Verwaltungsrecht

Änderung der Hilfsmittelbekanntmachung für die Rechtspflegerprüfung

Aktenzeichen  7 ZB 19.1477

Datum:
29.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16936
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 6 Abs. 4
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, § 152 Abs. 1, § 154 Abs. 2
LLbG Art. 26 Abs. 1 S. 2
ZAPO-J § 43 Abs. 1
APO § 33 Abs. 1 Nr. 1
UrlMV § 19 Abs. 1 S. 1
BayBG Art. 99 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
MuSchG §§ 3 f., § 16
GKG § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Richtigkeit eines Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bedeutet Ergebnisrichtigkeit. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der den Erfolg des Zulassungsantrags ausschließende Grund ohne weiteres auf der Hand liegt und der Rechtsmittelführer vor Ergehen der Entscheidung über den Zulassungsantrag Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Prüfungsbehörde kann die Hilfsmittelbekanntmachung (vgl. § 33 Abs. 4 Satz 1 ZAPO-J) jederzeit, auch mit dem Ziel einer Verschärfung der zulässigen Kommentierungen, ändern. Vertrauensschutz genießt der Betroffene nur insoweit, als er grds. davon ausgehen darf, dass sich die sein Studierverhalten bestimmenden Prüfungsbedingungen nicht so sehr zu ihrem Nachteil ändern, dass er sich hierauf nicht mehr in zumutbarer Weise einstellen kann. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Staat ist nicht gehalten, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende Belastung auszugleichen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 K 18.527 2019-05-22 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
Die Klägerin ist seit September 2014 Rechtspflegeranwärterin und damit Beamtin auf Widerruf (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 LLbG). Sie hätte ab 19. Juni 2018 an der schriftlichen und mündlichen Rechtspflegerprüfung teilnehmen sollen. Bereits am 8. Dezember 2017 teilte sie ihrem Dienstherrn unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung mit, dass sie schwanger sei. Der Geburtstermin des Kindes sei für den 15. Juni 2018 errechnet. Mit Schreiben vom 18. April 2018 beantragte sie einen Nachholtermin für die Ablegung der Rechtspflegerprüfung 2018, der nach dem Ablauf der für sie geltenden Mutterschutzfristen jedoch vor dem regulären Prüfungstermin 2019 liegen sollte. Ferner beantragte sie „in jedem Fall“ die Zugrundelegung der Prüfungsbedingungen des Prüfungsjahrgangs 2018. Sie begründete diese Anträge u.a. damit, dass ihr eine Prüfungsteilnahme im Juni 2018 nicht zuzumuten sei. Eine Teilnahme erst am regulären Prüfungstermin 2019 würde sie benachteiligen, da dann die Änderungen der Hilfsmittelbekanntmachung für die Rechtspflegerprüfung vom 11. Mai 2016 vollständig gelten würden. Damit unterläge sie dann strengeren Prüfungsbedingungen. Am 20. April 2018 wurde die Klägerin zur Prüfung zugelassen. Mit Bescheid vom 7. Mai 2018 entschied der Beklagte, dass die Klägerin aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen nicht am schriftlichen Teil der Rechtspflegerprüfung 2018 teilnehmen könne. Die Prüfung gelte für sie als nicht abgelegt (§ 43 Abs. 1 ZAPO-J, § 33 Abs. 1 Nr. 1 APO). Sie werde in den nächsten Prüfungsjahrgang aufgenommen. Ein Einzeltermin zur Prüfung sei nicht möglich. Für die Nachholung der Prüfung im Termin 2019 seien die zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften maßgeblich, insbesondere die Hilfsmittelbekanntmachung für die Rechtspflegerprüfung in der Fassung der Änderungsbekanntmachung vom 11. Mai 2016 (JMBl, S. 26). Mit ihrer zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhobenen Klage begehrt die Klägerin zum einen die Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 17. Mai 2018. Ferner begehrt sie zu den für den Prüfungstermin 2018 geltenden Bedingungen insbesondere unter Zugrundelegung der Hilfsmittelbekanntmachung für die Rechtspflegerprüfung vom 8. Juli 1997, zuletzt geändert durch die Änderungsbekanntmachung vom 3. April 2007, zu einem allgemeinen Prüfungstermin zugelassen zu werden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2019 insgesamt abgewiesen.
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
Richtigkeit eines Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ergebnisrichtigkeit. Diese ist grundsätzlich nicht nach den Entscheidungsgründen zu beurteilen. Deshalb reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 12). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der den Erfolg des Zulassungsantrags ausschließende Grund ohne weiteres auf der Hand liegt und die Klägerin vor Ergehen der Entscheidung über den Zulassungsantrag Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2019 – 8 ZB 18.547 – juris Rn. 20 m.w.N.).
Durch das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren wird die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften. Auf den Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Mai 2020 hat die Klägerin keine weiteren Gesichtspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Entscheidungsrichtigkeit des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils begründen.
a) Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 7. Mai 2018 zulässigerweise in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufgenommen hat, setzt sich die Klägerin mit diesen ausführlichen Ausführungen nicht substantiiert auseinander, sondern wiederholt im Zulassungsverfahren im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Damit genügt sie den ihr nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO obliegenden Darlegungspflichten nicht.
b) Ungeachtet dessen erweist sich die Abweisung der Klage im Ergebnis als richtig, da sie, soweit sie sich als Anfechtungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) isoliert gegen die Entscheidung des Beklagten in Nr. 1 des Bescheids vom 7. Mai 2018 richtet, die Klägerin in den nächsten Ausbildungsjahrgang zu übernehmen, unzulässig ist.
Bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (22.5.2019) bestand insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Die Klägerin konnte schon damals durch die Aufhebung der Entscheidung des Beklagten, sie in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufzunehmen, keine Verbesserung ihrer Rechtsstellung mehr erreichen. Denn der ihrem ursprünglichen Ausbildungsjahrgang (2014) zugeordnete Prüfungstermin (Juni 2018) war zu diesem Zeitpunkt bereits beendet. Eine Aufhebung der Entscheidung, sie in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufzunehmen, hätte der Klägerin auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts keinen Nutzen (mehr) gebracht. Sie hätte die Prüfung im Jahr 2018 nicht mehr ablegen können.
Im Übrigen ist die Klage unstatthaft geworden, da sich der angegriffene Verwaltungsakt zwischenzeitlich erledigt hat. Mit Nr. 1 des angefochtenen Bescheids nahm der Beklagte die Klägerin nach § 43 Abs. 1 der Zulassungs-, Ausbildungs-, und Prüfungsordnung für den Justizwachtmeister-, Justizfachwirte-, Gerichtsvollzieher- und Rechtspflegerdienst (ZAPO-J) i.V.m. § 33 Abs. 5, Abs. 1 Nr. 1 der Allgemeine Prüfungsordnung (APO) in den nächsten Ausbildungsjahrgang auf, nachdem diese ihn darüber informiert hatte, dass sie schwanger sei und der errechnete Geburtstermin (15.6.2018) in enger zeitlicher Koinzidenz mit dem Beginn der schriftlichen Prüfungen der Rechtspflegerprüfung im Jahr 2018 (19.6.2018) liege, an der sie nach ihrem damaligen Ausbildungsstand hätte teilnehmen müssen. Unabhängig von der Frage, ob diese Entscheidung des Beklagten zum damaligen Zeitpunkt richtig war und auf welche Rechtsgrundlage sie zu stützen gewesen wäre, hat sich ihre Regelungswirkung jedenfalls nunmehr erledigt. Die Anfechtungsklage ist damit auch nicht (mehr) statthaft.
Ein Verwaltungsakt erledigt sich gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG u.a. dann, wenn die beschwerende Regelung weggefallen ist. Im vorliegenden Fall ist Erledigung von Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids nach Auffassung des Senats dadurch eingetreten, dass die Klägerin zunächst die gesetzlichen Mutterschutzfristen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UrlMV, § 3 MuSchG) und danach Elternzeit (§ 23 Abs. 1 UrlMV, § 15 BEEG) in Anspruch genommen hat. Durch den so eingetretenen Zeitablauf konnte sie auch die Prüfung, die von den Nachwuchskräften des nachfolgenden Ausbildungsjahrgangs (Einstellungstermin September 2015) im Jahr 2019 abzulegen war, nicht ablegen. Sie gehört damit mit Ablauf des Prüfungsturnus 2019 auch diesem Ausbildungsjahrgang nicht mehr an. Der Regelungsgehalt der Aufnahme in den nächsten Ausbildungsjahrgang hat sich also spätestens in dem Zeitpunkt erledigt, in dem der Prüfungstermin für diesen „nächsten“ Ausbildungsjahrgang (Einstellungstermin September 2015/Rechtspflegerprüfung Juni 2019) beendet war. Spätestens seit Ende Juni 2019 ist die erhobene Anfechtungsklage somit wegen fehlender Statthaftigkeit unzulässig. Hierauf wurde die Klägerin mit Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Mai 2020 hingewiesen.
c) Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht, soweit das Verwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Zulassung zu einem allgemeinen Prüfungstermin zu den für den Prüfungstermin 2018 geltenden Prüfungsbedingungen, insbesondere unter Zugrundelegung der Hilfsmittelbekanntmachung für die Rechtspflegerprüfung vom 8. Juli 1997, zuletzt geändert durch Änderungsbekanntmachung vom 3. April 2007, abgelehnt hat. Im Rahmen der Begründung ihres Zulassungsantrags setzt sich die Klägerin mit der diesbezüglichen Argumentation des Verwaltungsgerichts überhaupt nicht auseinander. Sie genügt daher auch insoweit den ihr nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO obliegenden Darlegungspflichten nicht.
Davon unabhängig hat sie – sofern sie nach Beendigung ihrer Elternzeit ihren Dienst wieder antritt – zwar unbestritten einen Anspruch darauf, zur nächsten regulären Rechtspflegerprüfung geladen zu werden. Jedoch bezieht sich dieser Anspruch nicht darauf, dass ihrer Prüfung die im Jahr 2018 gültige Fassung der Hilfsmittelbekanntmachung (2007) für die Rechtspflegerprüfung zu Grunde zu legen ist. Es existiert keine Anspruchsgrundlage, auf die sie dieses Begehren stützen kann. Darüber hinaus genießt sie auch mit Blick auf den Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) keinen Vertrauensschutz dahingehend, ihre Rechtspflegerprüfung unter Geltung der zu Beginn ihres Studiums geltenden Hilfsmittelbekanntmachung (2007) zu beenden.
aa) Gemäß § 33 Abs. 4 Satz 1 ZAPO-J dürfen die Prüflinge in der Prüfung nur die vom Prüfungsausschuss zugelassenen Hilfsmittel benutzen (§ 29 Abs. 1 ZAPO-J, § 13 Abs. 2 Nr. 1 APO). Diese ergeben sich aus der Hilfsmittelbekanntmachung für die Rechtspflegerprüfung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz – Landesjustizprüfungsamt – vom 8. Juli 1997 (JMBl S. 90; zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 11.5.2016 – JMBl S. 26). Die Hilfsmittelbekanntmachung für die Rechtspflegerprüfung stellt eine Verwaltungsvorschrift dar, die regelt, welche Hilfsmittel in der Prüfung benutzt und in welcher Weise in diese Eintragungen vorgenommen werden dürfen. Sie wurde zuletzt mit Änderungsbekanntmachung vom 11. Mai 2016 geändert.
Die Änderungsbekanntmachung vom 11. Mai 2016 modifiziert in Nr. 1.4 insbesondere die Zulässigkeit von Eintragungen in die zugelassenen Hilfsmittel. Im Vergleich zu früheren Fassungen sind nunmehr nur deutlich reduzierte Eintragungen zulässig. Nach Nr. 2 Satz 2 der Änderungsbekanntmachung traten die Änderungen in Nr. 1.4 erst am 1. September 2018 in Kraft. Nr. 1.4 galt ausdrücklich erstmals für die Rechtspflegerprüfung 2019.
Dass diese Änderung der Hilfsmittelbekanntmachung in formeller Hinsicht ordnungsgemäß erfolgte, wurde nicht in Zweifel gezogen.
Bei Nr. 1.4 der Änderungsbekanntmachung handelt es sich um eine auch materiellrechtlich zulässige Änderung der Prüfungsbedingungen. Der Beklagte konnte die Hilfsmittelbekanntmachung jederzeit, auch mit dem Ziel einer Verschärfung der zulässigen Kommentierungen, ändern. Vertrauensschutz genießt die Klägerin nur insoweit, als sie grundsätzlich davon ausgehen darf, dass sich die ihr Studierverhalten bestimmenden Prüfungsbedingungen nicht so sehr zu ihrem Nachteil ändern, dass sie sich hierauf nicht mehr in zumutbarer Weise einstellen kann. Dies bedingt umgekehrt, dass die Prüfungsbehörde übermäßige und unzumutbare Belastungen durch Übergangsregelungen zu vermeiden hat (NdsOVG, B.v. 24.5.2019 – 2 ME 360/19 – juris Rn. 28). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 6.12.1988 – 1 BvL 5/85, 1 BvL 6/85 – juris Rn. 21) sind auch bei prüfungsrechtlichen Übergangsregelungen Stichtage als gesetzestechnisches Instrumentarium nicht ausgeschlossen. Die Wahl des Stichtags muss sich am gegebenen Sachverhalt orientieren und die Interessenlage der Betroffenen ist angemessen zu erfassen.
Dass diese Grenzen hier überschritten wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Denn durch die lange Übergangsregelung bis zum Prüfungstermin 2019 (3 Jahre bzw. 3 Prüfungstermine) wurden übermäßige oder unzumutbare Benachteiligungen der Prüflinge vermieden. Die erschwerende Regelung vom 11. Mai 2016 entfaltete ihre Wirkung erst zum Prüfungstermin 2019 und gab damit auch den Prüflingen, die sich bei ihrem In-Kraft-Treten bereits im Studium befanden, ausreichend Gelegenheit, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen. Damit sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Vertrauensschutz hinreichend erfüllt (vgl. Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 82). Nr. 2 Satz 2 Halbs. 2 der Änderungsbekanntmachung vom 11. Mai 2016 nimmt ausdrücklich Bezug auf den Prüfungstermin 2019 und stellt gerade nicht – wie z.B. § 56 Abs. 4 ZAPO-J – auf den jeweiligen Einstellungstermin der Prüflinge ab. Die Neuregelung gilt damit für alle Prüfungsteilnehmer ab der Rechtspflegerprüfung 2019 unabhängig von ihrem Einstellungstermin bzw. unabhängig davon, welchem Ausbildungsjahrgang sie zugeordnet sind. Dies ist nicht zu beanstanden.
Der Umstand, dass die Klägerin zwar davon ausgegangen ist, nach ihrem Ausbildungsstand die Prüfung im Jahr 2018 noch unter Geltung der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen alten Hilfsmittelbekanntmachung (2017) ablegen zu können und durch den errechneten Entbindungstermin und die daran anschließenden Zeiten von Mutterschutz und Elternzeit nunmehr daran gehindert ist, erfordert keinen weiterreichenden Vertrauensschutz, auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Mutterschutzes. Nach Art. 6 Abs. 4 GG hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Der Schutz der Mutter und die ihr zuzuwendende Fürsorge verpflichtet den Gesetzgeber zunächst, insbesondere wirtschaftliche Belastungen der Mutter, die im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft, Niederkunft und Stillzeit stehen, auszugleichen. Im Fokus steht dabei insbesondere der arbeitsrechtliche Schutz von Müttern. Allgemein verfolgt der gesetzliche Mutterschutz das Ziel, den Widerstreit zwischen den Aufgaben der Frau als Mutter und ihrer Stellung im Berufsleben als Erwerbstätige im Interesse der Gesunderhaltung von Mutter und Kind auszugleichen. Die hierfür getroffenen Regelungen des Mutterschutzgesetzes finden auch auf Beamtinnen entsprechende Anwendung (Art. 99 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBG, § 19 Abs. 1 Satz 1 UrlMV, §§ 3 bis 16 MuSchG). Allerdings ist der Staat nicht gehalten, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende Belastung auszugleichen (Badura in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand Oktober 2019, Art. 6 Rn. 152, 159). Der Anspruch auf Mutterschutz ist nicht als Schutz vor Nachteilen in allen Lebensbereichen zu verstehen. Auch vor diesem Hintergrund ist der Klägerin kein über die in der Änderungsbekanntmachung vom 11. Mai 2016 getroffene Stichtagsregelung hinausgehender Vertrauensschutz zuzubilligen. Für die Zeiten, in denen sie Elternzeit in Anspruch genommen hat, kann nichts anderes gelten. Die Klägerin hat ausreichend Zeit, sich darauf einzustellen, dass bei Ablegung ihrer Rechtspflegerprüfung die Bestimmungen der aktuellen Hilfsmittelbekanntmachung gelten werden.
bb) Da die Klägerin dies im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht mehr beantragt hat, weist der Verwaltungsgerichtshof lediglich ergänzend darauf hin, dass die Klägerin zwar einen Anspruch darauf hat, während der sich aus dem Mutterschutzgesetz ergebenden Beschäftigungsverbote nicht gegen ihren Willen an einer Abschlussprüfung teilnehmen zu müssen. Ein weitergehender Anspruch darauf, dass ihr eingeräumt wird, abweichend vom sonst üblichen Prüfungsturnus ihre Prüfung ablegen zu können, kann jedoch weder aus den Regelungen der Zulassungs-, Ausbildungs-, und Prüfungsordnung für den Justizwachtmeister-, Justizfachwirte-, Gerichtsvollzieher- und Rechtspflegerdienst, der Allgemeinen Prüfungsordnung noch aus den Vorschriften über den Mutterschutz (§ 19 UrlMV, § 9 Abs. 1 Satz 4 MuSchG) abgeleitet werden. Zwar ist richtig, dass die Klägerin aufgrund ihrer Mutterschaft gezwungen ist, ihr Prüfungswissen bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie zur Prüfung antreten wird, aufrecht zu erhalten. Dies unterscheidet sich jedoch nicht von vergleichbaren Konstellationen, in denen ein Prüfungsteilnehmer z.B. wegen Krankheit nicht an der Prüfung teilnehmen kann oder eine Prüfung wegen Nichtbestehens wiederholt werden muss. Auch in diesen Fällen sind die Prüflinge auf den nächsten Prüfungstermin verwiesen. Eine Verpflichtung des Beklagten, eine (werdende) Mutter im Prüfungsablauf zu privilegieren, besteht nicht.
2. Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin ihren Darlegungspflichten aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO im gebotenen Maß nachkommt, weist die Rechtssache vorliegend keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt, das Ergebnis also offen ist. Die betreffende rechtliche Frage darf sich nicht ohne weiteres aus dem Gesetz lösen lassen. Besondere tatsächliche Schwierigkeiten entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder schwierig zu ermittelnden Sachverhalt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei immer deren Qualität nicht allein deren Quantität (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2020 – 7 ZB 19.1308 – juris Rn. 18; B.v. 5.11.2019 – 7 ZB 18.1380 – juris Rn. 11; vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 33).
Aufgrund der obigen Ausführungen vermag der Senat keine derartigen Schwierigkeiten zu erkennen, insbesondere ist der Sachverhalt geklärt und übersichtlich. Das Zulassungsvorbringen gibt keinen Anlass zu Zweifeln, die sich nicht schon ohne weiteres im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden ließen. Auf die von der Klägerin vorliegend aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es wegen der eingetretenen Erledigung des Verwaltungsakts (vgl. 1.) nicht mehr an. Im Übrigen weisen diese – unabhängig davon, ob der ausdrücklich zu § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergangene Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 19. Juni 2020 überhaupt zu berücksichtigen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), da es sich zumindest teilweise nicht lediglich um eine Vertiefung einer im Rahmen der Berufungsinstanz bereits vorgetragenen Begründung handelt – keine besondere rechtliche Schwierigkeit auf. Dies gilt insbesondere für den Einwand, die Klägerin habe nicht erklärt, an der Prüfungsteilnahme verhindert zu sein. Sie sei nicht zur Prüfung geladen worden und habe daher nicht selbst über eine Prüfungsteilnahme entscheiden können. Die Klägerin selbst hatte in ihrem Schreiben vom 18. April 2018 ausdrücklich „einen Nachholtermin“ beantragt und ausführlich begründet, warum ihr eine Prüfungsteilnahme im Zeitpunkt innerhalb der Mutterschutzfristen nicht zuzumuten sei. Sie hat im weiteren zeitlichen Fortgang – auch nach Erhalt der Zulassung zur Prüfung vom 20. April 2018 – gegenüber dem Beklagten nicht zum Ausdruck gebracht, doch an der Prüfung 2018 teilnehmen zu wollen. Die Zulassung der Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten scheidet daher ebenfalls aus.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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