Verwaltungsrecht

Ablehnung eines Beweisantrags – Darlegungserfordernisse bei Gehörsrüge

Aktenzeichen  10 ZB 17.31099

Datum:
23.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1332
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 2, § 108 Abs. 1 S. 1
AsylG § 78 Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Die Feststellung des behaupteten traumatisierenden Ereignisses unterliegt der gerichtlichen Sachverhaltswürdigung und freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 K 16.32596 2017-05-30 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Verpflichtung der Beklagten weiter, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel, durch die Ablehnung ihres Beweisantrags sei den Klägern das rechtliche Gehör versagt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO), nicht vorliegt. Das Zulassungsvorbringen genügt bereits den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht.
Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn 10), d.h. ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BayVGH, B.v. 20.11.2017 – 11 ZB. 31318 – juris Rn. 4).
Das Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt für eine Rüge wegen der Versagung rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags zunächst, dass der Kläger gegenüber dem Berufungsgericht das ordnungsgemäße Stellen eines Beweisantrags im erstinstanzlichen Verfahren aufzeigt, was insbesondere die Mitteilung des Beweisthemas und des angebotenen Beweismittels erfordert. Ferner hat er darzutun, dass das Beweisthema nach der maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich und das angebotene Beweismittel zur Klärung der unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung tauglich gewesen ist. Schließlich ist in Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung angegebenen Gründen für die erfolgte Beweisantragsablehnung darzulegen, dass die Ablehnung prozessrechtlich unvertretbar gewesen ist (BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 10 ZB 16.30102 – juris Rn. 7; OVG NRW, B.v. 18.10.2017 – 13 A 2430/17.A – juris Rn. 16).
Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen im vorliegenden Fall nicht, weil die Kläger nicht darzulegen vermögen, dass die Ablehnung des Beweisantrags als unsubstantiiert im Prozessrecht keine Stütze findet.
Die Bevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin zu 1) psychisch schwer erkrankt und auf ständige Behandlung angewiesen sei. Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag abgelehnt (§ 86 Abs. 2 VwGO), weil nicht substantiiert dargelegt worden sei, inwieweit die beantragte Beweiserhebung andere bzw. bessere Erkenntnisse bringen würde als die bereits zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Unterlagen, und weil ein konkreter Sachverhalt nicht unter Beweis gestellt worden sei.
Die Begründung des Zulassungsantrags setzt sich mit keinem Wort mit der im Protokoll niedergelegten Begründung für die Ablehnung des Beweisantrags auseinander, sondern wendet sich gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Unglaubhaftigkeit der Schilderung der traumaauslösenden Ereignisse durch die Klägerin zu 1). Insoweit geht die Begründung des Zulassungsantrags daher bereits an der Sache vorbei.
Die Kläger legen mit ihren Ausführungen auch nicht dar, welcher für die Entscheidung wesentliche Sachvortrag durch die Ablehnung des bedingten Beweisantrags nicht mehr vorgetragen werden konnte bzw. weshalb die Ablehnung des Beweisantrags fehlerhaft war. Die Glaubhaftigkeit des das Trauma auslösenden Ereignisses ist nicht Gegenstand eines fachärztlichen Gutachtens zum Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Das Vorbringen, das Gericht habe sich über ärztliche Stellungnahmen hinweggesetzt, geht somit ins Leere. Die Feststellung des behaupteten traumatisierenden Ereignisses unterliegt vielmehr der gerichtlichen Sachverhaltswürdigung und freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (BayVGH, B.v. 16.1.2018 – 10 ZB 17.30223 – Rn. 6 f.; BayVGH, B.v. 4.11.2016 – 9 ZB 16.30468 – juris Rn. 18). Angebliche Fehler in der Beweiswürdigung des Tatsachengerichts sind daher nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung (BVerwG, B.v. 11.4.2017 – 1 B 39.17 – juris Rn. 3 zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Verstöße, die insoweit einen absoluten Revisionsgrund nach § 138 VwGO – und damit Zulassungsgrund i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG – begründen könnten, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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