des Briefgeheimnisses im Sinne des Art. 10 GG (Maunz/Dürig/Durner, Werkstand: 89. EL Oktober 2019, GG, Art. 10 Rn. 71).
Den Sohn traf daher nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falls – vor allem auch im Hinblick auf das Wissen um den Gesundheitszustand seiner Mutter – die Pflicht, eine fristgemäße Beihilfebeantragung für die Rechnungen aus dem Jahr 2016 sicherzu-stellen. Eine derartige Verpflichtung des Sohnes zur eigenständigen Wahrnehmung der Angelegenheiten seiner Mutter folgt letztlich aus dem Absicherungszweck der erteilten Bevollmächtigung. Der damit verfolgte Zweck, eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu verhindern, kann richtigerweise nur dann erreicht werden, wenn der Sohn bei Eintritt eines solchen Vorsorgefalls nicht nur – wie formal schon zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung – im Außenverhältnis zu einem solchen Tätigwerden berechtigt wird, sondern nunmehr im Innenverhältnis zur Klägerin auch zu einem solchen Tätigwerden verpflichtet ist, vgl. § 662 BGB. Dies gilt umso mehr, als die immer weiter fortschreitende Demenzerkrankung der Klägerin gerade einen solchen, vom Sinn und Zweck der Vollmachterteilung erfassten „Vorsorgefall“ darstellt. In Erfüllung dieser Verpflichtung wäre es dem Sohn als Bevollmächtigtem insbesondere zumutbar gewesen, sich unverzüglich einen Überblick über die Finanzen der Klägerin zu verschaffen und auf diese Weise eine fristgemäße Beihilfebeantragung für die Rechnungen aus dem Jahr 2016 sicherzustellen. Im Ausgangspunkt ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Vorkehrungen ein strenger Maßstab anzulegen, da es sich bei der Jahresfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. um eine ohnehin schon sehr großzügig bemessene Frist handelt (ebenso zur Jahresfrist des § 54 Abs. 1 Satz 1 BBhV: VG München, U.v. 8.11.2016 – M 17 K 16.4499 – juris Rn. 30). Insoweit wäre der Sohn also dazu angehalten gewesen, die in der Wohnung seiner Mutter angesammelten Unterlagen gewissenhaft durchzusehen bzw. sich anhand der Kontoauszüge der vergangenen Monate einen Überblick über deren Kontobewegungen zu verschaffen. In der Überzeugung, dass auf diese Weise ein Auffinden der betreffenden Rechnungen und mithin eine fristgemäße Beihilfebeantragung auch tatsächlich möglich gewesen wäre, sieht sich das Gericht nicht zuletzt durch den Erfolg eines entsprechenden Tätigwerdens des Sohnes zu Beginn des Jahres 2018 bestätigt. So gab dieser an, die betreffenden Rechnungen aufgefunden zu haben, als er sich während eines Urlaubs im Januar 2018 um die Angelegenheiten seiner Mutter gekümmert habe. Nach alledem spielt für die Zumutbarkeit eigenen Tätigwerdens ferner der Umstand, dass der Sohn keinen gemeinsamen Hausstand mit der Klägerin bildet, sondern rund 40 km von dieser entfernt wohnt, keine Rolle. Unerheblich ist ebenfalls, dass der Sohn die Klägerin nicht zu den Arztbesuchen, denen die streitigen Rechnungen zugrunde liegen, begleitet haben und auch sonst keine Kenntnis davon gehabt haben will; so kann namentlich dem Schreiben des Dr. … vom 10. April 2017 entnommen werden, dass sich die Klägerin dort letztmalig vor rund acht Monaten in Behandlung befunden hat. Soweit sich der Sohn des Weiteren darauf beruft, sich bei der Einmischung in die Angelegenheiten seiner Mutter nicht zuletzt deshalb zurückgehalten zu haben, weil es andernfalls – bedingt durch deren fehlende Krankheitseinsicht – oftmals zu Streitigkeiten gekommen sei, erscheint dies zwar in menschlicher Hinsicht nachvollziehbar. Ein beachtliches Hindernis für die Wahrnehmung der finanziellen Angelegenheiten der Klägerin kann hierin jedoch nicht erblickt werden.
4. Es liegt zuletzt kein Fall der sog. Nachsicht vor, in welchem es dem Beklagten ausnahmsweise verwehrt wäre, sich ungeachtet des – oben dargelegten – Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 32 BayVwVfG auf den Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. zu berufen.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 10.11.2016 – 8 C 11.15 – juris Rn. 22; U.v. 10.12.2013 – 8 C 25.12 – juris Rn. 29; U.v. 28.3.1996 – 7 C 28.95 – BVerwGE 101, 39/45) ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen. Grundvoraussetzung hierfür ist im Kontext des bayerischen Beihilferechts aber, dass die Fristversäumung auf ein staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückgeht, ohne deren korrekte Beachtung der Betroffene seine Rechte nicht wahren kann (BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 14 ZB 17.1841 – juris Rn. 30). Zusätzlich darf durch die Berücksichtigung eines verspäteten Beihilfeantrags auch der Zweck des Art. 96 Abs. 3a BayBG, nämlich weiterhin eine zügige Geltendmachung von Aufwendungen und damit eine ordnungsgemäße und zeitnahe Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel sicherzustellen, nicht verfehlt werden (BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 14 ZB 17.1841 – juris Rn. 31).
Dahinstehen kann, ob bei einer Verpflichtung des Beklagten zur Nachsichtsgewährung der Zweck des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. verfehlt würde, da jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte für ein die Fristversäumnis begründendes behördliches Fehlverhalten ersichtlich sind. Die Kammer vermag namentlich keine Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) zu erkennen. Soweit die Ausführungen der Klagebegründung, der Dienstherr sei unter Fürsorgegesichtspunkten dazu verpflichtet, den Beamten zu informieren und zu beraten, die Andeutung enthalten sollten, der Beklagte habe die Klägerin bzw. deren Sohn als Bevollmächtigten gesondert über die Jahresfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. in Kenntnis setzen müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Grundsätzlich obliegt dem Dienstherrn keine aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht abzuleitende allgemeine Pflicht zur Belehrung seiner Bediensteten über alle für sie einschlägigen Vorschriften; dies gilt vor allem dann nicht, wenn es sich um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei den Beamten vorausgesetzt werden können oder die sie sich unschwer verschaffen können (BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 6 C 34.79 – BVerwGE 65, 197/203; U.v. 30.1.1997 – 2 C 10.96 – BVerwGE 104, 55/57 f.). Dies gilt gleichermaßen für die hier einschlägige einjährige Antragsfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. Aus dem Umstand, dass die Klägerin selbst aufgrund ihrer Demenzerkrankung an einer fristgemäßen Beihilfebeantragung gehindert und demnach in maßgeblicher Weise auf die Fristversäumung durch ihren Sohn als Bevollmächtigten abzustellen war, ergibt sich nichts anderes. Die Informationsobliegenheiten des Beamten gelten in gleichem Maße für den Vertreter desjenigen Beamten, der seinen Informationspflichten aufgrund einer Erkrankung nicht mehr selbst nachkommen kann; ihn trifft ebenso wie den Beamten die Pflicht, sich entsprechend rechtskundig zu machen (BayVGH, B.v. 14.6.2016 – 14 ZB 14.1508 – juris Rn. 6). Ohnehin kann hier nicht von einer Unkenntnis des Sohnes hinsichtlich Frist des Art. 96 Abs. 3a BayBG a.F. ausgegangen werden. So hat dieser in dem Beihilfeantrag explizit auf die hinsichtlich der Belege aus dem Jahr 2016 verstrichene Jahresfrist Bezug genommen und insoweit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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