Verwaltungsrecht

Abschiebungsverbot in den Iran

Aktenzeichen  W 8 K 19.30347

Datum:
11.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 12607
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwVfG § 51
AsylG § 3, § 28 Abs. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1
RL 2011/95/EU Art. 9, Art. 10 Abs. 1 lit. b
EMRK Art. 3, Art. 9

 

Leitsatz

1. Bei dauerhaft entwickelten Sachverhalten wie bei der Religionskonversion ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Taufe als der nach außen erkennbaren Manifestation der Konversion abzustellen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG für christliche Konvertiten iranischer Staatsangehörigkeit. (Rn. 16 – 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Nummer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Januar 2019 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise – wie tenoriert – begründet.
Die im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – BVerwGE 157, 18) betreffend die Nummer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Januar 2019 ist unbegründet. Denn der streitgegenständliche Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG i.V.m. § 71 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylG nicht vorliegen, und den Antrag zutreffend gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abgelehnt. Das Gericht folgt insoweit dem streitgegenständlichen Bescheid und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend merkt das Gericht lediglich an, dass sich bei dauerhaft entwickelten Sachverhalten wie bei der Religionskonversion maßgeblich auf die Taufe als der nach außen erkennbaren Manifestation der Konversion abzustellen ist (vgl. HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120, veröffentlicht auch unter: https://www.asyl.net/rsdb/m16712/ bzw. https://www.asyl.net/fileadmin/user_upload/dokumente/16712.pdf). Hinzu kommt, dass nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes im Iran Apostasie, der Abfall vom Islam, erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Iran nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird. Im Fall christlicher Glaubensgemeinschaften ist für einen Apostasievorwurf die Taufe notwendig (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Schwerin vom 25.8.2015). Der entscheidende Qualitätsumschwung ist mit der Taufe in Deutschland am 10. Januar 2016 eingetreten. Der Taufe folgende christliche Aktivitäten, wie Besuche von Gottesdiensten und weitere kirchliche Veranstaltungen, dienen hingegen der Verfestigung und dem Ausleben des neuen Glaubens, ohne dass ein neuer Fristlauf im Sinne des § 51 Abs. 3 VwVfG in Gang gesetzt wird. Das Bundesamt hat zudem schon im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt, dass die im Folgeverfahren geltend gemachten Gründe allesamt schon im Erstverfahren geltend gemacht wurden bzw. geltend gemacht hätten werden können.
Das Gericht hat schon in seinem Beschluss im Sofortverfahren (VG Würzburg, B.v. 25.2.2019 – W 8 S 19.30348 – juris) ausgeführt, dass die Konversion des Klägers bereits Gegenstand des Erstverfahrens war ebenso wie die dazu vorgelegten Nachweise seiner christlichen Gemeinde, zuletzt vom 25. Oktober 2018. Das betreffende Vorbringen des Klägers war im damaligen gerichtlichen Verfahren, welches infolge Klagerücknahme mit Einstellungsbeschluss endete, deshalb nicht mehr zu würdigen, weil der Kläger damals auf Grund des Verschuldens seines Rechtsanwaltes, welches ihm zuzurechnen war, die Klagefrist überschritten hatte und seine Klage deshalb unzulässig war.
Die Klage ist jedoch im Hilfsantrag begründet.
Die Nummer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Januar 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn der Kläger hat einen Anspruch festzustellen, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt. Denn nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist bei der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulässig festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 20).
Der Kläger hat vorliegend einen Anspruch auf Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 und 9 EMRK. Denn unter Berücksichtigung der ins Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen besteht zurzeit im Iran eine konkrete Gefahr für konvertierte Christen, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden. Der Begriff der tatsächlichen Gefahr bzw. eines ernsthaften Risikos in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist mit der beachtlichen Wahrscheinlichkeit vergleichbar (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67). Erniedrigende oder unmenschliche Maßnahmen sind aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ernsthaft zu befürchten; stichhaltige Gründe für die Annahme des Realrisikos einer solchen Misshandlung sind gegeben. An der Feststellung der drohenden Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung sind keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.
Aufgrund der aktuellen Lage, welche sich aus den in den Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergibt, besteht im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben sowie insbesondere, wenn sie nach außen erkennbar eine missionarische Tätigkeit entfalten, eine herausgehobene Rolle einnehmen, in Ausübung ihres Glaubens an öffentlichen Riten wie etwa Gottesdiensten teilnehmen oder zumindest ihren neu angenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – nach außen zeigen wollen, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, U.v. 11.7.2012 – W 6 K 11.30392) sowie verschiedener Obergerichte (vgl. BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris; B.v. 19.7.2018 – 14 ZB 17.31218; B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris; B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; OVG NRW, B.v. 15.2.2019 – 6 A 1558/18.A – juris; B.v. 28.6.2018 – 13 A 3261/17.A – juris; B.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – DÖV 2013, 323; U.v. 30.7.2009 – 5 A 982/07.A – EzAR-NF 62 Nr. 19; HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; SächsOVG, U.v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris; OVG Saarl, U.v. 26.6.2007 – 1 A 222/07 – InfAuslR 2008, 183 – jeweils mit weiteren Nachweisen) unterliegen iranische Staatsangehörige, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, bereits dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Sinne des Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie, wenn sie im Iran lediglich ihren Glauben ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Insgesamt betrachtet ist eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, im Iran selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich (vgl. HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; B.v. 23.2.2010 – 6 A 2067/08.A – Entscheiderbrief 10/2010, 3; B.v. 11.2.2013 – 6 A 2279/12.Z.A – Entscheiderbrief 3/2013, 5).
Die konkrete Gefahr, jedenfalls unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden, resultiert dabei daraus, dass Christen häufig von iranischen Behörden und Sicherheitskräften drangsaliert, festgenommen, verhört, ohne Kontakte in Haft gehalten, misshandelt, gefoltert, angeklagt und verurteilt werden. „Outen“ als Christ ist in der derzeitigen Lage im Iran extrem gefährlich. Von einer sehr bedrohlichen Lage für konvertierte Christen im Iran ist auszugehen. Aufgrund dieser Erkenntnisse kommt der Hessische Verwaltungsgerichtshof (vgl. U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – juris, der allerdings § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anwendet) im Lichte einer verfassungs- und europakonformen Auslegung zu der Erkenntnis, dass muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, spätestens dann einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sind, wenn sie sich im Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und Kontakt zu einer solchen Gruppierung aufnehmen. Sie müssen dann mit Inhaftierung, körperlichen Übergriffen, Einschüchterungen und oder sonstigen erniedrigenden Maßnahmen durch iranische Sicherheitskräfte rechnen. Die Gefahrenmomente haben sich so verdichtet, dass von einer konkreten Gefahr für jeden einzelnen Konvertierten auszugehen ist. Denn gerade wenn bei christlichen Konvertiten entsprechende Maßnahmen gegen Angehöriger bestimmter Personengruppen mehr oder weniger regelmäßig angewandt werden, begründet dies ein allgemein wirkendes Abschiebungsverbot, so dass eine ernsthafte Gefahr anzunehmen ist (vgl. Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG, Rn. 34 ff.). Demnach besteht im Fall einer ernsthaften Konversion ein Abschiebungsverbot (vgl. in der Sache genauso HessVGH, U.v. 28.1.2009 – 6 A 1867/07.A – allerdings mit Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG; VG Stuttgart – U.v. 30.6.2008 – A 11 K 1623/08; VG Hamburg – U.v. 24.4.2008 – 10 A 291/07 – jeweils bezüglich § 60 Abs. 5 AufentG i.V.m. Art. 3 bzw. 9 EMRK – alle juris).
Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung besteht nach Überzeugung des Gerichts für den Kläger eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran, da der Kläger aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar den christlichen Glauben angenommen hat. Das Gericht ist weiterhin davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner persönlichen religiösen Prägung entsprechend seiner neu gewonnenen Glaubens- und Moralvorstellungen das unbedingte Bedürfnis hat, seinen Glauben auch in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen öffentlich auszuüben, und dass er ihn auch tatsächlich ausübt. Das Gerichtet erachtet weiter als glaubhaft, dass eine andauernde christliche Prägung des Klägers vorliegt und dass er auch bei einer Rückkehr in den Iran seinen christlichen Glauben leben will. Das Gericht hat nach der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass sich der Kläger bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nur vorgeschoben aus opportunistischen, asyltaktischen Gründen dem Christentum zugewandt hat. Die Würdigung der Angaben des Klägers zu seiner Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 sowie OVG NRW, B.v. 23.5.2019 – 6 A 1272/19 A – juris; B.v. 2.7.2018 – 13 A 122/18.A – juris; B.v. 28.6.2018 – 13 A 3261/17.A – juris; B.v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris; BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris; B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris; B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; B.v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – NVwZ-RR 2015, 677; OVG SH, B.v. 29.9.2017 – 2 LA 67/16 – juris; NdsOVG, B.v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – KuR 2014, 263; VGH BW, B.v. 19.2.2014 – A 3 S 2023/12 – NVwZ-RR 2014, 576), wobei keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind, zumal Glaubens- und Konversionsprozesse individuell sehr unterschiedlich verlaufen können und nicht zuletzt von der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seiner religiösen und kulturellen Prägung und seiner intellektuellen Disposition abhängen (Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6).
Das Gericht ist nach informatorischer Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der schriftlich vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass dieser ernsthaft vom Islam zum Christentum konvertiert ist. So legte der Kläger ein persönliches Bekenntnis zum Christentum ab. Der Kläger schilderte weiter nachvollziehbar und ohne Widersprüche glaubhaft seinen Weg vom Islam zum Christentum, Inhalte des christlichen Glaubens und seine christlichen Aktivitäten. Die Schilderungen des Klägers sind plausibel und in sich schlüssig. Der Kläger legte verschiedene Unterlagen vor. In diesen Unterlagen werden die Taufe des Klägers, seine Konversion zum Christentum sowie seine christlichen Aktivitäten bestätigt.
Der Kläger hat glaubhaft seinen Weg vom Islam zum Christentum dargetan. Der Kläger erklärte, er sei als Moslem geboren. Der Kläger schilderte letztlich ausführlich und – trotz der von der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung angeführten Ungereimtheiten betreffend seine Aussage zu seinen christlichen Aktivitäten im Iran – glaubhaft seinen Werdegang im Zusammenhang mit dem Christentum gerade, was die Zeit in Deutschland anbelangt. Dies wird auch bestätigt durch die mündliche und schriftliche Aussage aus seiner christlichen Gemeinde, selbst wenn aufgrund der länger zurückliegenden Zeitläufe kleinere Widersprüchlichkeiten zu Beginn seiner Aktivitäten auftauchten, die sein Beistand in der mündlichen Verhandlung aber damit plausibel erklärte, dass in der Vergangenheit die genauen Zeitpunkte, zu denen die Betroffenen zur Gemeinde gestoßen seien, nicht festgehalten worden seien. Der Kläger schilderte, wie er sich im Iran vom Islam abgewandt und den Islam gehasst habe, weil sein Vater seine Mutter alleine gelassen habe. Er habe im Iran auch nicht die Rituale eingehalten und nicht als Moslem gelebt. Der Kläger beschrieb weiter, wie er in Deutschland Kontakt zum Christentum erhalten und wie er seit 2015 verschiedene Kurse bei unterschiedlichen Personen und auch die Gottesdienste und weitere Veranstaltungen besucht habe. Er führte aus, dass sie zusammen in der Bibel gelesen und auch gebetet hätten. Auch heute besuche er die Gottesdienste. Der Kläger erklärte weiter, dass vor der Taufe spezielle Sitzungen und auch Gespräche stattgefunden hätten. Der Beistand bestätigte, dass bei ihnen in der christlichen Gemeinde zunächst eine sechsmonatige Wartezeit zu absolvieren sei. Es gebe keine politischen Taufen, sondern es sei ein Glaubensakt. Die Verantwortlichen bei ihnen würden alle mit dem betreffenden Taufanwärter sprechen. Sie würden sich dann zusammensetzen und erst, wenn sie der Überzeugung seien, könne die Taufe stattfinden. Der Kläger berief sich zudem auf eine CD von der Taufe und sowie entsprechende Fotos. Der Beistand bestätigte, dass der Kläger regelmäßig bei christlichen Terminen gekommen sei und auch andere abhole und zur Veranstaltung mitbringe und zwar über Jahre hinweg.
Besonders zu erwähnen ist in dem Zusammenhang, dass der Kläger seinen Glauben nicht nur öffentlich und nach außen hin lebt, sondern dass er sich auch für seinen Glauben engagiert. Der Kläger erklärte: Seine Frau sei noch keine Christin; sie sei aber auch keine richtige Muslimin. Er mache bei ihr Werbung für das Christentum und hoffe, dass es noch mit der Konversion klappe. Er mache auch bei anderen Leuten Werbung in Deutschland, wie bei einem Freund. Bei dem sei er letztlich noch nicht erfolgreich gewesen. Dieser habe um Zeit gebeten. Das Wort Gottes sage, dass man missionieren müsse. Über WhatsApp habe er auch Kontakt in seine Heimat und habe versucht seine Geschwister und weitere Personen dort zu missionieren. Seine Brüder und Schwestern wüssten, dass er getauft sei. Ebenso seine Mutter, die sich sehr gefreut und ihm gratuliert habe. Seine Geschwister seien nicht begeistert gewesen, sie seien sehr religiös eingestellt. Vor diesem Hintergrund wird der Eindruck bestätigt, dass der Kläger bei seiner Glaubensbetätigung auch nicht vor seiner Heimat Halt macht, was für eine nachhaltige und ehrliche Konversion sowie für eine entsprechende Glaubensbestätigung auch bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran spricht.
Der Kläger verdeutlichte in der mündlichen Verhandlung des Weiteren plausibel und glaubhaft seine Beweggründe für die Abkehr vom Islam und die Hinwendung zum Christentum. In dem Zusammenhang legte er – in seinen Worten und im Rahmen seiner Persönlichkeit und intellektuellen Disposition (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19; Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6) – auch zentrale Elemente des christlichen Glaubens als für sich wichtig dar. Gerade mit seinen Aussagen zur Stellung von Jesus Christus im Christentum sowie zur Erbsünde machte der Kläger zentrale Elemente des christlichen Glaubens und den fundamentalen Unterschied zwischen Islam und Christentum deutlich und zeigte, dass er dies verinnerlicht hat. Der Kläger erklärte: Er lehne den Islam ab. Beim Islam könne man drei bis vier Frauen haben. Im Christentum gebe es die Liebe. Im Islam sei es genau das Gegenteil, da gebe es Sklaverei. Im Christentum habe Gott sein einziges Kind auf die Erde geschickt, dass gekreuzigt worden sei – und das alles wegen der Sünden. Jesus Christus, der Vater und der Heilige Geist seien ein Gott. Jesus Christus sei der Sohn Gottes und über ihn könne man zum Vater gelangen. Der Heilige Geist sei in Maria gewesen, die Jesus Christus geboren habe. Man könne Jesus Christus und Mohammed nicht vergleichen. Man könne nicht jemanden Unschuldiges mit jemand Schuldigen vergleichen. Jesus sei Gott und kein Prophet wie Mohammed. Man werde mit Sünden geboren. Jesus Christus habe die Menschheit vor Sünden und Dunkelheit retten wollen. Die Menschen seien mit Sünden aufgewachsen. Jesus Christus sei auf die Erde gekommen um zu sagen, dass man das ewige Leben haben könne. Das sei im Islam nicht so.
Der Kläger offenbarte weiter konkrete wesentliche Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse, die seine Glaubensentscheidung und seinen Gewissensschritt zusätzlich belegen. Der Kläger benannte in dem Zusammenhang einzelne christliche Feiertage sowie christliche Gebote. Des Weiteren kannte der Kläger auch christliche Gebete, wie das „Vater unser“. Der Kläger bezog sich zudem auf die Bibel und auf einzelne Bibelstellen.
Der Kläger erklärte glaubhaft weiter, er könne sich nicht vorstellen, vom Christentum wieder zum Islam zurückzukehren. Er habe 35 bis 36 Jahre in der Dunkelheit gelebt. Er könne sich nicht vorstellen, dass er wieder in die Dunkelheit zurückgehe, anstatt im Licht zu bleiben. Auch wenn nach dem Koran eine schwere Strafe drohe, spiele es keine Rolle. Er lehne den Koran ab. Der Kläger gab weiter glaubhaft an, dass er sich nicht vorstellen könne, bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran seinen Glauben zu verheimlichen. Das Wort Gottes sage, dass man missionieren müsse. Auch auf die Gefahr hin, dass er verfolgt werde, müsse man das Wort Gottes und die Liebe Gottes verbreiten. Es stehe auch in der Bibel. Für letztgenannte Aussage des Klägers spricht auch sein oben geschildertes und missionierendes Verhalten in den Iran hinein.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das gesamte Verhalten des Klägers vor und nach seiner Einreise im Zusammenhang mit der Konversion zum Christentum sowie die von ihm vorgetragenen Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse über die christliche Religion – auch in Abgrenzung zum Islam – eine ehrliche Konversion glaubhaft machen und erwarten lassen, dass der Kläger bei einer angenommenen Rückkehr in seine Heimat seiner neu gewonnenen Religion entsprechend leben würde. Der Kläger hat lebensgeschichtlich nachvollziehbar seine Motive für die Abkehr vom Islam und seine Hinwendung zum christlichen Glauben dargestellt. Er hat seine Konversion anhand der von ihm gezeigten Glaubenskenntnisse über das Christentum und durch seine Glaubensbetätigung gerade auch in Bezug zur Öffentlichkeit nachhaltig und glaubhaft vorgebracht. Der Eindruck einer ernsthaften Konversion wird dadurch verstärkt, dass der Kläger missionarische Aktivitäten entwickelt, indem er bei anderen für den christlichen Glauben wirbt. Weiter ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran seine Konversion ohne Not verheimlichen würde, da prognostisch von einer andauernden christlichen Prägung auszugehen ist. Abgesehen davon kann einem Gläubigen nicht als nachteilig entgegengehalten werden, wenn er aus Furcht vor Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichtet, sofern die verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung wie hier die religiöse Identität des Schutzsuchenden kennzeichnet. Ein so unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen und hindert nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 14.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67; Berlit, juris PR-BVerwG 22/2015, Anm. 6 und 11/2013, Anm. 1; Marx, Anmerkung, InfAuslR 2013, 308). Umgekehrt kann einem Gläubigen von den deutschen Behörden bzw. Gerichten nicht zugemutet werden, bei einer Rückkehr in den Iran von seiner religiösen Betätigung Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – ABl EU 2012, Nr. C 331 S. 5 – NVwZ 2012, 1612).
Der Kläger hat insgesamt durch sein Auftreten in der mündlichen Verhandlung und durch die Darlegung seiner Beweggründe nicht den Eindruck hinterlassen, dass er nur aus opportunistischen und asyltaktischen Gründen motiviert dem christlichen Glauben nähergetreten ist, sondern aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung und aus einer tiefen Überzeugung heraus den religiösen Einstellungswandel vollzogen hat. Dieser Eindruck erhärtet sich durch das schriftliche Vorbringen sowie die vorgelegten Unterlagen.
Dazu tragen auch die Ausführungen seines Beistandes aus der christlichen Gemeinde in der mündlichen Verhandlung bei. Der Beistand erklärte: Er könne sich nicht vorstellen, dass der Kläger wieder vom Christentum abfallen würde. Sie hätten regelmäßig Kontakt und, wenn der Kläger einmal nicht kommen könne, melde er sich regelmäßig über WhatsApp ab. Sie sprächen regelmäßig miteinander. Er habe persönlich keine Zweifel, dass der Kläger ehrlich Christ geworden sei. Der Kläger habe auch abgelehnt, etwas Krummes zu tun, damit er im besseren Licht dastehe. Er habe beim Kläger eine Änderung festgestellt, gerade im Umgang mit Frauen. Der Kläger habe sich versöhnlich verhalten.
Nach alledem war die Beklagte unter Aufhebung der Nummer 2 des streitgegenständlichen Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 und 9 EMRK besteht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG und folgt dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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