Strafrecht

Keine Erledigungsgebühr bei Anerkenntnis

Aktenzeichen  L 15 SF 109/15

Datum:
9.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 242
RVG RVG §§ 2 II, 14, 56, 59
SGG SGG §§ 101, 195
VV-RVG Nr. 1002, 1005, 1006

 

Leitsatz

1. Der öffentlich rechtliche Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist nicht subsidiär gegenüber Ansprüchen, die dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit gegen den zur Kostentragung verpflichteten anderen Beteiligten zustehen. (amtlicher Leitsatz)
2. Nur wenn auf der Hand liegt, dass der Rechtsanwalt oder der Mandant ohne sachlichen Grund durch ihr Handeln die Staatskasse beeinträchtigen, kommt eine Versagung des Rechtsanwaltshonorars gemäß dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB in Betracht. Eine nähere Prüfpflicht für den Kostenbeamten besteht insoweit nicht. (amtlicher Leitsatz)
3. Die Erledigung des Rechtsstreits durch die anwaltliche Mitwirkung setzt eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts im Sinn einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung voraus. (Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats vom 07.02.2011, Az. L 15 SF 57/09 B). (amtlicher Leitsatz)
4. Die bloße Annahme eines Anerkenntnisses reicht nicht aus, um die Erledigungsgebühr auszulösen; wie auch bei einer Klagerücknahmeerklärung liegt darin noch keine über die normale Prozessführung hinausgehende, qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung. (amtlicher Leitsatz)
5. Bei der Beurteilung, ob ein Anerkenntnis oder ein Vergleich vorliegt, kommt der förmlichen Bezeichnung in der Sitzungsniederschrift entscheidende Bedeutung zu. Etwas anderes gilt nur, wenn die Bezeichnung offensichtlich unzutreffend ist. Nur in einem solchen Fall kann der Grundsatz, dass im Kostenansatzverfahren keine Überprüfung einer richterlichen Entscheidung durch den Kostenbeamten zu erfolgen hat, nicht greifen. (amtlicher Leitsatz)

Gründe

Leitsatz:
In dem Erinnerungsverfahren
Rechtsanwältin A. A., A-Straße, A-Stadt
*in Sachen B. ./. Landkreis Unterallgäu, Sozialhilfeverwaltung
(Az.: S 3 SO 137/13 ER)*
– Erinnerungsführerin-Erinnerungsgegnerin-Beschwerdegegnerin-Beschwerdeführerin
zu 1. –
gegen
… (Staatskasse), vertreten durch den Bezirksrevisor beim … Landessozialgericht, …
– Erinnerungsgegner-Erinnerungsführer-Beschwerdeführer-Beschwerdegegner zu 2.
Erinnerungen nach § 55 RVG
erlässt der 15. Senat des Bayer. Landessozialgerichts in München am 9. März 2016 ohne mündliche Verhandlung durch den Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Braun folgenden Beschluss:
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 23. April 2015 werden zurückgewiesen.
Gründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Augsburg (SG), Az.: S 3 SO 137/13 ER, ging es um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde am 28.11.2013 gestellt; zugleich beantragte die Antragstellerin die Gewährung von PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 21.01.2014 entsprochen; die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. wurde beigeordnet.
Am 08.01.2014 und am 21.01.2014 fanden Erörterungstermine der Kammer statt. Im zweiten Termin erließ die Vorsitzende laut Sitzungsniederschrift folgenden Beschluss:
Prozesskostenhilfe wird ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gründe:
Es waren Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren erforderlich, die im Ergebnis positiv ausgegangen sind. Im Hinblick auf die Bewilligung der PKH verzichtet die Klägerbevollmächtigte auf Kostenerstattung des Beklagten.“
Weiter gab der Antragsgegner dahingehend ein Anerkenntnis ab, dass die Sozialhilfeleistungen gewährt würden, wobei ein Lagerraum und Mehrbedarf im einstweiligen Rechtsschutz ausgeklammert würden. Die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. nahm das Anerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Mit Schreiben vom 27.01.2014 beantragte die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. die Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 1.234,93 EUR. Dabei setzte sie unter anderem eine Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006 ff. VV RVG in Höhe von 300,00 EUR an.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.08.2014 setzte die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. auf 877,93 EUR, im Einzelnen wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102, 3103 VV RVG:300,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG: 300,00 EUR
Erledigungsgebühr,Nr. 1002, 1005 VV RVG: – EUR
Auslagen(insgesamt): 137,76 EUR
Zwischensumme: 737,76 EUR
19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG: 140,17 EUR
877,93 EUR
Die Erledigungsgebühr, so die Kostenbeamtin, sei nicht festzusetzen, da für die Entstehung einer solchen Gebühr eine Mitwirkung des Rechtsanwalts erforderlich sei, die nicht nur allgemein auf Verfahrensförderung gerichtet sei, sondern gerade auf den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung. Eine besondere Mühewaltung sei in der Annahme des Anerkenntnisses des Beklagten vorliegend nicht zu erkennen.
Hiergegen hat die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. am 22.09.2014 Erinnerung erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Einigungs- oder Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VVRVG eindeutig dann entstehe, wenn über den Gegenstand, über den sich die Parteien einigen würden oder wenn die Rechtssache z. B. durch Anerkenntnis erledigt werde, bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig sei. Entscheidend sei nicht das angenommene Anerkenntnis, sondern allein das Mitwirken der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. bei der Erledigung des Verfahrens.
Am 17.10.2014 hat der Beschwerdeführer und Beschwerdegegner zu 2. (im Folgenden: Staatskasse) ebenfalls Erinnerung eingelegt und unter Verweis auf die Rechtsprechung des Kostensenats des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) hervorgehoben, dass vorliegend weder eine Einigungsgebühr noch eine Erledigungsgebühr entstanden seien. Ungeklärt sei jedoch, ob sich die Staatskasse mit dem Antrag, die zu zahlende Vergütung auf 0,00 EUR festzusetzen, auf den Grundsatz berufen könne, dass es der Partei und dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt obliege, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten; insbesondere dürfe der bedürftige Rechtsuchende nicht in der Erwartung, alle Kosten der Rechtsverfolgung würden von der Staatskasse getragen, Kosten verursachen, die ein nichtbedürftiger Auftraggeber, der für diese Kosten selbst aufkommen müsse, nicht verursacht hätte. Die Staatskasse hat hier auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen. Sie hat hervorgehoben, dass kein nichtbedürftiger Auftraggeber, der verständig rechne, bei einem Anerkenntnis, das sich nach dem Beschluss des Kostensenats vom 19.08.2013 (Az.: L 15 SF 117/13 B) automatisch auch auf die außergerichtlichen Kosten beziehe, auf die Kostenerstattung durch den Antragsgegner verzichten würde.
Mit Beschluss vom 23.04.2015 hat das SG „die Erinnerung und die Anschlusserinnerung gegen die Festsetzung vom 20.08.2014“ zurückgewiesen. Eine qualifizierte Mitwirkung der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. ergebe sich aus dem Protokoll des Erörterungstermins vom 21.01.2014 nicht. Hinzu komme, dass sich nach Auffassung des Gerichts der Rechtsstreit tatsächlich auch nicht vollumfänglich erledigt habe. Zwar sei es richtig, dass im Rahmen der Gewährung von PKH der Unbemittelte nicht besserzustellen sei als der Bemittelte. Ersterer habe unter Beachtung des Kostenrisikos die Kosten der Rechtsverfolgung niedrig zu halten. Davon, dass hiergegen vom Antragsteller verstoßen worden sei, sei jedoch, so das SG, nicht auszugehen. Vorliegend stelle sich der Abschluss des Verfahrens im oben genannten Termin für das Gericht nämlich nicht als vollständiges Anerkenntnis des Antragsgegners dar, sondern es sei inhaltlich vielmehr eher von einer „vergleichsweisen Einigung“ auszugehen. Zudem stelle sich die Frage, ob überhaupt in der Sache dem Grunde nach ein Kostenanspruch des Antragstellers bestanden hätte.
Gegen den Beschluss des SG hat zunächst die Staatskasse am 06.05.2015 Beschwerde erhoben. Die zu zahlende Vergütung sei auf 0,00 EUR festzusetzen. Jedenfalls was die Gerichtskosten betreffe, so die Staatskasse, sei ständige Rechtsprechung des Kostensenats des BayLSG, dass bestimmte Entscheidungen der Hauptsacherichter auf der Kostenebene nicht überprüfbar und somit bindend seien. Ausgehend von einem Anerkenntnis bestehe damit entsprechend der Rechtsprechung ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten, auf den man auch nicht explizit verzichten hätte müssen, wenn es sich doch um einen gerichtlichen Vergleich ohne Kostenregelung handeln würde im Hinblick auf die gesetzliche Kostenfolge des § 195 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Am 18.05.2015 hat sodann auch die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 23.04.2015 eingelegt. Das SG habe in der Begründung des Beschlusses ausgeführt, dass vorliegend wohl eine Vereinbarung zur Erledigung des Verfahrens getroffen worden sei, nachdem nicht sämtliche streitgegenständlichen Problempunkte geregelt worden seien und dementsprechend ein Anerkenntnis ausscheide; daher müsse auch eine Einigungsgebühr angefallen sein. Ohne Zweifel seien die Gebühren nicht auf 0,00 EUR festzusetzen. Insbesondere sei der Antragsteller auch nicht verpflichtet gewesen, einen Kostenantrag zu stellen, was im Übrigen gerade der gerichtliche Vorschlag gewesen sei, um auch den Antragsgegner zu einer Verfahrenserledigung zu bewegen. Dies könne dem Antragsteller unter keinen Umständen entgegengehalten werden.
Im Folgenden hat die Staatskasse auf die Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Kostensenats im Beschluss vom 19.05.2015 (Az.: L 15 SF 72/14 E) hingewiesen; die Erledigungsgebühr könne nicht zustehen. Nach der Rechtsprechung des Kostensenats (Beschluss vom 17.07.2015, Az.: L 15 SF 201/14 E) bestehe durchaus Anlass für die Vermutung, dass ein Vorsitzender des jeweiligen Spruchkörpers der Sozialgerichtsbarkeit in der Sitzungsniederschrift die prozessbeendenden Erklärungen von Parteien in materiell zutreffender Weise bezeichne; ein protokolliertes Anerkenntnis bleibe also ein solches. Im Hinblick auf den protokollierten Verzicht auf die Kostenerstattung bestehe für die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. kein Anspruch auf Vergütung aus der Staatskasse; die Staatskasse hat insoweit auf den Beschluss des SG Berlin vom 13.05.2015 (Az.: S 133 SF 6211/13 E) verwiesen.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Erinnerungs- und des Eilrechtsschutzverfahrens des SG verwiesen.
II. Die Beschwerde der Staatskasse und die Beschwerde der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. haben keinen Erfolg.
Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in der ab 01.08.2013 geltenden Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.). Denn der unbedingte Auftrag i. S.v. § 60 Abs. 1 RVG ist der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. nach dem 31.07.2013 erteilt worden.
1. Die Beschwerden sind jeweils zulässig.
Sie sind statthaft, da der Wert der Beschwerdegegenstände 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerden sind auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.
2. Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet.
Die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. hat Anspruch auf eine Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 877,93 EUR. Sie hat aber keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung.
Die Kostenbeamtin und die Kostenrichterin des SG haben die Vergütung der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. zutreffend festgesetzt.
Der dieser zustehende Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse beruht auf §§ 45 ff. RVG. Die Forderung der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1., ihr stünde eine Erledigungs-/Einigungsgebühr zu, ist nicht berechtigt. Die von der Kostenbeamtin vorgenommene und vom SG bestätigte Gebührenfestsetzung ist nicht zu eng bemessen. Gleichzeitig ist entgegen der Auffassung der Staatskasse die zu zahlende Vergütung nicht auf null festzusetzen.
a. Eine Erledigungsgebühr ist, anders als die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. meint, nicht entstanden.
Dabei kann offen bleiben, ob die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. im o.g. Erörterungstermin bereits einen Verzicht auf die Kostenerstattung durch den Antragsgegner erklärt hat oder lediglich einen Verzicht in Aussicht gestellt hat. Dies geht aus der Niederschrift der Kammer leider nicht klar hervor. Eine eigene Verzichtserklärung, die vorgelesen und genehmigt worden wäre, ist dem Protokoll nicht entnehmbar. Andererseits hat die Vorsitzende einen Verzicht der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. – allerdings als Begründungselement des PKH-Beschlusses – eindeutig festgehalten. Letztlich kommt es aus Sicht des Senats hierauf jedoch nicht entscheidend an, denn selbst wenn ein Verzicht bereits erklärt worden sein sollte, wäre die von der Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. begehrte Gebühr nicht entstanden.
Die Voraussetzungen für die Erledigungsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. Nrn. 1006, 1005, 1002 VV RVG sind erfüllt, wenn sich der Rechtsstreit „durch die anwaltliche Mitwirkung“ erledigt hat. Der Senat hat jüngst bereits in seinem Grundsatzbeschluss vom 19.05.2015, Az.: L 15 SF 72/14 E, unter Bezugnahme auf den früheren Beschluss vom 07.02.2011 (Az.: L 15 SF 57/09 B) die Voraussetzungen für das Entstehen der Gebühr dargelegt. Insbesondere ist hervorgehoben worden, dass insoweit regelmäßig eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts vorausgesetzt wird. Eine Tätigkeit, die schon eine andere Gebühr, etwa die Verfahrensgebühr oder die Terminsgebühr, auslöst, reicht nicht aus, um die Erledigungsgebühr entstehen zu lassen (vgl. o.g. Senatsbeschluss vom 07.02.2011, m. w. N.). Die Annahme des vorliegenden Anerkenntnisses reicht nicht aus, um die Erledigungsgebühr auszulösen. Die Abgabe einer solchen Prozesserklärung wird mit der Verfahrensgebühr abgegolten. Wie auch bei einer Klagerücknahmeerklärung liegt darin noch keine über die normale Prozessführung hinausgehende, qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung (vgl. a. a. O., m. w. N.).
Vorliegend handelt es sich um die Annahme eines Anerkenntnisses. Wie der Senat ebenfalls bereits entschieden (vgl. Beschluss vom 17.07.2015, Az.: L 15 SF 201/14 E) und worauf die Staatskasse zu Recht hingewiesen hat, besteht durchaus Anlass für die Vermutung, dass ein Vorsitzender des jeweiligen Spruchkörpers der Sozialgerichtsbarkeit in der Sitzungsniederschrift die prozessbeendigenden Erklärungen von Parteien in materiell zutreffender Weise bezeichnet. Daraus folgt, dass der förmlichen Bezeichnung in der Sitzungsniederschrift entscheidende Bedeutung zukommt. Sie wird nur dann nicht maßgeblich sein können, wenn sie – ohne dass eine vertiefte Prüfung der am Kostenverfahren Beteiligten erforderlich ist – offensichtlich unzutreffend ist. In einem solchen Fall kann der Grundsatz, dass im Kostenansatzverfahren keine Überprüfung einer richterlichen Entscheidung durch den Kostenbeamten zu erfolgen hat (vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 12.01.2016, Az.: L 15 SF 47/15), nicht greifen. Denn dem Kostenbeamten kann nicht zugemutet werden – und es ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen auch nicht vereinbar -, sehenden Auges eine offensichtlich fehlerhafte, rechtswidrige Entscheidung zu treffen.
Davon, dass die Bezeichnung in der Sitzungsniederschrift vom 21.01.2014 offensichtlich unzutreffend wäre, kann vorliegend aber nicht die Rede sein.
b) Die an die Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin zu 1. zu zahlende Vergütung ist nicht auf Null festzusetzen.
Der Senat hat in seinem oben genannten Beschluss vom 19.05.2015 (Az.: L 15 SF 72/14 E) auch deutlich gemacht, dass der öffentlich-rechtliche Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse mangels anders lautender gesetzlicher Anordnung nicht subsidiär gegenüber Ansprüchen ist, die dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit gegen den zur Kostentragung verpflichteten anderen Beteiligten zustehen. Der Rechtsanwalt hat ein Wahlrecht, ob er wegen seiner Vergütung zuerst die erstattungspflichtige Gegenpartei oder zuerst die Staatskasse in Anspruch nehmen will oder beide nur zu einem Teil (so auch Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 45 Rdnrn. 50 f.); der Gesamtbetrag darf seine gesetzliche Vergütung jedoch nicht übersteigen (a. a. O.). Nach der Rechtsprechung (vgl. z. B. Beschluss des SG Berlin vom 13.05.2015, Az.: S 33 SF 6211/13 E) und der herrschenden Literatur (vgl. z. B. Müller-Rabe, a. a. O., § 55, Rdnr. 55) widerspricht es Treu und Glauben nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und führt im Ergebnis dazu, dass eine Auszahlung der Vergütung aus der Staatskasse nicht erfolgen muss, wenn der Rechtsanwalt aus der Staatskasse aufgrund der Bewilligung von PKH eine Vergütung fordert, obwohl er oder sein Mandant der gesetzlichen Verpflichtung des § 59 RVG, die Staatskasse bei der Beitreibung von auf sie übergegangenen Ansprüchen gegen einen potenziell erstattungspflichtigen Dritten zu unterstützen, nicht nachgekommen ist und vielmehr ohne hinreichenden sachlichen Grund einen solchen Erstattungsanspruch sogar von vornherein unmöglich gemacht hat (vgl. SG Berlin, a. a. O., m. w. N.). Hierbei genügt es, dass der Rechtsanwalt oder der Mandant in dem Bewusstsein handelte, die Staatskasse ohne einen zwingenden sachlichen Grund zu beeinträchtigen; demnach reicht aus, dass der Rechtsanwalt oder der Mandant in dem Wissen um einen Nachteil für die Staatskasse handelt und hierfür ein hinreichender sachlicher Grund nicht vorhanden ist. Eine regelrechte Schädigungsabsicht wird von dieser herrschenden Ansicht nicht für erforderlich gehalten (vgl. SG Berlin, a. a. O.).
Diesen „Griff in die Zauberkiste des § 242 BGB“ (zu weiteren übertriebenen Wortschöpfungen bzgl. Generalklauseln und § 242 BGB siehe z. B. ausführlich Staudinger/Olzen/Looschelders, 2015, BGB, § 242, Rdnrn. 1 ff.) sieht das Gericht indes als problematisch an (zur grundsätzlichen Kritik an Generalklauseln im deutschen Recht siehe a. a. O., Rdnrn. 2 ff.). Im Hinblick auf die im vorliegenden Fall weitreichenden Rechtsfolgen der Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben, nämlich die völlige Verweigerung der Auszahlung der Rechtsanwaltsvergütung als Konsequenz der vorausgegangenen Prozesshandlungen im Hauptsacheverfahren, sieht das Gericht grundsätzlich eine eindeutige gesetzliche Regelung als erforderlich an (anders als etwa in den Fällen, in denen die Staatskasse die Auszahlung der Vergütung nur deshalb zurückstellt bzw. verweigert, weil der Rechtsanwalt die erforderlichen Angaben – vgl. z. B. den Beschluss des Senats vom 02.12.2015, Az.: L 15 SF 133/15 – noch nicht gemacht hat). Diese Notwendigkeit wird vor allem vor dem Hintergrund einer abstrakten Missbrauchsgefahr bei der Anwendung des § 242 BGB und im Hinblick auf die Eingriffswirkung sowie auf die Prinzipien der Gewaltenteilung gesehen (so auch Olzen/Looschelders, a. a. O., Rdnr. 104). Das Gericht sieht sich nicht dazu berufen, die konkreten Regelungen für eine Versagung der Vergütung des Rechtsanwalts zu treffen; dies muss der gesetzgebenden Gewalt vorbehalten bleiben.
Aufgrund dessen kommt es aus Sicht des Gerichts nur in offensichtlichen Fällen in Betracht, dass die Auszahlung der Vergütung aus der Staatskasse gemäß dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 242 BGB nicht erbracht werden muss, auch wenn dessen ungeachtet eine regelrechte Schädigungsabsicht (vgl. o.) nicht erforderlich ist. Nur wenn – ohne dass für die Kostenverfahrensbeteiligten besondere Prüfpflichten bestehen würden – auf der Hand liegt, dass der Rechtsanwalt oder der Mandant ohne sachlichen Grund durch ihr Handeln die Staatskasse beeinträchtigten, kommt eine Versagung des Rechtsanwaltshonorars in Betracht.
Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben; sachliche Gründe sind im Hinblick auf die besonderen Aspekte des Eilrechtsschutzverfahrens, der Möglichkeit eines Teilanerkenntnisses und den legitimen Interessen einer Verfahrens(teil)beendigung gerade nicht auszuschließen. Auch insoweit kommt es somit nicht darauf an, ob vorliegend ein Verzicht bereits wirksam erklärt worden ist (s. o.).
Die Beschwerden sind daher zurückzuweisen.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

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