Steuerrecht

Zweckentfremdung von Wohnraum

Aktenzeichen  M 9 K 17.4360

Datum:
17.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 397
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2
BayZwEWG Art. 4

 

Leitsatz

1 Die Ermächtigungsgrundlage einer Verfügung kann ausgewechselt werden, wenn sich damit die rechtlichen Voraussetzungen nicht ändern (Anschluss an OVG Schleswig BeckRS 2009, 28515). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die tageweise Vermietung einer Wohnung für Zeiträume teils unter einem Monat zur kurzzeitigen und flexiblen Nutzung für die Dauer einer medizinischen Behandlung oder für die Dauer eines (Kurz-) Urlaubs stellt eine Zweckentfremdung dieses Wohnraums dar. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet; der angefochtene Bescheid verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig; die Klägerin als Eigentümerin wurde insbesondere unter dem 3. April 2017 zum beabsichtigen Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört (Bl. 118 d. BA).
2. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
a) Dass die Hauptverfügungen, Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheids, auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG i.V.m. Art. 4 ZwEWG n.F. gestützt wurden, ist auch angesichts der neu geschaffenen rein zweckentfremdungsrechtlichen Rechtsgrundlage in Art. 3 Abs. 2 ZwEWG n.F. (vgl. auch die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 17/15781, S. 6f.) unschädlich, da die Ermächtigungsgrundlage ausgewechselt werden kann, wenn sich damit die rechtlichen Voraussetzungen nicht ändern (vgl. z.B. OVG SH, U.v. 26.5.2009 – 1 LB 38/08 – juris). Dies ist hier der Fall, da beide Regelungen der Behörde u.a. Ermessen eröffnen. Die Zitate der alten Fassung der Zweckentfremdungssatzung der Beklagten (i.F.: ZeS) sind hingegen ohne Weiteres korrekt, da die Neufassung der ZeS erst im Dezember 2017 bekanntgemacht wurde.
b) Der zweckentfremdungsrechtliche Tatbestand des Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG n.F. i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS a.F. ist unzweifelhaft erfüllt, wie die Ortseinsichten vom 27. Januar 2016, Bl. 27 d. BA, vom 1. April 2016, Bl. 28 d. BA, vom 2. Mai 2016, Bl. 30 d. BA, vom 28. Juli 2016, Bl. 40 d. BA, vom 28. September 2016, Bl. 55 d. BA, vom 8. November 2016, Bl. 68 d. BA, vom 20. Dezember 2016, Bl. 80 d. BA, vom 30. März 2017, Bl. 116 d. BA, vom 28. Juli 2017, Bl. 193 d. BA, vom 12. September 2017, Bl. 203 d. BA und vom 11. Dezember 2017, Bl. 221 d. BA belegen.
Zur Feststellung, dass vor Übernahme der WE durch die Klägerin bereits Wohnraum im Sinne des Zweckentfremdungsrechts vorlag, wird auf die Ausführungen im zwischen denselben Beteiligten ergangenen Urteil vom heutigen Datum, M 9 K 17.3111, verwiesen.
Die (neue) bescheid- und streitgegenständliche Nutzung der WE durch die Klägerin stellt eine Zweckentfremdung dieses Wohnraums dar. Das maßgebliche Nutzungskonzept (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs) ist nach den im Rahmen der Ortseinsichten gesammelten Erkenntnissen auf eine gewerbliche Fremdenbeherbergung von sog. Medizintouristen und Urlaubstouristen durch tageweise Vermietung (teils unterschreiten die Zeiträume selbst einen Monat deutlich) ausgelegt. Diese Klientel nutzt die WE kurzzeitig und flexibel, entweder für die Dauer einer medizinischen Behandlung oder für die Dauer eines (Kurz-) Urlaubs. Diesen Sachverhalt hat die Geschäftsführerin der Klägerin auch vollumfänglich eingestanden (vgl. Schriftsatz vom 15. April 2017, Bl. 119ff. d. BA).
Ob diese Nutzungsweise als „Boardinghouse“ (vgl. dazu jüngst VG München, U.v. 15.11.2017 – M 9 K 17.557 – juris) bezeichnet wird oder nicht, ändert am Vorliegen einer zweckfremden Nutzung ebenso wenig wie das Vorbringen zu den Inhalten der Niederschrift aus dem Verfahren M 9 K 13.3185: Das damalige Verfahren betraf andere Wohneinheiten, wenn auch im selben Anwesen. Zum Umstand, dass das Zweckentfremdungsrecht nicht etwas „gesamtobjektbezogen“ ist, wird diesbezüglich auf die Ausführungen im zwischen denselben Beteiligten ergangenen Urteil vom heutigen Datum, M 9 K 17.3111, verwiesen. Unklar bleibt von vorn herein, wie eine Pflicht zur Gleichbehandlung rechtlich gefasst werden sollte, ob sich diese Verpflichtung bspw. nur auf das „Gesamtanwesen“ L.str. 16 oder bspw. auf alle Objekte in der L.straße oder im entsprechenden Stadtviertel bezöge. Weiter kann sich eine gleichförmige Verwaltungspraxis aus einer in einem einzelnen bestimmten Gerichtsverfahren geschlossenen Vereinbarung nicht ergeben, die wegen „rechtlicher Schwierigkeiten“ bei der Bewertung und ersichtlich auf den Einzelfall bezogen abgeschlossen wurde.
Unabhängig davon erfüllt die streitgegenständliche Nutzung die im Verfahren M 9 K 13.3185 aufgestellten Kriterien ohnehin nicht einmal ansatzweise. Grundlegend für die damalige Vereinbarung war, dass regelmäßig der ununterbrochene Zeitraum der Einzelvermietung drei Monate nicht unterschreiten durfte. Eine Unterschreitung des Dreimonatszeitraums war ausnahmsweise dann hinnehmbar, wenn dies durch Ausübung eines Sonderkündigungsrechts bei medizinisch begründeten Fällen erfolgt und die Ausübung des Sonderkündigungsrechts nicht mehr als 10% der Vermietungen, gemittelt auf einen Zeitraum von 36 Monaten, betrifft.
Vorliegend blieben alle im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen der Beklagten geschlossenen Mietverhältnisse, soweit ersichtlich, (teils weit) unter drei Monaten, sodass mehr als 10% der Vermietungen – nämlich 100% – betroffen sind. Außerdem stand jeweils nicht die ausnahmsweise Ausübung eines Sonderkündigungsrechts im Raum, sondern es ist davon auszugehen, dass die Mietverhältnisse entweder ohnehin nur zum Schein geschlossen wurden (teils wurde bspw. kein Mietzins vereinbart, vgl. Bl. 76 d. BA) und/oder automatisch mit Fortfall des Aufenthaltszwecks endeten.
c) Der Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 3 ZwEWG a.F., § 5 Abs. 4 ZeS a.F. ist in der vorliegenden Anfechtungssituation nicht mehr zu prüfen, da zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zwar § 5 Abs. 4 ZeS a.F. nominell noch in Kraft war, mit Art. 2 Satz 3 ZwEWG a.F. aber dessen Rechtsgrundlage bereits entfallen war. Zum Umstand, dass dieser Genehmigungsfreistellungstatbestand zudem ohnehin auch inhaltlich nicht erfüllt ist, wird auf die Ausführungen im zwischen denselben Beteiligten ergangenen Urteil vom heutigen Datum, M 9 K 17.3111, verwiesen.
d) Der Bescheid wurde zu Recht an die Klägerin gerichtet, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Die Endnutzer und die Wohnungsvermittler – so die genannten Personen Hr. H., Hr. N. bzw. Hr. A. A. existierten – wurden als potentielle (Mit-) Störer erkannt und ausgeschieden, andere Zwischen-(ver-)-mieter gab es nicht.
e) Die Zwangsgeldandrohungen stützen sich richtigerweise auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Eine – im Eilverfahren M 9 S. 17.4361 vorgetragene – Unmöglichkeit, die Erfüllungsfrist v.a. für die Nutzungsuntersagung, Ziff. 1 des Bescheids, einzuhalten, liegt nicht vor. Die Klägerin hätte einen zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses etwaig bestehenden Endnutzermietvertrag bspw. schlicht auslaufen lassen oder einen Aufhebungsvertrag abschließen können. Im Übrigen wurde bereits nicht dargelegt, dass überhaupt ein gültiger Mietvertrag bestand; mehrfache Aufforderungen der Beklagten diesbezüglich blieben erfolglos.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708f. ZPO.


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