Strafrecht

Fahreignung nach Amphetaminkonsum

Aktenzeichen  RN 8 S 19.497

Datum:
16.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27491
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, § 80 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1
StVG § 3 Abs. 1, § 24a
FeV § 46 Abs. 1
BtMG § 1 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfällt beim Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, unabhängig von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen waren. Dementsprechend ist die Fahrerlaubnisentziehung nach der Regelvermutung von Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV bereits dann gerechtfertigt, wenn der Antragsteller zumindest einmal sogenannte harte Drogen konsumiert hat (Anschluss BayVGH, Beschl. v. 14.02.2012 – 11 CS 12.28, BeckRS 2012, 25749) (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Steht der Konsum fest, bedarf es für die Entscheidung der Behörde keines Gutachtens. Wird zunächst angeordnet, dass ein solches eingeholt werden soll, und unterbleibt es dann später, kann der Betroffene hieraus keinen “Vertrauensschutz” herleiten. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch das Landratsamt K … (LRA).
Der am …1998 geborene Antragsteller war zuletzt Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, B, BE und L. Das LRA enthielt am 20. Dezember 2017 von der Polizeiinspektion L … den Abdruck eines Tatblattes vom 11. Dezember 2017. Nach der Sachverhaltsschilderung wurde der Antragsteller am 6. Oktober 2017 um 20:25 Uhr einer Polizeikontrolle unterzogen. Dabei seien drogentypische Auffälligkeiten festgestellt worden. Ein freiwilliger Drogenschnelltest sei positiv auf THC verlaufen. In der entnommenen Blutprobe sei THC nachgewiesen worden. Dem LRA wurde am 18. Januar 2018 von der Zentralen Bußgeldstelle Viechtach mitgeteilt, dass gegen den Antragsteller ein Bußgeldbescheid wegen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung berauschender Mittel nach § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG), rechtskräftig seit 30. Dezember 2017, erlassen wurde. Die Chemischtoxikologische Blutuntersuchung habe einen Cannabis/Tetrahydrocannabinol-Wert von 1,70 ng/ml ergeben.
Auf Bitte des LRA übersandte die Staatsanwaltschaft R … am 1. Februar 2018 die Akte des Antragstellers. Der Akte ließ sich entnehmen, dass dem Antragsteller zur Last gelegt wurde, am 2. Dezember 2017 sowie am 7. Dezember 2017 einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz begangen zu haben. Im Rahmen der Vernehmung habe der Antragsteller jeweils angegeben, unregelmäßig Marihuana zu konsumieren und am 2. Dezember 2017 einen Joint geraucht zu haben.
Das LRA erhielt am 30. August 2018 eine Mitteilung der Polizeiinspektion M … wegen eines Vergehens des Antragstellers nach § 24a StVG. Der Antragsteller sei am 22. Juli 2018 gegen 21:15 Uhr einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen worden. Dabei seien drogentypische Merkmale festgestellt worden. Der Antragsteller habe angegeben, dass er einen Tag zuvor einen Joint konsumiert habe. Das Ergebnis einer angeordneten Blutentnahme sei positiv auf THC und Amphetamine verlaufen. Nach dem beigefügten Gutachten des Forensisch Toxikologischen Zentrums München vom 2. August 2018 wurden in der Blutprobe ca. 5,4 ng/ml Amphetamin, 1,0 ng/ml Tetrahydrocannabinol, ca. 0.3 ng/ml HO-THC und 22,6 ng/ml THC-COOH nachgewiesen.
Mit Schreiben vom 13. September 2018 forderte das LRA den Antragsteller zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Klärung der folgenden Fragestellung auf:
„1. Liegen körperliche und / oder geistige Beeinträchtigungen vor, die mit der Einnahme von Betäubungsmitteln in Zusammenhang gebracht werden können?
2. Ist aufgrund der Fahrt unter Cannabiseinfluss am 06.10.2017 nicht zu erwarten, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme)?“
Gestützt wurde die Gutachtensanordnung darauf, dass aufgrund der aktenkundigen Fahrt mit einem PKW vom 6. Oktober 2017 mit einer festgestellten THC-Konzentration von 1,7 ng/ml feststehe, dass der Antragsteller den Konsum von Drogen nicht von der Verkehrsteilnahme trennen könne. Bei der Beschuldigtenvernehmung am 7. Dezember 2017 habe der Antragsteller angegeben, dass er unregelmäßig Marihuana konsumiere. Mit der Fahrt unter dem Einfluss von THC am 6. Oktober 2017 und der Angabe vom 7. Dezember 2017 würden zwei unabhängige Konsumakte und damit ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliegen.
Mit am 25. September 2018 eingegangenem Schreiben teilte die Zentrale Bußgeldstelle Viechtach dem LRA mit, dass gegen den Antragsteller am 3. September 2018 ein Bußgeldbescheid, rechtskräftig seit 19. September 2018, wegen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einem Blutwert von 5,40 ng/ml Amphetamin und 1,00 ng/ml Cannabis erlassen wurde. Die Polizeiinspektion M … teilte dem LRA am 1. Oktober 2018 mit, dass der Antragsteller am 25. Juli 2018 gegen 00:20 Uhr in S … kontrolliert wurde. Dabei habe eine Blutentnahme einen THC-Wert von 0,7 ng/ml ergeben.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 hörte das LRA den Antragsteller zu einer bevorstehenden Entziehung seiner Fahrerlaubnis an und führte aus, dass sich aufgrund der Fahrt vom 22. Juli 2018 unter dem Einfluss von 5,4 ng/ml Amphetamin und 1,0 ng/ml THC der Sachverhalt geändert habe. Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 13. September 2018 werde zurückgenommen. Eine Eignungsüberprüfung sei nicht mehr erforderlich, da der Antragsteller aufgrund des Konsums von Amphetamin nicht mehr fahrgeeignet sei.
Mit Schriftsatz an das LRA vom 22. November 2018 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers aus, dass der Antragsteller aufgrund der Anordnung vom 13. September 2018 an einem MPU-Vorbereitungskurs teilgenommen habe. Hinsichtlich der Beibringung des Gutachtens werde um Fristverlängerung gebeten. Die polizeiliche Mitteilung der Polizeiinspektion M … sei bereits bei Anordnung des Gutachtens bekannt gewesen. Der Antragsteller habe darauf vertrauen dürfen, dass es bei der Anordnung bleibe. Eine weitergehende, verbösende Anordnung sei nicht gerechtfertigt. Dem Antragsteller sei ein „Vertrauensvorschuss“ eingeräumt worden. Eine abweichende Bewertung der Fahreignung und die Geltendmachung von Zweifeln seien nur gerechtfertigt, wenn sich nach der Anordnung gewichtige neue Umstände ergeben hätten, was sich der Akte nicht entnehmen lasse. Das LRA teilte dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 27. November 2018 mit, dass zwar am 30. August 2018 die Mitteilung über die Fahrt vom 22. Juli 2018 unter dem Einfluss vom Amphetaminen und THC eingegangen sei, diese jedoch erst mit Bußgeldbescheid vom 3. September 2018 am 19. September 2018 geahndet worden sei. Durch den Konsum harter Drogen habe der Antragsteller seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verloren, sodass die Anordnung der Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgehoben worden sei.
Mit am 31. Dezember 2018 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schreiben seines Bevollmächtigten hat der Kläger Klage auf Feststellung, dass die Rücknahme der Gutachtensanordnung vom 13. September 2018 rechtswidrig gewesen ist, erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Az. RN 8 K 18.2172).
Mit Bescheid vom 21. Januar 2019 entzog das LRA dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Ziffer 1). Der Antragsteller wurde verpflichtet, seinen Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung dieses Bescheids beim LRA abzuliefern (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wurden angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall, dass der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins nicht fristgerecht nachgekommen werden sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR angedroht (Ziffer 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes weder die Eignung noch die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehe. Nach herrschender Rechtsprechung schließe bereits der einmalige Konsum von harten Drogen die Fahreignung aus. Durch das vorliegende toxikologische Gutachten vom 2. August 2018 werde belegt, dass der Antragsteller harte Drogen in Form von Amphetaminen zu sich genommen habe und unter deren Einfluss am Straßenverkehr teilgenommen habe. Die Fahrerlaubnis sei daher zwingend zu entziehen. Auf die weitere Begründung des den Bevollmächtigten des Antragstellers gegen Empfangsbekenntnis am 23. Januar 2019 zugestellten Bescheids wird Bezug genommen.
Mit am 21. Februar 2019 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 21. Januar 2019 erheben lassen, über die noch nicht entschieden ist (RN 8 K 19.300). Mit am 19. März 2019 eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass sich nach der Gutachtensanordnung vom 13. September 2018 keine tatsächlichen neuen Umstände ergeben hätten. Vielmehr seien die Umstände, die nunmehr im Schreiben vom 15. Oktober 2018 aufgeführt worden seien, bereits aktenkundig gewesen. Mithin habe sich der Antragsteller auf einen sog. „Vertrauensvorschuss“ verlassen dürfen. Eine abweichende Bewertung der Fahreignung und eine Geltendmachung von Zweifeln seien nicht gerechtfertigt. Darüber hinaus sei dem Antragsteller auch entsprechend Art. 31 Abs. 7 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) Fristverlängerung für die Beibringung des MPU-Gutachtens zu gewähren gewesen.
Für den Antragsteller wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung der eingereichten Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts K … vom 21. Januar 2019, Az. 24-143-Gr-11111998, bezüglich Ziffer 1. wiederherzustellen.
Für den Antragsgegner beantragt das LRA,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird vorgetragen, dass aufgrund der Rechtskraft des Bußgeldbescheids vom 3. September 2018 am 19. September 2018 gewichtige neue Umstände bekannt geworden seien, weshalb die Anordnung zur Abklärung des Trennvermögens sowie der Fahreignung aufgehoben worden sei. Es sei kein „Vertrauensvorschuss“ gewährt worden. Nach herrschender Rechtsprechung schließe bereits der einmalige Konsum von harten Drogen die Fahreignung aus. Durch das vorliegende toxikologische Gutachten vom 2. August 2018 werde belegt, dass der Antragsteller harte Drogen in Form von Amphetaminen zu sich genommen habe und unter diesem Einfluss am Straßenverkehr teilgenommen habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis in Ziffer 1 des Bescheids vom 21. Januar 2019 wiederherzustellen. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit dies durch Bundesgesetz oder Landesgesetz vorgeschrieben ist, oder soweit die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheids vom 21. Januar 2019 hat die erlassende Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 21. Januar 2019 ist nicht begründet.
1. Das LRA hat das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend begründet.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei behördlicher Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll dem Betroffenen ermöglichen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem dient die Begründungspflicht dazu, der Behörde den Ausnahmecharakter einer Vollzugsanordnung vor Augen zu führen und die Behörde zu der Prüfung zu veranlassen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Es bedarf daher einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an einer sofortigen Vollziehung, die nicht lediglich formelhaft sein darf. An den Inhalt der Begründung sind dabei keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist für bestimmte Arten behördlicher Anordnungen das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 36). In solchen Fällen ist die Behörde daher nicht verpflichtet, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Insbesondere wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht zählt (vgl. BayVGH, B.v. 8.9.2015 – Cs 15.1634 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die Umstände, aus denen sich die Fahrungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers ergibt, sind regelmäßig auch geeignet, gleichzeitig das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der angeordneten Fahrerlaubnisentziehung zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2005 – 11 CS 05.1967; BayVGH, B.v. 14.12.1994 – 11 AS 94.3847, BayVBl 1995, 248). Ist ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, liegt es auf der Hand, dass ihm im Hinblick auf die Gefährlichkeit seiner Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr und der zu schützenden Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit der anderen Verkehrsteilnehmer grundsätzlich sofort das Führen von Kraftfahrzeugen untersagt werden muss.
Die vorliegende Begründung genügt diesen Anforderungen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes bestehe. Das Interesse der Allgemeinheit daran, dass der Betroffene als Kraftfahrer, dessen Nichteignung erwiesen sei, durch sofort wirksame Maßnahmen aus dem Verkehr gezogen werde, überwiege bei weitem das Interesse des Betroffenen, nicht bereits vor bestandskräftiger Entscheidung über den Entzug der Fahrerlaubnis an der weiteren Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gehindert zu werden. Der Antragsteller stelle aufgrund des Konsums von sogenannten harten Drogen, hier in Form von Amphetamin, eine Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr dar. Sein Interesse, die Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs bis zum Zeitpunkt der Bestandskraft des Bescheides hinauszuschieben, sei als nachrangig zu werten. Dies sei Ausdruck der staatlichen Pflicht zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz. Deshalb sei es unumgänglich, die Entziehung für sofort vollziehbar zu erklären. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigene Interessenabwägung durchgeführt.
2. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt.
Für diese Interessenabwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich. Führt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache dazu, dass der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so kann kein Interesse der Öffentlichkeit oder anderer Beteiligter daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil nach der im vorläufigen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall spricht nach summarischer Prüfung alles dafür, dass die Klage des Antragstellers gegen die in Ziffer 1 des Bescheids vom 21. Januar 2019 erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach ist (kein Ermessenspielraum) die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann der Fall, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Amphetamin ist ein Betäubungsmittel im Sinne des BtMG (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG, Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG). Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfällt beim Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, unabhängig von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen waren. Dementsprechend ist die Fahrerlaubnisentziehung nach der Regelvermutung von Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV bereits dann gerechtfertigt, wenn der Antragsteller zumindest einmal sogenannte harte Drogen konsumiert hat (st. Rspr. des BayVGH: vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2009 – 11 CS 09.85, m.w.N.; BayVGH, B.v. 14.2.2012 – 11 CS 12.28; BayVGH, B.v. 31.5.2012 – 11 CS 12.807; BayVGH, B.v. 23.2.2016 – 11 CS 16.38 u.a.).
Der Antragsteller hat sich aufgrund seines Konsums von Amphetamin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Dieser Konsum wurde nachgewiesen durch das Gutachten des Forensisch Toxikologischen Zentrums München vom 2. August 2018. Danach wurde in der dem Antragsteller am 22. Juli 2018 entnommenen Blutprobe ein Amphetaminwert von 5,4 ng/ml festgestellt. Das LRA durfte daher den Entzug der Fahrerlaubnis auf die sich aus dem Konsum von Amphetamin ergebende Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV stützen.
Die Regelvermutung von Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfaltet strikte Bindungswirkung, solange keine Umstände des Einzelfalls vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen. Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben: Ausnahmen von der Regelvermutung der Anlage 4 zur FeV sind nur dann anzuerkennen, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Beispielhaft werden in Satz 2 der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV besondere menschliche Veranlagung, Gewöhnung, besondere Einstellung oder besondere Verhaltenssteuerungen und – umstellungen genannt, durch die z.B. eine Kompensation drogenbedingter Einschränkungen erfolgen kann. Es obliegt insoweit dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände dazulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2012 – 11 CS 12.807 u.a.). Solche Umstände sind vorliegend aber weder dargelegt, noch sonst ersichtlich. Wirtschaftliche Nachteile infolge der Entziehung der Fahrerlaubnis, einschließlich des Verlustes des Arbeitsplatzes, haben gegenüber dem öffentlichen Interesse keine Bedeutung; Billigkeitserwägungen können nicht entgegengesetzt werden.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller seine Fahreignung inzwischen wieder erlangt hat. Gemäß der Regelung in Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV kann frühestens nach einem Jahr nachgewiesener Abstinenz von einer Wiedererlangung der Fahreignung ausgegangen werden. An einer solchen nachgewiesenen Abstinenz fehlt es hier bereits, da der vom Antragsteller vorgelegte Befund über die Untersuchung von Haaren durch das Forensisch-Toxikologische Centrum München vom 5. Juli 2018 nur einen Zeitraum von drei Monaten umfasst. Damit der Betroffene nach Ablauf der Jahresfrist nicht alsbald wieder in sein früheres, rechtswidriges und gefahrenträchtiges Konsumverhalten zurückfällt, setzt die Wiedererlangung der Fahreignung darüber hinaus die Prognose voraus, dass die Verhaltensänderung von Dauer ist. Das lässt sich nur bejahen, wenn zu einer positiven Veränderung der körperlichen Befunde ein stabiler, tief greifender Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhält. Das erfordert – gegebenenfalls neben ärztlichen Feststellungen – eine psychologische Bewertung (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526).
Es bedurfte vorliegend auch nicht vor Entziehung der Fahrerlaubnis der Einholung eines Gutachtens. Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt nach § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens.
Der Entziehung der Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen steht hier auch nicht entgegen, dass das LRA zunächst am 13. September 2018 die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung des Trennungsvermögens hinsichtlich des Cannabiskonsums des Antragstellers angeordnet hat, und diese Anordnung mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 wieder aufgehoben hat. Der Antragsteller konnte sich nicht, wie er geltend macht, auf einen „Vertrauensvorschuss“ berufen. Das LRA hat die Gutachtensanordnung vom 13. September 2018 für den Antragsteller erkennbar nur auf die Fahrt unter Cannabiseinfluss vom 6. Oktober 2017 gestützt. Der Amphetaminkonsum des Antragstellers lag der Gutachtensanordnung nicht zugrunde. Der Antragsteller konnte daher nicht davon ausgehen, dass das LRA bezüglich seines Amphetaminkonsums nur Eignungszweifel hegt, die einer Aufklärung durch eine Begutachtung bedürfen. Die diesbezüglich von der Antragstellerseite angegebenen Entscheidungen des OVG Koblenz (B.v. 12.5.2003 – 7 B 10649/03) und des VG Neustadt (B.v. 5.6.2003 – 3 U 1290/03) betreffen die vom vorliegenden Fall abweichende Konstellation, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine Gutachtensanordnung auf Umstände gestützt hat, die bereits vor Wiedererteilung vorgelegen haben: Mit dieser Gutachtensanordnung hat sich die Fahrerlaubnisbehörde in Widerspruch zu ihrem Handeln gesetzt, da sie mit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnisbehörde zum Ausdruck gebracht hatte, keine Eignungsbedenken zu haben. Im vorliegenden Fall hat das LRA aber bereits mit der Gutachtensanordnung vom 13. September 2018 zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund der Fahrt vom 6. Oktober 2017 unter dem Einfluss von Cannabis Zweifel hinsichtlich der Fahreignung des Antragstellers bestehen. Es stellt damit kein widersprüchliches Handeln der Behörde dar, bei Heranziehung des Amphetaminkonsums des Antragsteller auf dessen Nichteignung zu schließen. Zwar war dem LRA zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung der Amphetaminkonsum des Antragstellers bereits bekannt. Das LRA hat durch die Gutachtensanordnung aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass diesbezüglich nur Eignungszweifel bestehen, die eine Gutachtensanordnung erforderlich machen. Vielmehr hat das LRA den Amphetaminkonsum zum Anordnungszeitpunkt noch nicht verwertet. Nachweislich der Gründe der Gutachtensanordnung wurde diese auch nur auf die Cannabisfahrt vom 6. Oktober 2017 gestützt. Das LRA durfte daher die Anordnung des Gutachtens nach erneuter Prüfung des Sachverhalts wieder aufheben, zumal sich diese nach summarischer Prüfung aufgrund des festgestellten Amphetaminkonsums des Antragstellers als rechtswidrig erweisen dürfte. Denn wenn die Nichteignung des Betroffenen – wie dies bei dem Konsum harter Drogen der Fall ist – feststeht, unterbleibt nach § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung eines Gutachtens; ein insoweit angeordnetes Gutachten ist demnach rechtswidrig.
Der Annahme eines „Vertrauensvorschusses“ aufgrund eines angeordneten Gutachtens steht auch entgegen, dass es sich beim Fahrerlaubnisrecht um Sicherheitsrecht handelt, welches dem Schutz der Allgemeinheit und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dient. Daraus folgt bereits, dass sich ein Kraftfahrer, dessen Ungeeignetheit feststeht, nicht darauf berufen kann, im Entziehungsverfahren seine Eignung durch die Beibringung eines Gutachtens nachzuweisen. Vielmehr bedarf es zur Gewährleistung der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs des unmittelbaren Ausschlusses von ungeeigneten Kraftfahrern ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen. Dem würde es widersprechen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde an einem einmal angeordneten Gutachten festhalten müsste, auch wenn sich bei erneuter Prüfung des Sachverhalts die Ungeeignetheit des Betroffenen ergibt.
Der Aufhebung der Gutachtensanordnung steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller einen Vorbereitungskurs für eine medizinisch-psychologische Untersuchung absolviert hat. Denn hierbei handelt es sich um eine vom Antragsteller freiwillig vorgenommene Maßnahme. Nicht entscheidungserheblich ist letztendlich die von der Antragstellerseite angeführte Fristverlängerung für die Beibringung eines Gutachtens, da die Gutachtensanordnung vom 13. September 2018 aufgrund der Aufhebung gegenstandslos ist. Der Bescheid vom 21. Januar 2019 beruht auch nicht auf der Nichtvorlage des Gutachtens, weshalb nicht zu entscheiden ist, ob die gesetzte Frist in der Anordnung vom 13. September 2018 angemessen war.
Nach allem war daher der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 GKG.


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