Verwaltungsrecht

Ablehnung eines Antrags auf Zulassung der Berufung wegen unzureichender Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und eines Gehörsverstoßes

Aktenzeichen  21 ZB 18.30733

Datum:
14.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11763
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1 S. 2, § 15, § 25 Abs. 1 S. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 2, Nr. 3

 

Leitsatz

1. Für den Antrag auf Zulassung der Berufung ist die Schriftform verbindlich, welche jedoch auch bei Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift gewahrt ist, wenn sich aus den sonstigen Umständen feststellen lässt, dass der Schriftsatz mit Willen des Betreffenden in den Verkehr gelangt ist und die Verhältnisse so eindeutig sind, dass es keiner Beweisaufnahme bedarf. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung können im Grundsatz nicht mit der Gehörsrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 Nr. 3 VwGO) angegriffen werden. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Unstimmigkeiten und Widersprüchen im klägerischen Sachvortrag besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Gerichts, von sich aus Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Dies gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der nach §§ 15, 25 Abs. 1 S. 1 AsylG selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 17.36841 2018-02-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1.1 Der Antrag des Klägers wahrt trotz des Fehlens einer eigenhändigen Unterschrift die Schriftform.
Für den Antrag auf Zulassung der Berufung ist die Schriftform verbindlich (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 37 m.w.N.). Diese ist jedoch auch bei Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift gewahrt, wenn sich aus den sonstigen Umständen feststellen lässt, dass der Schriftsatz mit Willen des Betreffenden in den Verkehr gelangt ist und die Verhältnisse so eindeutig sind, dass es keiner Beweisaufnahme bedarf (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 81 Rn. 4). So ist es hier. Die per Telefax übermittelte Antragsschrift lässt erkennen, dass sie von der Kanzlei des Bevollmächtigten des Klägers abgesandt wurde. Hinzu kommt, dass das unmittelbar darauf eingegangene Original des Schriftsatzes von dem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet wurde.
Einer Entscheidung über den hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedurfte es daher nicht.
1.2 Der Antrag führt nicht zur Zulassung der Berufung.
1.2.1 Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wurde entgegen § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht ausreichend dargelegt. Um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dem Darlegungsgebot genügend zu begründen, hat der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren und unter anderem darzulegen, weshalb die Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72).
Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
„ob in der gegenwärtigen schweren Konfliktsituation aufgrund der angestrebten Machtverlängerung des Präsidenten Kabila und der daraus folgenden Verschlechterung der Menschenrechts- und Sicherheitssituation mit unmenschlicher Behandlung von abgeschobenen Kongolesen zu rechnen ist.“
1.2.1.1 Die Antragsbegründung lässt schon nicht erkennen, dass diese Frage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich war. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG) und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG mit der Begründung verneint, das Vorbringen des Klägers sei hinsichtlich seines Verfolgungsschicksals nicht glaubhaft. Dies ist schon im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht in mehreren Punkten aufgezeigte Widersprüchlichkeit des klägerischen Vortrags (vgl. UA S. 7 f.) nicht zu beanstanden.
1.2.1.2 Auch soweit man die Grundsatzfrage im Hinblick auf die vom Kläger zitierten Quellen dahingehend interpretieren wollte, dass klärungsbedürftig sei, ob eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit zurückgeführter Personen aufgrund eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts bestünde, ergibt sich hieraus keine zu klärende Grundsatzfrage. Das Verwaltungsgericht führt dazu unter Berufung auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Stand: März 2017) aus, dass dahingestellt bleiben könne, ob im Osten der Demokratischen Republik Kongo ein bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG herrsche, weil dieser auf die Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu sowie Teile der ehemaligen Provinzen Orientale und Katanga begrenzt sei und sich nicht auf den Westen und die Hauptstadt Kinshasa, aus welcher der Kläger kommt, erstrecke.
Die vom Kläger zitierten Quellen lassen nicht erkennen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird. Vielmehr beziehen sich die vom Kläger zitierten „Briefing Notes“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. März 2018 lediglich auf einen Vorfall in der im Osten des Landes gelegenen Provinz Ituri. Der Amnesty Report 16/17 sowie der zitierte Text der Bundeszentrale für politische Bildung bieten keinen Anhalt dafür, dass entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts im Westen der Demokratischen Republik Kongo oder in Kinshasa ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt vorliegt.
1.2.2 Auch die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg.
1.2.2.1 Der Kläger rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) unter Verweis darauf, das Verwaltungsgericht habe die Tatsache ignoriert, dass er auf vorhandene Folterspuren hingewiesen habe. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat den Vortrag des Klägers zur Kenntnis genommen und sich damit auseinandergesetzt (UA S. 8 u 9). Soweit der Kläger vorbringt, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von seiner Unglaubhaftigkeit ausgegangen, verkennt er, dass die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung im Grundsatz nicht mit der Gehörsrüge angegriffen werden können (Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 78 Rn. 179).
Soweit der Kläger darauf abstellt, dass der Einzelrichter zu keinem der von ihm angeführten Gründe gegen die Glaubhaftigkeit Rückfragen gemacht habe, ergibt sich auch daraus kein Gehörsverstoß. Bei Unstimmigkeiten und Widersprüchen im klägerischen Sachvortrag besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Gerichts, von sich aus Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen (BVerwG, U.v. 22.4.1986 – 9 C 318.85 – juris Rn. 13). Das gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der nach §§ 15, 25 Abs. 1 Satz 1 AsylG selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist. Das Gericht ist damit im Grundsatz nicht gehalten, den Asylbewerber vorab auf mögliche Ungereimtheiten und Widersprüche in seinem Vorbringen hinzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 10.5.2002 – 1 B 392.01 – NVwZ 2002, 1381; BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris). Besondere Umstände, die dem Verwaltungsgericht ein anderes Vorgehen hätten gebieten können, ergeben sich aus dem Zulassungsantrag nicht.
1.2.2.2 Der Kläger rügt außerdem „die Verletzung der Grundsätze der Fairness des Verfahrens“. Er bemängelt das „schlechte Verhandlungsklima“ und dass viele Antworten vor Protokollierung negativ kommentiert worden seien. Sollte damit die Besorgnis der Befangenheit des Richters geltend gemacht sein, würde das nicht zum Erfolg führen. Ein Verfahrensfehler im Sinn der § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 2 VwGO läge nicht vor. § 138 Nr. 2 VwGO erfasst nur den Fall, dass ein Richter mitgewirkt hat, der kraft Gesetzes ausgeschlossen war oder der wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war (Kraft in Eyermann, VwGO 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 26 f.). Beides ist hier ersichtlich nicht der Fall.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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