Verwaltungsrecht

Abgelehnter Antrag auf Zulassung der Berufung – Zutreffende vorinstanzliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der persönlichen Zuverlässigkeit

Aktenzeichen  8 ZB 18.122

Datum:
9.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 261
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LuftSiG § 7
VwGO § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
StGB § 267 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Welche Rückschlüsse aus einem rechtskräftigen Strafurteil gegen den Betroffenen gezogen werden dürfen, ist eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung nach § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es steht dem Gesetzgeber im Bereich der Gefahrenabwehr unabhängig von den Regelungen im Bundeszentralregistergesetz zu, spezielle Regelungen zu schaffen, um den unbestimmten Begriff der Zuverlässigkeit zu konkretisieren. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K 17.3937 2017-11-23 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsfeststellung.
Der Kläger ist seit dem Jahr 2001 am Flughafen M* … bei der F* … … GmbH beschäftigt und seit dem 1. Januar 2011 unter Abstellung an die A* … GmbH im Sicherheitsbereich als Teamleiter im Innendienst verantwortlich für die reibungslose Gebäckabfertigung. Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 19. September 2016 verhängte das Amtsgericht Freising gegen den Kläger wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen. Ein weiteres Verfahren wegen des Verdachts einer Urkundenfälschung wurde nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 widerrief die Regierung von Oberbayern, Luftamt Südbayern, die mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 getroffene Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit (Ziffer 1) und entzog dem Kläger die Zutrittsberechtigung zum Sicherheitsbereich des Flughafens M* … (Ziffer 2). Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 23. November 2017 abgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten Zulassungsgründe zuzulassen (§ 124 Abs. 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen der Klägerseite ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548 = juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 12.10.2017 – 14 ZB 16.280 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2). Das Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) erfordert, die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Dies bedarf einer substanziierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2018 – 8 ZB 17.1486 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Bescheid vom 27. Juli 2017 zu Recht abgewiesen hat. Das Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag rechtfertigt keine andere Beurteilung.
a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Widerruf der Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG rechtmäßig ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu entnehmen, dass im Sinne einer inkriminierenden Kumulation formelle und materielle Gesichtspunkte in Bezug auf die 60-Tagessatz-Grenze in nicht vertretbarer Weise zu Lasten des Klägers vermengt worden seien. Zum einen hat sich das Verwaltungsgericht in formeller Hinsicht zu Recht an § 7 Abs. 1a Nr. 1 LuftSiG orientiert und die Verurteilung des Klägers zu 90 Tagessätzen ohne Rechtsfehler unter Beachtung der Grundsätze der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verwertet. Welche Rückschlüsse aus einem rechtskräftigen Strafurteil gegen den Betroffenen gezogen werden dürfen, ist dabei eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung nach § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2017 – 8 ZB 16.1841 – juris Rn. 6 m.w.N.). Im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines atypischen Straftatbestands bzw. eines atypischen strafrechtlich abgeurteilten Sachverhalts geprüft. Die Rüge des Klägers, das Erstgericht habe die 60-Tagessatz-Grenze unreflektiert und insofern rechtswidrig zu Lasten des Klägers herangezogen, ist daher nicht berechtigt. In materieller Hinsicht ist nicht erkennbar und vom Kläger nicht vertieft dargelegt worden, inwiefern das Verwaltungsgericht eine nicht erfolgte Verurteilung für den Kläger erschwerend berücksichtigt haben soll. Das gleiche gilt für den klägerischen Vorwurf der Mehrfachverwertung von Tatbestandsmerkmalen zu Lasten des Klägers.
b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen auch nicht deswegen, weil der 60-Tagessatz-Regelvermutung eine Regelung des allgemeinen Strafrechts entgegenstünde, wonach derjenige, der zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen verurteilt worden ist, sich als nicht vorbestraft bezeichnen dürfe. Dieser klägerischen Annahme hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht entgegen gehalten, dass es unmaßgeblich ist, welche Eintragungsgrenzen nach dem Bundeszentralregistergesetz bestehen und ob sich an diese nach den Vorgaben des repressiven Strafrechts Folgen anknüpfen, da die luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeitsfeststellung bzw. deren Widerruf der präventiven Gefahrenabwehr zugeordnet ist, bei der schon dem Grunde nach der Gedanke der Resozialisierung nicht greift (vgl. Bl. 13 des VG-Urteils). Im Übrigen hat sich der Senat im Beschluss vom 18. Dezember 2018 (Az. 8 CS 18.21, Rn. 16) inhaltlich eingehend mit dieser Argumentation des Klägers auseinandergesetzt. So steht es dem Gesetzgeber im Bereich der Gefahrenabwehr unabhängig von den Regelungen im Bundeszentralregistergesetz zu, spezielle Regelungen zu schaffen, um den unbestimmten Begriff der Zuverlässigkeit zu konkretisieren.
c) In keiner Weise substanziiert vorgetragen hat der Kläger, inwiefern ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung vorliegen sollen wegen eines „Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus Art. 2 Abs. 1 GG, der wiederum Ausfluss des ebenfalls verletzten Rechtsstaatsprinzips Art. 20 GG“ sei, sowie wegen eines „Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG)“. Insofern handelt es sich um bloße Behauptungen des Klägers, ohne dass er sich mit der angegriffenen Entscheidung konkret auseinandersetzt. Ebenso verhält es sich mit dem klägerischen Einwand, dass das vom Verwaltungsgericht angewandte Gesetz bereits selbst verfassungswidrig sei. Die rein rechtspolitische Argumentation des Klägers in diesem Zusammenhang genügt nicht dem Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
d) Soweit der Kläger das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung wegen der vermeintlichen „objektiven Falschbehauptung einer erheblichen kriminellen Energie“ sowie der „Nichtberücksichtigung des positiven Beitrags des Klägers zu einer rascheren Entscheidungsfindung beim Strafgericht“ geltend macht, hat der Zulassungsantrag ebenfalls keinen Erfolg. Sofern sich die Klägerseite damit gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, lassen sich ihrem Vortrag keine zur Zulassung führenden Mängel entnehmen. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen einer fehlerhaften Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nur dann gegeben, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung rechtfertigt die Zulassung der Berufung jedoch nicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 5 B 3.16 D – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 6.6.2018 – 8 ZB 17.2076 m.w.N.). Solche Mängel der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind dem Vorbringen im Zulassungsverfahren nicht zu entnehmen.
e) Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei dem Hinweis des Verwaltungsgerichts auf das Waffengesetz nicht offensichtlich um einen Denkfehler. Im Gegenteil hat das Erstgericht selbst dargelegt, dass ein weitergehender Bezug zum Waffengesetz als die gesetzestechnische Orientierung der Ausgestaltung des Katalogs an Regeltatbeständen zum Waffengesetz entgegen den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten nicht existiert (vgl. Bl. 12 des VG-Urteils).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Der Kläger hat die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Frage besteht (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328; B.v. 30.6.2006 – 5 B 99.05 – juris Rn. 4; B.v. 1.7.2009 – 1 WNB 1.09 – Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 1 = juris Rn. 2).
Diesen Vorgaben wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht. Der Kläger hat bereits keine Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert hat, deren grundsätzliche Bedeutung geklärt werden könnte. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung findet ebenso wenig statt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Ziffer 26.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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