Steuerrecht

Fehlende Sachdienlichkeit einer (subjektiven) Klageänderung im Sinne von § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO bei Unzulässigkeit der geänderten Klage, Unzulässigkeit einer im Wege des gewillkürten Parteiwechsels auf Klägerseite erhobenen Ver-pflichtungsklage bei Nichteinhaltung der einmonatigen Klagefrist des § 74 VwGO durch die neu in das Verfahren eintretende Klagepartei, Zustellung des Widerspruchsbescheids durch Übergabeeinschreiben nach § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 VwZG, Heilung von Zustellungsmängeln nach § 8 VwZG, Zustellung an einen Bevollmächtigten nach § 7 Abs. 1 VwZG, Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO an die Rechtsbehelfsbelehrung, Fortbestand des ursprünglichen Prozessrechtsverhältnisses bei unwirksamem Parteiwechsel Unzulässigkeit einer durch eine selbst nicht nach § 2 Abs. 1 BayBhV beihilfeberechtigte Person im eigenen Namen erhobenen Verpflichtungsklage auf die Gewährung von Beihilfeleistungen Keine gewillkürte Prozesstandschaft im Anwendungsbereich der Verpflichtungsklage

Aktenzeichen  AN 18 K 19.01475

Datum:
23.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39908
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 58
VwGO § 73 Abs. 3
VwGO § 74
VwGO § 91
VwZG §§ 4, 7, 8
BayBhV § 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die auf eine Neuverbescheidung beschränkte Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), deren Prozessrechtsverhältnis in Ermangelung einer zulässigen und damit wirksamen subjektiven Klageänderung in Form eines Parteiwechsels auf der Klägerseite auch weiterhin zwischen dem ursprünglichen – und jetzigen – Kläger … …sowie dem Freistaat Bayern als Beklagtem fortbesteht, bleibt mangels Zulässigkeit erfolglos.
I.
Eine zulässige und damit wirksame subjektive Klageänderung dergestalt, dass anstelle des Klägers nunmehr dessen Ehefrau in die Position der Klagepartei eingetreten wäre, liegt nicht vor.
Eine Klageänderung ist gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Auch die Auswechselung des Hauptbeteiligten auf Kläger- oder Beklagtenseite, der sogenannte Parteiwechsel, stellt eine solche Klageänderung dar (BVerwG, U.v. 3.7.1987 – 4 C 12.84 – NJW 1988, 1228; U.v. 20.1.1993 – 7 B 158.92 – juris Rn. 5).
Hiernach erweist sich die in der – bei Gericht schriftsätzlich am 17. Januar 2020 eingegangenen – Erklärung der Klägerseite, den Rechtsstreit nunmehr für … …, die Ehefrau des Klägers, fortzuführen, enthaltene Klageänderung in Gestalt eines Parteiwechsels als unzulässig. Da der Beklagte dieser Klageänderung nicht zugestimmt hat (§ 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), kommt deren Zulassung alleine unter dem Gesichtspunkt der Sachdienlichkeit in Betracht (§ 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), über deren Vorliegen das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Eine Klageänderung ist dabei in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (BVerwG, U.v. 18.8.2005 – 4 C 13.04 – NVwZ 2006, 87/88; U.v. 23.2.2017 – 7 C 31.15 – NVwZ 2017, 1775 Rn. 29). An einer Sachdienlichkeit in diesem Sinne fehlt es regelmäßig, wenn die geänderte Klage unzulässig und damit nicht geeignet wäre, eine Entscheidung in der Sache herbeizuführen (vgl. BVerwG, U.v. 3.7.1987 – 4 C 12.84 – NJW 1988, 1228; U.v. 8.12.2016 – 4 CN 4.16 – ZfBR 2017, 355 Rn. 10).
So ist auch der vorliegende Fall gelagert. Eine von der Ehefrau im eigenen Namen erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) gegen den Beihilfebescheid vom 5. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2019 wäre wegen Nichteinhaltung der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Die geänderte Klage wäre mithin nicht dazu geeignet, die auf der Klägerseite begehrte Sachentscheidung über die Abrechnung der Pflege- und Unterkunftsleistungen im Zusammenhang mit der stationären psychosomatischen Behandlung der Ehefrau in der Klinik … herbeizuführen und damit einer endgültigen sachlichen Erledigung des zwischen den Beteiligten geführten Rechtsstreits zu dienen. Erfolgt nämlich eine subjektive Klageänderung – wie hier – auf der Klägerseite, so hat auch die neu eintretende Klagepartei die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beachten; der gewillkürte Parteiwechsel muss also während des Laufs dieser Frist vollzogen werden (allg.M., z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 74 Rn. 7; Schoch/Schneider/Meissner/Schenk, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 74 Rn. 36; NK-VwGO/Brenner, 5. Aufl. 2018, § 74 Rn. 53; Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 74 Rn. 15; BeckOK-VwGO/Peters, 58. Ed. 1.7.2021, § 74 Rn. 28; vgl. auch BVerwG, U.v. 23.3.1972 – III C 132.70 – BVerwGE 40, 25/32).
Daran fehlt es hier. Der Widerspruchsbescheid vom 18 Juli 2019 wurde spätestens am 30. Juli 2019 an den bisherigen Kläger als Bevollmächtigten seiner beihilfeberechtigten Ehefrau zugestellt und damit zugleich eine wirksame Zustellung an die letztere bewirkt (dazu unter 1.). Mit dieser Zustellung ist auch die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO angelaufen, weil der betreffende Widerspruchsbescheid mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrungversehen worden war (dazu unter 2.). Die Frist für eine eigene Klage der Ehefrau hatte mithin spätestens am 31. Juli 2019 zu laufen begonnen und war spätestens mit Ablauf des 30. August 2019 verstrichen (dazu unter 3.), womit sich die – im Wege der am 17. Januar 2020 bei Gericht eingegangenen Parteiwechselerklärung vorgenommene – eigene Klageerhebung durch die beihilfeberechtigte Ehefrau als verfristet erweist.
1. Der Widerspruchsbescheid, der vorliegend mittels Übergabeeinschreiben an den Kläger als Bevollmächtigten seiner Ehefrau übermittelt wurde, war spätestens am 30. Juli 2019 wirksam an die letztere zugestellt worden.
Die Zustellung von Widerspruchsbescheiden erfolgt gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Zwischen den nach diesem Gesetz vorgesehenen Zustellungsarten kommt der Behörde nach § 2 Abs. 3 Satz 1 VwZG ein Wahlrecht zu. § 4 Abs. 1 VwZG sieht vor, dass die Zustellung unter anderem durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe erfolgen kann. In diesem Fall gilt das betreffende Dokument gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Hierzu hat die Behörde nach § 4 Abs. 2 Satz 4 VwZG den Tag der Aufgabe zur Post in den Akten zu vermerken.
Der Beklagte hat sich hier in rechtlich nicht zu beanstandender Weise für eine Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2019 mittels Übergabeeinschreiben entschieden, so dass dieser dem Grunde nach am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt gilt. Dieser Tag aber kann vorliegend nicht zweifelsfrei bestimmt werden, weil die Behördenakte entgegen § 4 Abs. 2 Satz 4 VwZG keinen Vermerk über den Tag enthält, an dem der Widerspruchsbescheid zur Post gegeben wurde, und dem Beklagten hierüber nach eigenen Angaben auch keine anderen Unterlagen mehr vorliegen. Ob deshalb das Fehlen des nach § 4 Abs. 2 Satz 4 VwZG vorgeschriebenen Aktenvermerks zur Unwirksamkeit der Zustellung führt, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (für eine Unwirksamkeit: BFH, U.v. 28.2.1969 – VI R 327/67 – NJW 1970, 80; dagegen: BGH, B.v. 11.2.1982 – IX ZB 230/81 – juris Rn. 1; jeweils offenlassend: BVerwG, U.v. 19.1.1972 – V C 54.70 – BVerwGE 39, 257/259 f. und BSG, U.v. 29.5.1973 – 2 RU 197/71 – NJW 1973, 2047/2048). Selbst wenn das Vorhandensein eines Aktenvermerks nach § 4 Abs. 2 Satz 4 VwZG als Wirksamkeitserfordernis der Zustellung anzusehen wäre, kann dieser Mangel jedenfalls nach Maßgabe des § 8 VwZG geheilt werden (Engelhardt/App/Schlatmann/Schlatmann, VwZG, 12. Aufl. 2021, § 4 Rn. 11; Sadler/Tillmanns/Thiel, VwZG, 10. Aufl. 2020, § 4 Rn. 25; BeckOK-OWiG/Preisner, 32. Ed. 1.10.2021, § 4 VwZG Rn. 16). Gemäß § 8 VwZG gilt ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Hiernach wurde auch in der vorliegenden Fallkonstellation eine Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2019 jedenfalls in dem Zeitpunkt bewirkt, als dieser dem Kläger als Empfänger tatsächlich zugegangen ist. Ein solcher Zugang war hier spätestens am 30. Juli 2019, dem Datum der Erstellung des Klageschriftsatzes erfolgt, welchem der betreffende Widerspruchsbescheid in Kopie beigefügt ist.
Mit dieser spätestens am 30. Juli 2019 wirksam gewordenen Zustellung des Widerspruchsbescheids an den Kläger als Bevollmächtigten seiner beihilfeberechtigten Ehefrau wurde zugleich die Zustellung an die letztere bewirkt. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG können Zustellungen an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG hat dies zwingend zu erfolgen, wenn der Bevollmächtigte eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Zwar ist die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG – entgegen den Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung – in der vorliegenden Fallkonstellation nicht anzuwenden. Denn der – aufgrund der Vollmacht vom 4. Dezember 2017 wirksam zur Wahrnehmung von Beihilfeangelegen in Vertretung seiner Ehefrau bevollmächtigte – Kläger hat diese Vollmachtsurkunde im Zusammenhang mit der Stellung des Beihilfeantrags vom 13. November 2018 nicht beim Beklagten vorgelegt. Vielmehr ist dem Beklagten diese Vollmachtsurkunde nach eigenen unbestrittenen Angaben erst am 16. Oktober 2020 zugegangen. Allerdings war der Beklagte aus anderen Gründen verpflichtet, die Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2019 – wie geschehen – an den Kläger als Bevollmächtigten seiner Ehefrau zu bewirken. So war das dem Beklagten im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG hinsichtlich der Auswahl des Zustellungsadressaten eingeräumte Ermessen (Wortlaut: „können“) vorliegend im Sinne einer zwingenden Zustellung an den Kläger als Bevollmächtigten reduziert. Denn einer Behörde, die in einem Verwaltungsverfahren Bekanntgaben bzw. Zustellungen bislang ständig an den Bevollmächtigten gerichtet hat, ist unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes, nämlich des Gebots gleicher Entscheidungen bei gleichem Sachverhalt, ein willkürlicher Wechsel des Zustellungsadressaten verwehrt. Insoweit tritt bei Ausübung des Wahlrechts nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG eine Ermessensreduzierung auf null ein (BFH, U.v. 3.2.2004 – VII R 30/02 – DStR 2004, 724/727; NdsOVG, B.v. 29.11.2007 – 11 LA 172/07 – juris Rn. 10; OVG LSA, B.v. 22.5.2018 – 2 M 38/18 – juris Rn. 11). Dies gilt auch in der vorliegenden Fallkonstellation. Der Beklagte hatte bereits den Beihilfebescheid vom 5. Dezember 2018 an den Kläger als Bevollmächtigten bekanntgegeben, nachdem letzterer den vorangegangenen Beihilfeantrag in Vertretung seiner Ehefrau gestellt hatte. Vor diesem Hintergrund war der Beklagte dazu angehalten, den in derselben Angelegenheit ergangenen Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2019 ebenfalls an den Bevollmächtigten – den Kläger – und nicht etwa an dessen Ehefrau als Beihilfeberechtigte selbst zuzustellen. Dies gilt umso mehr, als auch der zugrundeliegende Widerspruch vom 13. Dezember 2018 durch den Kläger in Vollmacht für seine Ehefrau eingelegt worden war.
2. Mit dieser Zustellung ist vorliegend die einmonatige Frist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO für eine eigene Klageerhebung durch die Ehefrau angelaufen, denn der Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2019 war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrungversehen worden (§ 58 Abs. 1 VwGO). Es ist damit insbesondere nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO maßgeblich.
Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig. Eine Rechtsmittelbelehrungist dann unrichtig erteilt, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend erforderlichen Angaben nicht enthält, diese unrichtig wiedergibt oder wenn sie darüber hinaus einen unrichtigen oder irreführenden Zusatz enthält, der geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 C 2.01 – juris Rn. 12; B.v. 31.8.2015 – 2 B 61.14 – NVwZ 2015, 1699 Rn. 8; B.v. 24.8.2016 – 4 VR 15.16 – juris Rn. 6; U.v. 25.1.2021 – 9 C 8.19 – NVwZ 2021, 1061 Rn. 18).
Gemessen an diesen Grundsätzen entspricht die Rechtsbehelfsbelehrungdes Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2019 den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO und wurde nicht im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO unrichtig erteilt. Sie enthält zum einen alle nach der gesetzlichen Regelung notwendigen Angaben, so namentlich über den Rechtsbehelf („Klage“), das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, und dessen Sitz („Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach“) sowie die einzuhaltende Frist („innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheids“).
Auch die über die Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO hinausgehenden, weiteren Angaben der Rechtsbehelfsbelehrungerweisen sich weder als unrichtig noch in dem Sinne irreführend, dass sie dazu geeignet wären, den Betroffenen von einer rechtzeitigen oder formwirksamen Rechtsbehelfseinlegung abzuhalten. Dass neben dem – nach der gesetzlichen Regelung allein notwendigen – Gerichtssitz außerdem dessen Postfach- und Hausanschrift genannt werden, macht die Rechtsbehelfsbelehrungnicht unrichtig (BVerwG, U.v. 25.1.2021 – 9 C 8.19 – NVwZ 2021, 1061 Rn. 26). Die betreffenden Angaben („Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach“, „Hausanschrift: Promenade 24-26, 91522 Ansbach“) erweisen sich als sachlich richtig und sind somit nicht geeignet, die form- und fristgerechte Klageerhebung zu erschweren; eine solche wird hierdurch – im Gegenteil – sogar erleichtert. Ebenfalls nicht zu beanstanden sind die weitergehenden Angaben der Rechtsbehelfsbelehrungzur Form der Klageerhebung, welche „schriftlich, zur Niederschrift oder elektronisch in einer für den Schriftformersatz zugelassenen Form“ erfolgen könne. Soweit neben den beiden ersteren, in § 81 Abs. 1 VwGO genannten Formen der Klageerhebung zusätzlich auf die Möglichkeit einer elektronischen Klageerhebung und damit in der Sache auf die Möglichkeit der elektronischen Dokumentenübermittlung nach § 55a VwGO hingewiesen wird, macht dies die Rechtsbehelfsbelehrungebenfalls nicht unrichtig. Es kann insoweit insbesondere dahinstehen, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.1.2021 – 9 C 9.18 – NVwZ 2021, 1061 Rn. 27 ff.) zu § 55a VwGO in der Fassung des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22. März 2005 (BGBl. I 837), welche die nach dieser Bestimmung mögliche elektronische Übermittlung der Klageschrift als Unterfall der Schriftform ansieht und daher einen gesonderten Hinweis darauf für entbehrlich erachtet, auch auf den hiesigen Fall zu übertragen ist. Zum einen ist vorliegend § 55a VwGO in der ab dem 1. Januar 2018 gültigen Fassung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Januar 2013 (BGBl. I 3786) maßgeblich. Zum anderen kann der vorstehend zitierten Rechtsprechung gerade nicht entnommen werden, dass ein gleichwohl erfolgter Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Dokumentenübermittlung die Rechtsbehelfsbelehrungunrichtig machen würde. Der weitergehende Hinweis, wonach die Einlegung eines Rechtsbehelfs per einfacher E-Mail nicht zugelassen sei und keine rechtlichen Wirkungen entfalte, macht die Rechtsbehelfsbelehrungebenfalls nicht unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Denn es ist allgemein anerkannt, dass eine einfach signierte E-Mail dem Schriftformerfordernis des § 81 Abs. 1 VwGO nicht gerecht wird (SächsOVG, B.v. 19.10.2015 – 5 D 55/14 – NVwZ-RR 2016, 404 Rn. 8; BayVGH, B.v. 23.4.2019 – 13a ZB 18.32206 – juris Rn. 8; Schoch/Schneider/Riese, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 81 Rn. 8b; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 81 Rn. 9). Schließlich wurden auch durch die Klägerseite keinerlei Einwände gegen das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrungerhoben, geschweige denn eine darauf beruhende Irreführung geltend gemacht.
3. Damit war die einmonatige Frist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Erhebung einer eigenen Klage durch die beihilfeberechtigte Ehefrau spätestens mit Ablauf des 30. August 2019 verstrichen.
Hinsichtlich der Berechnung der einmonatigen Klagefrist verweist § 57 Abs. 2 VwGO unter anderem auf die Bestimmung des § 222 ZPO, der wiederum auf die §§ 187 ff. BGB Bezug nimmt. Da die Zustellung des Widerspruchsbescheids an die Ehefrau vorliegend – wie oben dargelegt – spätestens am 30. Juli 2019 erfolgt war, begann die (Ereignis-)Frist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB spätestens am Mittwoch, den 31. Juli 2021, 0:00 Uhr, zu laufen und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB spätestens am Freitag, den 30. August 2019, 24:00 Uhr.
Der Ehefrau war auch nicht gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist zu gewähren. Ein entsprechender Wiedereinsetzungsantrag wurde trotz anwaltlicher Vertretung nicht gestellt. Im Übrigen scheitert eine – nach § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO grundsätzlich auch von Amts wegen mögliche – Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedenfalls daran, dass die Ehefrau die von ihr zu wahrende Klagefrist nicht ohne Verschulden versäumt hat (§ 60 Abs. 1 VwGO). Die Klagebegründung hat insoweit allein geltend gemacht, es sei naheliegend gewesen, die Klage im Namen von … … zu erheben, weil der Beklagte sowohl den Beihilfebescheid vom 5. Dezember 2018 als auch den Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2019 an diesen adressiert habe. Diese Ausführungen jedoch vermögen ein fehlendes Verschulden hinsichtlich der Einhaltung der Klagefrist durch die Ehefrau nicht zu begründen. Zum einen war der Beklagte vorliegend unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes verpflichtet, den Widerspruchsbescheid gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 VwGO – und zwar mit Wirkung für die beihilfeberechtigte Ehefrau – an den Kläger als deren Bevollmächtigten zuzustellen, s.o. Zum anderen enthalten sowohl der Bescheid vom 5. Dezember 2018 („Festsetzung der Beihilfe für Frau … …“) als auch der Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2019 („Vollzug der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) für Frau … …“) einen eindeutigen Hinweis darauf, dass verfahrensgegenständlich jeweils Beihilfeansprüche der Ehefrau waren. Sonstige Wiedereinsetzungsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II.
Da sich der auf der Klägerseite angestrebte Parteiwechsel im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen als unzulässig erweist, bleibt damit das ursprüngliche Prozessrechtsverhältnis bestehen (BGH, U.v. 16.12.1997 – VI ZR 279/96 – NJW 1998, 1496/1497; Eyermann/Rennert, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 39; BeckOK-VwGO/Wolff, 56. Ed. 1.4.2021, § 91 Rn. 37). Anhaltspunkte dafür, dass die ursprüngliche, im eigenen Namen des … …erhobene Klage auch dann, wenn es nicht zu dem gewünschten Parteiwechsel kommen sollte, nicht mehr weiterverfolgt würde, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Jedoch erweist sich auch diese durch den – ursprünglichen und jetzigen – Kläger im eigenen Namen erhobene Verpflichtungsklage als unzulässig, weil dieser nicht über die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis verfügt (dazu unter 1.). Ebenso wenig kommt vorliegend eine klageweise Geltendmachung der Beihilfeansprüche der Ehefrau durch den Kläger im Rahmen einer gewillkürten Prozessstandschaft in Betracht (dazu unter 2.).
1. Es mangelt dem Kläger an der für eine Klageerhebung im eigenen Namen notwendigen Klagebefugnis.
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist der Fall, wenn eine Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte des Klägers unter Zugrundelegung seines Vorbringens zumindest möglich erscheint. An dieser Möglichkeit fehlt es nur dann, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (BVerwG, U.v. 13.7.1973 – VII C 6.72 – BVerwGE 44, 1/3; U.v. 22.2.1994 – 1 C 24.92 – BVerwGE 95, 133/134; U.v. 23.8.1994 – 1 C 19.91 – BVerwGE 96, 302/305).
In Anwendung dieser Grundsätze erscheint vorliegend eine eigene subjektive Rechtsverletzung des Klägers durch den Beihilfebescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2019, durch welchen die Gewährung weiterer, über den Betrag von 1.564,82 EUR hinausgehender Beihilfeleistungen für die Aufwendungen seiner Ehefrau aus der Rechnung der Klinik … … vom 30. Oktober 2018 abgelehnt wurden, nach allen denkbaren Betrachtungsweisen offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen. Ein eigener Beihilfeanspruch des Klägers zu den betreffenden Aufwendungen seiner Ehefrau kommt ersichtlich nicht in Betracht, weil dieser nicht zum Kreis der beihilfeberechtigten Personen nach Art. 96 Abs. 1 BayBG, Art. 2 Abs. 1 BayRiStAG i.V.m. § 2 Abs. 1 BayBhV zählt. Dieser umfasst Beamte, Richter sowie Dienstanfänger (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV), Ruhestandsbeamte und Richter im Ruhestand sowie frühere Beamte und Richter, die wegen Dienstunfähigkeit oder Erreichens der Altersgrenze entlassen wurden oder wegen Ablaufs der Dienstzeit ausgeschieden sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BayBhV), Witwen und Witwer, hinterbliebene Lebenspartner im Sinne des § 1 Abs. 1 LPartG sowie die in Art. 39 BayBeamtVG genannten Kinder der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BayBhV bezeichneten Personen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 BayBhV). Dass auch der Kläger einer der dort abschließend aufgezählten Personengruppen zugehörig wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr ist nur seine Ehefrau Ruhestandsbeamtin des Beklagten und damit nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 BayBhV beihilfeberechtigt.
2. Schließlich erwiese auch eine eigene Klageerhebung des Klägers als gewillkürter Prozessstandschafter seiner beihilfeberechtigten Ehefrau aus unstatthaft. Denn im Anwendungsbereich der Anfechtungsklage und der – hier einschlägigen – Verpflichtungsklage wird eine gewillkürte Prozessstandschaft durch § 42 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen (vgl. BVerwG, U.v. 26.10.1995 – 3 C 27.94 – NVwZ-RR 1996, 537; BayVGH, B.v. 16.8.2000 – 19 B 99.2247 – NVwZ 2001, 339/340; VGH BW, U.v. 7.11.2014 – 2 S 1529/11 – juris Rn. 38; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Vorb. § 40 Rn. 25; NK-VwGO/Czybulka/Siegel, 5. Aufl. 2018, § 62 Rn. 21).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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