Strafrecht

Überprüfung eines strafgerichtlichen Beschlusses am Maßstab des Willkürverbots

Aktenzeichen  Vf. 49-VI-15

Datum:
12.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 49381
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 91 Abs. 1, Art. 101, Art. 118 Abs. 1
StPO § 152 Abs. 2, § 172 Abs. 2
ZPO § 136 Abs. 4, § 160 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Da das Rechtsstaatsprinzip kein subjektives Recht enthält, kann eine Verfassungsbeschwerde hierauf nicht gestützt werden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist nur vor den Gerichten grundrechtlich verbürgt und kann deshalb eine Verfassungsbeschwerde gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft (§ 152 Abs. 2 StPO) nicht begründen. Gegen einen Beschluss des OLG ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, wenn der Rechtsweg mangels Anhörungsrüge nach § 33a StPO nicht erschöpft wurde.   (redaktioneller Leitsatz)
3 Prüfungsgegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die im Instanzenzug letzte Entscheidung, die eine umfassende materielle Prüfung vornimmt. Dies ist bei der Anwendung des § 152 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft der Beschluss des OLG. (redaktioneller Leitsatz)
4 Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nur dann gegen das Willkürverbot, wenn sie offensichtlich unhaltbar und sachwidrig ist; eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet keinen solchen Verstoß. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 Ws 402715 Kl. 2015-05-27 Bes OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.

Gründe

I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen
– die Verfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 5. Februar 2015
Az. 120 Js 114344/15,
– den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft München vom 13. März 2015
Az. 34 Zs 691/15,
– den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 27. Mai 2015
Az. 2 Ws 402/15 Kl.
Ausgangspunkt der Verfassungsbeschwerde ist der Rechtsstreit Az. 425 C 1491/13 vor dem Amtsgericht München, welchen der Vermieter der Beschwerdeführerin gegen sie wegen rückständiger Miete führt. In diesem Rechtsstreit, in dem sich die beklagte Beschwerdeführerin selbst vertreten hat, war Termin zur mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2014 anberaumt. Die Beschwerdeführerin reichte vor diesem Termin mit Datum vom 14. und 15. Dezember 2014 zwei Schriftsätze ein. Im Termin schlossen die Parteien einen widerruflichen Vergleich, welchen die Beschwerdeführerin fristgerecht widerrief. Sie machte im amtsgerichtlichen Verfahren geltend, ihre beiden Schriftsätze seien nicht Gegenstand der Vergleichsgespräche gewesen und seien insbesondere während der mündlichen Verhandlung nicht dem Prozessbevollmächtigten ihres Vermieters übergeben worden. In dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ist nach dem Beschluss über die Bestimmung eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung vermerkt, dass der Klägervertreter beglaubigte Abschriften „des Schriftsatzes“ der Beschwerdeführerin vom 14. und 15. Dezember 2014 an Zustellungs statt erhalte. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Richterin diesen Satz während der mündlichen Verhandlung nicht diktiert habe. Anträge auf Protokollberichtigung seien erfolglos geblieben.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2015 erstattete die Beschwerdeführerin bei der Staatsanwaltschaft München I Strafanzeige gegen die in ihrem Mietrechtsstreit tätige Richterin wegen aller in Betracht kommender Delikte. Mit Verfügung vom 5. Februar 2015 gab die Staatsanwaltschaft der Strafanzeige gemäß § 152 Abs. 2 StPO keine Folge. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat lägen nicht vor; für ein vorsätzliches Fehlverhalten bestünden keine Hinweise. Die Beschwerdeführerin legte gegen die staatsanwaltschaftliche Verfügung mit Schreiben vom 26. Februar 2015 Beschwerde ein. Der Generalstaatsanwalt in München gab mit Bescheid vom 13. März 2015 der Beschwerde keine Folge. Eine Wiederaufnahme der Ermittlungen wegen einer Falschbeurkundung im Amt sei nicht veranlasst, weil die Beschwerdeführerin selbst davon ausgegangen sei, dass die Schriftsätze am Ende der Sitzung an den Klägervertreter übergeben worden seien. Eine Falschbeurkundung im Amt nach § 348 StGB liege schon deshalb nicht vor, weil die Richterin offensichtlich nichts Unzutreffendes und somit Falsches protokolliert habe. Auch eine Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB sei nicht ansatzweise ersichtlich.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. April 2015 beantragte die Beschwerdeführerin beim Oberlandesgericht München die Erhebung der öffentlichen Klage gegen die Richterin wegen Falschbeurkundung im Amt anzuordnen. Diesen Antrag verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 27. Mai 2015 als unbegründet. Das Gericht sah keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, weil ein hinreichender Tatverdacht nicht habe erkannt werden können. Bei der vom Gericht anzustellenden Beweisprognose ergebe sich, dass eine Verurteilung der Richterin ausgeschlossen erscheine. Es lägen keine Anhaltspunkte für die von der Beschwerdeführerin behauptete Falschbeurkundung im Amt im Zusammenhang mit der Erstellung des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 17. Dezember 2014 vor. Das Gericht hielt es bereits für äußerst fraglich, ob sich die Aushändigung der Abschriften der Schriftsätze der Beschwerdeführerin an den Klägervertreter schon außerhalb der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts München ereignet habe. Dies könne letztlich aber dahinstehen, weil die Richterin die tatsächliche Übergabe der Schriftsätze am 17. Dezember 2014 habe dokumentieren wollen. Die Vorgehensweise der Richterin würde auch bei Annahme der Übergabe der beiden Schriftsätze nach Schluss der mündlichen Verhandlung eine wirksame Zustellung an den Klägervertreter nach § 173 ZPO bewirken. Außerdem lägen in Bezug auf die behauptete Falschbeurkundung im Amt keinerlei Anhaltspunkte für vorsätzliches Handeln der beschuldigten Richterin vor. Ebenso wenig bestünden Anhaltspunkte für die behauptete Rechtsbeugung.
II.
1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde vom 3. August 2015 rügt die Beschwerdeführerin Verstöße „gegen das Willkürverbot gemäß Art. 118 Abs. 1 BV, die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 BV, den Verstoß gegen die,Waffengleichheit’ als Ausprägung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 118 Abs. 1 BV in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 101 BV und die Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 91 Abs. 1 BV in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 101 BV“.
Die angegriffenen Entscheidungen seien willkürlich, weil sie sich nicht mit dem konkreten Fall der Beschwerdeführerin im Einzelnen auseinandersetzten. Sie habe einen Zeugen benannt, der bestätigen könne, dass die Übergabe der Schriftsätze erst nach Ende der mündlichen Verhandlung erfolgt sei. Der Zeuge sei von allen entscheidenden Behörden und Gerichten ignoriert worden. Es lägen deshalb sehr wohl zureichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat im Sinn des § 152 Abs. 2 StPO vor. Das Oberlandesgericht München, der Generalstaatsanwalt in München und die Staatsanwaltschaft München I hätten § 348 StGB falsch angewendet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführerin ferner in ihrem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. in ihrem Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Danach habe sie sich auf die richtige Anwendung des § 152 StPO verlassen dürfen. Sie habe im Verfahren vor dem Amtsgericht München Anspruch auf Berichtigung des Protokolls gehabt. Die angegriffenen Entscheidungen gewährten der Beschwerdeführerin kein faires Verfahren, weil sie das Vorgehen der Richterin bei der infrage stehenden Protokollierung der öffentlichen Verhandlung im Zivilverfahren verkannt hätten. Des Weiteren sei die „Waffengleichheit“ als Ausprägung des Gleichheitssatzes berührt. Die angegriffenen Entscheidungen schenkten in nicht nachvollziehbarer Weise den Angaben der Richterin mehr Glauben als denen der Beschwerdeführerin. Ihr Zeuge sei bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt worden. Schließlich sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Sie habe zwar vor dem Oberlandesgericht München fundiert vortragen können, jedoch hätten alle betroffenen Institutionen ihren Sachvortrag in Bezug auf den von ihr benannten Zeugen weder zur Kenntnis genommen noch berücksichtigt.
Ohne dass dies ausgeführt würde, richtet sich die Verfassungsbeschwerde ausweislich ihres Betreffs mittelbar auch gegen §§ 348, 267, 271, 339 StGB; § 152 Abs. 2, § 203 StPO; §§ 164, 165 Satz 2, § 173 ZPO.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde teilweise für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig.
1. Das gilt zunächst, soweit sie, ihrem Betreff entsprechend, auch gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, der Strafprozessordnung und der Zivilprozessordnung gerichtet sein sollte. Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 120 BV können nur Handlungen oder Unterlassungen von Behörden oder Gerichten sein (vgl. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Zudem erstreckt sich die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofs nicht auf eine Überprüfung bundesrechtlicher Normen. Der Verfassungsgerichtshof kann daher nicht prüfen, ob das Bundesrecht defizitär ist oder ob es in einer bestimmten Weise verfassungskonform auszulegen ist (VerfGH vom 26.6.2013 VerfGHE 66, 94/99 f.).
2. Unzulässig ist ferner die Rüge einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV). Das Rechtsstaatsprinzip verbürgt keine subjektiven verfassungsmäßigen Rechte, sondern beinhaltet objektives Verfassungsrecht. Eine Verfassungsbeschwerde kann deshalb hierauf nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 6.2.2004 VerfGHE 57, 7/10; vom 25.11.2014 BayVBl 2015, 321 Rn. 19; vom 15.2.2016 – Vf. 45-VI-15 – juris Rn. 20).
3. Auch auf die Rüge einer Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) kann die Verfassungsbeschwerde nicht zulässigerweise gestützt werden.
a) Mit Blick auf die angegriffenen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft und des Generalstaatsanwalts ergibt sich das bereits daraus, dass Art. 91 Abs. 1 BV die Gewährung rechtlichen Gehörs nur vor Gerichten grundrechtlich verbürgt (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 7.5.2012 – Vf. 103-VI-11 – juris Rn. 19 m. w. N.; vom 25.8.2015 BayVBl 2016, 15 Rn. 22).
b) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, durch den angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt zu sein, fehlt es an der gemäß Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG erforderlichen Erschöpfung des Rechtswegs. Macht ein Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde geltend, das zuletzt angerufene Fachgericht habe sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, so gehört zum Rechtsweg auch die Anhörungsrüge nach § 33 a StPO (VerfGH vom 28.2.2011 BayVBl 2011, 530; VerfGH BayVBl 2016, 15 Rn. 23). Die Beschwerdeführerin kann sich nicht darauf berufen, die Gehörsrüge wäre offensichtlich aussichtslos bzw. sinnlos gewesen, weil an der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts München kein Rechtsmittel etwas geändert hätte, schon gar nicht eines, welches an das Gericht selbst zu richten gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin übersieht insoweit, dass die Gehörsrüge nach § 33 a StPO geschaffen worden ist, um etwaige Verstöße gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, auszuräumen. Die Gehörsrüge hat Appellfunktion an das Gericht, zur Vermeidung einer Verfassungsbeschwerde die eigene Auffassung in Bezug auf die Gewährung rechtlichen Gehörs zu überprüfen, und dient dem Zweck, die Verfassungsgerichte zu entlasten, indem Verletzungen des rechtlichen Gehörs durch die Fachgerichtsbarkeit behoben werden können. Soweit die Beschwerdeführerin die Unrichtigkeit der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts geltend machen will, betrifft dies von vornherein nicht das Grundrecht auf rechtliches Gehör (vgl. VerfGH vom 8.3.2004 VerfGHE 57, 16/24; vom 7.5.2015 – Vf. 103-VI-11 – juris Rn. 25), so dass eine darauf gestützte Rüge diesbezüglich mangels hinreichender Substanziierung (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG) unzulässig ist.
c) Ob das Unterlassen der Anhörungsrüge wegen des Grundsatzes der Subsidiarität darüber hinaus zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde insgesamt, also auch wegen sonstiger Grundrechtsrügen führt (so BVerfG vom 25.4.2005 NJW 2005, 3059; VerfGH Sachsen vom 28.2.2007 – Vf. 122-IV-07 – juris Rn. 8; vgl. dazu Heinrichsmeier, NVwZ 2010, 228), hat der Verfassungsgerichtshof bisher ausdrücklich offengelassen (VerfGH BayVBl 2011, 530/531; vom 15.9.2011 Vf. 137-VI-10 – juris Rn. 17; vom 5.10.2011 – Vf. 134-VI-10 – juris Rn. 12; vom 30.5.2012 BayVBl 2013, 738; vom 15.2.2016 – Vf. 45-VI-15 juris Rn. 20). Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung, da die Verfassungsbeschwerde auch im Übrigen unzulässig bzw. unbegründet ist.
4. Ob sich das Recht auf ein faires Verfahren, wie es in Art. 6 EMRK positivrechtlich normiert ist und wie es das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip herleitet (BVerfG vom 26.5.1981 BVerfGE 57, 250/274 f.), als ein verfassungsbeschwerdefähiger Grundrechtsanspruch auch aus Art. 101 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV ergibt, hat der Verfassungsgerichtshof bisher offengelassen (vgl. VerfGH vom 25.6.2010 VerfGHE 63, 83/105; vom 29.1.2014 BayVBl 2014, 448 Rn. 44; vom 17.11.2014 BayVBl 2015, 154 Rn. 51; vom 15.2.2016 – Vf. 45-VI-15 – juris Rn. 22). Die Frage ist auch hier nicht zu klären, da im vorliegenden Fall die Rüge einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren im Kern dieselben Aspekte betrifft, aus denen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hergeleitet wird. Die obigen Ausführungen zum Schutzbereich und zur unterbliebenen Rechtswegerschöpfung kommen daher mit Bezug auf ein Grundrecht auf faires Verfahren in gleicher Weise zum Tragen. Ferner berührt die Rüge einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren die amtsgerichtliche Mietstreitigkeit, welche nicht Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist.
IV.
Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.
1. Eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV) ist nicht gegeben.
a) Maßgeblicher Prüfungsgegenstand ist der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 27. Mai 2015. Wendet sich die Beschwerdeführerin, wie hier, gegen das inhaltliche Ergebnis des Ausgangsverfahrens, ist diejenige im Instanzenzug letzte Entscheidung maßgeblich, die eine umfassende materielle Prüfung vornimmt und damit die vom Beschwerdeführer beanstandete Beschwer enthält (VerfGH vom 9.2.2015 BayVBl 2015, 779 Rn. 55; vom 19.2.2015 BayVBl 2015, 410 Rn. 15, jeweils m. w. N.; vom 27.1.2016 – Vf. 106-VI-14 – juris Rn. 21; vom 1.2.2016 – Vf. 75-VI-14 – juris Rn. 20). Das Oberlandesgericht München konnte die angegriffene Anwendung insbesondere des § 152 Abs. 2 StPO durch den Generalstaatsanwalt in München und die Staatsanwaltschaft München I vollumfänglich prüfen (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 172 Rn. 1 m. w. N.). Auf die ebenfalls angegriffenen Entscheidungen des Generalstaatsanwalts in München und der Staatsanwaltschaft München I kann es daher allenfalls dann ankommen, wenn die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts München Erfolg hat. Dies ist jedoch nicht der Fall.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs könnte bei einer gerichtlichen Entscheidung ein Verstoß gegen das Willkürverbot nur dann festgestellt werden, wenn die Entscheidung bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich wäre und sich der Schluss aufdrängte, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Entscheidung dürfte unter keinem Gesichtspunkt vertretbar sein; sie müsste schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, eindeutig unangemessen sein. Selbst eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet deshalb für sich allein noch keinen Verstoß gegen das Willkürverbot als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 8.12.2000 VerfGHE 53, 187/193; vom 11.3.2003 VerfGHE 56, 22/25; vom 13.1.2005 VerfGHE 58, 37/41; vom 10.9.2014 – Vf. 105-VI-13 – juris Rn. 31; vom 15. Februar 2016 – Vf. 45-VI-15 – juris Rn. 29).
Hieran gemessen ist die Auffassung des Oberlandesgerichts, es fehle an einem Anfangsverdacht für eine verfolgbare Straftat, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, der von ihr angegriffene Bestandteil des Protokolls vom 17. Dezember 2014 sei nach Schluss der mündlichen Verhandlung angefügt worden, steht mit zivilprozessualen Grundsätzen nicht in Einklang.
aa) Die Zivilprozessordnung sieht nicht vor, dass der Beginn und das Ende einer mündlichen Verhandlung zu protokollieren wären. Nach § 160 Abs. 1 ZPO sind Pflichtbestandteile des Protokolls Ort und Tag der Verhandlung, sämtliche Beteiligten von Seiten des Gerichts und der Parteien, die Bezeichnung des Rechtsstreits und eine Aussage zur Öffentlichkeit der Verhandlung. Ferner sind die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufzunehmen (§ 160 Abs. 2 ZPO), wozu Beginn und Ende der Verhandlung nicht gehören, weil es sich hierbei nicht um Vorgänge handelt. Die Richterin in dem mietgerichtlichen Verfahren musste folglich den Zeitpunkt, den sie für das Ende der mündlichen Verhandlung ansah, nicht protokollieren. Schon deshalb lässt sich nicht die Feststellung treffen, dass der angegriffene Protokollbestandteil außerhalb der mündlichen Verhandlung aufgenommen worden wäre.
bb) Die Zivilprozessordnung enthält Vorschriften über den Beginn einer mündlichen Verhandlung. Nach § 220 Abs. 1 ZPO beginnt ein Termin mit Aufruf der Sache. § 137 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass die mündliche Verhandlung mit dem Stellen der Anträge durch die Parteien eingeleitet wird. Die Zivilprozessordnung enthält jedoch keine Bestimmungen, welcher Zeitpunkt als Schluss der mündlichen Verhandlung anzusehen ist. § 220 Abs. 2 ZPO regelt, dass ein Termin von einer Partei als versäumt gilt, wenn sie bis zum Schluss nicht verhandelt. Welches Ereignis den Schluss darstellt, ist nicht gesetzlich bestimmt. Nichts anderes ergibt sich aus den Vorschriften über die Prozessleitung des Vorsitzenden. § 136 Abs. 4 ZPO sieht vor, dass der Vorsitzende die Verhandlung schließt, wenn die Sache nach Ansicht des Gerichts vollständig erörtert ist. Eine mündliche Verhandlung kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden (Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 136 Rn. 4).
Die Richterin in dem amtsgerichtlichen Verfahren hat eine ausdrückliche Beendigung der mündlichen Verhandlung nicht verkündet. Folglich ist nicht eindeutig, wann die Richterin die Verhandlung in dem Mietrechtsstreit beenden wollte. Eine Beendigung kann dann anzunehmen sein, wenn die Richterin einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt, die nächste Sache aufruft (vgl. Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 136 Rn. 4) oder den Sitzungssaal verlässt. Nachdem § 136 Abs. 4 ZPO das Schließen der mündlichen Verhandlung in das Beurteilungsermessen des Gerichts stellt, ist auf die Willensrichtung der Richterin abzustellen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Richterin erst nach vollständiger Erledigung aller Geschäfte, welche im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit der Beschwerdeführerin stehen, die mündliche Verhandlung schließen wollte. Der Beschluss über die Verkündung einer Entscheidung kann folglich nicht als Abschluss der mündlichen Verhandlung angesehen werden, zumal er nur für den Fall getroffen worden ist, dass der geschlossene Vergleich nicht bestandskräftig wird. Der angegriffene Bestandteil des Protokolls gibt deshalb keinen Vorgang außerhalb der mündlichen Verhandlung wieder.
2. Ein Grundrecht auf „Waffengleichheit als Ausprägung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 118 Abs. 1 BV in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 101 BV“ ist nicht ersichtlich. Dies kann letztlich aber dahinstehen, weil die Beschwerdeführerin unter dem genannten Rügepunkt Aspekte aufgreift, welche unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots zu erörtern sind.
IV.
Es ist angemessen, der Beschwerdeführerin eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).


Ähnliche Artikel


Nach oben