Steuerrecht

Unzulässigkeit der Klage, keine Klärung der Steuerpflichtigkeit des Sterbegeldes im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid

Aktenzeichen  B 5 K 20.625

Datum:
10.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44552
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 88
VwGO § 42
VwGO § 43
BayBeamtVG Art. 33

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
I.
Gemäß § 86 Abs. 1 und 3, § 88 VwGO ist der Klagegegenstand durch das Gericht zu ermitteln. Dabei gebietet § 88 VwGO dem Gericht, das Klagebegehren zu erfassen und nur, aber vollständig über es zu entscheiden. Damit verbietet § 88 VwGO dem Gericht, mehr oder etwas anderes (aliud) zuzusprechen, als der Kläger begehrt (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2009 – 8 B 97.08). Bei Anfechtungsklagen gemäß § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO wird das Klagebegehren durch den angegriffenen Verwaltungsakt bestimmt (vgl. Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 88, Rn. 7). Ausweislich ihres Klageantrages vom 17.07.2020 und dem vorausgegangen behördlichen Widerspruchsverfahren wendet sich die Klägerin gegen die Bescheide des Landesamtes für Finanzen vom 28.04.2020 und vom 17.06.2020 und begehrt die Auszahlung des festgesetzten Sterbegeldes ohne Steuerabzug. Damit wendet sich die Klägerin in erster Linie im Wege der Anfechtungsklage gegen die Bescheide vom 28.04.2020 sowie vom 17.06.2020.
1. Diese Anfechtungsklage ist allerdings bereits unzulässig, da es an der nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis fehlt. Denn hinsichtlich des Festsetzungsbescheides vom 28.04.2020 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2020 hat die Klägerin bereits keine mögliche Rechtsverletzung geltend gemacht. Ausweislich ihres Klagevorbringens wendet sie sich ausschließlich gegen den Steuerabzug vom bescheidsmäßig festgesetzten Sterbegeld. Die Frage der Steuerpflichtigkeit des Sterbegeldes ist allerdings nicht Regelungsgegenstand der angegriffenen Bescheide, so dass eine dahingehende Rechtsverletzung der Klägerin infolge des Festsetzungs- und Widerspruchsbescheides bereits von vorherein ausscheidet. Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 28.04.2020 setzt lediglich die der Klägerin infolge des Todes ihres Ehemannes zustehenden monatlichen Versorgungsbezüge im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung sowie das Sterbegeld nach Art. 33 BayBeamtVG fest. Bereits im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2020 wurde darauf hingewiesen, dass die steuerliche Behandlung der festgesetzten Bruttobeträge in dem Bescheid vom 28.04.2020 nicht erfolgte.
2. Soweit die Klägerin ausweislich ihres Klagevorbringens seitens des Verwaltungsgerichts die Feststellung begehrt, dass das Sterbegeld i.S.v. Art. 33 BayBeamtVG Erstattungscharakter aufweise und nicht der Kategorie der Einkünfte zuzuordnen sei, ist dieser etwaige Feststellungsantrag i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO ebenfalls unzulässig. Denn feststellungsfähig nach § 43 Abs. 1 VwGO sind nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes. Keine Rechtsverhältnisse im vorgenannten Sinn sind bloße Vorfragen oder einzelne Elemente von Rechtsverhältnissen, soweit sie nicht selbst den Charakter von Rechten und Pflichten haben. Zu diesen Vorfragen oder Elementen gehört insbesondere die Frage, ob einzelne Tatbestandsmerkmale einer Norm erfüllt sind oder nicht. Kein Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat damit auch die Frage nach der Auslegung einer Norm (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43, Rn. 15), wie sie hier seitens der Klägerin in Bezug auf Art. 33 BayBeamtVG aufgeworfen wurde. Im Übrigen spricht alles dafür, dass die Feststellungklage gegenüber einer Leistungsklage auf Auszahlung des Sterbegeldes ohne Steuerabzug subsidiär (§ 43 Abs. 2 VwGO) und damit auch aus diesem Grund unzulässig wäre.
3. Soweit das klägerische Begehren darüber hinaus als Leistungsklage auf Auszahlung des Sterbegeldes ohne Steuerabzug zu verstehen ist, fehlt diesem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin im Streit um die Steuerpflicht auf andere Weise Rechtsschutz erlangen kann und muss (vgl. VG Berlin, U.v. 23.1.2015 – VG 5 K 158.13 und v. 10.5.2017 – VG 36 K 180.15). Soweit ein Dienstherr einen Steuerabzug von der Besoldung oder einer anderen Zahlung vornimmt, ist dieser Abzug immer nur vorläufig. Er wird insoweit lediglich als „Gehilfe“ der Finanzverwaltung tätig, die in eigener Zuständigkeit und Verantwortung die Steuer gegenüber dem Pflichtigen endgültig festsetzt (vgl. § 155 Abs. 1 AO). Das Ziel der Klägerin, das Sterbegeld steuerfrei zu erhalten, kann sie im vorliegenden Verfahren gar nicht endgültig erreichen. Denn selbst wenn die Klägerin die in Rede stehende Zahlung ohne den Steuerabzug erhielte, müsste sie damit rechnen, dass die Finanzbehörden diese Steuerzahlungen nachträglich von ihr verlangen würden. Umgekehrt erhielte die Klägerin eine zu Unrecht einbehaltene Steuerzahlung vom Finanzamt auf Antrag zurück. Aus diesem Grund gilt bei Besoldungszahlungen im öffentlichen Dienst auch grundsätzlich das Brutto-Prinzip (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2006 – 2 C 12/05; B.v. 17.3.2014 – 2 B 45/13; OVG Saarland, U.v. 21.2.2013 – 1 A 123/12 alle juris). Dies bedeutet nicht, dass gegenseitige Leistungen grundsätzlich in Brutto erbracht werden müssen, sondern dass über die steuerrechtliche Relevanz von gegenseitigen Ansprüchen nicht der Dienstherr entscheidet, sondern die Finanzbehörden und -gerichte. Dies soll der Verwaltungsvereinfachung dienen. Abweichendes würde dem Grundsatz widersprechen, dass über die Steuerpflichtigkeit von Leistungen letztlich Finanzverwaltung und -gerichte entscheiden. Würde man eine gesonderte Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte zulassen, käme es unter Umständen zu divergierender Rechtsprechung zwischen diesen und den Finanzgerichten (a.A. wohl VG München, U.v. 29.9.2015 – M 5 K 15.707 sowie VG Düsseldorf, U.v. 29.1.2014 – 26 K 3079/13; allerdings jeweils zur Steuerpflichtigkeit des Ausgleichsbetrages wegen unionsrechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit). Folglich stellt sich auch der Leistungsantrag als unzulässig dar.
Mithin erweist sich die erhobene Klage insgesamt als unzulässig und war daher abzuweisen.
II.
Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Entgegen der Auffassung der Klägerin waren dem Beklagten nicht gemäß § 155 Abs. 4 VwGO Kosten aufzuerlegen. Denn ein Verschulden des Landesamtes für Finanzen im Zusammenhang mit dem vorprozessualen Verhalten der Behörde – respektive dem Erlass des Widerspruchsbescheides – ist nicht ersichtlich. Ausweislich des Wortlautes ihres Schreibens vom 27.05.2020 erhob die Klägerin Widerspruch „gegen den Bescheid vom 28.04.2020“ über die Festsetzung von Versorgungsbezügen nach dem BayBeamtVG. Daraufhin erließ das Landesamt für Finanzen unter dem 27.06.2020 in zutreffender Weise einen Widerspruchsbescheid, in welchem es ausführte, dass die Festsetzung der Versorgungsbezüge korrekt erfolgt sei und weiterhin darauf hinwies, dass die steuerliche Behandlung des Sterbegeldes nicht Regelungsgegenstand des Bescheides vom 28.04.2020 gewesen sei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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