Verwaltungsrecht

Abgelehnte Berufungszulassung hinsichtlich der Anerkennung eines Dienstunfalls (hier: selbständig tragende Begründungsstränge)

Aktenzeichen  3 ZB 21.1244

Datum:
12.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 192
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr 1

 

Leitsatz

Liegt hinsichtlich eines ersten selbstständig tragenden Begründungsstrangs zur Ablehnung einer Klage auf Anerkennung eines Dienstunfalles (hier: dass ein willkürliches und geplantes Heben ohne plötzliche und unerwartete äußere Krafteinwirkung, also das gezielte Anheben einer Last, kein Unfallereignis darstellt) kein Zulassungsgrund vor, können Einwände gegen den zweiten Begründungsansatz (hier: kein Ursachenzusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und gesundheitlicher Schädigung) von vornherein die Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 K 19.2246 2021-03-02 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1962 geborene Kläger steht als Oberstudienrat an einem Beruflichen Schulzentrum in Bayern im Dienst des Beklagten. Im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung für einen Praxisversuch hob er am Montag, den 3. Juni 2019 gegen 11:30 Uhr einen Servo-Motoren-Prüfstand (ca. 20 kg) aus dem Unterrichtsschrank auf die Arbeitsfläche. Dabei verspürte er einen kurzen stichartigen Schmerz im unteren Rücken.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Anerkennung des Ereignisses vom 3. Juni 2019 als Dienstunfall mit der Folge eines Bandscheibenvorfalls L5/S1, Beschwerden auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet und diesbezügliche Gewährung von Dienstunfallfürsorgeleistungen weiter.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, den Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.
Zu den Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) gestützte Antrag bleibt erfolglos. Die weiteren, lediglich im Vorspann der Zulassungsschrift angesprochenen Zulassungsgründe greift der Kläger im Folgenden nicht wieder auf. Damit verfehlt er die Darlegungsanforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen würden. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Ist die erstinstanzliche Entscheidung – wie vorliegend – selbständig tragend auf zwei Gründe gestützt, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der beiden Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 6 ZB 17.956 – juris Rn. 3 m.w.N.). Daran fehlt es.
1.1 Hinsichtlich des ersten Begründungsstrangs (Merkmal der „äußeren Einwirkung“) ist das Verwaltungsgericht (UA S. 15 – juris Rn. 114) in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zum Dienstunfallrecht (B.v. 11.11.2014 – 2 A 729/13 – juris Rn. 8) davon ausgegangen, dass ein willkürliches und geplantes Heben ohne plötzliche und unerwartete äußere Krafteinwirkung, also das gezielte Anheben einer Last, kein Unfallereignis darstellt. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger auch in der Vergangenheit im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit regelmäßig den Servo-Motoren-Prüfstand (ca. 20 kg) im Unterricht verwendet und deshalb auch die für das Herausheben des Prüfstandes erforderliche Kraftaufwendung gekannt habe.
Soweit der Kläger insoweit beanstandet, dass das Gericht ohne eigene Feststellungen die regelmäßige Verwendung sowie das Gewicht des Prüfstandes lediglich unterstellt habe, verkennt er, dass die Gewichtsangabe dem Ärztlichen Attest des behandelnden Ortopäden vom 14. September 2020 (VG-Akte S. 60) entnommen wurde, der wiederum diese Information nur vom Kläger haben kann. Zudem widersprach der Klägerbevollmächtigte bisher weder in der mündlichen Verhandlung (vgl. Sitzungsprotokoll S. 2, VG-Akte S. 118) noch in seinem Zulassungsantrag den naheliegenden gerichtlichen Annahmen.
Auch mit seinem weiteren Vortrag, durch die ebenerdige Lagerung des Motors in einem Schrank habe er die Hebebewegung in extremer, im Privaten nie ausgeführter Zwangshaltung verrichten müssen, vermag der Kläger die erstinstanzliche Feststellung einer gezielten Lastenanhebung ohne plötzliche und unerwartete äußere Krafteinwirkung nicht in Frage zu stellen.
1.2 Liegt demnach hinsichtlich des ersten selbstständig tragenden Begründungsstrangs kein Zulassungsgrund vor, können die Einwände des Klägers gegen den zweiten Begründungsansatz (kein Ursachenzusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und gesundheitlicher Schädigung) von vornherein die Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen. Sie würden aber auch für sich betrachtet nicht durchgreifen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass der beim Kläger diagnostizierte Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts nicht kausal durch das Unfallereignis vom 3. Juni 2019 verursacht worden sei, da es sich bei dem Unfallereignis um eine Gelegenheitsursache gehandelt habe.
Fehler der Beweiswürdigung, die im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich sind (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 8 ZB 18.734 – juris Rn. 12; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 19), lassen sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht ist in seiner Urteilsbegründung auf die ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere des behandelnden Orthopäden, sowie auf die Bedenken des Klägers eingegangen und hat in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise dargelegt, wie und warum es zu seiner richterlichen Überzeugung gelangt ist. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), dass das Verwaltungsgericht von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder die Beweiswürdigung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist. Er führt im Wesentlichen lediglich aus, dass das Verwaltungsgericht die ärztlichen Unterlagen und insbesondere die Stellungnahme des behandelnden Orthopäden anders hätte bewerten müssen.
Entgegen der Zulassungsbegründung bejahte der behandelnde Orthopäde auf dem Beiblatt zum Dienstunfallantrag des Klägers die Frage, ob Anhaltspunkte bestehen, dass neben dem Unfallereignis eine Vorschädigung – etwa anlagebedingter, degenerativer, traumatischer Art – an der Entstehung des Körperschadens mitgewirkt hat. Daneben vermerkte der behandelnde Arzt handschriftlich „Degeneration“ (vgl. Dienstunfallakte S. 6 Rückseite).
Soweit das Verwaltungsgericht (UA S. 18 – juris Rn. 128) darauf hinweist, dass der Kläger bereits (spätestens) seit Beginn des Jahres 2018 Beschwerden im LWS-Bereich gehabt und sich wegen einer Fehlhaltung in Physiotherapie befunden habe, rekurriert es auf den Entlassungsbericht der A. GmbH Roth vom 2. August 2019 (VG-Akte S. 38 ff.). In diesem wird ausgeführt, dass „vor ca. 1,5 Jahren (…) erstmals Beschwerden im LWS-Bereich aufgetreten“ seien und der Kläger damals „wegen einer Fehlhaltung Physiotherapie bekommen“ habe. Dies wird bestätigt durch den Entlassungsbericht der behandelnden Ärzte der Dr. B. K. … Klinik vom 18. März 2020 (VG-Akte S. 51 ff.), in dem es heißt, dass der Kläger nach seinen Angaben „seit ca. 2 Jahren unter Beschwerden im LWS-Bereich“ leide. Für diese Feststellung bedurfte das Gericht keines spezifischen medizinischen Sachverstands.
Das Verwaltungsgericht setzte sich entgegen der klägerischen Behauptung auch mit den ärztlichen Stellungnahmen des behandelnden Orthopäden vom 14. September 2020 und 23. Februar 2021 auseinander (UA S. 18 – juris Rn. 131 f.). Dabei kritisierte es zu Recht, dass die Stellungnahme vom 14. September 2020 unzutreffend davon ausgegangen sei, der Kläger habe „bis zum Unfallzeitpunkt nie Beschwerden in der Wirbelsäule“ gehabt, obwohl er sich bereits ab Januar 2018 wegen Beschwerden in der LWS in physiotherapeutischer Behandlung befunden habe. Nicht zu beanstanden ist ferner der Einwand des Gerichts, die beiden ärztlichen Stellungnahmen setzten sich in keiner Weise mit der hier relevanten Frage des Vorliegens einer Gelegenheitsursache auseinander. Zwar ist die Frage, ob eine Gelegenheitsursache vorliegt, primär rechtlicher Natur. Jedoch steht dahinter – wie die Beklagtenvertreterin zutreffend vorträgt – die medizinische Frage, ob eine krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden eines Beamten so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (BayVGH, B.v 9.10.2015 – 3 ZB 12.1708 – juris Rn. 13). Hierzu verhalten sich die ärztlichen Stellungnahmen nicht.
Zum vorgelegten Attest des behandelnden Arztes vom 23. Februar 2021 (VG-Akte S. 108) führte das Verwaltungsgericht (UA S. 18 – juris Rn. 133) zudem aus, dass anlässlich der Erstvorstellung des Klägers beim behandelnden Orthopäden am 9. Januar 2018 wegen (tief lumbaler) Rückenschmerzen offensichtlich lediglich eine konventionelle Untersuchung (ohne ein bildgebendes Verfahren wie z.B. Kernspintomographie) stattgefunden habe. Für die Frage, ob es sich bei dem Unfallereignis um eine Gelegenheitsursache handelt, sei es daher unerheblich, dass zum damaligen Zeitpunkt „in keinster Weise“ ein Hinweis auf eine Bandscheibenprotusion oder das Vorliegen degenerativer Veränderungen bestanden habe (vgl. Attest v. 23.2.2021 – VG-Akte S. 108). Denn Degenerationen könnten lange Zeit auch klinisch stumm verlaufen.
Durch diese Ausführungen maßt sich das Verwaltungsgericht nicht etwa eigenen medizinischen Sachverstand an. Vielmehr erkennt das Verwaltungsgericht die ärztliche Feststellung eines fehlenden Hinweises auf evtl. vorliegende Bandscheibenprotrusionen an, hält diese jedoch in Bezug auf das Vorliegen einer Gelegenheitsursache für unerheblich. Sowohl aufgrund der unzureichenden Untersuchungsmethode als auch eines möglichen beschwerdefreien klinischen Verlaufs der Degeneration erweist sich die ärztliche Feststellung als nicht geeignet, um das Vorliegen einer Gelegenheitsursache ausschließen zu können. Für die allgemeine Erkenntnis, dass Degenerationen lange Zeit auch klinisch stumm und beschwerdefrei verlaufen können, bedarf es ebenfalls keines medizinischen Sachverstands.
1.3 Bezüglich der vom Kläger gerügten unterlassenen Einholung eines Sachverständigengutachtens kommen zum einen der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, wenn das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und daher auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage entschieden hat, zum anderen der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Betracht. Eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann aber nur erfolgen, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zur Zulassung führen würde (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2021, § 124 Rn. 26g). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor.
1.3.1 Soweit der Kläger in der Sache zunächst eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts nach § 86 Abs. 1 VwGO wegen der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens beanstandet, führt dies nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags. Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO erfordert u.a. die Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 7.3.2017 – 8 ZB 15.1005 – juris Rn. 10).
Der Kläger hat ausweislich der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts zu dem gerügten Aufklärungsdefizit in der mündlichen Verhandlung keinen förmlichen (unbedingten) Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO gestellt. Ankündigungen von Beweisanträgen in vorbereitenden Schriftsätzen ersetzen weder förmliche Beweisanträge noch lösen sie für sich genommen eine Ermittlungspflicht des Gerichts aus (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 20 ZB 18.2525 – juris Rn. 2 m.w.N.). In seinem „vorsorglichen“ Antrag im Schriftsatz vom 24. Februar 2021, „medizinisches Sachverständigengutachten durch das Gericht erholen zu wollen“, hat der Kläger nicht einmal näher dargelegt, zu welchem Thema Beweis erhoben werden soll. Die gerichtlichen Erläuterungen zum nicht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten (UA S. 19 – juris Rn. 134) sind daher rechtlich nicht zu beanstanden. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen in der mündlichen Verhandlung, zu kompensieren (BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – juris Rn. 2). Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich dem Verwaltungsgericht auf Grundlage seiner Rechtsauffassung ohne förmlichen Beweisantrag eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 6.9.2017 – 2 B 2.17 – juris Rn. 14 f.).
1.3.2 Das Verwaltungsgericht hat auch nicht dadurch, dass es den behandelnden Arzt nicht zur Erläuterung seiner Anamnesen und Diagnosen im ärztlichen Attest vom 23. Februar 2021 in der mündlichen Verhandlung einvernommen hat, gegen die Amtsermittlungspflicht des § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen. Wie dargestellt setzte sich das Verwaltungsgericht mit dem ärztlichen Attest vom 23. Februar 2021 sehr wohl inhaltlich auseinander. Jedoch sah es die darin getroffenen Aussagen, u.a. dass zum damaligen Zeitpunkt „in keinster Weise“ ein Hinweis auf evtl. vorliegende Bandscheibenprotusionen bestanden hätten (vgl. Attest v. 23.2.2021 – VG-Akte S. 108), für seine Entscheidung aus den genannten Gründen als „unerheblich“ an (UA S. 18 – juris Rn. 133). Vor diesem Hintergrund musste sich dem Erstgericht aus seiner Sicht eine Einvernahme des behandelnden Arztes nicht aufdrängen. Zumal der Kläger nicht vorträgt, welche zusätzlichen und entscheidungserheblichen Erkenntnisse durch die Einvernahme zu erwarten gewesen wären.
1.3.3 Das Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe unzulässig und sachlich unrichtig über medizinische Fachfragen eine Entscheidung getroffen, sich über medizinische Aussagen des behandelnden Arztes hinweggesetzt, und sich damit eigene, indes durch nichts belegte Sachkunde angemaßt, trifft offensichtlich nicht zu. Ein Aufklärungsmangel liegt insoweit ersichtlich nicht vor. Denn das Verwaltungsgericht hat nicht etwa, wie der Kläger meint, eigenen medizinischen Sachverstand behauptet und diesen in seiner Entscheidung nutzbar gemacht, sondern auf der Grundlage der durch die ärztlichen Stellungnahmen gewonnenen Erkenntnisse und der von ihm herangezogenen Rechtsprechung eine eigene Bewertung dieser Stellungnahmen vorgenommen und die daraus folgenden rechtlichen Schlüsse gezogen.
Ohne Erfolg macht das Zulassungsvorbringen weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe gegen die richterliche Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO verstoßen, indem es nicht darauf hingewiesen hat, dass es auf den klägerischen Antrag hin keinen Beweis erheben wird. Daran ändert auch das Hinweisersuchen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 24. Februar 2021 nichts, sollten weitere Darlegungen und Glaubhaftmachungen aus Sicht des Gerichts erforderlich sein.
Die Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (vgl. BVerwG, B.v. 29.1.2010 – 5 B 21.09 – juris Rn. 18). Ein hiergegen verstoßendes Verhalten des Gerichts läge aber nur vor, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hätte, mit welcher der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Ansonsten besteht im Grundsatz keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung jeweils vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren (vgl. BVerfG, B.v. 5.11.1986 – 1 BvR 706/85 – juris Rn. 15), weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 29.1.2010 a.a.O. m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.2.2021 – 3 ZB 20.774 – juris Rn. 38).
Gemessen daran liegt keine Überraschungsentscheidung vor, die den Kläger in seinem rechtlichen Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzen würde. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der im Klageverfahren von Anbeginn an anwaltlich vertretene Kläger angesichts eines unterlassenen förmlichen Beweisantrags nach § 86 Abs. 3 VwGO eines entsprechenden Hinweises bedurft hätte. Der Kläger musste vielmehr damit rechnen, dass das Verwaltungsgericht keine weiteren Beweise mehr erheben wird. Denn es hat den Vortrag des Klägers weder in der mündlichen Verhandlung noch zuvor zum Anlass einer weiteren Beweiserhebung genommen. Auch in der mündlichen Verhandlung machte der Vorsitzende selbst nach eigenen Angaben in der Zulassungsbegründung (S. 12) deutlich, „die Angelegenheit für entscheidungsreif“ zu halten.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
3. Mit diesem nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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