Steuerrecht

Erfolglose Klage gegen bauaufsichtlichen Bescheid – Auslegung des Begehrens

Aktenzeichen  AN 17 K 19.00801

Datum:
16.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19120
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 10, Art 54 Abs. 2 S. 1
VwZVG Art. 19, Art. 32, Art. 36
VwGO § 88, § 103

 

Leitsatz

1. Der Zulässigkeit einer Klage (hier: Anfechtungsklage gegen bauaufsichtsrechtlichen Bescheid) steht nicht entgegen, dass die Klägerin weder in ihrem Schriftsatz vom XX.YY.ZZZZ einen bestimmten Antrag angekündigt, noch – mangels Anwesenheit – in der mündlichen Verhandlung einen bestimmten Antrag gestellt hat, wenn sich aus dem gesamten Vorbringen einschließlich der Anknüpfungstatsachen aus der Gerichtsakte ein schlüssiger Antrag herauslesen lässt.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Mittels Art. 54 Abs. 2 S. 1 u. 2 Halbs. 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde u.a. provisorische Sicherungsarbeiten an baulichen Anlagen zur Abwendung einer Gefahr aufgeben, die auf Umstände zurückzuführen sind, die nach Fertigstellung eines Vorhabens eintreten. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden, weil die Klägerin hierauf mit der Ladung hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Ladung der Klägerin zur mündlichen Verhandlung war auch im Übrigen ordnungsgemäß erfolgt. Zwar ist als Anschrift der Klägerin die von ihr in der Klageschrift benannte Adresse (* … in …*) in der Gerichtsakte erfasst und richtete sich die Ladung abweichend hiervon an die ursprüngliche Meldeadresse der Klägerin (* … … in …*). Die Zustellung der Ladung gemäß § 56 VwGO konnte jedoch ausweislich der Postzustellungsurkunde, der insoweit Beweiskraft zukommt, an die im vorliegenden Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Klägerin ersatzweise durch Niederlegung des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten an der Anschrift … … in … am 29. Mai 2020 bewirkt werden. Gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 176 Abs. 2, 178 Abs. 1 Nr. 1, 180 ZPO erfolgt die Zustellung dabei im Falle der Abwesenheit des Zustellungsadressaten in den Räumen, in denen diese Person wohnt, sowie bei Abwesenheit weiterer Personen im Sinne des § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ersatzweise durch Einlegen des Schriftstücks in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Voraussetzung hierbei ist, dass es sich bei der Zustelladresse um die Wohnung des Adressaten handelt; § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO kommt vorliegend ersichtlich nicht zum Tragen. Die Belange des Zustellungsadressaten gebieten es, im Ausgangspunkt auf die tatsächlichen Verhältnisse, d.h. dessen räumlichen Lebensmittelpunkt abzustellen. Nicht maßgebend ist daher der Wohnsitzbegriff des § 7 BGB oder die polizeiliche Meldung, die aber ein Indiz für den tatsächlichen Wohnsitz sein kann. Anknüpfungspunkt ist vielmehr die tatsächliche Benutzung einer Wohnung zum Tagesaufenthalt und/oder zum Schlafen, weil damit grundsätzlich auch die Möglichkeit einhergeht, in zumutbarer Weise von zugestellten Sendungen Kenntnis zu nehmen (Münchener Kommentar-ZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl. 2020, ZPO § 178 Rn. 5). Die Zustellmöglichkeit endet, wenn der räumliche Mittelpunkt des Lebens an einen anderen Aufenthaltsort verlagert wird. Hierzu reicht nicht allein die bloße Absicht; der Aufgabewille muss vielmehr in dem gesamten Verhalten des Wohnungsinhabers so zum Ausdruck kommen, dass dies für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter – nicht jedoch unbedingt für den Absender oder den Zusteller – auch erkennbar wird. Ob der Adressat sich polizeilich ab- oder umgemeldet hat oder sich noch Sachen von ihm in den Räumen befinden, ist nicht ausschlaggebend, kann aber bei einer Gesamtbetrachtung indizielle Bedeutung erlangen (Münchener Kommentar-ZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl. 2020, ZPO § 178 Rn. 7).
In Anwendung dieses Maßstabes kommt die Kammer aufgrund einer Gesamtbetrachtung der gerichtsbekannten Umstände zu dem Schluss, dass es sich bei der Anschrift … … in … noch um eine Wohnung im zustellungsrechtlichen Sinne handelt und die Ladung zur mündlichen Verhandlung dorthin adressiert werden konnte. Vor dem Brandfallereignis war die Klägerin nach Bekunden des Beklagten in der mündlichen Verhandlung in der … … in … melderechtlich erfasst. Allein der Umstand, dass der Klägerin nach dem Brandfall in ihrem Scheunengebäude, der auch ihr Wohnhaus mitbetraf, vorübergehend eine anderweitige Wohnung zugeteilt worden war, vermag die Wohnungseigenschaft nicht aufzuheben. Aus den im Verwaltungsakt befindlichen Lichtbildern (Bl. 10 u. 37 d. Behördenakte) wird ersichtlich, dass der von der Scheune separate Wohntrakt im Anwesen der Klägerin erreichbar und wohl auch betretbar ist. In der Verwaltungsakte des Beklagten ist weiter vermerkt, dass die Klägerin sich trotz Zuweisung einer Sozialwohnung der Stadt regelmäßig auf ihrem Grundstück aufhalte (Bl. 23 d. Behördenakte). Insbesondere existiert auch nach wie vor ein zur Wohnung gehörender Briefkasten, in den das gerichtliche Ladungsschreiben eingelegt werden konnte und zeigt das Schreiben der Klägerin vom 3. November 2019 an das Gericht, dass die Klägerin auch tatsächlich Post unter der Anschrift ihres Grundstückes entgegen- und zur Kenntnis nimmt. Dies wird zudem dadurch bekräftigt, dass die Klägerin in jenem Schreiben schließlich selbst wieder die Adresse ihres Grundstücks im Briefkopf angab.
Da auch die zweiwöchige Ladungsfrist des § 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO unter Zugrundelegung der Zustellfiktion des § 180 Satz 2 ZPO gewahrt wurde, erfolgte die Ladung der Klägerin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß.
Die im Wege der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthafte und auch form- und fristgerecht (§§ 81 Abs. 1 Satz 1, 82 Abs. 1 VwGO) erhobene Klage (1.) gegen den Bescheid des Beklagten vom 3. April 2019 ist unbegründet (2.), denn der Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage war somit abzuweisen.
1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde ordnungsgemäß erhoben und ist als statthafte Anfechtungsklage auszulegen.
Das Schreiben der Klägerin vom 14. April 2019, bei Gericht am 15. April 2019 eingegangen, erfüllt die zwingenden Anforderungen an eine Klageschrift. Es ist unschädlich, dass die Klägerin hierin „Widerspruch“ eingelegt hat, denn insoweit war das Schreiben der anwaltlich nicht vertretenen Klägerin sachdienlich auszulegen (§ 88 VwGO). Mit der Klage bringt die Klägerin zum Ausdruck, was sie von wem weswegen begehrt. Es ist daher zuvörderst Aufgabe des Gerichts, dieses im Antrag und im gesamten Klägervorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel (Klagebegehren) zu ermitteln (dazu BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11, NVwZ 2016, 238). Entscheidend ist dabei das materielle Rechtsschutzbegehren und nicht der Wortlaut der Anträge (OVG Weimar, NVwZ 2000 Beilage I, 69), auch nicht das nach Auffassung des Gerichts „sinnvoller Weise anzustrebende“ (VGH Mannheim, NJW 1982, 2460) oder dasjenige, was der Beteiligte aus Sicht des Gerichts „wollen sollte“ (BVerwG, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 17; NVwZ 2007, 1311; BeckOK VwGO/Fertig, 53. Ed. 1.4.2020, VwGO § 88 Rn. 6). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 14. April 2019, dem die erste Seite des streitbefangenen Bescheids in Kopie beigefügt war, unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, sie erachte die gesamte im vorgelegten Bescheid getroffene Anordnung als rechtswidrig. Dem Rechtsschutzbegehren der Klägerin kann dabei mit der Anfechtungsklage auch ohne größere Auslegungsschwierigkeiten Rechnung getragen werden, so dass eine umfassende Anfechtung des Bescheids vom 3. April 2019 dem gewollten Rechtsschutzziel der Klägerin entspricht.
Dem gegenüber verbietet sich eine Auslegung des Schreibens der Klägerin als echtes Widerspruchsschreiben im Sinne des § 70 Abs. 1 VwGO. Zutreffend hat der Beklagte in seinem Schreiben vom 16. April 2019 an die Klägerin (Bl. 36 d. Behördenakte) darauf hingewiesen, dass das behördliche Widerspruchsverfahren für Fälle der vorliegenden Konstellation keine Anwendung findet. Eine entsprechende Auslegung des Schreibens der Klägerin würde dieser somit nicht zum erhofften Rechtsschutzziel verhelfen können. Da die Klägerin überdies sowohl das Landratsamt als auch das Gericht zeit- und inhaltsgleich angeschrieben hatte, ist von einer bewussten Adressierung ihres Schreibens an das Gericht dergestalt auszugehen, dass sie die Möglichkeiten des gerichtlichen Rechtsschutzes neben einem eventuellen behördlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollte. Mangels Zulässigkeit des Widerspruchsverfahrens war dieses indes nicht Zulässigkeitsschranke für die Erhebung der Anfechtungsklage.
Der Zulässigkeit der Klage steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Klägerin weder in ihrem Schriftsatz vom 14. April 2019 einen bestimmten Antrag angekündigt, noch – mangels Anwesenheit – in der mündlichen Verhandlung einen bestimmten Antrag gestellt hat. Zwar kann dies unter bestimmten Voraussetzungen zur Unzulässigkeit der Klage führen, da das Prozessrecht grundsätzlich vorsieht, dass in der mündlichen Verhandlung die Beteiligten ihre Anträge zu stellen haben (§ 103 Abs. 3 VwGO). Jedoch sind die entsprechenden Voraussetzungen, etwa einer Verweigerung der Antragstellung, im vorliegenden Fall nicht gegeben. Sofern sich dem gesamten Vorbringen eines Klägers einschließlich der Anknüpfungstatsachen aus der Gerichtsakte ein schlüssiger Antrag herauslesen lässt und keine Zweifel über die zulässige Klageart verbleiben, hat das Gericht einen so ermittelten, sinngemäßen Antrag zugrunde zu legen (NK-VwGO/Michael Dolderer, 5. Aufl. 2018, VwGO § 103 Rn. 46; Schoch/Schneider/Bier/ Ortloff/Riese, 37. EL Juli 2019, VwGO § 103 Rn. 48; Eyermann/Schübel-Pfister, 15. Aufl. 2019, VwGO § 103 Rn. 15). Wie bereits ausgeführt, liegt das Begehren der Klägerin hier in der Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 3. April 2019, das sich bei belastenden Verwaltungsakten grundsätzlich und vorliegend ausschließlich mit einer Anfechtungsklage erreichen lässt.
Die Anfechtungsklage wurde ersichtlich binnen Monatsfrist erhoben (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO), so dass es auf die Frage, wann der streitgegenständliche Bescheid der Klägerin zugestellt wurde, nicht ankommt.
2. Die Klage bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg und war abzuweisen.
Der angegriffene Bescheid vom 3. April 2019 erweist sich vollumfänglich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
a) Der Grundverwaltungsakt in Ziffer I. des Bescheids vom 3. April 2019, der eine vorläufige Sicherungsmaßnahme im Bauordnungsrecht zum Gegenstand hat, kann durch die Bauaufsichtsbehörde richtigerweise auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 54 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Halbsatz 1 BayBO gestützt werden (vgl. VG Ansbach, B.v. 15.2.2019 – 17 S 19.58, BeckRS 2019, 13923).
Nach Art. 54 Abs. 2 S. 1 u. 2 Halbs. 1 BayBO haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Diese Befugnis ist für Sachverhalte bestimmt, für die die Bayerische Bauordnung oder andere Fachgesetze keine speziellen Regelungen als Rechtsgrundlage für ein Einschreiten vorsehen. Die speziellen Befugnisnormen stellen für ihren Anwendungsbereich jeweils in dem Sinn abschließende Regelungen dar, dass die Maßnahme nur angeordnet werden darf, wenn die Voraussetzungen der einschlägigen Norm erfüllt sind (König in: Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 54 Rn. 34). Danach kann die Bauaufsichtsbehörde u.a. provisorische Sicherungsarbeiten an baulichen Anlagen zur Abwendung einer Gefahr aufgeben, die auf Umstände zurückzuführen sind, die nach Fertigstellung eines Vorhabens eintreten oder während der Benutzung einer baulichen Anlage durch irgendein Ereignis zu baurechtswidrigen Zuständen führen (Dirnberger in: Simon/Busse, BayBO, 131. EL Oktober 2018, Art. 54 Rn. 43 u. 52). Eine solche (provisorische) Sicherungsmaßnahme an einer baulichen Anlage ist im vorliegenden Rechtsstreit gegenständlich. Für das Eingreifen speziellerer Befugnisnormen liegen keine Anhaltspunkte vor.
Unstreitig befindet sich die ehemalige Scheune der Klägerin auf ihrem Anwesen … … in … aufgrund eines Brandfalles in einem baurechtswidrigen Zustand, wobei es sich bei der Scheune um ein Gebäude und damit eine bauliche Anlage im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BayBO handelt. Aufgrund des Brandfalles ist überdies die Standsicherheit dieses Gebäudes nicht mehr gegeben (vgl. Art. 10 BayBO) und hat dies in der weiteren Folge bereits zu konkreten Schäden am Dach der ebenfalls grenzständigen benachbarten Scheune auf dem Grundstück FlNr. … geführt. Dieser Umstand steht fest aufgrund der Feststellungen des Landratsamtes, die es in Rahmen von Ortseinsichten gewonnen und auch fotografisch dokumentiert hat und die Eingang in die dem Gericht vorliegende Behördenakte gefunden haben. Der Sachverhalt eines nicht mehr standsicheren, jederzeit durch Dritte (unbefugt) erreichbaren und überdies grenzständigen Gebäudes war letztlich auch Inhalt der Gründe des angegriffenen Bescheides zu Ziffer I., wenngleich die Bescheidsgründe nicht ausdrücklich auf Art. 10 BayBO Bezug nehmen.
Der Bescheid ist im Hinblick auf Art und Umfang der von der Klägerin abverlangten Sicherungsmaßnahme unter Mitbetrachtung des zum Gegenstand des Bescheids gemachten farbigen Lageplans (Bl. 33 d. Behördenakte) hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Die Klägerin hat dabei nicht vorgetragen, das Aufstellen des Bauzaunes nach Maßgabe dieses Lageplans sei objektiv unmöglich. Derartiges ergibt sich für das Gericht auch nicht unter Heranziehung der Grundstückssituation insbesondere auch der mitbetroffenen Nachbarin, der Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …, wie sie sich aus den in der Behördenakte befindlichen Lichtbildern ergibt.
Der Bescheid richtet sich auch zu Recht gegen die Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … Insoweit konnte sich der Beklagte bei der Auswahl des für die Wiederherstellung der Verkehrssicherheit Heranzuziehenden auf die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) stützen (Dirnberger in: Simon/Busse, BayBO, 131. EL Oktober 2018, Art. 54 Rn. 110). Nach dieser Vorschrift können Gefahrenabwehrmaßnahmen gegen den Eigentümer einer Sache, von deren Zustand die sicherheitsrechtliche Gefahr ausgeht, gerichtet werden. Anhaltspunkte, die eine anderweitige Betrachtung gebieten, liegen nicht vor.
b) Die Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer III. des Bescheids vom 3. April 2019 erweist sich ebenfalls als rechtmäßig.
Ziffer III. des angegriffenen Bescheides findet seine Rechtsgrundlage in Art. 36 Abs. 1 und Art. 32 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Danach müssen Zwangsmittel, hier die Ersatzvornahme, entsprechend Art. 29 Abs. 2 Nr. 2, Art. 32 VwZVG, schriftlich angedroht werden, wobei für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen ist, innerhalb der dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Maßstäbe für die Fristsetzung sind dabei die Dringlichkeit des Vollzugs und ferner die dem Pflichtigen zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten (VG Ansbach, U.v. 8.5.2013 – AN 11 K 13.00415 – BeckRS 2013, 51076). Für diese Frist kann ein Zeitraum oder ein Zeitpunkt bestimmt werden. Die Vollstreckungsbehörde kann die Handlung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen „lassen“, also einen Dritten auswählen und damit beauftragen.
Neben den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 Abs. 1 u. 2 VwZVG, also das Vorliegen eines unanfechtbaren Grundverwaltungsakts bzw. die Anordnung des Sofortvollzuges und die nicht rechtzeitige Erfüllung einer Handlungspflicht, ist die Ersatzvornahme nach Art. 32 S. 2 VwZVG nur zulässig, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt. Die Aussichtslosigkeit in diesem Sinne steht vor allem dann fest, wenn bereits ein Zwangsgeld angedroht wurde, der Pflichtige aber die gebotene Handlung trotzdem nicht vorgenommen hat oder wenn aufgrund Vermögenslosigkeit des Pflichtigen eine Zwangsgeldandrohung ersichtlich keinen Erfolg erwarten lässt (VG München, U.v. 7.12.2017 – M 11 K 16.4004 – BeckRS 2017, 144293). Die Androhung eines Zwangsgeldes lässt auch dann keinen Erfolg versprechen, wenn dies aus dem Verhalten des Pflichtigen in der Vergangenheit begründet ableitbar ist (BayVGH, B.v. 17.10.2017 – 9 CS 17.1990 – BeckRS 2017, 131790).
Gemessen daran erfolgten die Androhung der Ersatzvornahme und die zu ihrer Abwendung verfügte Fristsetzung rechtmäßig. Dass ein Zwangsgeld keinen Erfolg versprechen lässt, hat der Beklagte nachvollziehbar und unwidersprochen – wenn auch etwas missverständlich aufgrund einer abweichenden Angabe des Datums des Anhörungsschreibens an die Klägerin – mit dem vor Erlass des Bescheids dokumentierten Verhalten der Klägerin, die sich insoweit unkooperativ gegenüber dem Landratsamt verhielt, begründet. Die der Klägerin gesetzte Frist erweist sich als ausreichend bemessen, zumal es dem Beklagten auch nur noch um einen „Lückenschluss“ in der Grundstückseinfriedung ging, die nach Überzeugung des Gerichts in der gesetzten Frist zu bewerkstelligen war. Im Ergebnis begegnet der Bescheid diesbezüglich keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Schließlich ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine subjektive Unmöglichkeit des Aufstellens eines Bauzaunes für die Klägerin wegen eines zu erwartenden Widerstandes der mitbetroffenen Nachbarin. Soweit sich dahingehend für das Gericht vor der mündlichen Verhandlung aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 29. Oktober 2019 Zweifel ergaben und eine vollziehbare Duldungsverfügung an die Grundstückseigentümerin FlNr. … nicht aktenkundig ist, konnten die Beklagtenvertreter diese Zweifel in der mündlichen Verhandlung ausräumen. Sie haben bekundet, dass der Sachbearbeiter im Landratsamt die Angelegenheit mit der Nachbarin besprochen habe. Gegenüber dem Sachbearbeiter des Landratsamtes habe die Nachbarin angegeben, dies sei so in Ordnung für sie. Anlass für eine entsprechende Verfügung zur Duldung des Aufstellens des Bauzaunes auch auf dem Grundstück FlNr. … gegenüber der Nachbarin bestand nach alledem für den Beklagten nicht. Denn des Erlasses einer solchen Duldungsverfügung gegenüber einem Dritten bedarf es nur, wenn der Pflichtige – hier die Klägerin – zur Erfüllung der ordnungsbehördlich auferlegten Pflicht in Rechte Dritter eingreifen muss und der Dritte nicht bereit ist, den Eingriff in seine Rechte zu dulden (BayVGH, B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675, BeckRS 2017, 126544 Rn. 32). Ein solches Vollzugshindernis bestand hier jedoch im Ergebnis der mündlichen Verhandlung von vorn herein nicht.
Die in der Androhung enthaltenen Regelungen zur vorläufigen Veranschlagung der Kosten der Ersatzvornahme und der Fälligkeit dieser Kosten folgen aus Art. 36 Abs. 4 VwZVG.
c) Auch die weiteren Nebenbestimmungen im angegriffenen Bescheid (Ziffer IV. und V.) begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Dazu wird auf die den Bescheid tragenden Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3. Die Kostenfolge der erfolglosen Klage bestimmt sich nach §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Abwendungsbefugnis ergibt sich aus
§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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