Steuerrecht

Fehlende Antragsbefugnis des Pächters eines Grundstücks gegen dem Nachbar erteilte Baugenehmigung

Aktenzeichen  W 5 K 17.622

Datum:
20.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36339
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
GG Art. 14

 

Leitsatz

Der nachbarschützende Gehalt bauplanungsrechtlicher Vorschriften ist wegen der Grundstücksbezogenheit des Bebauungsrechts auf die Eigentümer der Nachbargrundstücke beschränkt, während die nur obligatorisch zur Nutzung des Grundstücks Berechtigten nicht erfasst werden. Mit der Anerkennung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist nicht die Aussage verbunden, dass der Pächter eigentumsrechtlichen Schutz gegenüber der Erteilung einer Baugenehmigung für das Nachbargrundstück genießt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen zu 2) zu tragen. Die Beigeladene zu 1) trägt ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg, weil sie sich als unzulässig erweist.
1.
Die Klägerin ist nicht klagebefugt i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO, denn sie kann nicht mit Erfolg geltend machen, in ihren Rechten verletzt zu sein. Eine solche Verletzung in eigenen Rechten durch die angefochtene Baugenehmigung ist aufgrund der nur obligatorischen Berechtigung der Klägerin als Pächterin der Grundstücke Fl.Nrn. …7 und …8 der Gemarkung B … nicht möglich.
Die von der Klägerin begehrte Aufhebung der Baugenehmigung für den Beigeladenen zu 2) zielt auf eine bauplanungsrechtliche Unvereinbarkeit der gewerblichen Nutzung, die die Klägerin ausübt, mit der geplanten Wohnnutzung. Die Klägerin ist aber nicht Nachbarin im Sinne des Baunachbarrechts. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist der nachbarschützende Gehalt bauplanungsrechtlicher Vorschriften – nur um diese Frage geht es hier – wegen der Grundstücksbezogenheit des Bebauungsrechts auf die Eigentümer der Nachbargrundstücke beschränkt, während die nur obligatorisch zur Nutzung des Grundstücks Berechtigten nicht erfasst werden (BVerwG, B.v. 20.4.1998 – 4 B 22/98; BayVGH, B.v. 29.1.2010 – 14 CS 09.2821; OVG NRW, B.v. 8.1.2008 – 7 B 1775/07; HessVGH, U.v. 19.7.1988 – 4 UE 3154/87 – alle juris). Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes wird hierdurch nicht verletzt. Die Klägerin kann sich bei einer planungsrechtlichen Beeinträchtigung des Pachtgrundstücks an den Verpächter halten. Liegt die Beeinträchtigung nicht im Bereich des bauplanungsrechtlichen Nachbarschutzes, können der Klägerin zum anderen Abwehransprüche nach anderen Vorschriften zustehen (BVerwG, B.v. 20.4.1998 – 4 B 22/98 – juris). Könnte ein Mieter oder Pächter eine Verletzung bauplanungsrechtlicher Vorschriften gegenüber Dritten selbständig beispielsweise auch dann geltend machen, wenn der Eigentümer dies nicht will, so würde er damit in den Interessenausgleich der unmittelbar berechtigten Grundstückseigentümer einwirken (BVerwG, B.v. 11.7.1989 – 4 B 33/89 – juris). Nachbar im baurechtlichen Sinne kann vorliegend deshalb nur der möglicherweise materiell betroffene Grundstückseigentümer sein, im vorliegenden Fall also der im Grundbuch eingetragene Eigentümer Herr … … Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Grundstückseigentümer … … zugleich einer der beiden Gesellschafter der Klägerin ist. Denn dieser Umstand ändert nichts an der rechtlichen Selbständigkeit der Klägerin. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nach außen auftritt, erlangt Teilrechtsfähigkeit und ist daher im baurechtlichen Nachbarstreit als eigene Rechtsperson zu behandeln. Wird eine rechtliche Trennung von Grundeigentum einerseits und dem unternehmerischen Betrieb andererseits vorgenommen, müssen Eigentümer und Gesellschaft diese Trennung durchgängig beibehalten; sie tragen auch das – hier realisierte – Risiko, die gewählte Konstruktion im Rechtsleben nicht vollständig durchzuhalten.
Eine Klagebefugnis der Klägerin resultiert auch nicht aus dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als Sach- und Rechtsgesamtheit den Eigentumsschutz des Art. 14 GG genießt (vgl. etwa BVerfG, U.v. 29.11.1961 – 1 BvR 148/57; HessVGH, U.v. 19.7.1988 – 4 UE 3154/87 – beide juris). Zum Gewerbebetrieb gehören nach heutiger Auffassung nicht nur die Betriebsgrundstücke und -räume sowie Einrichtungsgegenstände, Warenvorräte und Außenstände; dazu gehören auch geschäftliche Verbindungen, Beziehungen, der Kundenstamm, kurz alles das, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebes ausmacht (HessVGH, U.v. 19.7.1988 – 4 UE 3154/87 – juris). Das Recht erfasst nicht nur den eigentlichen Bestand des Gewerbebetriebes, sondern auch dessen einzelne Erscheinungsformen, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis gehört. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vermag im baurechtlichen Nachbarstreit jedoch nicht die Klagebefugnis der Klägerin i.S.v. § 42 VwGO zu begründen, denn es umfasst allenfalls Ansprüche aus dem obligatorischen Nutzungsverhältnis, nicht aber aus dem ihr nicht zustehenden Eigentum an dem Grundstück (HessVGH, U.v. 19.7.1988 – 4 UE 3154/87 – juris). Die mit dem Grundeigentum verknüpften Nachbarrechte gehören nicht zum Vermögensbestand des Gewerbebetriebs (BVerwG, B.v. 11.7.1989 – 4 B 33/89 – juris). Entsprechend ist mit der Anerkennung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht die Aussage verbunden, dass der Pächter eigentumsrechtlichen Schutz gegenüber der Erteilung einer Baugenehmigung für das Nachbargrundstück genießt.
Auch die vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachte Verletzung der Klägerin in ihren Rechten aus Art. 12 GG und Art. 2 Abs. 1 GG scheidet von vornherein aus, da der Anknüpfungspunkt des Baunachbarrechts allein im der Klägerin nicht zustehenden Eigentum zu erkennen ist.
2.
Die Klägerin kann ihre Klagebefugnis auch nicht mit Erfolg aus einer nicht auszuschließenden Verletzung von Rechten des Grundstückseigentümers … … herleiten, da dies § 42 Abs. 2 VwGO widerspricht. Die in dieser Regelung enthaltene Maßgabe „in eigenen Rechten verletzt zu sein“ schließt eine Prozessstandschaft aus, sofern nicht gesetzlich ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist. An einer solchen Regelung, die zugunsten der Klägerin eine gesetzliche Prozessstandschaft begründen könnte, fehlt es im vorliegenden Fall. Die in diesem Sinne durch den Gesetzgeber vorgegebene Einschränkung der Klagebefugnis entspricht dem verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklichen und in § 42 Abs. 2 VwGO normierten Ausschluss von Popularklagen und zieht damit zugleich den Ausschluss der – hier vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachten – gewillkürten Prozessstandschaft im Anfechtungsrechtsstreit nach sich (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2017 – 15 ZB 16.920 – und B.v. 12.12.2017 – 14 B 16.769; VG Augsburg, B.v. 27.9.2018 – Au 5 S 18.1579 – alle juris; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 42 Rn. 60; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2018, § 42 Rn. 76).
3.
Die Kammer sieht weiterhin keine Möglichkeit einer bloßen Berichtigung des Rubrums dahingehend, dass die Klägerin durch den Grundstückseigentümer Herrn … … ersetzt wird. Zwar ist eine Parteibezeichnung in einer Klageschrift grundsätzlich auslegungsfähig (vgl. § 88 VwGO). Allerdings ist vorliegend die „… …“, vertreten durch ihre beiden Gesellschafter, sowohl in der Klageschrift vom 23. Juni 2017 als auch in der Klagebegründung vom 24. Juli 2018 wiederholt und eindeutig als alleinige Klägerin bezeichnet worden, was eine hiervon abweichende Auslegung nicht zulässt.
4.
Die vom Klägerbevollmächtigten (hilfsweise) beantragte Klageänderung in Form eines Parteiwechsels auf Klägerseite ist unzulässig. Eine Änderung der Klage ist gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Vorliegend hat die Bevollmächtigte des Beigeladenen zu 2) die Einwilligung zur Klageänderung jedoch nicht erteilt (vgl. Schriftsatz vom 4.10.2017). Zur Überzeugung der Kammer ist die subjektive Klageänderung auch nicht sachdienlich. Der Begriff der Sachdienlichkeit wird weitgehend von Erwägungen der Prozessökonomie beherrscht. Eine Klageänderung ist in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streits zwischen den Parteien im laufenden Verfahren dient. An der Sachdienlichkeit fehlt es indessen in der Regel, wenn die geänderte Klage als unzulässig abgewiesen werden müsste (BVerwG, U.v. 3.7.1987 – 4 C 12/84 – juris; Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 31 m.w.N.). Vorliegend wäre der beantragte Parteiwechsel auf Klägerseite nicht geeignet gewesen, den Streitstoff zwischen den Beteiligten auszuräumen, da der angefochtene Bescheid gegenüber dem Grundstückseigentümer … … bereits unanfechtbar geworden ist. Nach einem durchgeführten Parteiwechsel auf der Klägerseite kommt es für die Einhaltung der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf den Zeitpunkt des Eintritts der neuen Partei in das Verfahren an. Dieser wurde vom Klägerbevollmächtigten erst mit Schriftsatz vom 12. September 2017, bei Gericht eingegangen am 13. September 2017, beantragt. Die Klagefrist war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen. Sie wurde mit der – ausweislich der Postzustellungsurkunde am 31. Mai 2017 erfolgten – Zustellung des mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen Genehmigungsbescheids des Landratsamts M.-Sp. vom 29. Mai 2017 an Herrn … … (vgl. Bl. 98 der Behördenakte) in Gang gesetzt und endete am Freitag, den 30. Juni 2017 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 und Abs. 3 BGB). Eine Fristwahrung durch die ursprüngliche Klägerin – hier die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – kann dem neuen Kläger – hier Herrn … … – nicht zugutekommen, da die Klagefrist grundsätzlich in der eigenen Person gewahrt sein muss und der ergangene Verwaltungsakt andernfalls ihr gegenüber unanfechtbar geworden ist (vgl. OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, B.v. 27.9.2018 – 1 LZ 329/18 OVG; VG München, U.v. 10.9.2015 – M 3 K 14.1632 – beide juris; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 74 Rn. 7).
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist ist weder beantragt worden noch sind Wiedereinsetzungsgründe ersichtlich.
5.
Aus den dargestellten Gründen war die Klage deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da sich der Beigeladene zu 2) – anders als die Beigeladene zu 1) – durch eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten der unterlegenen Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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