Aktenzeichen Au 8 K 20.536
PAG a.F. Art. 15 Abs. 1 Nr. 2
Art. 15 Abs. 3 Nr. 2 PAG a.F. i.V.m. Art. 70 Abs. 1, 71 Abs. 1 Nr. 2, 73, 76 PAG a.F.
BayVwVfG Art. 28
BayVwVfG Art. 45
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die auf die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids gerichtete Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 9. März 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der verfahrensgegenständliche Bescheid erweist sich als formell rechtmäßig, insbesondere leidet er nicht unter dem formellen Fehler einer unterbliebenen Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG.
Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist vor Erlass eines Verwaltungsakts einem Beteiligten, in dessen Rechte der Verwaltungsakt eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Für eine ordnungsgemäße Anhörung ist zumindest erforderlich, dass der Betroffene von der Einleitung des Verfahrens bzw. von der Absicht, einen Verwaltungsakt zu erlassen, verständigt wird (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 28 Rn. 19 f.).
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob eine derartige Anhörung vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids erfolgt ist, ein etwaiger Verfahrensmangel wäre jedenfalls nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG durch die Nachholung der Anhörung des Klägers im gerichtlichen Verfahren geheilt.
Nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG kann die Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Hierbei setzt Art. 45 BayVwVfG insoweit vornehmlich einen zeitlichen Rahmen, verhält sich allerdings nicht zu der Art und Weise, wie die unterbliebene Verfahrenshandlung vorzunehmen ist. Dass eine unterlassene Anhörung allein im Rahmen eines behördlichen Verwaltungsverfahrens nachgeholt werden kann, ist der Regelung gerade nicht zu entnehmen. Der Mangel kann ausnahmsweise auch durch verwaltungsprozessualen Schriftwechsel der Beteiligten oder Äußerungen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren geheilt werden, indem nicht die formelle Zugehörigkeit zu einem Verwaltungs- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sondern die materielle Gleichwertigkeit der Anhörung entscheidend ist, zumal für die Anhörung in Art. 28 BayVwVfG keine bestimmte Form vorgeschrieben ist. Von der Behörde zu verlangen, dem Betroffenen parallel zum Gerichtsverfahren zusätzlich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wäre reiner Formalismus. Der Sinn und Zweck der Anhörung muss indes gewahrt sein, so dass erforderlich ist, dass die Behörde das bislang noch nicht Vorgetragene zur Kenntnis nimmt, würdigt und erneut prüft, ob sie unter Berücksichtigung des Vorbringens an ihrer Verfügung festhält oder nicht, und schließlich dem Betroffenen das Ergebnis dieser Prüfung ausdrücklich oder sinngemäß mitteilt (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2014 – 22 ZB 14.1062 – juris Rn. 9 f.; B.v. 17.12.2015 – 20 CS 15.2677 – juris Rn. 3; vgl. zum Ganzen VG Würzburg, U.v. 29.3.2019 – W 9 K 18.476 – juris Rn. 31 f.).
Diesen Anforderungen wurde im Nachgang zum Erlass des Bescheides vom 9. März 2020 genüge getan – mit der Folge, dass eine Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG inzwischen eingetreten ist. Denn der Beklagte hat das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren sowohl in seiner Klageerwiderung vom 30. März 2020 als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2022 zur Kenntnis genommen und dieses ausreichend gewürdigt. Zumindest sinngemäß wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Beklagte – nach einem kritischen Überdenken der getroffenen Sachentscheidung – an seinem Bescheid trotz des Vorbringens des Klägers festhält. Damit sind die materiellen Anforderungen an die Nachholung einer zunächst unterbliebenen Anhörung gewahrt.
2. Der verfahrensgegenständliche Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
a) Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung findet in § 81b Alt. 2 StPO ihre Rechtsgrundlage, wonach Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten eines Strafverfahrens auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden dürfen, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Die Vorschrift des § 81b Alt. 2 StPO ermächtigt zu präventiv-polizeilichen Maßnahmen und dient der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 – 6 C 2.05 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen hier vor.
aa) Nach dem Wortlaut des § 81b Alt. 2 StPO darf die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nur gegen den Beschuldigten eines Strafverfahrens erfolgen. Damit wird deutlich, dass diese Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und jedenfalls sich auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss. Für die Beschuldigteneigenschaft kommt es allein darauf an, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides formell betrachtet Beschuldigter eines Strafverfahrens war; die Rechtmäßigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der Beschuldigteneigenschaft entfällt selbst bei einem späteren Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens nicht (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 – 6 C 2.05 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 27.12.2010 – 10 ZB 10.2847 – juris Rn. 8; B.v. 2.4.2015 – 10 C 15.304 – juris Rn. 5 f. m.w.N.).
Der Kläger war vorliegend zum Zeitpunkt des Ergehens der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 9. März 2020 Beschuldigter eines Strafverfahrens und deshalb tauglicher Adressat gemäß § 81b Alt. 2 StPO. Die Staatsanwaltschaft … erhob am 6. Februar 2020 aufgrund des Vorfalls am 16. Dezember 2019 Anklage beim Amtsgericht … wegen Volksverhetzung (Az. …) – zum nach o.g. Grundsätzen maßgeblichen Zeitpunkt war das Ermittlungsverfahren weder eingestellt noch war der Kläger rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen. Dessen ungeachtet wird die Rechtmäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Behandlung nicht dadurch berührt, dass der Betroffene die Beschuldigteneigenschaft zu einem späteren Zeitpunkt (etwaig) verliert (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2018 – 6 C 39/16 – juris Rn. 17). Aus dem Wortlaut von § 81b Alt. 2. StPO folgt bereits, dass die Vorschrift nicht, wie der Kläger sinngemäß vorträgt, auf „Gewaltstraftaten“ beschränkt ist; er ist tauglicher Adressat der ergangenen Anordnung des Beklagten.
bb) Die noch nicht vollzogene Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. VG Potsdam, U.v. 30.7.2021 – 3 K 3110/19 – juris Rn. 22) auch „notwendig“ im Sinne des § 81b Alt. 2 StPO.
Für die Annahme der Notwendigkeit bedarf es einer auf der sog. Anlasstat beruhenden Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn aufgrund eines konkreten Sachverhalts die Prognose angestellt werden kann, der Betroffene werde auch in Zukunft in den Kreis Verdächtiger von noch aufzuklärenden anderen Straftaten einbezogen werden können (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2005 – 6 C 2.05 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 8.9.2020 – 10 CS 20.1850 – juris Rn. 5). Die für diese Prognose maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ergeben sich vornehmlich aus Art, Schwere und Begehungsweise der dem Beschuldigten im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, aus seiner Persönlichkeit sowie seinem bisherigen strafrechtlichen Erscheinungsbild. Aufgrund des präventiven Charakters der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen kann bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, der in einem Ermittlungsverfahren erhobene Tatverdacht sogar dann berücksichtigt werden, wenn dieses Ermittlungsverfahren nach den §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden. Denn die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügenden Anlass zur Anklage, steht einer Bewertung des zugrundeliegenden „Anfangsverdachts“ sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen, wenn trotz Einstellung des Strafverfahrens ein „Restverdacht“ verbleibt. Dasselbe gilt, wenn der Betroffene rechtskräftig freigesprochen wurde, der Freispruch aber den Restverdacht nicht vollständig ausgeräumt hat (vgl. nur BayVGH, B.v. 8.9.2020 – 10 CS 20.1850 – juris Rn. 5). Ferner beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, ob die nach kriminalistischer Erfahrung anzustellende Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht sowie vertretbar ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte, während das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil einer solchen Kontrolle nur begrenzt zugänglich ist (vgl. VG Würzburg, U.v. 29.3.2019 – W 9 K 18.476 – juris Rn. 39 m.w.N.).
In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Beklagte zutreffend dargelegt, dass sich aus dem bisherigen strafrechtlichen Werdegang, der Art und Weise der Begehung der Anlasstat und letztlich der Person/ Persönlichkeit des Klägers eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr ergibt. Der Kläger ist bereits in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten, wodurch gleichsam die (Negativ-)Prognose der Wiederholungsgefahr vorliegend indiziert ist. Er ist im Jahre 2015 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bzw. wegen falscher Verdächtigung in Tateinheit mit Verleumdung in Tatmehrheit mit Verstoß gegen das Pressegesetz jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden. Ein Verfahren wegen Volksverhetzung wurde, nach erfolgter erstinstanzlicher Verurteilung, in zweiter Instanz im Jahre 2018 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Nicht zu beanstanden ist hierbei, dass der Beklagte trotz erfolgter Einstellung einen insoweit verbliebenen Restverdacht in seine Gefahrenprognose einstellt. Denn zutreffend verbleiben trotz der Einstellung weiterhin Anhaltspunkte für eine künftige Straffälligkeit des Klägers, weil für eine Einstellung nach § 153 StPO bereits semantisch die (geringe) Schuld des Betroffenen vorausgesetzt wird. Im Hinblick auf die Anlasstat vom 16. Dezember 2019 hat sich der dem Anlassverfahren zugrunde liegende Tatverdacht insoweit auch tatsächlich erwiesen, als der Kläger erstinstanzlich zu einer Geldstrafe verurteilt wurde bzw. die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Kläger als unbegründet verworfen wurden. Das Gericht verkennt hierbei die fehlende Rechtskraft bzw. offene Rechtsmittelfrist nicht. Im Lichte o.g. Maßgaben ist die vom Beklagten ausreichend und nachvollziehbar dargelegte Prognose gerichtlich nicht zu beanstanden, zumal einerseits gerade unter dem Aspekt des präventiven Zwecks von § 81b Alt. 2 StPO ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme bestehen bzw. sich aus der Anlasstat ableiten lassen, dass der Kläger in ähnlicher oder anderer Weise erneut straffällig werden könnte, namentlich bei künftigen öffentlichen Auftritten und Redebeiträgen. Es handelt sich des Weiteren bei der Anlasstat entgegen dem sinngemäßen Vorbringen des Klägers um kein bloßes Bagatelldelikt. Eine Einbeziehung der sich aus dem Verfassungsschutzbericht 2018 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration ergebenden Erkenntnisse über die Person des Klägers stellt sich nach o.g. Maßgaben als nachvollziehbar dar; die Prognoseentscheidung ist auch hinreichend begründet. Gleiches gilt für den engen, nachvollziehbar dargelegten und ausreichend begründeten Nexus, dass aufgrund der politischen Ansichten des Klägers, d.h. seiner Person/ Persönlichkeit, hinreichend wahrscheinlich zu erwarten steht, dass er künftig bei öffentlichen Auftritten oder Redebeitragen in ähnlicher Weise (wie etwa im Rahmen der Anlasstat) straffällig werden könnte.
Soweit der Beklagte im angefochtenen Bescheid darüber hinaus darauf verweist, dass der Kläger seit dem Jahre 2003 wegen Delikten der üblen Nachrede, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Beleidigung, Verleumdung, Verstoß gegen das Pressegesetz und Volksverhetzung strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, im Jahre 2011 gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung geführt worden sei sowie weiter wegen (versuchter) Volksverhetzung in den Jahren 2016 und 2017 Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt worden seien, bestehen nach Ansicht des Gerichts Zweifel, ob insoweit die polizeiliche Prognoseentscheidung ausreichend nachvollziehbar begründet ist. Es könnte an der Auseinandersetzung damit fehlen, aus welchen Gründen insoweit eine erkennungsdienstliche Behandlung trotz – wie an anderer Stelle im streitgegenständlichen Bescheid eingeräumt – „teilweise[r] Einstellung o.g. [Ermittlungs-]Verfahren“ vorliegend dennoch notwendig ist (vgl. hierzu auch BVerwG, U.v. 27.6.2018 – 6 C 39/16 – juris Rn. 23).
Dies kann aber letztlich dahinstehen, da der Beklagte im Übrigen hinsichtlich der vom Kläger ausgehenden Gefahr einer zukünftigen Begehung sowohl ähnlicher als auch anderer Straftaten die Prognose einer Wiederholungsgefahr im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 9. März 2020 ausreichend und nachvollziehbar begründet hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Bescheid Bezug und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
cc) Die durch die erkennungsdienstliche Behandlung gewonnen Unterlagen sind auch geeignet, künftige Ermittlungen zu fördern (vgl. statt vieler BayVGH, B.v. 27.10.2020 – 10 ZB 20.1974 – juris Rn. 8 m.w.N.). Insbesondere erscheint die Anlasstat vorliegend in besonderem Maße geeignet, die Notwendigkeit dieser Maßnahme zu rechtfertigen, wenn und weil durch aktuelle Lichtbilder der Person des Klägers, durch die Personenbeschreibung, seine Fingerabdrücke etc. Ermittlungen, vornehmlich im Bereich einer etwaigen öffentlichen Volksverhetzung, im Rahmen von Zeugenbefragungen, Lichtbildvorlagen, einer Öffentlichkeitsfahndung, einem Abgleich von Fingerabdrücken mit Spuren von „öffentlichen“ Tatorten usw. unterstützt werden, gleichzeitig aber auch die aktuellen erkennungsdienstlichen Unterlagen dazu dienen können, den Kläger bei Verdachtsfällen von einem etwaig unzutreffenden Verdacht zu befreien. Der Einwand des Klägers einer fehlenden präventiven Notwendigkeit, indem „bei allen politischen Delikten die […] Tat in der Öffentlichkeit“ stattfände, geht demgemäß fehl. Zutreffend verweist der Beklagte darauf, dass im Rahmen von Ermittlungen zur Identifizierung von Personen nicht nur geschulte polizeiliche Dienstkräfte, sondern v.a. bei in der Öffentlichkeit stattfindenden Delikten gerade auch „zivile“ Zeugen oder Geschädigte herangezogen werden.
dd) Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung hält unter dem Aspekt der verfügten Maßnahmen auch den von § 81b Alt. 2 StPO abgesteckten Rahmen ein.
ee) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ebenfalls gewahrt. Es handelt sich bei der Anlasstat – entgegen dem Einwand des Klägers – um kein bloßes Bagatelldelikt, sondern um ein die öffentliche Ordnung massiv beeinträchtigendes strafbares Verhalten. Wortlaut und Systematik bestätigen dies – auch mit Blick auf die Strafandrohung (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 130 Rn. 1 ff. m.w.N.). Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht auf „Gewaltstraftaten“ beschränkt, was sich bereits aus dem Wortlaut des § 81b Alt. 2 StPO ergibt. Der hierauf zielende Einwand des Klägers geht damit fehl.
Ferner steht es entgegen der Auffassung des Klägers nicht außer Verhältnis, bereits nach seiner letzten erkennungsdienstlichen Behandlung im Jahre 2010 eine solche erneut durchzuführen. Hinsichtlich des natürlichen Alterungsprozesses und einem nach allgemeiner Lebenserfahrung über einen (wie hier) längeren Zeitraum zu erwartenden veränderten Aussehen (Körpergewicht und -statur, Barttracht und Haarwuchs etc.) ist eine erneute erkennungsdienstliche Behandlung notwendig. Das Vorbringen des Klägers, ihm seien im Jahre 2010 Fingerabdrücke abgenommen worden, steht der erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung – unter Einschluss der erneuten Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken – nicht entgegen. Die Finger- und Handflächenabdrücke eines Menschen sind zwar von Natur aus – wie der Kläger zutreffend anmerkt – unveränderlich. Insbesondere Verletzungen mit späterer Narbenbildung, mechanische oder chemische Beanspruchung sowie Krankheiten und nicht zuletzt der natürliche Alterungsprozess können Veränderungen der Haut bewirken, welche zumindest den Abgleich von Tatortspuren mit älteren Finger- und Handflächenabdrücken erschweren oder sogar unmöglich machen können. Im Hinblick auf den Zeitraum, nach welchem die erneute Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken auch ohne Besonderheiten des Sachverhalts angemessen erscheint, bestehen im vorliegenden Fall nach Ansicht des Gerichts keine Bedenken, wenn und weil in der Rechtsprechung bei Erwachsenen ein Zeitraum von jedenfalls fünf Jahren als angemessen angesehen wird. Dem schließt sich das Gericht an (vgl. zum Ganzen, v.a. zur Herleitung des Zeitraums, nur OVG Lüneburg, U.v. 21.2.2008 – 11 LB 417/07 – juris Rn. 28, 31 m.w.N.). Wie oben dargelegt bestehen vorliegend hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das erhobene Material künftige Ermittlungen bei den prognostizierten Straftaten fördern könnte; dies gilt auch für die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken.
Entgegen der Auffassung des Klägers steht es nicht außer Verhältnis, nach einer im Rahmen der Anlasstat vom 16. Dezember 2019 angefertigten Videoaufnahme, welche sein Aussehen und seine Stimme dokumentieren würde, eine erkennungsdienstliche Behandlung durchzuführen. Eine Stimmaufnahme wird im streitgegenständlichen Bescheid nicht angeordnet. Dessen ungeachtet ergeben sich vom verfügten Umfang der erkennungsdienstlichen Behandlung im streitgegenständlichen Bescheid, vornehmlich bei entsprechend belichteten „ruhenden“ Bildaufnahmen von Gesicht, Profil, Halbprofil und ganzer Körper bzw. einer detaillierten Personenbeschreibung, naturgemäß bereits erhebliche qualitative sowie auch quantitative Unterschiede zu einer Videoaufnahme (i.R.d. Anlasstat vom 16. Dezember 2019 mit dem Redebeitrag des Klägers, nach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … im Verfahren Az., gegen 21:15 Uhr), insbesondere bei etwaigen künftigen Ermittlungen im Rahmen von Zeugenbefragungen, Lichtbildvorlagen oder einer Öffentlichkeitsfahndung etc.
Nach alldem ist es vorliegend nicht unverhältnismäßig, durch eine (erneute) erkennungsdienstliche Behandlung aktuelle verwertbare Unterlagen zu erlangen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht im Übrigen insoweit auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Bescheid Bezug und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
ff) Der Beklagte hat erkannt, dass die Entscheidung in seinem Ermessen steht, dieses ausgeübt sowie alle relevanten Belange mit dem ihnen zustehenden Gewicht in die Entscheidung eingestellt. Ermessensfehler sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Die unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Vorladung findet in § 81b StPO (quasi als Annex) oder jedenfalls nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 PAG a.F. eine ausreichende Rechtsgrundlage (vgl. VG München, U.v. 27.3.2019 – M 7 K 17.4047 – juris Rn. 19). Sie ist Folge der Pflicht zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung und wurde vom Beklagten hinreichend und zutreffend begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht insoweit auf die Gründe des angefochtenen Bescheids und sieht insoweit von einer eigenen Begründung ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
c) Die Zwangsgeldandrohung und -festsetzung finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 15 Abs. 3 Nr. 2 PAG a.F. i.V.m. Art. 70 Abs. 1, 71 Abs. 1 Nr. 2, 73 sowie 76 PAG a.F. und begegnen keinen rechtlichen Bedenken (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.11.2017 – Au 8 K 17.1422 – juris Rn. 26 m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.