Strafrecht

Ahndung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

Aktenzeichen  Vf. 41-VI-20

Datum:
28.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29500
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
OWiG § 80
GG Art. 103
StPO § 356a S. 2
VfGHG Art. 51 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Mangels Einhaltung der Verfassungsbeschwerdefrist unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen zur Ahndung einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Für den Lauf der Frist aus Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG kommt es auf eine Entscheidung über eine offensichtlich unzulässige Anhörungsrüge oder einen anderen offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelf und die darauf ergehende gerichtliche Entscheidung nicht an. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

201 ObOWi 201/20 2020-02-20 Bes BAYOBLG BayObLG München

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Dem Beschwerdeführer wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.

Gründe

I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 17. Oktober 2019 Az. 942 OWi 431 Js 181265/19, mit dem gegen den Beschwerdeführer wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 80 € verhängt wurde, sowie gegen den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20. Februar 2020 Az. 201 ObOWi 201/20, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers, gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 17. Oktober 2019 die Rechtsbeschwerde zuzulassen, als unbegründet verworfen wurde.
1. Der Beschwerdeführer erhielt im Februar 2019 vom Bayerischen Polizeiverwaltungsamt, Zentrale Verkehrsordnungswidrigkeitenstelle, einen Anhörungsbogen zu dem Vorwurf, er habe am 19. Dezember 2018 um 22.24 Uhr auf der Bundesautobahn 99 auf der Höhe von Unterföhring die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 26 km/h überschritten. Mit Schreiben vom 4. März 2019 bat der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers um Akteneinsicht. In der ihm überlassenen Akte befanden sich das Messprotokoll, der Eichschein der Messung und ein Messfoto, auf dem der Beschwerdeführer zu erkennen ist.
Am 29. März 2019 erging gegen den Beschwerdeführer ein Bußgeldbescheid des Bayerischen Polizeiverwaltungsamts, Zentrale Bußgeldstelle, gegen den der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers am 2. April 2019 Einspruch einlegte.
Ein vom Beschwerdeführer mit der Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung beauftragter Sachverständiger bat mit Schreiben vom 9. April 2019 das Bayerische Polizeiverwaltungsamt, Zentrale Bußgeldstelle, um Übersendung der kompletten Messsequenz Nr. G815-20436 im Tuff-Format sowie der Statistik-Datei von der Messörtlichkeit in digitaler Form für den Zeitraum vom 19. Dezember 2018, 13.00 Uhr, bis zum 20. Dezember 2018, 9.10 Uhr, nebst Token und Passwort sowie der Instandsetzungs- bzw. Wartungsprotokolle zur Auswertung und sachverständigen Überprüfung der Messreihe. Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt, Zentrale Bußgeldstelle, teilte dem Sachverständigen mit Schreiben vom 11. April 2019 mit, dass die angeforderten Unterlagen nur auf gerichtliche Anforderung vorgelegt würden. Mit Schreiben vom 15. April 2019, gerichtet an das Bayerische Polizeiverwaltungsamt, Zentrale Bußgeldstelle, stellte der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und erläuterte insoweit, dass für eine technische Begutachtung die Originalmessdateien der gesamten Messreihe notwendig seien, da das verwendete Messgerät von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen sei und überprüft werden müsse, ob der Messeinsatz den Anforderungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt gerecht geworden bzw. der Aufbau nach deren Vorgaben erfolgt sei; die Unterlagen seien erforderlich, damit eine Integritäts- und Authentizitätsprüfung sowie eine Überprüfung der Aufbaustabilität des Messgeräts, der Messwertzuordnung, der Messbeständigkeit und der Vollständigkeit der Messsequenz erfolgen könne. Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt half dem Begehren nicht ab und legte den Antrag dem Amtsgericht München zur Entscheidung vor. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die vom Sachverständigen erbetenen Unterlagen nicht Aktenbestandteil seien und daher von der Akteneinsicht im Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren nicht erfasst würden. Eine Einsichtnahme in die angeforderten Unterlagen sei nach den Vorgaben der Bayerischen Staatsministerien des Innern und der Justiz ausschließlich auf einen den konkreten Einzelfall betreffenden richterlichen Beschluss hin zu gewähren.
Das Amtsgericht München wies mit Beschluss vom 30. April 2019 unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg den Antrag als unbegründet zurück. Die geforderten Unterlagen seien nicht Aktenbestandteil. Es bestehe auch kein Anspruch auf erweiterte Akteneinsicht. Ein Anspruch auf Beiziehung weiterer Unterlagen könne sich zwar im Rahmen der richterlichen Aufklärungspflicht ergeben. Vorliegend gehe es jedoch um Überprüfung eines standardisierten Messverfahrens, bei dem keine Zweifel an der Fehlerfreiheit bestünden, wenn und soweit, wie vorliegend, das amtlich zugelassene Messgerät im Tatzeitpunkt geeicht gewesen und unter Beachtung der Bedienungsanleitung durch einen geschulten Messbeamten verwendet worden sei. Eichschein und Messprotokoll mit weiteren Angaben zur Messung seien Bestandteil der Akte, Akteneinsicht insoweit sei erfolgt.
2. Nach Vorlage der Akten durch die Staatsanwaltschaft München I bestimmte das Amtsgericht München Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 17. Oktober 2019. Auf einen mit Schriftsatz vom 19. September 2019 gestellten erneuten Antrag des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers, dem Sachverständigen die erbetenen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, teilte das Gericht mit Schreiben vom 23. September 2019 nochmals mit, dass die Unterlagen nicht herausgegeben würden.
Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2019 lehnte der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers die zuständige Richterin des Amtsgerichts München wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Es stehe zu befürchten, dass es kein faires Verfahren geben werde. Das Grundrecht auf ein faires Verfahren und der Anspruch auf rechtliches Gehör würden auf die Ermittlung der Wahrheit und ein gerechtes Urteil abzielen, deshalb habe ein Betroffener prozessuale Mitwirkungsmöglichkeiten und einen Anspruch auf materielle Beweisteilhabe, also Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsfeststellung. Nach der Rechtsprechung zum standardisierten Messverfahren gelte eine Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit der Messdurchführung, die Rohmessdaten würden daher vom Tatrichter nicht auf Messfehler und Störung überprüft; der Betroffene könne die Richtigkeitsvermutung nur angreifen, wenn er konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler im Rahmen der Messung vortrage. Dies werde ihm aber unmöglich gemacht, wenn ihm die Rohmessdaten, die Grundlage der Messung seien, nicht für eine eigene sachverständige Überprüfung zur Verfügung gestellt würden. Dieser Ablehnungsantrag sowie ein weiterer Ablehnungsantrag des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers wurden vom Amtsgericht München mit Beschlüssen vom 16. und 17. Oktober 2019 als unzulässig zurückgewiesen.
In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht München am 17. Oktober 2019 wurde der Messbeamte als Zeuge vernommen, wobei er im Rahmen der Vernehmung seinen Schulungsnachweis für das Messverfahren vorlegte; weiterhin wurden das Messprotokoll auszugsweise verlesen und das den Beschwerdeführer zeigende Lichtbild in Augenschein genommen. Nach Ablehnung der Beweisanträge der Verteidigung auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass dem zur Last gelegten Geschwindigkeitsverstoß kein entsprechendes Messergebnis zugrunde liege, erging das angegriffene Urteil gegen den Beschwerdeführer. Er wurde einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit für schuldig befunden und gegen ihn wurde eine Geldbuße in Höhe von 80 € verhängt.
3. Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2019, begründet durch Schriftsatz vom 20. Dezember 2019, beantragte der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts München zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, das Amtsgericht habe sein Ermessen bei der Bestimmung des Umfangs der Beweisaufnahme fehlerhaft ausgeübt. Aus dem Grundrecht auf ein faires Verfahren folge ein Anspruch auf materielle Beweisteilhabe, also auf Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsfeststellung. Die Richtigkeitsvermutung der in einem standardisierten Messverfahren gewonnenen Ergebnisse könne der Betroffene nur infrage stellen, wenn er konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler der Messung vortrage. Dieser Vortrag werde ihm aber unmöglich gemacht, wenn die Messdaten nicht für eine Überprüfung zur Verfügung gestellt würden. Die Ablehnung des Beweisantrags durch das Amtsgericht verstoße gegen die Gebote des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs sowie gegen das Willkürverbot. Verschiedene Oberlandesgerichte hätten in vergleichbaren Fällen in diesem Sinn entschieden. Es könne nicht sein, dass nur in einigen Ländern die Rohdaten der Messung zur Überprüfung durch die jeweils Betroffenen herausgegeben würden, in anderen aber nicht.
Die Generalstaatsanwaltschaft in München legte die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung vor. Da gegen den Betroffenen nur eine Geldbuße von nicht mehr als 100 € verhängt worden sei, dürfe die Rechtsbeschwerde nach § 80 OWiG nur zugelassen werden, wenn es geboten sei, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben; ein solcher Fall liege hier nicht vor. Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 gab der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers eine Gegenerklärung ab und trug u. a. vor, der Beschwerdeführer habe Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Messung, weil er wisse, dass er nicht so schnell gefahren sei. Die Fehlerhaftigkeit der Messung zu untermauern, werde durch Verweigerung der Herausgabe der Unterlagen verhindert. Wegen der unterschiedlichen Entscheidungen der Oberlandesgerichte müsse der Bundesgerichtshof entscheiden.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 20. Februar 2020 verwarf das Bayerische Oberste Landesgericht den Antrag des Beschwerdeführers, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 17. Oktober 2019 zuzulassen, als unbegründet. Die Voraussetzungen des § 80 OWiG lägen nicht vor. Es entspreche der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung, dass die unterbliebene Überlassung von nicht zu den Gerichtsakten gelangten Unterlagen oder digitalen Messdaten einschließlich der Rohmessdaten bzw. der Messreihe weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch des Rechts auf ein faires Verfahren darstelle. Anträge auf Überlassung seien bloße Beweisermittlungsanträge, deren Ablehnung nur unter Aufklärungsgesichtspunkten gerügt werden könne. Die gegenteilige obergerichtliche Auffassung sei nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs vereinbar, weshalb ihr nicht gefolgt werden könne. Ein Anlass zur Divergenzvorlage bestehe daher weiterhin nicht. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs sei nicht verletzt worden, da der Betroffene sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachenstoff habe umfassend äußern können. Art. 103 GG vermittle keinen Anspruch auf Aktenerweiterung. Unter Aufklärungsgesichtspunkten müsse der Tatrichter die Messung nur bei konkreten Anhaltspunkten für Messfehler überprüfen. Diese Anhaltspunkte habe aber nicht der Betroffene vorzutragen. Eine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht könne nur mit der Aufklärungsrüge geltend gemacht werden, diese sei hier nicht zulässig erhoben worden; zudem könnte sie wegen der Voraussetzungen des § 80 OWiG dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
4. Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2020 erhob der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts und trug erneut vor, es bestehe ein Anspruch auf Überlassung der gesamten Messdaten, die verweigerte Herausgabe stelle eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Eine Verurteilung auf der Basis von Messdaten, die dem Betroffenen nicht zur Überprüfung zugänglich gemacht würden, beruhe nicht auf einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren.
Mit Beschluss vom 10. März 2020 wies das Bayerische Oberste Landesgericht die Anhörungsrüge als unbegründet zurück. Es könne dahinstehen, ob die Anhörungsrüge überhaupt die Möglichkeit einer Gehörsverletzung aufzeige mit der Folge, dass der Antrag als unzulässig anzusehen wäre. Jedenfalls sei die Anhörungsrüge unbegründet, da ein Fall des § 356 a StPO offensichtlich nicht vorliege. Das Gericht habe den gesamten Vortrag zur Kenntnis genommen und der Entscheidung zugrunde gelegt. Die Anhörungsrüge diene nicht dazu, das Rechtsbeschwerdevorbringen in der Sache nochmals zu überprüfen.
II.
1. Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2020, ergänzt durch einen weiteren nachgereichten Schriftsatz vom 10. Juni 2020, hat der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers Verfassungsbeschwerde erhoben. Gerügt wird eine Verletzung der Grundrechte auf ein faires gerichtliches Verfahren, auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie auf eine willkürfreie Entscheidung.
a) Der Beschwerdeführer bringt vor, die erhobene Verfassungsbeschwerde sei zulässig, weil die Frist nach Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG an dem Tag zu laufen beginne, an dem die letzte gerichtliche Entscheidung des Instanzenzugs schriftlich vollständig bekannt gegeben worden sei. Dies sei der 13. März 2020, da an diesem Tag die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 10. März 2020 zugegangen sei. Erst mit der Entscheidung über die Anhörungsrüge sei der Rechtsweg erschöpft und beginne daher der Fristlauf für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde. Die Anhörungsrüge sei zulässig gewesen, da mit ihr das zentrale Problem der Gehörsverletzung deutlich gemacht worden sei, dass nämlich die Verurteilung auf der Grundlage von Daten erfolgt sei, die dem Betroffenen nicht zur Verfügung gestellt worden seien.
b) Zur Begründetheit wird vorgetragen, der Beschwerdeführer habe von Anfang an vorgebracht, dass die Messung falsch sein müsse. Die Überprüfung der Messung durch einen Sachverständigen sei ihm durch die Verweigerung der Herausgabe der Unterlagen und Daten während des gesamten Verfahrens verwehrt worden. Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folge insbesondere ein Anspruch auf Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsfeststellung und auf Akteneinsicht. Nach der Rechtsprechung zum standardisierten Messverfahren, welcher vorliegend Amtsgericht und Bayerisches Oberstes Landesgericht gefolgt seien, gelte die Vermutung der Richtigkeit der Messung, die Rohmessdaten würden daher grundsätzlich nicht auf Fehler und Störungen überprüft. Diese Vermutung könne der Betroffene nur angreifen, wenn er konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vortrage. Ein solcher Vortrag werde ihm jedoch unmöglich gemacht, wenn die Messdaten nicht für eine sachverständige Überprüfung zur Verfügung gestellt würden. Auch die Ablehnung des Beweisantrags auf Erholung eines Sachverständigengutachtens verletze deshalb diese Grundrechte.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde abgesehen.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde nicht gewahrt wurde.
1. Ist hinsichtlich des Beschwerdegegenstands ein Rechtsweg zulässig, so ist nach Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG die Verfassungsbeschwerde spätestens zwei Monate nach der schriftlichen Bekanntgabe der vollständigen letztgerichtlichen Entscheidung an den Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof einzureichen. Dies ist im vorliegenden Fall die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20. Februar 2020, nicht die Entscheidung über die Anhörungsrüge vom 10. März 2020. Die Entscheidung vom 20. Februar 2020 war spätestens am 27. Februar 2020 bekannt gegeben, da der Schriftsatz, mit dem die Anhörungsrüge erhoben wurde, auf diesen Tag datiert ist. Die Beschwerdefrist nach Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG von zwei Monaten war somit gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB i. V. m. Art. 17 Abs. 1 VfGHG am 8. Mai 2020, als die Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof einging, bereits abgelaufen.
2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es für den Lauf der Frist nicht auf den Beschluss vom 10. März 2020 und dessen Bekanntgabe an. Die Erhebung der Anhörungsrüge konnte die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht offenhalten, da die Anhörungsrüge offensichtlich unzulässig war.
a) Durch die Einlegung einer offensichtlich unzulässigen Anhörungsrüge oder eines anderen offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfs und die darauf ergehende gerichtliche Entscheidung wird nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs keine neue Beschwerdefrist in Lauf gesetzt (vgl. VerfGH vom 14.4.1989 VerfGHE 42, 50/52; vom 12.4.2017 BayVBl 2018, 86 Rn. 28; vom 18.7.2017 – Vf. 3-VI-16 – juris Rn. 12). Die Frage der offensichtlichen Unzulässigkeit eines Rechtsbehelfs wird vom Verfassungsgerichtshof eigenständig und ohne Bindung an die Entscheidung des Fachgerichts geprüft (VerfGH vom 19.10.2010 VerfGHE 63, 182/187; VerfGH BayVBl 2018, 86 Rn. 28; vom 18.7.2017 – Vf. 3-VI- 16 – juris Rn. 12). Dass das Bayerische Oberste Landesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers nicht als unzulässig, sondern als jedenfalls unbegründet zurückgewiesen und die Frage der Zulässigkeit offengelassen hat, ist daher unerheblich (vgl. auch BVerfG vom 10.7.2018 – 1 BvR 1360/16 – juris Rn. 2).
b) Die vom Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20. Februar 2020 erhobene, gemäß § 356 a StPO grundsätzlich statthafte Anhörungsrüge war mangels tragfähiger Begründung vorliegend unzulässig. Nach § 356 a Satz 2 StPO ist eine Anhörungsrüge zu begründen. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung, ist die Rüge unzulässig (OLG Nürnberg vom 18.10.2006 NStZ 2007, 237; OLG Bamberg vom 19.5.2011 – 3 Ss 32/11 – juris Rn. 7; Knauer/Kudlich in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2019, § 356 a Rn. 17; Gericke in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 356 a Rn. 10). Denn eine völlig ungeeignete Begründung ist einer fehlenden Begründung grundsätzlich gleichzusetzen (BGH vom 24.10.2005 – 5 StR 269/05 – juris Rn. 2 m. w. N.). Auch wenn an die Begründung einer Anhörungsrüge grundsätzlich keine hohen Anforderungen zu stellen sind (Knauer/Kudlich, a. a. O., m. w. N.), so war der Vortrag des Beschwerdeführers vorliegend nicht ausreichend und tragfähig; denn es fehlt an einem nachvollziehbaren Vorbringen, inwiefern das Bayerische Oberste Landesgericht mit dem Beschluss vom 20. Februar 2020 sein Recht auf rechtliches Gehör eigenständig verletzt haben soll.
Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, inwiefern das Bayerische Oberste Landesgericht konkreten entscheidungserheblichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen haben soll. Zur Begründung der Anhörungsrüge wurde lediglich erneut vorgetragen, es bestehe ein Anspruch auf Überlassung der gesamten Messdaten, die verweigerte Herausgabe sei eine Verletzung des rechtlichen Gehörs; eine Verurteilung auf der Basis von Messdaten, die dem Betroffenen nicht zur Überprüfung zugänglich gemacht würden, beruhe nicht auf einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren. Nicht vorgebracht hat der Beschwerdeführer, das Bayerische Oberste Landesgericht habe seinen diesbezüglichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen. Tatsächlich hat sich das Bayerische Oberste Landesgericht im Beschluss vom 20. Februar 2020 auch explizit und ausführlich mit genau diesem Vorbringen auseinandergesetzt.
Im Kern und Sinngehalt beschränkt sich der Sachvortrag des Beschwerdeführers in der Anhörungsrüge – wie im gesamten Verfahren – auf die Argumentation, er werde in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (und ein faires gerichtliches Verfahren) verletzt, wenn er auf der Grundlage von Messdaten verurteilt werde, deren Überprüfung ihm nicht ermöglicht werde. Der Vorwurf in der Anhörungsrüge geht über den bereits gegenüber dem Amtsgericht, sodann im Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und auch in der Gegenerklärung zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft erhobenen Vorwurf inhaltlich nicht hinaus und beinhaltet insbesondere keinen neuen und eigenständigen Vorwurf eines Gehörsverstoßes durch das Bayerische Oberste Landesgericht.
Damit geht der Vorwurf dahin, bereits das Amtsgericht habe durch die Verweigerung der Überlassung der Daten einen Gehörsverstoß begangen und das Bayerische Oberste Landesgericht habe durch die Ablehnung der Zulassung der Rechtsbeschwerde wiederum ebenfalls genau diesen Gehörsverstoß erneut begangen, da es den Gehörsverstoß des Amtsgerichts nicht korrigiert, sondern perpetuiert habe. Es liegt daher hier der Fall der Rüge einer sogenannten sekundären Gehörsverletzung vor, die mangels Behauptung eines eigenständigen Gehörsverstoßes grundsätzlich unzulässig ist (VerfGH vom 2.10.2013 BayVBl 2014, 171; siehe auch VerfGH vom 7.8.2013 VerfGHE 66, 144/149 Rn. 22; BVerfG vom 23.10.2007 – 1 BvR 2208/07 – juris Rn. 4; vom 20.7.2011 BayVBl 2011, 772; vom 14.12.2018 – 2 BvR 1594/17 – juris Rn. 15; Degenhart in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 103 Rn. 41 c).
c) Die Unzulässigkeit der erhobenen Anhörungsrüge war auch offensichtlich. Offensichtlich ist die Unzulässigkeit eines Rechtsbehelfs, wenn der Beschwerdeführer nach den konkreten Umständen des Falls davon ausgehen musste, dass sein Rechtsmittel als unzulässig verworfen würde (VerfGHE 66, 144/148). So liegt der Fall hier. Aus Sicht einer vernünftigen und verständigen Prozesspartei war die Anhörungsrüge zweifelsfrei unzulässig (vgl. hierzu BVerfG vom 10.7.2018 – 1 BvR 1360/16 – juris Rn. 2). Der Beschwerdeführer musste bei objektiver und verständiger Würdigung davon ausgehen, dass das Bayerische Oberste Landesgericht die Anhörungsrüge als unzulässig verwerfen würde. Wie dargestellt machte der Beschwerdeführer mit der Anhörungsrüge im Kern nur einen behaupteten Gehörsverstoß des Amtsgerichts, fortgesetzt durch das Bayerische Oberste Landesgericht, geltend, nicht aber einen neuen und eigenständigen Gehörsverstoß des Beschwerdegerichts. Da in einem solchen Fall die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge die Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen nur unnötig verdoppeln würde, wurde in den auf die Verabschiedung des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9. Dezember 2004 folgenden Jahren durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt, was grundsätzlich Gegenstand einer Anhörungsrüge sein kann und dass eine sekundäre Gehörsrüge nicht statthaft ist (Nachweise der Rechtsprechung in BVerfG vom 5.5.2008 NJW 2008, 2635/2636; vom 21.4.2013 – 1 BvR 423/11 – juris Rn. 8 ff.). Es bestand damit zum Zeitpunkt der Erhebung der Anhörungsrüge nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre und somit für den Beschwerdeführer klar erkennbar keinerlei Ungewissheit hinsichtlich der Unzulässigkeit einer mit dieser Begründung erhobenen Anhörungsrüge. Die erhobene Anhörungsrüge war daher nicht geeignet, die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde offenzuhalten, zumal dem Beschwerdeführer zumindest die Erhebung einer fristwahrenden Verfassungsbeschwerde, gegebenenfalls verbunden mit dem Hinweis auf die hilfsweise fristwahrende Einlegung, möglich gewesen wäre (VerfGH vom 8.7.2020 – Vf. 93-VI-19 – juris Rn. 27; Heinrichsmeier, NVwZ 2010, 228/232; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 120 Rn. 74; Degenhardt in Sachs, GG, Art. 103 Rn. 41 a, d m. w. N.).
d) Auch soweit in der Anhörungsrüge vorgebracht wurde, es habe Anlass zu einer Divergenzvorlage durch das Bayerische Oberste Landesgericht bestanden, da von einigen Gerichten die Messdaten überlassen würden, von anderen aber nicht, war der Rechtsbehelf offensichtlich unzulässig und daher nicht geeignet, die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde offenzuhalten. Der Beschwerdeführer hat gerade nicht dargelegt, dass das Beschwerdegericht diesen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen habe. Tatsächlich hat sich das Gericht auch mit diesem Vorbringen explizit auseinandergesetzt. Unabhängig davon beinhaltet das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers in der Sache keinen Gehörsverstoß, sondern vielmehr den Vorwurf, das Bayerische Oberste Landesgericht habe die Vorschrift des § 80 OWiG nicht richtig angewendet. Eine solche Anhörungsrüge ist offensichtlich unzulässig (BVerfG vom 21.4.2013 – 1 BvR 423/11 – juris Rn. 11). Mit der Begründung, die vom Gericht vertretene Auffassung sei unrichtig, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich nicht begründet werden (VerfGH vom 23.9.2015 VerfGHE 68, 180 Rn. 45, vom 2.5.2018 – Vf. 58-VI-17 – juris Rn. 29; vom 21.8.2019 – Vf. 9-VI-18 – juris Rn. 36).
IV.
Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).


Ähnliche Artikel


Nach oben