Aktenzeichen AN 5 S 16.618
Leitsatz
1 Bei einer Betäubungsmittelabhängigkeit kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr im ausländerrechtlichen Sinne nicht gesprochen werden, so lange nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und deren Erfolg in Form eines drogen- und straffreien Verhaltens längere Zeit nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht ist (BayVGH BeckRS 2014, 48656). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Strafvollstreckung insgesamt, d.h. auch unter Einschluss einer im Rahmen der Strafvollstreckung möglicherweise erfolgten Drogentherapie, verfolgt andere Zwecke, die insbes. auch auf die Resozialisierung der Täter zielen, während das Ausländerrecht im gegebenen Zusammenhang den Zweck verfolgt, vom Ausländer ausgehende Gefahren für die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der am … 1989 geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger, der am 30. November 1992 erstmals ins Bundesgebiet zu seinem bereits hier lebenden Vater einreiste, während die Mutter des Antragstellers in der Türkei verblieb, wo sie später erneut heiratete. Am 23. März 1995 verzog der Antragsteller zusammen mit der zweiten Ehefrau seines Vaters und deren weiteren Kindern ins Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Dem lag zugrunde, dass sich die Stiefmutter des Antragstellers und sein Vater getrennt hatten, wobei letzterer befürwortete, dass der Antragsteller fortan mit der Stiefmutter leben sollte.
Auf seinen Antrag vom 18. Juni 1997 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stellte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zunächst laufend verlängerte Fiktionsbescheinigungen aus und erteilte ihm nach Klärung der familienrechtlichen Verhältnisse am 12. April 1999 eine bis 31. Dezember 2004 befristete Aufenthaltserlaubnis. Auf seinen Antrag vom 6. Dezember 2004 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller am 18. Januar 2005 eine Niederlassungserlaubnis nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
Seit 2004 ist der Antragsteller wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Am 10. November 2004 sah die Staatsanwaltschaft … von der Verfolgung eines gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls nach § 45 Abs. 3 JGG ab, wobei der Antragsteller ermahnt wurde und ihm Arbeitsleistungen auferlegt wurden. Mit Urteil vom 9. März 2006 verurteilte das Amtsgericht … den Antragsteller wegen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall mit Waffen, zu einem Freizeitarrest und 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Am 11. August 2006 verurteilte das Amtsgericht … den Antragsteller zu zwei Tagen Kurzarrest und verhängte eine Geldauflage in Höhe von 600,00 EUR wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall. Am 18. Juni 2007 verurteilte das Amtsgericht … den Antragsteller zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, wegen gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung, gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall und Beleidigung, wobei das Urteil vom 11. August 2006 einbezogen wurde. Am 2. Oktober 2008 verurteilte das Amtsgericht … den Antragsteller zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten wegen Diebstahls, wobei das Urteil vom 18. Juni 2007 einbezogen wurde. Am 25. Juli 2011 verurteilte das Amtsgericht … den Antragsteller zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen ä 20,00 EUR wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln. Am 7. Mai 2012 verurteilte das Amtsgericht … den Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 74 Fällen.
Der Antragsteller, der bereits vom 28. Februar 2007 bis zum 18. Juni 2007 in Untersuchungshaft war, trat die sich aus dem Urteil vom 2. Oktober 2008 ergebende Einheitsjugendstrafe am Tag des Urteils an und wurde am 3. November 2009 aus der Justizvollzugsanstalt … entlassen. Die sich aus dem Urteil vom 7. Mai 2012 ergebende Freiheitsstrafe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 14. Februar 2013 nach § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG zur Bewährung ausgesetzt, nachdem sich der Antragsteller vom 18. Juni 2012 an einer Drogentherapie in … unterzogen hatte. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2013 widerrief das Amtsgericht … diese gewährte Strafaussetzung zur Bewährung, nachdem der Antragsteller gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen hatte, indem er zum einen nicht ausreichend Kontakt zum Bewährungshelfer hielt und zum anderen rückfällig geworden war. Daraufhin trat der Antragsteller am 22. April 2014 seine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt … an. Von dort wurde er am 31. März 2015 entlassen und am selben Tag zur Durchführung einer Drogentherapie in der … in … aufgenommen.
Nach mehrfacher Anhörung wies die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Bescheid vom 6. Mai 2015 aus der Bundesrepublik Deutschland aus, ordnete den Sofortvollzug dieser Maßnahme an, befristete die Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von fünf Jahren ab Ausreise/Abschiebung, forderte den Antragsteller auf, das Bundesgebiet bis spätestens 1. Juni 2015 zu verlassen und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten freiwilligen Ausreise die Abschiebung insbesondere in die Türkei an.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller am 13. Mai 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben, die unter dem Aktenzeichen AN 5 K 15.00779 noch anhängig ist.
Den zugleich gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, lehnte die Kammer durch Beschluss vom 18. August 2015 ab (AN 5 S 15.00778). Die Kammer ging dabei davon aus, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller, dem besonderer Ausweisungsschutz im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG a.F. zukomme und der als Begünstigter nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nur im Rahmen einer individuellen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürfe, der ausschließlich spezialpräventive Gesichtspunkte zugrunde liegen dürfen, und dass die vom Antragsteller ausgehende Wiederholungsgefahr die Grundinteressen der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland berühren müsse, zu Recht ausgewiesen hat. Der Beginn einer Entziehungstherapie lasse eine positive Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zum einen keinesfalls zu, zum anderen gebe selbst eine erfolgreiche Therapie im Hinblick auf die hohe Rückfallquote von drogenabhängigen Straftätern (auch nach einer Therapie) in Verbindung damit, dass sich eine etwaige Verhaltensänderung erst im täglichen Leben zeigen und bewähren müsste, noch keine ausreichende Grundlage für eine günstige Gefahrenprognose.
Im Rahmen einer Vorsprache am 5. Oktober 2015 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, die in … begonnene Therapie habe er bereits nach drei Monaten wieder beenden müssen. Er sei zwar nicht rückfällig geworden, er habe einen „Insassen“ nach … begleitet, als dieser zu seiner Tochter gewollt habe. Dabei seien sie erwischt und sodann entlassen worden. Er wolle aber erneut eine Therapie antreten.
Am 17. Dezember 2015 trat der Antragsteller eine weitere Therapie im Therapiezentrum …in …an.
Die gegen den Beschluss der Kammer vom 18. August 2015 eingelegte Beschwerde wurde durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2016 (…) zurückgewiesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führte dabei aus, die Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2015 sei voraussichtlich rechtmäßig, die Anordnung des Vollzugs sei als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren schon vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erforderlich und die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwögen die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung. Hinsichtlich des Betäubungsmittelmissbrauchs des Antragstellers führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus, beim Antragsteller liege eine tiefgreifende, länger anhaltende Suchtproblematik vor. Der Antragsteller habe die zur Bewährung ausgesetzte Reststrafe aus der Verurteilung vom 7. Mai 2012 auf Grund eines suchtbedingten Rückfalls verbüßen müssen. Auch die nach seiner Haftentlassung am 31. März 2015 begonnene stationäre Drogentherapie sei nicht erfolgreich gewesen. Davon ausgehend bestehe auf Grund der Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers auch in Zukunft die erhebliche Gefahr, dass er weitere erhebliche rechtswidrige Taten im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität begehe. Bei einer Betäubungsmittelabhängigkeit könne von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr im ausländerrechtlichen Sinne nicht gesprochen werden, so lange nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und deren Erfolg in Form eines drogen- und straffreien Verhaltens längere Zeit nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht sei.
Am 7. April 2016 wurde der Antragsteller regulär aus dem Therapiezentrum … entlassen.
Mit am selben Tag per Telefax bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. April 2016 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten gemäß § 80 Abs. 7 VwGO beantragen,
unter Abänderung der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. August 2015, AN 5 S 15.00778, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 13. Mai 2015, AN 5 K 15.00779, anzuordnen.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte des Antragstellers aus, die Sachlage habe sich nach Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung vom 18. August 2015 geändert, so dass sie abzuändern sei. Der Antragsteller sei am 7. April 2016 nach einer stationären Behandlung seiner Abhängigkeitserkrankung im Therapiezentrum … regulär entlassen worden. Die von der behandelnden Therapeutin abgegebene Prognose sei günstig, eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liege somit nicht vor. Ein über das Ausweisungsinteresse hinausgehendes besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung liege jedenfalls nicht mehr vor. Eine begründete Besorgnis der Realisierung der von der Antragsgegnerin behaupteten Gefahr drohe im Hinblick auf die durchgeführte und erfolgreiche Maßnahme und die therapeutische Fachprognose jedenfalls nicht mehr.
Mit Schriftsatz vom 19. April 2016 erwiderte die Antragsgegnerin und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin insbesondere aus, es sei keine Änderung der Sachlage eingetreten, die eine Änderung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO rechtfertigen würde. Bereits in den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. August 2015 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2016 sei ausgeführt worden, dass selbst eine erfolgreich abgeschlossene Therapie im Hinblick auf die hohe Rückfallquote von drogenabhängigen Straftätern in Verbindung damit, dass sich eine etwaige Verhaltensänderung erst im täglichen Leben zeigen und bewähren müsse, noch keine ausreichende Grundlage für eine günstige Gefahrenprognose sei. Bei einer Betäubungsmittelabhängigkeit könne von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr im ausländerrechtlichen Sinne nicht gesprochen werden, so lange nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und deren Erfolg in Form eines drogen- und straffreien Verhaltens längere Zeit nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht sei. Der Antragsteller sei erst vor zwölf Tagen aus der Therapie entlassen worden. Dieser Zeitraum sei bei weitem nicht geeignet, um ein zukünftiges drogen- und straffreies Leben glaubhaft zu machen. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die erste Therapie des Antragstellers erfolglos gewesen sei und die zweite Therapie abgebrochen worden sei. Der Antragsteller verfüge unabhängig von der von ihm eingeräumten Betäubungsmittelabhängigkeit über ein hohes Maß an krimineller Energie, was die Annahme einer von der Drogensucht unabhängigen Wiederholungsgefahr stütze.
Mit Schriftsatz vom 20. April 2016 beteiligte sich die Regierung von … als Vertretung des öffentlichen Interesses und führte aus, der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO sei unbegründet. Die Ausweisungsverfügung sei auch weiterhin rechtmäßig. Entgegen der Ansicht des Antragstellers führe die Tatsache, dass er nunmehr eine stationäre Behandlung seiner Abhängigkeitserkrankung abgeschlossen habe, nicht dazu, dass die bisherige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach auf Grund veränderter Sachlage abgeändert werden müsse. Zum einen sei trotz der günstigen Prognose der behandelnden Therapeutin nicht nachgewiesen, dass der Antragsteller auch außerhalb der schützenden Umgebung des Therapiezentrums in der Lage sei, künftig drogenfrei zu bleiben. Insbesondere da der Antragsteller auch nach früheren Therapien bzw. Therapieversuchen wieder rückfällig geworden sei. Die Zeitspanne seit der Entlassung am 7. April 2016 sei für eine Erprobung viel zu kurz. Zum anderen habe das Verwaltungsgericht Ansbach wie auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zutreffend festgestellt, dass vom Antragsteller auch unabhängig von seiner Betäubungsmittelabhängigkeit eine erhebliche Wiederholungsgefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2016 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers ergänzend aus, das Amtsgericht … habe die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG mit Beschluss vom 6. Mai 2016 zur Bewährung ausgesetzt. Da das Amtsgericht im Rahmen der Entscheidung des § 36 BtMG bereits die Sicherheitsinteressen berücksichtige, liege eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, nicht vor. Der Beschluss nach § 36 BtMG bedürfe der Anhörung des Therapeuten, ohne dessen Stellungnahme nicht von einer positiven Prognose ausgegangen werden dürfe. Hiervon könnte die Ausländerbehörde nur bei Vorliegen eines negativen kriminalprognostischen Gutachtens abweichen, was nicht der Fall sei. Den Entscheidungen im Strafvollstreckungsverfahren komme zumindest Indizwirkung zu. Eine substantiierte Begründung, weshalb von dieser Prognose abgewichen werden solle, sei nicht vorgetragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der in elektronischer Form vorgelegten Behördenakte sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist dabei nicht eine Art Rechtsmittelverfahren, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist, sondern die Neuregelung der Vollziehung des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem abweichenden Sinn (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 6.5.2002 – 11 S 616/02 – juris Rn. 6; Schoch in Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 80, Rn. 548 ff.). Gleichwohl stimmen beide Verfahren hinsichtlich der Verfahrensregeln und der Entscheidungsmaßstäbe überein, insbesondere ist der Verfahrensgegenstand identisch. Ein Anspruch nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist dann gegeben, wenn eine der beiden dort genannten Alternativen erfüllt ist. Voraussetzung für die Begründetheit des Antrags ist demnach, dass veränderte Umstände tatsächlich vorliegen oder im ursprünglichen Eilverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände gegeben sind, die im Ergebnis zu einer vom früheren Aussetzungsverfahren abweichenden Beurteilung der Sach- oder Rechtslage führen (vgl. Schoch in Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 80, Rn. 584). Damit ein Abänderungsantrag Erfolg hat, muss somit zum einen ein Abänderungsgrund vorliegen, der zugleich zu einer anderen Entscheidung in der Sache führt.
Selbst wenn man im vorliegenden Fall deswegen, weil der Antragsteller seine am 17. Dezember 2015 angetretene Drogentherapie im Therapiezentrum … am 7. April 2016 regulär beendet hat, vom Vorliegen eines Abänderungsgrundes im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ausgeht, so ist der Antrag dennoch nicht begründet, weil selbst dieser erfolgreiche Abschluss der Drogentherapie nicht zu einer abweichenden Entscheidung hinsichtlich der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2015 führt.
Veränderte Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO liegen insbesondere dann vor, wenn sich eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ergeben hat. Diese Änderung wiederum kann sich insbesondere aus neuen Fakten ergeben. Der Antragsteller hat nun am 7. April 2016 seine am 17. Dezember 2015 begonnene Drogentherapie im Therapiezentrum … erfolgreich abgeschlossen. Damit hat sich die Sachlage im Verhältnis zum Zeitpunkt des ursprünglichen Beschlusses der Kammer vom 18. August 2015, mit welchem der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Ausweisungsbescheid der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2015 abgelehnt wurde, verändert. Trotz dieser veränderten Sachlage bleibt es jedoch bei der Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Auch die neuen Umstände, hier der erfolgreiche Abschluss der Drogentherapie des Antragstellers am 7. April 2016, führen nicht zu einer Änderung der nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffenen Eilentscheidung.
Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers führt die nunmehr vom Antragsteller abgeschlossene Drogentherapie nicht dazu, dass eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht mehr vorläge, was zur Folge hätte, dass sich die von der Antragsgegnerin verfügte Ausweisung nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zum gegenwärtigen Zeitpunkt als voraussichtlich rechtswidrig darstellen würde. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer wie auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stellt selbst eine erfolgreich abgeschlossene Therapie im Hinblick auf die hohe Rückfallquote von drogenabhängigen Straftätern für sich allein noch keine ausreichende Grundlage für eine günstige Gefahrenprognose dar. Vielmehr gilt, wie die Kammer in ihrem Beschluss vom 18. August 2015 ebenso wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 21. März 2016 ausgeführt haben, dass sich auch nach Abschluss einer Drogentherapie eine etwaige Verhaltensänderung erst im täglichen Leben zeigen und bewähren müsse, um von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr ausgehen zu können. Bei einer Betäubungsmittelabhängigkeit, wie sie auch beim Antragsteller jedenfalls bislang vorlag, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr im ausländerrechtlichen Sinne nicht gesprochen werden, so lange nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und deren Erfolg in Form eines drogen- und straffreien Verhaltens längere Zeit nach Straf- bzw. Therapieende glaubhaft gemacht ist (so ausdrücklich: BayVGH, B.v. 21.3.2016 – 19 ZS 15.1913, Rn. 12; ebenso BayVGH, B.v. 21.2.2014 – 10 ZB 13.1861 – juris Rn. 6; B.v. 18.10.2013 – 10 ZB 11.618 – juris Rn. 12; B.v. 24.5.2012 – 10 ZB 11.2198 – juris Rn. 13; B.v. 18.8.2011 – 10 ZB 10.2989 – juris Rn. 10). Der Antragsteller hat zwar nun – wenn auch erst im wiederholten Versuch – eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen, es fehlt jedoch an der ebenfalls erforderlichen erfolgreichen Erprobung des Erfolgs der Therapie in Form eines drogen- und straffreien Verhaltens über längere Zeit nach Therapieende. Eine solche Erprobung ist zur Voraussetzung einer Annahme des Wegfalls der Wiederholungsgefahr zu machen, weil statistisch von einer erheblichen Rückfallquote selbst nach dem erfolgreichen Abschluss einer Drogentherapie auszugehen ist. Herrscht während einer andauernden Drogentherapie infolge der Begleitung bzw. Überwachung durch die Therapeuten noch ein erheblicher Wohlverhaltensdruck, so liegt es erst nach Abschluss der Therapie allein am Betroffenen, sich selbst und auch der Gesellschaft zu beweisen, dass er künftig auch außerhalb des geschützten Bereichs einer Therapieeinrichtung drogenfrei leben kann. Vorliegend wurde der Antragsteller erst am 7. April 2016 aus dem Therapiezentrum … entlassen. Somit sind seit Entlassung des Antragstellers und dem Zeitpunkt dieses Beschlusses noch keine zwei Monate vergangen. Zwischen Entlassung des Antragstellers und seinem Antrag auf Abänderung des Beschlusses der Kammer vom 18. August 2015 sind gerade einmal sieben Tage vergangen. Auch wenn hinsichtlich dieses Zeitraums kein Rückfall oder eine erneute Straftat des Antragstellers bekannt geworden sind, so ist der Zeitraum von gerade einmal zwei Monaten in keinem Fall geeignet, bereits davon auszugehen, dass der Antragsteller, wie von der Rechtsprechung gefordert, ein drogen- und straffreies Verhalten über eine längere Zeit glaubhaft gemacht hat. Im Fall des Antragstellers gilt dies insbesondere, da er bereits während bzw. nach Abschluss früherer Therapien rückfällig geworden ist bzw. diese wegen anderer Verstöße, hier einer unerlaubten Reise nach …, abbrechen musste.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers kommt auch dem Beschluss des Amtsgerichts … vom 6. Mai 2016, mit welchem die Vollstreckung der gegen den Antragsteller verhängten Freiheitsstrafe nach § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG zur Bewährung ausgesetzt worden ist, keine Bindungswirkung hinsichtlich der Annahme einer vom Antragsteller ausgehenden Wiederholungsgefahr zu. Selbst wenn, wie der Bevollmächtigte des Antragstellers vorträgt, die Strafvollstreckungsorgane im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 36 BtMG auch Sicherheitsinteressen berücksichtigen, so binden diese weder die Ausländerbehörden noch die Verwaltungsgerichte, die eine eigenständige Gefahrenprognose vorzunehmen haben. Die Strafvollstreckung insgesamt, d.h. auch unter Einschluss einer im Rahmen der Strafvollstreckung möglicherweise erfolgten Drogentherapie, verfolgt andere Zwecke, die insbesondere auch auf die Resozialisierung der Täter zielen, während das Ausländerrecht im gegebenen Zusammenhang den Zweck verfolgt, vom Ausländer ausgehende Gefahren für die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren. Im Übrigen geht die Rechtsprechung zu den §§ 35, 36 BtMG teilweise davon aus, dass eine Zurückstellung der Strafvollstreckung ermessensfehlerfrei abgelehnt werden kann, wenn eine bestandskräftige oder sofort vollziehbare Abschiebungsverfügung gegen den Betroffenen vorliegt (vgl. etwa: OLG Karlsruhe, B.v. 24.8.2009 – 2 VAs 13/09, 2 VAs 14/09 – juris Rn. 9).
Außerdem geht die Kammer mit der Antragsgegnerin und der Regierung von … davon aus, dass vom Antragsteller unabhängig von einer Drogenproblematik eine die Ausweisungsverfügung stützende Wiederholungsgefahr ausgeht (s. insbesondere auch BayVGH, B.v. 21. März 2016 – 19 CS 15.1913 – Rn. 9).
Nach alldem stellt sich die Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2015 nach summarischer Überprüfung auch unter Berücksichtigung der neuen Tatsachen nach wie vor als rechtmäßig dar. Da von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, ist der Sofortvollzug der Ausweisungsverfügung auch unverändert als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden, akuten Gefahren auch schon vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erforderlich.
Nach alledem führt der vorgetragene Abänderungsgrund nicht zu einer Änderung des Beschlusses vom 18. August 2015. Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Streitwert ergibt sich aus den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.