Steuerrecht

Versäumung der Jahresfrist zur Beihilfebeantragung – Keine Informationspflicht des Dienstherrn

Aktenzeichen  AN 1 K 16.01323

Datum:
16.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 151937
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96
BayVwVfG Art. 32
GG Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Die Jahresfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG steht den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht entgegen und erweist sich auch im Hinblick auf die nur geringen Mitwirkungspflichten des Beihilfeberechtigten selbst ohne eine Möglichkeit einer Wiedereinsetzung als verfassungsgemäß. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, seine Beamten über alle für sie einschlägigen Vorschriften zu belehren, lässt sich aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nicht ableiten. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 13. März 2015 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 29. Juni 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für die eingereichten Rechnungen aus dem Zeitraum vom 11. Oktober 2013 bis 15. Januar 2014, weil die Beihilfe entgegen Art. 96 Abs. 3a BayBG nicht innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen beantragt wurde und der Kläger auch nicht in entsprechender Anwendung des Art. 32 BayVwVfG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann (Ziffer 1 VV zu § 48 Abs. 6 BayBhV).
Der Gesetzgeber durfte in zulässiger Art und Weise durch Art. 96 Abs. 3a BayBG die Gewährung von Beihilfe von der Einhaltung der Jahresfrist abhängig machen. Diese Jahresfrist ist eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, deren Nichtbeachtung den Beihilfeanspruch zum Erlöschen bringt. Sie dient aus haushaltstechnischen Gründen dazu, eine baldige Klärung etwa noch bestehender Beihilfeansprüche herbeizuführen und ist mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar. Sie steht den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht entgegen und erweist sich auch im Hinblick auf die nur geringen Mitwirkungspflichten des Beihilfeberechtigten selbst ohne eine Möglichkeit einer Wiedereinsetzung als verfassungsgemäß (ausführlich zur vergleichbaren Jahresfrist Hess. VGH, U.v. 25.7.2012, Az. 1 A 2253/11, Rn. 31 ff., juris).
Im Hinblick auf die Fürsorgepflicht ist sie erst recht unbedenklich, wenn die Möglichkeit besteht, im besonderen Einzelfall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.1994, 3 B 93.45, S. 4). Dies ist durch die Anwendbarkeit von Art. 32 BayVwVfG der Fall (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2007, 14 C 06.3407; Ziffer 1 VV zu § 48 Abs. 6 BayBhV). Die Ausschlussfrist von einem Jahr ist auch nicht verfassungswidrig. Sie stellt weder einen Verstoß gegen das Rechtstaatsprinzip noch gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums dar (vgl. BVerwGE 21, 258), zumal wenn bei unverschuldeter Fristversäumnis grundsätzlich die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht (vgl. BayVGH a.a.O.). Ferner verstößt eine Ausschlussfrist, die materiellrechtliche Wirkungen hat, indem sie den Anspruch zum Erlöschen bringt, nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 61, 82, 114 zur materiellen Präklusion von Einwendungen bei Nichteinhaltung einer Monatsfrist; ferner BVerwG, Urteil vom 23.4.1997, NVwZ 1998, 847, 849 zur materiellen Präklusion im Planfeststellungsverfahren auch in Bezug auf grundrechtsrelevante Einwendungen nach Fristablauf gemäß § 73 Abs. 4 VwVfG).
Es bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die in den Verwaltungsvorschriften zum Beihilferecht ermöglichte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Soweit sich der Kläger darauf beruft, das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 28. März 1996 (Az. 7 C 28/95) die Aussage getroffen, eine materielle Ausschlussfrist schließe eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus und ermögliche deshalb andere Berücksichtigungsmöglichkeiten, lässt sich für die hier gegenständliche Frage nach der Gewährung von Beihilfe nichts ableiten. Vorliegend handelt es sich nämlich zwar auch um eine materielle Ausschlussfrist. Anders als beim § 30a VermG, welcher im Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts gegenständlich war, ist vorliegend jedoch durch Verwaltungsrichtlinien die Möglichkeit der Wiedereinsetzung eingeräumt. Einer darüber hinausgehenden Korrekturmöglichkeit bedarf es daher nicht mehr.
Der Kläger hat die mit den oben genannten Rechnungsbelegen geltend gemachten Aufwendungen erst nach Ablauf eines Jahres geltend gemacht. Maßgebend ist insoweit der Tag des Eingangs seines Beilhilfeantrags mit den hier in Frage stehenden Belegen bei der für die Beihilfe zuständigen Dienststelle, nicht aber, wann der Antragsteller die Antragsunterlagen auf den Weg gebracht hat. Dies ergibt sich aus dem oben dargestellten Zweck der Ausschlussfrist, innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Beihilfeaufwendungen eine Klärung über den Umfang bestehender Beihilfeansprüche zu erreichen.
Vorliegend ist der Beihilfeantrag für die im Zeitraum vom 11. Oktober 2013 bis 15. Januar 2014 entstandenen Aufwendungen frühestens am 21. Januar 2015 und damit nach Ablauf der Jahresfrist beim Beklagten eingegangen.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. Art. 32 BayVwVfG liegen nicht vor, weil der Kläger gemessen an diesen Maßstäben die Frist nicht unverschuldet versäumt hat. Die vom Kläger vorgetragene Erkrankung ist im rechtlichen Sinne nicht geeignet, ein Verschulden i.S.d. Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG auszuschließen. Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass insbesondere nach schweren persönlichen Schicksalsschlägen und hierdurch verursachten psychischen Erkrankungen auch ein Grad der Beeinträchtigung erreicht werden kann, der eine ordnungsgemäße Erledigung von Alltagsgeschäften und rechtlichen Angelegenheiten unmöglich macht und man in derartigen Fällen von fehlendem Verschulden ausgehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2007, 14 C 06.3407, juris). Eine derartige Beeinträchtigung ist aber für den konkreten Fall des Klägers nicht in der hierfür erforderlichen Weise (substantiiert) dargelegt worden. Aus dem (einzig vorliegenden) Attest des Dr. med. … … vom 9. Oktober 2015 ergibt sich für den Kläger eine Vereinsamung mit leicht depressiven Symptomen, viele Alltagstätigkeiten würden verdrängt und verschoben. Auch wenn diese Beeinträchtigungen subjektiv erheblich sein können, fehlt es hier – neben einer präzisen zeitlichen Einordnung – an einer erforderlichen Darlegung, dass Tätigkeiten wie die Beantragung von Beihilfe dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollten. In Ermangelung einer solchen ärztlichen Einschätzung muss das Gericht davon ausgehen, dass dem Kläger die Erledigung derartiger Angelegenheiten auch während der Zeit seiner Beeinträchtigung möglich gewesen ist.
Auch die behauptete Unkenntnis der Jahresfrist durch den Kläger kann keinen Grund für eine Wiedereinsetzung begründen. Eine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, seine Beamten über alle für sie einschlägigen Vorschriften zu belehren, lässt sich aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nicht ableiten (BVerwG Urteil vom 30.1.1997, 2 C 10.96, BVerwGE 104, 55; st. Rspr.). Hingegen besteht eine Obliegenheit der Beihilfeberechtigten, sich über derartige Fristen selbst zu informieren, wie auch das BVerwG hinsichtlich der Fristversäumnis ausgeführt hat, wonach ein Fristversäumnis dann verschuldet ist, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist (BVerwG, U.v. 8.3.1983, Az. 1 C 34/80, Rn. 19, juris). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auch bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt von der Frist keine Kenntnis erlangt hätte, bestehen nicht.
Auch aus dem Rechtsgedanken des § 126 Abs. 3 AO lässt sich für den Kläger nichts herleiten, nachdem sich dieser schon seinem Wortlaut nach nur auf Fehler von behördlicher Seite in einem laufenden Verwaltungsverfahren beziehen kann, nicht auf Antragsfristversäumnisse.
Das Fürsorgeprinzip gebietet keine weitergehenden Ausnahmen vom Erfordernis der Einhaltung der Jahresfrist. Im Übrigen sind auch keine Gesichtspunkte vorgetragen worden oder sonst erkennbar, die die so getroffene Entscheidung vorliegend als unverhältnismäßig erscheinen ließen. Soweit dies – wie vom Kläger angedeutet – in Fällen einer Existenzbedrohung oder einer schwersten persönlichen Belastung der Fall sein könnte, falls im Einzelfall keine Wiedereinsetzung möglich sein sollte, kann der Kläger hieraus keine für ihn günstigere Würdigung ableiten. In seinem Fall liegt weder eine im Einzelfall unzumutbare Härte vor, noch ergibt sich anderweitig eine erkennbare Unbilligkeit.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Berufung war nicht nach § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen. Auch wenn in der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung die vom Kläger aufgeworfene spezifische Frage nach einer möglichen Berücksichtigung unbilliger Härten bei Nichtvorliegen von Gründen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht abschließend geklärt sein sollte, ergibt sich hieraus nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Hierfür erforderlich ist nämlich, dass die dargelegte konkrete Rechtsfrage von Bedeutung und eine Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Hieran fehlt es bereits mangels Entscheidungserheblichkeit dieser Frage.


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