Steuerrecht

Tierschutzrechtliche Anordnungen zur Haltung von Eseln

Aktenzeichen  W 8 K 18.1027

Datum:
6.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 11374
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16a S. 1, S. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Die Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 9. Juni 2009 zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten sind als sog. vorweggenommenes Sachverständigengutachten von Behörden und Gerichten zu berücksichtigen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Beurteilung, ob Verstöße gegen das Tierschutzrecht vorliegen, kommt grundsätzlich den Einschätzungen der Amtstierärzte aufgrund ihrer Expertise eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Einzäunung einer Koppel mit zum Teil erheblich eingewachsenen Litzen in Höhe der Carpalgelenke der gehaltenen Esel führt zu einer erheblichen Verletzungsgefahr für die Esel. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass Nr. 1.1 und Nr. 3.1 des Bescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 18. Juli 2018 rechtswidrig waren.
Nr. 4 und Nr. 5 des Bescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 18. Juli 2018 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist teilweise zulässig und – wie tenoriert – teilweise begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1.
Vorab ist festzuhalten, dass die Klage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif war. Der Entscheidungsreife stand auch nicht die vom Kläger begehrte Beiziehung weiterer Behördenakten bzw. weiterer behördlicher Schreiben des Landratsamtes bzw. Veterinäramtes Aschaffenburg entgegen. Dem Kläger wurde nach § 100 VwGO die Akteneinsicht in die Akten des Landratsamtes bzw. Veterinäramtes Aschaffenburg sowie in die Behördenakte des Kreises Offenbach gewährt. Soweit der Kläger von zwei separat geführten Akten des Veterinäramtes und des Landratsamtes ausgeht, wurde von der Beklagtenseite angegeben, dass dies nicht zutrifft. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte, dass die Beklagtenseite insofern falsche Angaben macht oder die Akten unvollständig sind. Zudem sind in der vorgelegten Behördenakte der Beklagtenseite sowohl Schreiben des Landratsamtes als auch des Veterinäramtes enthalten. Deshalb war auch dem Antrag des Klägers auf Beiziehung sämtlicher Korrespondenz mit dem Verteilerkreis, der sich aus Blatt 88 der Behördenakte ergibt, (vgl. Schreiben des Klägers vom 29. August 2018) und dem Antrag auf Beiziehung des gesamten Funktionspostfachs des Veterinäramtes (vgl. Schreiben des Klägers vom 8. Oktober 2018) nicht nachzukommen. Zudem ist bezüglich der beiden zuletzt genannten Anträge nicht ansatzweise ersichtlich, inwiefern diese der Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids dienlich sein sollten, noch welche konkreten Informationen sich der Kläger hieraus erhofft. Vielmehr sind von diesen Anträgen letztlich auch Verfahren von Personen betroffen, die keine Verbindung zum Kläger haben und die betreffend der Kläger kein Informations- bzw. Recht hat. § 100 VwGO sieht auch nur ein Akteneinsichtsrecht der Beteiligten und nicht von Unbeteiligten vor, so dass der Kläger nur ein Akteneinsichtsrecht in ihn betreffende Akten und Unterlagen hat.
2.
Die Klage ist zu einem kleinen Teil nicht zulässig.
Unzulässig ist die Klage, soweit sich der Kläger gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids wendet. Statthafter Rechtsbehelf ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit keine Klage, sondern es steht hiergegen nur der Rechtsschutz im Eilverfahren zur Verfügung. Auch die vom Kläger geltend gemachte fehlende Rechtsbehelfsbelehrung:ermöglicht keine Überprüfung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Klageverfahren. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO eine Rechtsbehelfsbelehrung:bereits nicht vorgesehen ist (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 35. EL September 2018, § 80 Rn. 199, 262).
Zulässig ist die Klage, soweit der Kläger sich mit der nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaften Anfechtungsklage gegen die in Nr. 4 und Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids festgesetzten Kosten wendet.
Zulässig ist die Klage auch, soweit der Kläger sich mit der hilfsweise beantragten und statthaften Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Anordnungen in Nr. 1 i.V.m. Nr. 3 des Bescheids vom 18. Juli 2018 wendet (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Diese Anordnungen haben sich in Folge der Verbringung der Esel erledigt. Eine Erledigung ist dann anzunehmen, wenn ein Verwaltungsakt aufgrund nachträglicher Entwicklungen seinen Regelungszweck nicht mehr erreichen kann (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 209b). Die im vorliegenden Fall getroffenen tierschutzrechtlichen Anordnungen hinsichtlich des Witterungsschutzes, des Zaunes und der verletzungsträchtigen Gegenstände sind eng mit den örtlichen Gegebenheiten der Weide des Kerberhofes verbunden und können nicht ohne weiteres auf eine andere Weide übertragen werden. Daher kann nach dem Verbringen der Esel auf eine andere Weide der Regelungszweck der tierschutzrechtlichen Anordnungen sowie der entsprechenden Zwangsgeldandrohungen nicht mehr erreicht werden. Zumal die Verbringung nach den glaubhaften Angaben des Klägers auch dauerhaft erfolgt ist.
Der Kläger hat auch im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage ein besonderes Feststellungsinteresse, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Zwar ergibt sich ein Rehabilitationsinteresse nicht allein aus der Weitergabe der Informationen an die nach der Verbringung zuständig gewordene Behörde, jedoch hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung zurecht darauf verwiesen, dass der streitgegenständliche Bescheid in Zukunft auf die Prüfung der Wiedererteilung einer Zulassung als Transportunternehmer für die Beförderung lebender Wirbeltiere negative Auswirkungen haben kann. Denn bei der Prüfung der Zulassung als Transportunternehmer für die Beförderung lebender Wirbeltiere muss der Antragsteller seine Zuverlässigkeit nachweisen (vgl. Bl. 8 der Behördenakte des Kreises Offenbach). Der Nachweis der Zuverlässigkeit kann unter anderem im Falle von Verstößen gegen das Tierschutzrecht als nicht erbracht angesehen werden. Folglich könnte der streitgegenständliche Bescheid zum Nachteil des Klägers berücksichtigt werden. Der Kläger kann auch nicht auf eine inzidente Überprüfung des streitgegenständlichen Bescheides im Zulassungsverfahren als Transportunternehmer verwiesen werden. Eine solche wäre zugunsten des Klägers kaum möglich, da die zuständige Behörde sich dann aller Voraussicht nach auf die Bestandskraft des streitgegenständlichen Bescheides berufen würde.
3.
Die Klage ist begründet, soweit die Nr. 1.1 und Nr. 3.1 des Bescheids vom 18. Juli 2018 rechtswidrig waren und soweit Nr. 4 und Nr. 5 desselben Bescheids rechtswidrig sind. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
3.1
Der streitgegenständliche Bescheid vom 18. Juli 2018 ist insgesamt formell rechtmäßig. Ein durchgreifender Anhörungsmangel gem. Art. 28 BayVwVfG ist nicht gegeben. Zwar ist vorliegend eine Anhörung des Klägers nach Durchführung der Vor-Ort-Kontrolle am 3. Juli 2018 nicht in der Behördenakte dokumentiert. Jedenfalls ist eine Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Art. 45 BayVwVfG durch Nachholung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingetreten (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2005 – 1 C 9/04 – BVerwGE 123, 90 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 7.10.2014 – 22 ZB 14.1062 – juris Rn. 9 f.). Auch die vom Kläger angeführte unangekündigte Kontrolle und ein vermeintlich unbefugtes Betreten begründen keinen durchgreifenden Verfahrensfehler. Denn nur eine unangekündigte Kontrolle bei anonymen Anzeigen kann gewährleisten, dass bei der Kontrolle die tatsächlichen Zustände vorgefunden werden können. Zudem sieht § 16 Abs. 3 Nr. 1 TierSchG ausdrücklich vor, dass Personen, die von der zuständigen Behörde beauftragt sind, zum Zwecke der Aufsicht Grundstücke des Auskunftspflichtigen während der Geschäfts- oder Betriebszeit betreten, besichtigen und dort zur Dokumentation Bildaufzeichnungen, mit Ausnahme von Bildaufzeichnungen von Personen, anfertigen dürfen. Diese Überwachungsmaßnahmen treffen auch jeden, der möglicherweise Adressat einer tierschutzrechtlichen Anordnung, insbesondere nach § 16a TierSchG, werden kann, insbesondere also jeden auch privaten Tierhalter (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16 Rn. 1).
3.2
Die tierschutzrechtlichen Anordnungen waren teilweise materiell rechtswidrig.
Rechtsgrundlage für die tierschutzrechtlichen Anordnungen ist § 16a Satz 1, § 16a Satz 2 Nr. 1, § 2 TierSchG i.V.m. mit den Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 9. Juni 2009 zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten (im Folgenden: Leitlinien des BMEL). Gemäß den Ausführungen in der Einleitung der Leitlinien des BMEL sind diese auch für Esel anwendbar. Als sogenanntes vorweggenommenes Sachverständigengutachten sind diese Leitlinien des BMEL in der Sache auch von den Behörden und den Gerichten zu berücksichtigen.
Nach § 16a Satz 1, § 16a Satz 2 Nr. 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die zuständige Behörde kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen anordnen. Bei der Beurteilung, ob Verstöße gegen das Tierschutzrecht vorliegen, kommt grundsätzlich den Einschätzungen der Amtstierärzte aufgrund ihrer Expertise eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 24 und 26). Von den Feststellungen des Amtstierarztes wäre nur dann nicht auszugehen, wenn das Gutachten Mängel aufweist, die es zur Sachverhaltsfeststellung als ungeeignet, zumindest aber als nicht ausreichend tragfähig erscheinen lässt. Dies wäre etwa der Fall, wenn das Gutachten unvollständig oder widersprüchlich wäre oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausginge oder sich erhebliche Zweifel an der Sachkunde des Gutachters ergäben (vgl. NdsOVG, B.v. 29.11.2017 – 11 ME 268/17 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 23.11.2017 – OVG 5 B 2.17 – juris; BayVGH, B.v. 6.11.2017 – 9 C 17.328 – juris; B.v. 6.11.2017 – 9 ZB 15.2608 – juris; B.v. 19.10.2017 – 9 ZB 16.2073 – juris; B.v. 23.5.2017 – 9 C 16.2602 – juris; B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.2694 – juris; OVG LSA, B.v. 10.5.2017 – 3 M 51/17 – juris).
Materiell rechtswidrig war der streitgegenständliche Bescheid zunächst insoweit als in Nr. 1.1 angeordnet wurde, dass den Eseln ein ausreichend großer Witterungsschutz zur Verfügung zu stellen ist, der alle Esel gleichzeitig gegen Sonne, Hitze, Regen und Wind schützt. Denn diese Anordnung beruht zum einen auf unzutreffenden amtstierärztlichen Feststellungen. Nach Nr. 4.4 der Leitlinien des BMEL wäre der Berechnung der Liegefläche für den Witterungsschutz mit Trennung von Liege- und Fressbereich die Formel „3 x Wh²/Pferd“ zugrunde zu legen gewesen. Den Beklagtenvertreter ist jedoch hinsichtlich dieser Formel ein erheblicher Fehler unterlaufen. In der Begründung des Bescheids wurde unzutreffend ausgeführt, dass je Esel mindestens die dreifache Widerristhöhe zum Quadrat (= (3 x Wh)² in m²) als Witterungsschutz zur Verfügung stehen muss. Dies wurde auch von den Beklagtenvertretern in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Zum anderen beruht die Anordnung auch auf unvollständigen amtstierärztlichen Feststellungen, da von der Beklagtenseite bei der Kontrolle am 3. Juli 2018 weder die tatsächliche Widerristhöhe der Esel noch die Größe des tatsächlich vorhandenen Witterungsschutzes nachgemessen wurde. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden bei der Beurteilung des Witterungschutzes das Vorhandensein von anderweitigen schattigen Unterstellmöglichkeiten. Der entsprechende Einwand des Klägers, dass es Bäume gebe, die außerhalb des Zauns, aber noch auf dem Grundstück seien und so geschnitten seien, dass sie einen Schattenwurf auf das weite Grundstück hätten, wird durch ein vom Kläger mit der Klagebegründung vorgelegtes Lichtbild bestätigt. Auf diesem Lichtbild ist ein Esel erkennbar, der unter den Bäumen Schutz sucht und auch gefunden hat, da die Bäume erkennbar einen großen Schatten werfen.
Auch ein nachträglicher Austausch der Formel ist nicht mehr geeignet, eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Verstoßes zu schaffen. Zum einen ist maßgeblich bei der vorliegend statthaften Fortsetzungsfeststellungsklage als Fortführung der ursprünglich statthaften Anfechtungsklage die Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 56) und zum anderen würden hierdurch nicht nur Gründe nachgeschoben, sondern die Begründung in ihrem wesentlichen Punkt vollständig ausgetauscht werden.
Selbst wenn man anhand der Leitlinien des BMEL die erforderliche Größe des Witterungsschutzes berechnet, ergäbe sich, dass der tatsächlich vorhandene Witterungsschutz dem Spielraum dieser Vorgaben entspricht. Nach Nr. 3.1.1, Nr. 4, Nr. 4.4 der Leitlinien des BMEL muss ein Witterungsschutz unabhängig vom rassespezifischen Typ vorhanden sein, wenn Pferde – im vorliegenden Fall Esel – ganzjährig oder über einen längeren Zeitraum ganztägig auf der Weide gehalten werden. Auf den Witterungsschutz sind sinngemäß die Anforderungen, die an den Liegebereich in einem Offenlaufstall gestellt werden, anzuwenden. Bei der Berechnung sollte in der Regel eine Widerristhöhe von nicht weniger als 110 cm eingesetzt werden. Bei der Liegefläche im Offenlaufstall bzw. dem Witterungsschutz mit einer Trennung von Liege- und Fressbereich bei Gruppenhaltung ist die Formel „3 x Wh²/Pferd“ anzuwenden. Legt man diesen Vorgaben die vier Esel des Klägers mit jeweils einer Widerristhöhe von 110 cm zugrunde, ergibt sich eine erforderliche Fläche von 14,52 m² (4 x (3 x 1,1²) = 14,52 m²). Eine Reduzierung ist möglich bis „2,5 x Wh²/Pferd“, wenn günstige Voraussetzungen hinsichtlich Raumstruktur und Management vorhanden sind. Bei dieser Formel ergibt sich dann eine erforderliche Fläche von 12,1 m² (4 x (2,5 x 1,1²) = 12,1 m²). Die tatsächliche Fläche des vorgefundenen Witterungsschutzes beträgt 13,695 m² (4,15 m x 3,30 m = 13,695 m²), wenn man die Maße, die die Beklagtenvertreter bei der Kontrolle am 7. August 2018 schließlich für den Unterstand nachgemessen hatte, verwendet. Vergleicht man den Spielraum der Flächenwerte von 14,52 m² bis 12,1 m² mit der tatsächlich vorgefundenen Fläche des Unterstandes von 13,695 m², hält der Witterungsschutz den Größenspielraum ein und befindet sich sogar näher am größeren Wert von 14,52 m².
Soweit die Beklagtenvertreter erklärten, dass der Unterstand zu klein gewesen sei, weil nicht alle Esel gleichzeitig vollständig Schatten gefunden haben, führt dies nicht dazu, dass die Anordnung im Nachhinein auf eine rechtmäßige Grundlage gestellt werden kann. Dies führt vielmehr dazu, dass die Anordnung dann nicht dem Erfordernis der Bestimmtheit genügt. Denn der Adressat dieser Anordnung hätte, auch nicht in Verbindung mit der Begründung des Bescheids, erkennen können, welche konkreten Maßnahmen von ihm nun gefordert würden. Da der Bescheid in der Begründung maßgeblich auf die Berechnung der Größe des Witterungsschutzes auf Basis der genannten Formel abstellt, würde dies bei einem Adressaten – wie im vorliegenden Fall des Klägers – Unverständnis hervorrufen, wenn er anhand dieser Formel seinen Unterstand als ausreichend groß berechnet. Dieser Einwand der Beklagtenseite zeigt vielmehr, dass der unzureichende Witterungsschutz nicht allein auf der Anwendung einer Formel basiert, sondern eher durch die Konstruktion des Witterungsschutzes bedingt ist. Geeignet die Anforderungen an den Witterungsschutz infolge des zu geringen Schattenwurfs umzusetzen, wäre wohl eher – auch als milderes Mittel – eine Anpassung der Seitenwände als eine Anpassung der Größe des Witterungsschutzes gewesen. Letzteres hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt.
Rechtmäßig war der Bescheid jedoch, soweit in Nr. 1.2 und Nr. 1.3 Anordnungen bezüglich der Einzäunung und der Entfernung verletzungsträchtiger Gegenstände getroffen wurden. Bezüglich dieser Anordnungen begegnen die Einschätzungen der Amtstierärzte im Gegensatz zum Witterungsschutz keinen Bedenken.
Nr. 1.2 des streitgegenständlichen Bescheids bezüglich der Anordnungen den Zaun instand zu setzen, ihn dauerhaft instand zu halten und regelmäßige seine Funktionsfähigkeit zu überprüfen sowie den Zaun so zu gestalten, dass er keine Verletzungsgefahr für die Esel darstellt, ist rechtmäßig. Nach Nr. 3.1.2 der Leitlinien des BMEL sind folgende Anforderungen an eine Einzäunung zu stellen: Die Einzäunung muss so beschaffen sein, dass die größtmögliche Sicherheit für Tier und Mensch gewährleistet ist. Dabei sind die arttypischen Verhaltensweisen des Pferdes als Fluchttier und die Besonderheiten seines Gesichtsfeldes zu berücksichtigen. Die Einzäunung muss gut sichtbar, stabil und möglichst ausbruchsicher sein. Die Bedeutung der Stabilität wird bisweilen unterschätzt; sie muss z.B. bei älteren Holzzäunen oder bei alleiniger Verwendung von Elektrozäunen besonders beachtet werden. Defekte oder unzureichende Einzäunungen sowie die Verwendung von Stacheldraht und anderen Metalldrähten, ausgenommen gut sichtbare Elektrodrähte, sind tierschutzrelevant. Bei der Zaunausführung sind spezielle Kriterien zu beachten, wie beispielsweise Rasse und Geschlecht der Pferde, Beweidungsform (ganzjährig, zeitweise), Bestandsdichte und Futterangebot, Art, Lage und Größe der Weide (Verkehrsnähe, Risikobereiche) bzw. des Auslaufs sowie Zaunmaterial. Für die Außenzaunausführung sollten folgende Richtwerte eingehalten werden: Zaunhöhe über Grund: 0,75 x Widerristhöhe (i.d.R. 1/3 des Pfahls im Boden).
Diesen Anforderungen wurde der Zaun in dem bei der Kontrolle vorgefundenen Zustand nicht gerecht. Hierzu wurde in der Begründung des Bescheids nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit den Leitlinien des BMEL ausgeführt, dass die Einzäunung unverändert niedrig war, manche Litzen keinen Strom führten und teilweise von Sträuchern und Büschen eingewachsen waren und somit die Einzäunung nicht ausbruchsicher war und aufgrund der niedrigen Höhe weiterhin eine Verletzungsgefahr für Esel darstellte. Auch wurde auf die Kontrolle am 18. Januar 2018 und das Schreiben des Landratsamts vom 23. Januar 2018 verwiesen. Insbesondere war dem Schreiben des Landratsamts vom 23. Januar 2018 nachvollziehbar zu entnehmen, dass die Litzen in Höhe der Carpalgelenke der Esel kaum erkennbar waren und damit insbesondere auf dieser Höhe eine erhebliche Verletzungsgefahr für die Esel darstellten. Dass die Litzen zum Teil eingewachsen waren und in der Folge kaum sichtbar waren, stimmt auch mit dem Lichtbild auf Bl. 30 der Behördenakte des Beklagten überein. Dort ist eindeutig zu sehen, dass der Pflanzenbewuchs bereits die unterste Litze fast vollständig und auch die mittlere Litze zum Teil überwachsen hatte. Insbesondere auf der linken Seite des Lichtbildes sind die Litzen kaum erkennbar. Insofern kann der Einwand des Klägers regelmäßiger Instandhaltungsmaßnahmen nicht überzeugen.
Des Weiteren wurde bei der Kontrolle am 3. Juli 2018 (vgl. Bl. 29 der Behördenakte) festgestellt, dass der Zaun an mehreren Stellen nur circa 70 cm hoch war. Wendet man den Richtwert für die Außenzaunführung: Zaunhöhe über Grund = 0,75 x Widerristhöhe, an und legt dieser die Widerristhöhe des größten Esels zugrunde, ergibt sich ein Richtwert von 80 cm = 0,75 x 107 cm. Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass es keine Richtlinie gebe, dass drei Litzen vorhanden sein müssten und alle drei stromführend sein müssten, ist unabhängig hiervon die Einschätzung der Beklagtenvertreter nachvollziehbar. Ein Zaun mit drei stromführenden Litzen ist im Ergebnis ausbruchsicherer, als wenn nur eine Litze Strom führt. Insbesondere, wenn wie aus den Leitlinien des BMEL hervorgeht, ein Elektrozaun nur aufgrund der Stromführung ausreichend stabil und damit ausbruchsicher ist. Im Ergebnis wurden die Bedenken an die Ausbruchssicherheit auch nicht nur auf die Stromführung und die Anzahl der Litzen gestützt, sondern auf die Kombination mit der schlechten Erkennbarkeit und niederen Höhe. Der weitere Einwand des Klägers, der Esel könne sich nicht verletzen, da er kein Fluchttier ist überzeugt nicht. Unabhängig von möglichen Verletzungsmöglichkeiten infolge von einem flüchtenden Tier, können sich Tiere unterschiedlichster Arten, auch wenn sie nicht gerade flüchten, verletzen.
Auch soweit in Nr. 1.3 des Bescheids die Entfernung von Gegenständen, an denen sich die Esel verletzen können, aus dem Grundstück oder durch Einzäunung aus dem Aufenthaltsbereich der Tiere spätestens binnen drei Tage angeordnet wurde, ist dies nicht zu beanstanden. Die entsprechende Einschätzung der Amtstierärzte ist nachvollziehbar und kann von den Ausführungen des Klägers nicht widerlegt werden. Bei der Vor-Ort-Kontrolle am 3. Juli 2018 wurde festgestellt, dass neben dem Unterstand alte Holzbalken und Holzteile lagen. Dies ergibt sich auch aus dem entsprechenden Lichtbild in der Behördenakte (Bl. 29 Behördenakte des Beklagten). Im Gegensatz zu der Anordnung bezüglich des Witterungsschutzes ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Amtstierärzte von unzutreffenden Voraussetzungen ausgingen. Der Einwand des Klägers, die Esel wären bislang ohne Probleme auch auf diesen Gegenständen herumgeklettert, führt zu keiner anderen Beurteilung. Da es sich hierbei um eine Anordnung zur Abwehr von Gefahren handelt, bedarf es keines Vorkommnisses, bei dem sich ein Esel tatsächlich verletzt hat. Soweit der Kläger darauf verweist, dass ein Esel grundsätzlich trittsicher und kein Fluchttier ist, kann dies insoweit keine Zweifel an der Einschätzung der Amtstierärzte begründen, da zwar möglicherweise die Verletzungsgefahr geringer ist als bei Pferden. Aber auch bei trittsicheren Tieren kann es bei bestimmten Gegenständen zu erhöhtem Gefahrenpotential kommen. Wie bereits bezüglich der Einzäunung ausgeführt wurde, kann es nicht nur zu Verletzungen kommen, wenn ein Tier auf der Flucht ist.
Infolge der Rechtswidrigkeit der Nr.1.1 des Bescheids war in der Konsequenz auch für das entsprechend angedrohte Zwangsgeld in Nr. 3.1 des Bescheids die Rechtswidrigkeit festzustellen. Im Übrigen waren die Zwangsgeldandrohungen rechtmäßig.
Die Entscheidungen bezüglich der Kosten in Nr. 4 und Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids waren aufgrund der teilweisen unrichtigen Sachbehandlung nach Art. 16 Abs. 5 KG aufzuheben. Da wesentlicher Teil des Bescheids die rechtswidrige Beanstandung des Witterungsschutzes war, wäre der Verwaltungsaufwand bei richtiger Sachbehandlung geringer gewesen, wenn nicht der Erlass eines Bescheides sogar ganz unterblieben wäre, so dass die Kosten insgesamt aufzuheben waren.
4.
Nach alledem war der Klage teilweise stattzugeben. Die Kosten des Verfahrens wurden gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO gegeneinander aufgehoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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