Verwaltungsrecht

Abschiebung, Reisefähigkeit, Suizidgefahr

Aktenzeichen  19 CE 21.2437

Datum:
20.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 705
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 25a
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1
AufenthG § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 5 E 21.1280 2021-08-27 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,000 € festgesetzt.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die am 2. Mai 1965 und am 6. September 1968 geborenen Antragsteller zu 1 und 2 (Eheleute) und ihre am 25. August 2006 und am 1. Oktober 2009 geborenen Töchter (Antragstellerinnen zu 3 und 4), allesamt russische Staatsangehörige (Einreise in das Bundesgebiet gemäß eigenen Angaben am 1.5.2013, jeweils rechtskräftige Ablehnung der gestellten Asylanträge, jeweils vollziehbare Ausreisepflicht ab 18.5.2021), ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG (für die Antragstellerin zu 3) keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchzuführen und ihnen eine entsprechende Verfahrensduldung zu erteilen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Antrag der Antragstellerin zu 3 vom 5. Oktober 2020 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe vorliegend keine den Aufenthalt legitimierende Fiktionswirkung ausgelöst. Im Übrigen wäre diese Fiktionswirkung mit der ablehnenden behördlichen Entscheidung (Bescheid der damals zuständigen Stadt F. vom 24.6.2021) ohnehin entfallen. Tatsächliche oder rechtliche Gründe, die eine Abschiebung unmöglich machen würden, seien nicht glaubhaft gemacht worden. Insbesondere ergebe sich aus dem Gesundheitszustand des Antragstellers zu 1 kein inlandsbezogenes Abschiebehindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Ein Anspruch auf Verfahrensduldung bestehe nicht. Es genüge nicht, dass die Antragstellerin zu 3 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG lediglich beantragt habe. Denn die Voraussetzungen des Anspruchs seien nicht erfüllt. Es liege im maßgeblichen Zeitpunkt keine Duldungssituation vor. Die Antragstellerin zu 3 sei seit 15. Juni 2021 im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung, dabei handle es sich nicht um eine Duldung. Auch der Schulbesuch der Antragstellerinnen zu 3 und 4 (gemäß den unstreitigen Feststellungen der Stadt F. endet der Schulbesuch der Antragstellerin zu 3 voraussichtlich im Juli 2023, der Schulbesuch der Antragstellerin zu 4 voraussichtlich im Juli 2028) vermittle keinen Duldungsgrund. Denn es fehle jedenfalls an einem unmittelbar bevorstehenden schulischen Abschluss.
Über die Klage der Antragsteller, unter Aufhebung des Bescheids der Stadt F. vom 24. Juni 2021 den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen eine Duldungsbescheinigung auszustellen und der Antragstellerin zu 3 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG zu erteilen, wurde bislang nicht entschieden.
Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts gerichtete, zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegte Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
Die Antragsteller (deren Vertreterin der Beschluss des Verwaltungsgerichts – versehen mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung- am 6.9.2021 zugestellt wurde) rügen mit beim Verwaltungsgericht am 16. September 2021 eingegangenem Schriftsatz, dass die Antragstellerin zu 3 sämtliche Erteilungsvoraussetzungen des § 25a AufenthG erfülle. „Die Antragstellerinnen“ würden seit Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht am 18. Mai 2021 faktisch geduldet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebe es keinen Raum für einen ungeregelten Aufenthalt. Ein ausreisepflichtiger Ausländer müsse entweder abgeschoben werden oder zumindest eine Duldung erhalten. Darüber hinaus habe die Antragstellerin zu 3 einen Anspruch auf Erteilung einer sogenannten Verfahrensduldung. Denn die Antragstellerin zu 3 habe sämtliche Voraussetzungen des § 25a AufenthG bereits im Zeitpunkt des Eintritts der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht erfüllt. Durch eine Abschiebung würde rechtsvernichtend in diese Position des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen eingegriffen werden.
Nachdem der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 ausgeführt hatte, dass sich die Beschwerdebegründung in keiner Weise mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Frage der Reisefähigkeit/Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1 und zum Schulbesuch der Antragstellerinnen zu 3 und 4 als Duldungsgrund auseinandersetze, werde davon ausgegangen, dass die Entscheidung insofern nicht angegriffen werden solle, erklärte die Vertreterin der Antragstellerin mit beim Verwaltungsgerichtshof am 2. November 2021 eingegangenem Schriftsatz, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts werde auch im Hinblick auf die Frage der Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1 angegriffen. Es stehe ein gesundheitsbedingtes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Raum. „Die Antragsgegnerin“ habe den Gesundheitszustand des Antragstellers zu 1 von Amts wegen zu prüfen. Auch würden die Antragsteller „von der Antragsgegnerin“ seit der vollziehbaren Ausreisepflicht am 18. Mai 2021 geduldet. Mit weiterem Schriftsatz vom 25. November 2021, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am selben Tage, legte die Vertreterin der Antragsteller einen vorläufigen Arztbrief des Klinikums F. vom 22. November 2021 sowie einen „Befundbericht Herzkatheter“ des Klinikums F. vom 16. November 2021 vor. Danach habe der Antragsteller zu 1 am 16. November 2021 einen Herzinfarkt erlitten und sei intensivmedizinisch behandelt worden. Eine weitere stationäre Behandlung sei seitens der Ärzte für erforderlich gehalten worden, der Antragsteller zu 1 habe die Behandlung abgelehnt und die Klinik auf eigene Verantwortung verlassen. Aufgrund des Herzinfarkts sei nun eine duale Plättchentherapie „für die kommenden 12 Monate“ sowie eine lebenslange Therapie „mit ASS“ medizinisch erforderlich. Aus diesem Grund stehe dem Antragsteller hinsichtlich der russischen Föderation ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu, jedenfalls sei er derzeit nicht reisefähig und daher zu dulden.
Diese Rügen greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Aufenthaltsgewährung bis zum rechtskräftigen Abschluss des auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG gerichteten Klageverfahrens (betreffend die Antragstellerin zu 3) nicht glaubhaft gemacht haben. Die Antragstellerin zu 3 hat voraussichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a AufenthG, für deren Erhalt ihr (und auch nicht den sonstigen Antragstellern) aus Art. 19 Abs. 4 GG zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ein Duldungsanspruch erwachsen könnte (1). Ebenso wenig steht einer Abschiebung der Vortrag entgegen, die Antragsteller würden „faktisch geduldet“ (2). Auch hat der Antragsteller zu 1 betreffend seinen Gesundheitszustand keine Gründe glaubhaft gemacht, die eine Abschiebung unmöglich machen würden (3).
(1) Nach § 25a Abs. 1 AufenthG soll einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält, er im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat, der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, es gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt. Nach der Gesetzesbegründung sollte mit § 25a AufenthG eine Bleiberechtsregelung geschaffen werden, um nachhaltige Integrationsleistungen, die trotz des fehlenden rechtmäßigen Aufenthalts von einem Geduldeten erbracht wurden, durch die Erteilung eines gesicherten Aufenthaltsstatus zu honorieren (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 1, 23).
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antrag der Antragstellerin zu 3 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG keine Fiktionswirkung nach § 81 AufenthG und damit kein vorläufiges Bleiberecht auslöst. Es widerspräche der durch §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG vorgegebenen Systematik und Konzeption des Aufenthaltsgesetzes, denen zufolge für die Dauer eines Erteilungsverfahrens nur unter den im § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG geregelten Voraussetzungen ein vorläufiges Bleiberecht besteht, darüber hinaus derartige „Vorwirkungen“ anzuerkennen und für die Dauer eines Erteilungsverfahrens eine Duldung vorzusehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 10.10.2018 – OVG 3 S 64.18 – juris Rn. 5; OVG NRW, B.v. 11.1.2016 – 17 B 890/15 – juris Rn. 6; B.v. 2.5.2006 – 18 B 437/06 – Rn. 2; BayVGH, B.v. 26.11.2018 – 19 C 18.54 – juris Rn. 24; Heilbronner AuslR, Stand: 5/2017 § 81 Rn. 64). Dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes kann daher lediglich eine rechtserhaltende, nicht jedoch eine rechtsbegründende Funktion dergestalt, entgegen der gesetzlichen Regelung nach § 81 Abs. 3, 4 AufenthG die Voraussetzungen eines vorläufig zu sichernden materiellen Anspruchs selbst zu schaffen, zukommen.
Zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes ist nach § 19 Abs. 4 GG eine Ausnahme nur dann zu machen, wenn eine Aussetzung der Abschiebung notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (hier nach § 25a AufenthG) erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Verfahrens aufrecht zu erhalten und so sicher zu stellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann. Je besser insoweit die Erfolgsaussichten sind, desto eher werden die Voraussetzungen für eine sogenannte Verfahrensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (effektiver Rechtsschutz als rechtliches Abschiebungshindernis) oder zumindest nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG (Ermessensduldung) erfüllt sein (BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34/18 – juris Rn. 30).
Diese Ausnahmesituation ist vorliegend nicht gegeben, da die Antragstellerin zu 3 die Voraussetzungen nach § 25a AufenthG nicht erfüllt. Es handelt sich bei der vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellerin zu 3 jedenfalls nicht um einen „geduldeten Ausländer“ im Sinne von § 25a Abs. 1 AufenthG. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Dies gilt grundsätzlich auch für die Voraussetzung, dass ein Antragsteller ein „geduldeter Ausländer“ sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 23 zu § 25b AufenthG; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2020 – OVG 6 S 10/20 – juris Rn. 9; Sächsisches OVG, B.v. 13.9.2021 – 3 B 295/21 – juris Rn. 12; Hecker in BeckOK AuslR, Stand 1.10.2020, § 25a AufenthG, Rn. 4; Röder in Beck OK Migration- und Integrationsrecht, Stand 1.10.2020, § 25a AufenthG, Rn. 7; Röcker in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 25a AufenthG, Rn. 9). Ein Ausländer ist geduldet, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist oder er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz ist die Antragstellerin zu 3 nicht geduldet (sie ist seit dem 18.5.2021 vollziehbar ausreisepflichtig, eine Duldung wurde ersichtlich weder ihr noch den anderen Antragstellern erteilt) und das Vorliegen materieller Duldungsgründe ist nicht ersichtlich (dazu im Einzelnen sogleich). Es kommt daher entscheidungserheblich nicht mehr darauf an, ob sich die Antragstellerin zu 3 (in der Vergangenheit) 4 Jahre ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Selbst wenn die Antragstellerin zu 3 in der Vergangenheit die Voraussetzungen nach § 25a AufenthG erfüllt hätte, käme ihr zum (wie ausgeführt) hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt ein Erteilungsanspruch nicht zu (vgl. BVerwG, U.v. 24.1.1992 – 7 C 24/91 – NVwZ 1992, 563; OVG NRW, B.v. 7.1.2021 – 18 B 1059/20 – BeckRS 2021,141; OVG NRW, U.v. 23.4.1996 – 10 A 620/91 – NVwZ 1997, 598/600; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 113 Rn. 224, 227; Hecker in BeckOK VwGO, Stand: 1.4.2021, § 113 Rn. 69.1f.; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 105).
(2) Soweit die Antragsteller vortragen, sie seien zwar seit 18. Mai 2021 vollziehbar ausreisepflichtig, jedoch seither „faktisch geduldet“ und damit zum Ausdruck bringen, aufgrund einer derartigen „faktischen Duldung“ liege zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für die Antragstellerin zu 3 die Tatbestandsvoraussetzung des § 25a AufenthG „geduldeter Ausländer“ vor, trifft dies nicht zu. Insoweit reicht ein derartiges „faktisches Dulden“ im Sinne einer behördlichen Untätigkeit nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Duldung wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34/18 – juris Rn. 23 f.; Sächsisches OVG, B.v. 13.9.2021 – 3 B 295/21 – juris Rn. 12). Einen derartigen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen haben weder die Antragstellerin zu 3 noch die sonstigen Antragsteller:
Grundsätzlich gilt:
Maßgeblich ist insoweit, ob der Abschiebung tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, die es der Ausländerbehörde unmöglich machen, ihrer Abschiebeverpflichtung nachzukommen (BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 1 C 23/99 – juris Rn. 12 m.w.N.). Das Rechtsinstitut der Duldung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Ausreisepflicht eines Ausländers nicht in allen Fällen ohne Verzögerung durchgesetzt werden kann und ihre Durchsetzung auf nicht absehbare Zeit unmöglich ist (BT-Drs. 11/6321 S. 76 zu § 55 Abs. 1 AuslG 1990). Das Gesetz geht davon aus, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer entweder abgeschoben wird oder zumindest eine Duldung erhält. Die tatsächliche Hinnahme des Aufenthalts außerhalb förmlicher Duldung, ohne dass die Vollstreckung der Ausreisepflicht betrieben wird, sieht das Gesetz nicht vor (BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 1 C 23/99 – juris Rn. 13; U.v. 25.9.1997 – 1 C 3/97 – juris Rn. 16 jeweils zu § 55 Abs. 2 AuslG 1990). Die Ausländerbehörde hat im Rahmen der Prüfung einer Aussetzung der Abschiebung nicht nur zu untersuchen, ob die Abschiebung des Ausländers überhaupt durchgeführt werden kann, sondern auch, innerhalb welchen Zeitraums eine solche möglich ist (BVerwG, U.v. 25.9.1997 – 1 C 3/97 – juris Rn. 22 zu § 55 Abs. 2 AuslG). Dies gilt nicht nur für die Fälle, in denen eine Abschiebung grundsätzlich möglich ist (kommt die Ausländerbehörde in solchen Fällen zu dem Ergebnis, eine Abschiebung kann – trotz grundsätzlicher Möglichkeit – nicht ohne erhebliche Verzögerung durchgeführt werden, ist eine Duldung zu erteilen, vgl. BVerwG, U.v. 25.9.1997 – 1 C 3/97 – juris Rn. 22f. zu § 55 Abs. 2 AuslG), sondern auch in den Fällen, in denen eine Abschiebung derzeit unmöglich ist. In den letztgenannten Fällen ist von der Ausländerbehörde zu prüfen, wann dieses Hindernis behoben sein wird. Kommt die Ausländerbehörde zu dem Ergebnis, dass die Abschiebung nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss ist, ist eine Duldung zu erteilen (BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 1 C 23/99 – juris Rn. 20 zur Frage der Erteilung einer Duldung bei ungeklärter Identität und/oder Staatsangehörigkeit).
Gemessen an diesen Maßstäben ist nicht ersichtlich, dass die Abschiebung der Antragsteller nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss ist. Zu Recht weisen das Verwaltungsgericht und der Antragsgegner auch darauf hin, dass seit dem Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (18.5.2021) und dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise (23.6.2021) kein so langer Zeitraum vergangen ist, der eine Abschiebung als für unbestimmte Zeit unmöglich erscheinen ließe, zumal es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche, den Antragstellern auch nach Ablauf der Ausreisefrist die freiwillige Ausreise zu ermöglichen und zu diesem Zweck zunächst noch ein persönliches Ausreisegespräch zu führen, um den Antragstellern ihre Möglichkeiten aufzuzeigen. In den Blick zu nehmen ist zudem, dass die damals zuständige Ausländerbehörde (Stadt F.) über die von den Antragstellern gestellten Anträge auf Erteilung von Duldungen (für die Antragstellerin zu 3 zusätzlich auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG) zu entscheiden hatte, zeitnah dazu unter dem 24. Juni 2021 einen Bescheid erließ und die Antragsteller sodann unter dem 13. Juli 2021 Klage erhoben und um gerichtlichen Eilrechtschutz nachsuchten.
(3) Soweit der Antragsteller zu 1 im Beschwerdeverfahren erstmals am 3. November 2021 eine Reiseunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen vorträgt, hat er die Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO versäumt.
Hilfsweise ist auszuführen:
Der Antragsteller zu 1 hat im Behördenverfahren bzw. im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren eine Reihe von Unterlagen zu seinem gesundheitlichen Zustand vorgelegt. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 27. August 2021 (wie bereits die Stadt F. in ihrem Bescheid vom 24. Juni 2021) festgestellt, dass die vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht geeignet seien, eine Reiseunfähigkeit nachzuweisen und insoweit auf einen Änderungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 23. September 2020 (Feststellung eines GdB 60 für den Antragsteller zu 1), auf ärztliche Berichte der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums N. vom 29. Dezember 2016 und vom 19. Januar 2021, in denen eine pharmazeutische Behandlung der psychischen Probleme des Antragstellers zu 1 empfohlen werde, den Bericht der urologischen Klinik des Klinikums N. vom 6. April 2016 sowie auf Atteste des Facharztes für Allgemeinmedizin A. vom 8. Mai 2017, 23. Februar 2021 und 6. Mai 2021 Bezug genommen. Soweit der Antragsteller zu 1 durch seinen Vortrag im Beschwerdeverfahren, er sei reiseunfähig, (unter Verstoß gegen das Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) zum Ausdruck bringen will, er beziehe sich auf die zuletzt dem Verwaltungsgericht beigebrachten (nach den jeweiligen Ausstellungsdaten nicht mehr aktuellen) Unterlagen, macht er einen auf gesundheitliche Gründe gestützten, auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteten Anordnungsanspruch auf diese Weise nicht glaubhaft:
Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist. Erforderlich ist dabei, dass infolge der Abschiebung als solcher (unabhängig vom konkreten Zielstaat) eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes für den betroffenen Ausländer konkret droht (BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 17; B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953; B.v. 31.5.2016 – 10 CE 16.838 – juris Rn. 7; VGH BW, B.v. 1.6.2017 – 11 S 658/17 – juris Rn. 3; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2016, A1 § 60a Rn. 57 f.). Wegen der Bindungswirkung nach § 42 AsylG an die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG kommen nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953). Eine bestehende Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zweierlei Hinsicht begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen der Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne; vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2017 – 10 CE 17.750 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Insbesondere im Falle der Geltendmachung einer Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne wegen psychischer Erkrankung bedarf es einer Abgrenzung zur Fallgruppe des sogenannten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG, dessen Nichtvorliegen im Asylverfahren vorliegend gemäß § 42 Satz 1 AsylG mit Bindungswirkung für die Ausländerbehörde festgestellt worden ist. Der Sphäre des Abschiebevorgangs sind nur solche Gefahren zuzurechnen, die sich unmittelbar bei Eintreffen im Heimatland realisieren können, bspw., wenn eine unmittelbar erforderliche Anschlussbehandlung nicht gewährleistet werden kann, bzw. der Ausländer selbst nicht in der Lage ist, eine solche Anschlussbehandlung zu organisieren (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand: hier/2017, § 60a AufenthG, Rn. 132). Wird im Falle einer psychischen Erkrankung eine Gesundheitsgefahr in Folge des Abbruchs einer im Bundesgebiet stattfindenden Behandlung geltend gemacht, ist von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis wegen Reiseunfähigkeit nur dann auszugehen, wenn die Gefahr einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung schon während der Abschiebung und der sich unmittelbar daran anschließenden Zeitspanne der Ankunft im Heimatland droht und dieser Gefahr nicht durch mögliche Vorkehrungen wie der Ausstattung mit einem Medikamentenvorrat, einer medizinischen Begleitung im Abschiebevorgang oder der Übergabe an medizinisches Personal im Heimatland begegnet werden kann.
Nach der Bestimmung des mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 – BGBl I S. 390) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände enthalten, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Legt der Ausländer ärztliche Fachberichte vor, sind diese zum Beweis für ein Abschiebungshindernis nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die Befundtatsachen angeben, gegebenenfalls die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes sowie die Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft ergeben, wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richten. Insbesondere ist es dem Arzt, der ein Attest ausstellt, untersagt, etwaige rechtliche Folgen seiner fachlich begründeten Feststellungen und Folgerungen darzulegen oder sich mit einer rechtlichen Frage auseinanderzusetzen (BayVGH, B.v. 18.10.2013 – 10 CE 13.1890 – juris Rn. 21; VGH BW, B.v. 10.7.2003 – 11 S 2262/02 – juris Rn. 12). Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zu den prognostizierten Folgerungen kommt und welche Tatsachen dieser Einschätzung zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 19; B.v. 5.1.2017 – 10 CE 17.30 – juris Rn. 7). Eine ärztliche Bescheinigung ist mithin nur dann i.S.v. § 60 Abs. 2c Satz 2 AufenthG als qualifiziert anzusehen und zur Glaubhaftmachung geeignet, wenn sie von der Ausländerbehörde in groben Zügen nachvollzogen werden kann. Erschließen sich die Gründe für die Reiseunfähigkeit des Ausländers nicht schon aus der Diagnose oder sonstigen Feststellungen in der ärztlichen Bescheinigung von selbst, muss das zur Glaubhaftmachung hierzu vorgelegte ärztliche Attest eine nachvollziehbare Begründung enthalten. Dies gilt vor allem bei diagnostizierten psychischen Erkrankungen oder Störungen, wenn das ärztliche Attest die Reiseunfähigkeit nur behauptet, aber nicht begründet, da die Reisefähigkeit in der Regel durch begleitende Maßnahmen (Verabreichung von Medikamenten, polizeiliche oder ärztliche Begleitung des gesamten Abschiebevorgangs, Übergabe an medizinisches Personal im Herkunftsland) sichergestellt werden kann (vgl. Sächsisches OVG, B.v. 22.8.2019 – 3 B 394/18 – juris Rn. 12, 13).
Der Zweck der gesetzlichen Vermutung nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird in der Gesetzbegründung (BT-Drs. 18/7538, S. 18 ff.) folgendermaßen umschrieben. „Die Geltendmachung von Abschiebungshindernissen in gesundheitlicher Hinsicht stellt die zuständigen Behörden quantitativ und qualitativ vor große Herausforderungen. Oft werden Krankheitsbilder angesichts der drohenden Abschiebung vorgetragen, die im vorangegangenen Asylverfahren nicht berücksichtigt worden sind (…). Nach den Erkenntnissen der Praktiker werden insbesondere schwer diagnostizier- und überprüfbare Erkrankungen psychischer Art (z.B. posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)) sehr häufig als Abschiebungshindernis (Vollzugshindernis) geltend gemacht, was in der Praxis zwangsläufig zu deutlichen zeitlichen Verzögerungen bei der Abschiebung führt. Der Gesetzgeber geht nunmehr davon aus, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern. Mit dieser Präzisierung wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben nach Satz 1 (die Gesetzesbegründung bezieht sich hier auf § 60 Abs. 7 AufenthG) darstellen (…). Mit der Regelung zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung durch den Ausländer wird auf erhebliche praktische Probleme hinsichtlich der Bewertung der Validität von ärztlichen Bescheinigungen im Vorfeld einer Abschiebung reagiert (…). Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine vom Ausländer vorgelegte Bescheinigung hinsichtlich der Erfüllung formaler und inhaltlicher Vorgaben zu validieren.“
Wie von der Stadt F. und dem Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, ergeben sich aus den dort vorgelegten Unterlagen Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1 nicht. Im Beschwerdeverfahren hat sich der Antragsteller zu 1 insoweit nicht weiter geäußert. Soweit (lediglich) der Facharzt für Allgemeinmedizin A. (zuletzt in der Bescheinigung vom 6.5.2021) eine „aktuelle“ Reiseunfähigkeit für den Antragsteller zu 1 ohne weitere Begründung behauptet, ist den dargelegten gesetzlichen Anforderungen des § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG nicht genügt. Es fehlt bereits an der Nachvollziehbarkeit dieser Feststellung. Weder im Hinblick auf psychische Erkrankungen noch im Hinblick auf sonstige Erkrankungen ist insoweit ein Anordnungsanspruch des Antragstellers zu 1 glaubhaft gemacht.
Soweit der Facharzt für Allgemeinmedizin A. (zuletzt in seiner Bescheinigung vom 6.5.2021) ebenso ohne weitere Begründung ausführt, eine Abschiebung könne die Gefahr einer suizidalen Handlung des Antragstellers zu 1 hervorrufen, ist festzuhalten:
Auch insoweit wird die Vermutung der Reisefähigkeit des Antragstellers zu 1 nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG nicht widerlegt. Die ärztliche Feststellung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 60a Abs. 2 und 3 AufenthG. Es fehlt bereits deren Nachvollziehbarkeit.
Allerdings besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat durch entsprechende tatsächliche Gestaltung der selben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 10). Zwar liegt selbst bei Annahme einer nicht völlig auszuschließenden Suizidgefahr nicht zwangsläufig ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vor; bei einer möglicherweise aus den besonderen Belastungen einer Abschiebung resultierenden Suizidgefahr handelt es sich um eine Abschiebung regelmäßig nur vorübergehend hindernde Umstände (vgl. BVerfG, B.v. 26.2.1998 – 2 BvR 185/98 – juris Rn. 3). Die Abschiebung ist von der Ausländerbehörde dann so zu gestalten, dass einer Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 16.4.2002 – 2 BvR 553/02 – juris; BayVGH, B.v. 23.8.2016 – 10 CE 15.2784 – juris Rn. 16). Wenn gleich kaum jemals mit absoluter Sicherheit eine Suizidgefahr ausgeschlossen werden kann (vgl. Heilbronner, AuslR, Stand: 2/2020, § 60a AufenthG Rn. 93), ist es Aufgabe des Antragsgegners, seiner Schutzpflicht zu genügen, um möglichen suizidalen Handlungen vorzubeugen. Davon ausgehend ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner seiner Schutzpflicht nicht nachkäme und insbesondere bislang nicht mitgeteilte besondere Bedingungen nicht zum Anlass nähme, im Rahmen der Schutzpflicht die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und die Abschiebung so zu gestalten, dass einer Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann.
Auch die im Beschwerdeverfahren am 26. November 2021 vorgelegten ärztlichen Unterlagen des Klinikums F. vom 22. November 2021 und vom 16. November 20121 betreffend den Antragsteller zu 1 widerlegen die Vermutung der Reisefähigkeit nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG nicht. Sie enthalten keine (expliziten) Äußerungen zu dieser Frage. Auch sind diesen ärztlichen Äußerungen keine ausreichenden Indizien für eine Reiseunfähigkeit zu entnehmen, die zu einer Verpflichtung der Ausländerbehörde führen könnten, den Sachverhalt weiter aufzuklären (vgl. Heilbronner, AuslR, Stand: 2/2016, A1, § 60a AufenthG Rn. 61; Bay VGH, B.v. 5.7.2017 – 19 CE 17.657 – juris Rn. 27). Derartige Indizien ergeben sich auch nicht aus dem mit der Vorlage der Unterlagen verbundenen Vortrag des Ausländers. Soweit dieser auf ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinweist, ist (wie bereits ausgeführt) bei einem ehemaligen Asylbewerber (wie dem Antragsteller zu 1) die Ausländerbehörde nicht zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten berechtigt, sondern bleibt gemäß § 42 Satz 1 AsylG an die hier negative Feststellung des Bundesamtes hierzu gebunden (BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 15ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2, 159 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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