Steuerrecht

Nichtigkeit eines Körperschaftsteuerbescheids

Aktenzeichen  1 K 1514/16

Datum:
4.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 130993
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
KStG § 8b Abs. 3, § 10 Nr. 2
EStG § 43a Abs. 2 S. 10, § 52a Abs. 1, 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 43 Abs. 1 S. 4, 43a Abs. 2 S. 8 und 10

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

Die Klage ist auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Die Klägerin hält den Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 10.12.2010 für nichtig und begehrt dessen Änderung, falls er nur rechtswidrig sein sollte. Das Klagebegehren ist somit auf eine Nichtigkeitsfeststellungsklage und eine hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage gerichtet. Die so verstandene Klage ist im Haupt- und im Hilfsantrag unbegründet.
1. Der Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 10.12.2010 ist zwar rechtswidrig jedoch nicht wegen Nichtigkeit unwirksam.
1.1. Der Bescheid ist nicht nur rechtswidrig, weil die 2008 erzielten Gewinne und erlittenen Verluste aus der Veräußerung von P-Aktien entgegen § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 KStG bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt wurden. Er ist vielmehr auch deshalb rechtswidrig, weil entgegen § 10 Nr. 2 KStG die Zinsabschlagsteuer auf die Zinserträge aus dem Rechtsanwaltsanderkonto und der Solidaritätszuschlag hierauf nicht dem erklärten Gewinn hinzugerechnet wurden.
Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin weder die in der GuV erklärten Zinserträge noch die in der GuV als Aufwand erklärte Zinsabschlagsteuer und den Solidaritätszuschlag hierauf nachgewiesen hat. Denn gemäß § 158 AO ist davon auszugehen, dass der in der GuV angegebene Zinsertrag und der hierzu erklärte Aufwand den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, weil insofern weder formelle noch materielle Buchführungsmängel ersichtlich sind.
1.2. Diese Fehler führen jedoch nicht zur Nichtigkeit, weil keine Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 125 Abs. 2 und Abs. 1 AO vorliegen.
1.2.1. Der Bescheid verstößt nicht gegen die guten Sitten.
Gemäß § 125 Abs. 2 Nr. 4 AO ist ein Verwaltungsakt (VA) nichtig, der gegen die guten Sitten verstößt.
Ob ein solcher Verstoß vorliegt, bestimmt sich nach den sozialethischen Wertvorstellungen, die von der Rechtsgemeinschaft als maßgebliche Ordnungsvoraussetzungen anerkannt sind. Nach dem Wortlaut des § 124 Abs. 2 Nr. 4 AO muss der VA selbst, mithin die durch ihn getroffene Regelung, gegen die guten Sitten verstoßen. Sittenwidriges Verhalten im Vorfeld des Erlasses eines VA führt somit nicht zur Nichtigkeit. Hierfür spricht auch § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO. Denn danach darf ein durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Bedrohung und Bestechung erwirkter VA lediglich zurückgenommen werden, was dessen Wirksamkeit voraussetzt (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 13.12.2012 12 K 1084/11 G, juris; Rozek in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 243. Lieferung 07.2017, § 125 AO, Rn. 86)
Nach diesen Grundsätzen verstößt der Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 10.12.2010 nicht gegen die guten Sitten. Der Regelungsinhalt der festgesetzten Körperschaftsteuer beschränkt sich auf die Festsetzung eines Geldbetrags und verhält sich somit gegenüber sozialethischen Wertvorstellungen neutral. Dahinstehen kann, ob vor dem Erlass des Bescheids gegen die guten Sitten verstoßen wurde, weil dies keine Nichtigkeit zur Folge haben kann.
1.2.2. Der Bescheid ist auch nicht nach § 125 Abs. 1 AO nichtig.
Gemäß § 125 Abs. 1 AO ist ein VA nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
Ein besonders schwerwiegender Fehler liegt nur vor, wenn der rechtswidrige VA die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so hohem Maße verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann, den ergangenen VA als verbindlich anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil vom 26.04.2006 II R 58/04 BStBl II 2006, 793). Maßgebend ist die Art des Fehlers. Keine Entscheidungskriterien sind, ob der Fehler der Finanzbehörde bewusst oder aus Versehen unterlief und ob er vermeidbar oder unvermeidbar war. Denn § 125 AO hat nicht den Zweck, bewusstes Fehlverhalten der Finanzbehörden zu sanktionieren (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2006 III R 31/06, BFH/NV 2007, 392). Fehlt dem VA die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist nicht schon allein deshalb von einem besonders schwerwiegenden Fehler auszugehen. Vielmehr führt das Fehlen der erforderlichen Rechtsgrundlage regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit des VA. Allein eine schlechthin nicht zu rechtfertigende absolute Gesetzlosigkeit bewirkt Nichtigkeit. Eine solche absolute Gesetzlosigkeit ist anzunehmen, wenn es den VA seiner Art oder seinem Inhalt nach überhaupt nicht geben kann, etwa wenn ein Steuerbescheid eine gesetzlich nicht vorgesehene Steuer oder eine Steuer für einen Sachverhalt festsetzt, der unter gar keinen Umständen unter einen gesetzlichen Steuertatbestand subsumiert werden kann (Rozek in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 125 AO Rn. 40). Ob ein besonders schwerwiegender Fehler vorliegt, ist von Fall zu Fall anhand der jeweiligen für das Verhalten der Finanzbehörde maßgebenden Rechtsvorschriften zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 26.04.2006, a.a.O.).
Ein besonders schwerwiegender Fehler ist offenkundig, wenn er aus dem bekanntgegebenen VA ersichtlich ist (vgl. Rozek in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 125 AO Rn 72).
Nach diesen Maßstäben ist der Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 10.12.2010 nicht nach § 125 Abs. 1 AO nichtig.
Es fehlt bereits an einem besonders schwerwiegenden Fehler. Das entgegen § 8b Abs. 2 KStG i.V.m. § 8b Abs. 3 KStG und § 10 Nr. 2 KStG ermittelte Einkommen verletzte die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen nicht in so hohem Maße, dass von niemandem erwartet werden kann, den Bescheid als verbindlich anzuerkennen. Denn das fehlerhafte Einkommen macht aus dem Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 10.12.2010 keinen gesetzlosen VA, weil § 1 Abs. Nr. 1 KStG i.V.m. § 7 KStG das Finanzamt zu einer Körperschaftsteuerfestsetzung für 2008 verpflichteten. Vielmehr leidet der Bescheid lediglich an Rechtsanwendungsfehlern, welche seine Anerkennung als verbindliche Regelung nicht infrage stellen.
Dahinstehen kann, ob das Finanzamt zu Gunsten der Klägerin bewusst gegen § 10 Nr. 2 KStG verstoßen hat, um den Einspruch durch einen Abhilfebescheid erledigen zu können. Denn aus dem fehlenden Sanktionszweck des § 125 Abs. 1 AO folgt, dass ein Rechtsanwendungsfehler nicht deshalb zu einem besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 125 Abs. 1 AO wird, weil er bewusst begangen wurde.
Einer Nichtigkeit gemäß § 125 Abs. 1 AO steht zudem die fehlende Offenkundigkeit entgegen. Denn dem Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 10.12.2010 ist auch durch Auslegung nicht zu entnehmen, dass § 10 Nr. 2 KStG nicht angewendet wurde, um einen Einspruch zu erledigen. Aus den Erläuterungen zum Bescheid folgt nichts anderes. Zwar wird dort ausgeführt, dass sich durch diesen Bescheid der Einspruch vom 27.07.2010 erledigt. Die vom Ansatz der Nettozinsen abhängig gemachte Zustimmung zur Einspruchserledigung ergibt sich jedoch aus dem Aktenvermerk vom 26.11.2010, auf den im Bescheid gerade nicht Bezug genommen wird.
2. Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, den Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 10.12.2010 zu ändern, weil es hierfür an einer Rechtsgrundlage fehlt.
2.1. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist nicht möglich.
2.1.1. Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt wurden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen (vgl. § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO).
Tatsachen oder Beweismittel die zu einer niedrigeren Steuer führen, stehen mit Tatsachen oder Beweismitteln die zu einer höheren Steuer führen in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO, wenn der steuererhöhende Vorgang nicht ohne den steuermindernden Vorgang denkbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 28.03.1985 IV R 159/82, BStBl II 1986,120; BFH-Urteil vom 30.10.1986 III R 163/82, BStBl II 1987, 161).
Den Steuerpflichtigen trifft ein grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Mitwirkungspflichten verletzt und deshalb dem Finanzamt Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2006 VI R 59/02, BFH/NV 2007,866). Die aus § 150 Abs. 2 AO folgende Pflicht, Angaben in Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen, wird grundsätzlich grob fahrlässig verletzt, wenn eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und verständliche Frage nicht beantwortet wird (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2006, a.a.O.). Wird mit der Ausarbeitung der Steuererklärung ein steuerlicher Berater beauftragt, muss auch er sich um eine sachgerechte und gewissenhafte Erfüllung der Erklärungspflichten bemühen. Verletzt der Berater grob fahrlässig diese Pflichten, ist dies dem Steuerpflichtigen zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 26.08.1987 I R 144/86, BStBl II 1988, 109).
2.1.2. Nach diesen Maßstäben ist eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht möglich.
Dem Finanzamt wurde erst nach Erlass des Körperschaftsteuerbescheids 2008 vom 10.12.2010 im Rahmen der betriebsnahen Veranlagung bekannt, dass es sich bei den 2008 veräußerten Wertpapieren um Aktien handelte, der erklärte Gewinn mithin um die darin enthaltenen Gewinne und Verluste aus der Veräußerung der P-Aktien gemäß § 8b Abs. 2 KStG i.V.m. § 8b Abs. 3 KStG außerbilanziell zu korrigieren ist.
Der Steuererklärung war das nicht zu entnehmen, weil der mit Veräußerungsverlusten saldierte Gewinn aus der Veräußerung der P-Aktien im Kontennachweis der GuV lediglich als Ertrag aus der Veräußerung von anderen Wertpapieren und Ausleihungen des FAV bezeichnet wurde. Zudem wurden die Zeilen 44e ff des Körperschaftsteuererklärungsvordrucks KSt 1 Anicht ausgefüllt, obwohl darin ausdrücklich und verständlich nach Gewinnen im Sinne des § 8b Abs. 2 KStG und Gewinnminderungen im Sinne des § 8b Abs. 3 KStG gefragt wird.
Das Finanzamt wurde über die im Jahr 2008 veräußerten P-Aktien auch nicht vor Erlass des Körperschaftsteuerbescheids 2008 vom 10.12.2010 durch eine Bank informiert. Denn die Banken sind gemäß §§ 52a Abs. 1, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 43 Abs. 1 Satz 4, 43a Abs. 2 Sätze 8 bis 10 EStG erst seit dem 01.01.2009 verpflichtet bei einer Übertragung von Aktien in ein anderes Depot Kapitalertragsteuer einzubehalten. Dementsprechend informierte die Sparkasse 3 das Finanzamt nicht über die im Jahr 2008 veräußerten Aktien, sondern teilte erstmals zu den im Jahr 2009 veräußerten P-Aktien mit, dass keine Kapitalertragsteuer einbehalten werden konnte.
Der Vermerk „Gleiches für 2008 angefordert“, den der Veranlagungsbeamte am 27.05.2010 auf der für 2008 angefertigten Kopie des Schreibens vom 03.11.2009 anbrachte, rechtfertigt ebenfalls nicht den Schluss, dass dem Finanzamt bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass die Klägerin 2008 Aktien veräußerte. Denn aus den Erläuterungen zum Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 21.07.2010 folgt, dass am 27.05.2010 nur die zur Anrechnung der Zinsabschlagsteuer erforderliche Steuerbescheinigung sowie Unterlagen zum Nachweis der Prozesskostenrückstellung angefordert wurden und nicht um Mitteilung eines im Jahr 2008 erzielten Gewinns aus der Veräußerung von Aktien gebeten wurde.
Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO ist jedoch nicht möglich, weil die Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden der sich steuermindernd auswirkenden Gewinne aus der Veräußerung der P-Aktien ein grobes Verschulden trifft, da sie sich das Verschulden ihres steuerlichen Beraters zurechnen lassen muss. Hätte der steuerliche Berater der Klägerin in den Zeilen 44e ff des Körperschaftsteuererklärungsvordrucks KSt 1 Adie Gewinne aus der Veräußerung von P-Aktien eingetragen, wäre dem Finanzamt nicht erst nach Erlass des Körperschaftsteuerbescheids 2008 vom 10.12.2010 bekannt geworden, dass es sich bei den Erträgen aus „Wertpapiere/Ausleihungen FAV um Gewinne aus der Veräußerung von Aktien handelte. Durch die unterbliebenen Eintragungen verletzte er seine Pflicht vollständige Angaben in der Steuererklärung zu machen grob fahrlässig, weil in den Zeilen 44e ff ausdrücklich nach Gewinnen im Sinne des § 8b Abs. 2 KStG und Gewinnminderungen im Sinne des § 8b Abs. 3 KStG gefragt wird.
Das grobe Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden ist im Streitfall nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO unbeachtlich. Zwischen der Teilwert-abschreibung der im Jahr 2010 angeschafften P-Aktien und dem per Saldo erzielten Gewinn aus der Veräußerung von P-Aktien im Jahr 2008 besteht kein Zusammenhang im Sinn des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO. Zwar wurde dem Finanzamt erst im Rahmen der betriebsnahen Veranlagung und somit nach Erlass des Körperschaftsteuerbescheids 2010 bekannt, dass die für 2010 erklärte Teilwertabschreibung Aktien betrifft und sich diese somit nach § 8b Abs. 3 KStG nicht steuermindernd auswirken darf. Zwischen diesen nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen, die sich 2010 steuererhöhend auswirken und den nachträglich bekanntgewordenen Gewinnen und Verlusten aus der Veräußerung von P-Aktien im Jahr 2008, die sich 2008 steuermindernd auswirken würden, besteht jedoch weder ein unmittelbarer noch mittelbarer Zusammenhang. Denn die Wertminderung von im Jahr 2010 angeschafften Aktien ist auch ohne die Veräußerung von Aktien im Jahr 2008 denkbar. Deren Wert würde sich vielmehr auch dann mindern, wenn 2008 keine oder nicht unter § 8b KStG fallende Wertpapiere veräußert worden wären.
2.2. Der Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom 10.12.2010 kann auch nicht gemäß § 129 AO berichtigt werden.
2.2.1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen jederzeit berichtigen.
Offenbare Unrichtigkeiten i.S. von § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht.
Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden (BFH-Urteil vom 03.08.2016 X R 20/15, BFH/NV 2017, 438).
2.2.2. Nach diesen Maßstäben ist eine Berichtigung des Körperschaftsteuerbescheids 2008 vom 10.12.2010 nicht möglich, weil dem Finanzamt beim Erlass dieses Bescheids kein mechanisches Versehen unterlaufen ist und somit keine ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO vorliegt.
Der Bearbeiter hat es nicht versehentlich unterlassen, die Körperschaftsteuerbescheide für 2008 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu erlassen. Anhaltspunkte hierfür sind dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Zudem folgt aus der endgültigen Veranlagung der Jahre 2005 bis 2007 und der Anregung einer betriebsnahen Veranlagung für die Jahre 2009 und 2010, dass der Veranlagungsbeamte das Jahr 2008, ebenso wie die Vorjahre, endgültig und nur die Jahre 2009 und 2010 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagen wollte.
Der Bearbeiter hat auch für 2008 keine Mitteilung einer Bank übersehen, weil dem Finanzamt die 2008 erfolgte Veräußerung von P-Aktien nicht mitgeteilt wurde.
Ein Eingabefehler im Hinblick auf § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 KStG liegt auch nicht vor. Denn dem Finanzamt ist erst während der betriebsnahen Veranlagung und somit nach dem Erlass des Körperschaftsteuerbescheids 2008 vom 10.12.2010 bekannt geworden, dass die Klägerin im Jahr 2008 Aktien veräußerte.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.


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