Strafrecht

Einnahme von „harten Drogen“, Negatives Gutachten, dessen Ausführungen nachvollziehbar und schlüssig sind

Aktenzeichen  RO 8 S 22.347

Datum:
15.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15358
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
§ 3 Abs. 1 S. 1 StVG und § 46 Abs. 1 S. 1 (FeV)
FeV Nr. 9.1 der Anlage 4 zur

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch das Landratsamt Neumarkt i.d.OPf. (LRA).
Der … geborene Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse AM, B und L.
Nach einer Mitteilung der PI Nittendorf sei der Antragsteller am 16. Mai 2021 gegen 10:36 Uhr mit zwei weiteren Personen schlafend in einem Pkw vorgefunden worden. Auf dem Armaturenbrett des Pkw seien eine Druckverschlusstüte mit Marihuana sowie eine solche mit weißen Tabletten (Xanax) festgestellt worden. Der Antragsteller habe nach dem Wecken erweiterte Pupillen sowie eine stark verlangsamte Reaktionsfähigkeit aufgewiesen. Bei der Durchsuchung von Pkw und Personen seien weitere Tabletten (Ecstasy), drogentypische Werkzeuge und weiteres Marihuana aufgefunden worden. Ein freiwillig durchgeführter Urintest sei beim Antragsteller positiv auf THC, Amphetamin und Metamphetamin verlaufen. Eine Blutentnahme erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2021 forderte das LRA den Antragsteller zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens (welches zwei Urinscreenings bzw. eine Haaranalyse beinhaltet) einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung auf, welches sich auf folgende Fragestellung beziehen sollte:
Nimmt/Nahm der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkenden Stoffe ein, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV in Frage stellen? Es ist im Fall eines ausschließlichen Cannabiskonsums zudem dazu Stellung zu nehmen, ob der Cannabiskonsum nur gelegentlich oder regelmäßig/gewohnheitsmäßig stattfindet.
Das beim LRA vorgelegte ärztliche Gutachten der TÜV Süd Life Service GmbH (Absendedatum: 4.10.2021) kommt in Beantwortung der Fragestellung zu folgendem Ergebnis:
Herr … nimmt zum Zeitpunkt des Urinscreenings Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkenden Stoffe ein, die die Fahreignung nach Anlage 4 in Frage stellen. Dabei handelt es sich um Cannabis.
Herr … nahm in der Vergangenheit Amphetamine und Cannabis ein.
Weitere Angaben sind auf Grund nicht verwertbarer Angaben nicht möglich.
Ein im Rahmen der Begutachtung durchgeführtes Urinscreening verlief positiv auf Cannabinoide. Eine am 16. September 2021 durchgeführte Haaranalyse brachte folgenden Befund: Amphetamine: MDMA: 0,13 ng/mg, MDA: 0,001 ng/mg; Cannabinoide: THC: 0,043 ng/mg. Bei der Bewertung der Befunde führte die Gutachterin bezüglich Amphetamin aus, dass der Nachweis von Amphetamin unter Berücksichtigung der Angaben des Antragstellers (letzter Konsum sei am 16.5.2021 gewesen) bei einer 3 cm langen Haarprobe nicht zu erwarten gewesen wäre. Beim Untersuchungsgespräch gab der Antragsteller an, dass er von September 2019 bis Juni 2021 Cannabis konsumiert habe, im Schnitt zweimal pro Woche, Höchstfrequenz sei fünfmal pro Woche gewesen. Er habe ca. 20mal Cannabis und Alkohol kombiniert, was berauschender gewesen sei. Ecstasy habe er erstmals im Dezember 2020 probiert, die Einnahme sei bis Mitte April gegangen. Auf Ankündigung einer Haaranalyse wurde diese Angabe von Mitte April 2021 auf 16. Mai 2021 korrigiert. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Gutachtens Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2021 hörte das LRA den Antragsteller unter Bezugnahme auf das erstellte Fahreignungsgutachten zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis an. Hierauf ließ der Antragsteller mit Schreiben seiner zwischenzeitlich Bevollmächtigten vom 6. Dezember 2021 erwidern, dass der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt unter dem Einfluss von Cannabis ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Die von der Polizei am 16. Mai 2021 aufgefundenen 3 Gramm Ecstasy hätten sich nicht im Besitz des Antragstellers befunden, weshalb hieraus keine Eignungszweifel gefolgert werden könnten. Daraufhin erläuterte das LRA dem Bevollmächtigten mit Schreiben vom 8. Dezember 2021 nochmals das Ergebnis des Fahreignungsgutachtens.
Mit Bescheid vom 30. Dezember 2021 entzog das LRA dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller erteilten Klassen (Ziffer 1). Der Antragsteller wurde verpflichtet, seinen Führerschein mit der Nummer … innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung des Bescheids abzugeben (Ziffer 2). Für den Fall, dass der Antragsteller der Verpflichtung aus Ziffer 2 nicht fristgerecht nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Ziffer 3). Die Ziffern 1 und 2 des Bescheids wurden für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 4). Auf die Begründung des laut Empfangsbestätigung am 17. Januar 2022 zugestellten Bescheids wird Bezug genommen.
Mit am 17. Februar 2022 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten hat der Antragstellers gegen diesen Bescheid Klage erheben (Az. RO 8 K 22.348) und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Eine nähere Begründung erfolgte nicht.
Der Antragsteller beantragt,
die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 30.12.2021 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen und den Führerschein des Antragstellers unverzüglich wieder an diesen zurückzugeben.
Für den Antragsgegner beantragt das LRA, den Antrag abzulehnen.
Beim Antragsteller lägen nebeneinander drei Gründe vor, die jeweils für sich genommen für eine Nichteignung sprechen. Es stünde zweifelsfrei fest, dass der Antragsteller Ecstasy konsumiert habe. Zudem stehe auf Grund des Gutachtens fest, dass der Antragsteller Mischkonsum von Cannabis und Alkohol betrieben habe, was ebenfalls zur Nichteignung führe. Schließlich sei bei einem fünfmal in der Woche stattfindenden Konsum von Cannabis von einem regelmäßigen Konsum auszugehen.
Der Antragsteller hat seinen Führerschein zwischenzeitlich beim LRA abgegeben.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die elektronisch übermittelte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Mit dem Antrag wird begehrt, die aufschiebende Wirkung der Ordnungsverfügung vom 30. Dezember 2021 wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Dies wird zu Gunsten des Antragstellers dahingehend ausgelegt (§ 88 VwGO), dass er die aufschiebende Wirkung lediglich hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 30. Dezember 2021 begehrt.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit dies durch Bundesgesetz oder Landesgesetz vorgeschrieben ist oder soweit die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des Bescheids hat die erlassende Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer 4). Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Der so verstandene Antrag ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
1. An der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs bestehen keine Zweifel.
Das LRA hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die Begründung darf nicht lediglich formelhaft sein, sondern muss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Für bestimmte Arten behördlicher Anordnungen ist nämlich das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. z. B. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 46, 55). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde daher in solchen Fällen nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt.
Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört (vgl. BayVGH, B. v. 8.9.2015 – CS 15.1634 – juris Rn. 6).
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 30. Dezember 2021 wird diesen Anforderungen gerecht. Die Behörde begründet die Anordnung der sofortigen Vollziehung insbesondere damit, dass beim Konsum von Amphetamin nicht auszuschließen sei, dass psychische Veränderungen und Leistungsschwächen eingetreten seien, die ein verkehrssicheres Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen würden. Betäubungsmittelkonsum führe zur Herabsetzung des psychophysischen Leistungsvermögens sowie der Reaktionsfähigkeit. Bei einem Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides wäre die Allgemeinheit nicht vor der Gefahr geschützt, die von ungeeigneten Kraftfahrern ausgehe. Die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Schutzbedürfnis der übrigen Verkehrsteilnehmer würden es gebieten, dass der Antragsteller als ungeeigneter Verkehrsteilnehmer sofort vom motorisierten Straßenverkehr ausgeschlossen werde. Dies insbesondere angesichts der durch die Dichte des modernen Straßenverkehrs erhöhten Anforderungen an die geistige, körperliche und charakterliche Eignung. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Sofortvollzugsanordnung, sondern das Gericht trifft eine eigene Interessenabwägung.
2. Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
a) Die Klage gegen die Ziffer 1 des Bescheids vom 30. Dezember 2021 wird aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Die Fahrungeeignetheit liegt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann vor, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Ein Ermessen steht der Fahrerlaubnisbehörde in diesem Fall nicht zu. Innerhalb der Anlage 4 zur FeV behandelt Nr. 9 die Frage der Fahreignung im Hinblick auf Betäubungsmittel und andere psychoaktiv wirkende Stoffe und Arzneimittel. Nr. 9.1 statuiert für den Fall der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), dass in diesem Fall in beiden Gruppen der Fahrerlaubnisklassen weder Eignung noch bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben ist. Dies gilt unabhängig von der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen waren. Dementsprechend ist die Fahrerlaubnisentziehung nach der Regelvermutung der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Blut des Fahrerlaubnisinhabers und damit die Einnahme eines Betäubungsmittels nachgewiesen wurden (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 31.05.2012 – 11 CS 12.807, 11 C 12.808, 11 C 12.899) oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn.11; BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – ZfSch 2015, 717 – juris Rn. 16 m.w.N.).
aa) Im Falle des Antragstellers wurde der Konsum von harten Drogen bereits durch den Urintest vom 16. Mai 2021, der positiv auf Metamphetamin und Amphetamin verlief, nachgewiesen. Diesen Konsum räumte der Antragsteller beim Untersuchungsgesprächs im Rahmen der Fahreignungsbegutachtung auch ein, nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass eine Haaranalyse durchgeführt werde. Die Analyse von am 31. August 2021 entnommenen kopfhautnahem 3 cm langen Haar ergab darüber hinaus, dass der Antragsteller im Zeitraum der vorangegangenen drei Monate MDMA und MDA konsumiert hat. Amphetamin, MDMA und MDA zählen zu den sog. harten Drogen, die eine Fahreignung ausschließen. Sowohl Amphetamin als auch MDMA und MDA sind in der Anlage zu § 24a StVG als berauschende Substanz genannt.
bb) Die Regelvermutung der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfaltet strikte Bindungswirkung, solange keine Umstände des Einzelfalls vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen. Solche Umstände werden hier vom Antragsteller nicht vorgebracht. Ausnahmen von der Regelvermutung der Anlage 4 zur FeV sind nur dann anzuerkennen, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Beispielhaft werden in Satz 2 der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV besondere menschliche Veranlagung, Gewöhnung, besondere Einstellung oder besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen genannt, durch die z.B. eine Kompensation drogenbedingter Einschränkungen erfolgen kann. Es obliegt insoweit dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. BayVGH – B. v. 31.5.2012 – Az. 11 CS 12.807 u.a. – BeckRS 2012, 52789). Solche Umstände wurden vom Antragsteller weder dargelegt noch sind sie sonst ersichtlich.
cc) Da bereits durch den eingeräumten Konsum vom 16. Mai 2021 nachgewiesen ist, dass der Antragsteller harte Drogen konsumiert hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob ein im Rahmen des Begutachtungsgesprächs eingeräumter Mischkonsum und Alkohol die Fahreignung bzw. ein eventueller regelmäßiger Cannabiskonsum für sich genommen ebenfalls ausschließen würde. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob die Gutachtensanordnung vom 23. Juni 2021 rechtmäßig war oder ob das vorgelegte Gutachten nachvollziehbar und schlüssig ist.
Damit ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Behörde angenommen hat, dass sich der Antragsteller nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat.
dd) Zudem liegen die Voraussetzungen für die Wiedererlangung der Fahreignung zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 30. Dezember 2021 nicht vor. Der Nachweis einer einjährigen Abstinenz scheidet von vornherein aus, da sich der Vorfall erst im Mai 2021 ereignet hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Entziehungs- bzw. ggf. des Widerspruchsbescheids, hier also der 30. Dezember 2021. Erlangt der Betroffene seine Fahreignung erst nach Erlass des Entziehungsbescheides wieder, sieht das Gesetz eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis vor (BayVGH, B. v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577 – BeckRS 2019, 2264 Rn. 21). Auf die Unschuldsvermutung kann sich der Antragsteller im Verwaltungsverfahren nicht berufen, denn die Zielrichtung der sicherheitsbehördlichen Maßnahme ist es, Gefahren von ungeeigneten Kraftfahrzeugfahrern abzuwehren und zu verhüten (vgl. VG Bayreuth, B. v. 9.10.2012 – 1 S 12.787 – BeckRS 2012, 58966).
ee) Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinter dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug zurückzustehen. Es ist nicht festzustellen, dass das Interesse des Antragstellers, wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr führen zu dürfen, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse genießt. Zwar kann die Entziehung der Fahrerlaubnis die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten der Betroffenen sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht gravierend beeinflussen. Die mit der Entziehung verbundenen Schwierigkeiten muss der Antragsteller als Betroffener jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen. Die Umstände des Einzelfalls gebieten auch keine Ausnahme, so dass das Interesse am Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Verkehrsteilnehmern Vorrang genießt.
b) Nach summarischer Prüfung wird auch die Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides vom 30. Dezember 2021 – Anordnung der Ablieferung des Führerscheins – keinen Erfolg haben, da der Bescheid auch in dieser Hinsicht voraussichtlich rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Die Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung ist in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV zu finden. Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig, ist auch die darauf aufbauende Anordnung, den zugehörenden Führerschein abzuliefern, nicht zu beanstanden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG erlischt mit der Entziehung die Fahrerlaubnis. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Fahrerlaubnis der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern. Demzufolge ist auch der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung durch Wiederherausgabe des Führerscheins an den Antragsteller unbegründet.
Aus den genannten Gründen fällt auch hier die Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus.
Nach allem war daher der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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