Verwaltungsrecht

Änderung der sachlichen Zuständigkeit für Verwaltungsstreitverfahren in Bezug auf Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamthöhe von mindestens 50 m, Verweisung an den Verwaltungsgerichtshof, perpetuatio fori, Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, Garantie des gesetzlichen Richters, fehlende Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses, Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestimmung der Zuständigkeit

Aktenzeichen  22 A 21.40004

Datum:
20.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9497
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
VwGO § 45, § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3a, § 53 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 S. 1, § 83
GVG § 17, § 17a

 

Leitsatz

§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO ist nicht auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung bereits anhängige Verwaltungsstreitverfahren anzuwenden. Hier: Keine Bindungswirkung der Verweisung eines derartigen Verfahrens an den Verwaltungsgerichtshof; Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestimmung der Zuständigkeit.

Tenor

I. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist sachlich unzuständig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht wird zur Bestimmung der Zuständigkeit angerufen.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich mit der verfahrensgegenständlichen Klage gegen eine der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts D. vom 24. März 2016 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine inzwischen errichtete und in Betrieb genommene Windenergieanlage (WEA).
Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen hatte im Jahr 2013 zunächst einen Genehmigungsantrag für drei WEA gestellt, der vom Landratsamt abgelehnt wurde. Auf die darauf erhobene Klage hin verpflichtete das Verwaltungsgericht München das Landratsamt, über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (U.v. 22.9.2015 – M 1 K 15.1326). Mit Schreiben vom 9. März 2016 beschränkte die Vorhabenträgerin ihren Antrag auf eine der zunächst geplanten drei WEA, die das Landratsamt mit Bescheid vom 24. März 2016 genehmigte. Die dagegen erhobene Anfechtungsklage des Klägers wies das Verwaltungsgericht München als unzulässig ab (U.v. 11.4.2017 – M 19 K 16.1912). Mit Beschluss vom 1. August 2018 – 22 BV 17.1059 – hob der Verwaltungsgerichtshof das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Verwaltungsgericht, wo er seither anhängig ist (zunächst M 19 K 18.4542, dann M 28 K 18.4542).
Nachdem das Landratsamt mit Bescheid vom 19. Juni 2018 die sofortige Vollziehung der Genehmigung vom 24. März 2016 angeordnet und das Verwaltungsgericht einen Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die Genehmigung mit Beschluss vom 18. Oktober 2018 – M 19 SN 18.4480 – abgelehnt hatte, stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. März 2019 – 22 CS 18.2310 – die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Klägers gegen die Genehmigung wieder her. Einen darauffolgenden Antrag der Beigeladenen, die sofortige Vollziehung der Genehmigung vollständig wiederherzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht ab (B.v. 15.7.2019 – M 28 S7 19.2522); die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beigeladenen führte zur Wiederherstellung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung insoweit, als der genehmigungskonforme Betrieb der WEA unter bestimmten Maßgaben erlaubt wurde (BayVGH, B.v. 24.10.2019 – 22 CS 19.1485). Ein Antrag der Beigeladenen, die sofortige Vollziehung der Genehmigung über den bisher erlaubten Betrieb hinaus wiederherzustellen, wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. April 2020 – M 28 S7 20.600 – abgelehnt. Auf die dagegen erhobene Beschwerde hin stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. Juni 2020 – 22 CS 20.841 – die sofortige Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids wieder her.
Mit Beschluss vom 18. Februar 2021 verwies das Verwaltungsgericht München das Verfahren M 28 K 18.4542 an den Verwaltungsgerichtshof, der nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen vom 3. Dezember 2020 (BGBl I S. 2694) für die Entscheidung zuständig sei. Einer sachlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs für die vor Inkrafttreten des genannten Gesetzes rechtshängig gewordene Klage stehe zwar die Regelung des § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG (perpetuatio fori) entgegen, die auch Rechtsänderungen erfasse. Nach dem Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts sei jedoch anerkannt, dass Prozesshandlungen der Parteien und Handlungen des Gerichts nach Inkrafttreten neuen Rechts nach dessen Maßgabe auszuführen seien. Vorliegend sei in teleologischer Reduktion des § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG von einer Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO auch auf bereits rechtshängige Verfahren auszugehen. Die perpetuatio fori erfülle ihren Zweck, eine unrationelle Tätigkeit der Gerichte und die Verzögerung von Verfahren zu vermeiden, vor allem dann, wenn der für den Rechtsstreit bislang konkret zuständige Spruchkörper das Verfahren bereits wesentlich gefördert habe, was hier nicht der Fall sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe zudem mit seinem letzten Eilbeschluss vom 2. Juni 2020 in Bezug auf die streitgegenständliche WEA einen für den Ausgang des Klageverfahrens inhaltlich bedeutenden Akzent gesetzt. Art. 1 Nr. 1 a) aa) des Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen sei von der Intention getragen, durch den Verzicht auf die bisherige erste verwaltungsgerichtliche Tatsacheninstanz eine dringend notwendige Beschleunigung von Genehmigungs- und Gerichtsverfahren zu erzielen. Soweit die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren eine Übergangsvorschrift für anhängige Verfahren unter Verweis auf § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht für erforderlich gehalten habe, vermöge dies angesichts der nicht beschlossenen Übergangsregelung den im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers zur Beschleunigung nicht zu schmälern. Zudem spreche die gesetzliche Veränderung der Verfahrenspositionen der an Klageverfahren im Zusammenhang mit Windenergieanlagen Beteiligten für eine Anwendung des Grundsatzes des intertemporalen Prozessrechts in der vorliegenden Konstellation. Mit § 63 BImSchG n.F. habe der Gesetzgeber den Betreibern von Windenergieanlagen eine gewichtige verfahrensrechtliche Position zugebilligt, die sich dem Gehalt einer materiell-rechtlichen Gewährleistung annähere. Schließlich diene die vorgenommene Auslegung auch dem Bemühen um die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes der Beteiligten stehe nicht entgegen, da diese grundsätzlich mit einer Änderung des Prozessrechts in einem anhängigen Verfahren rechnen müssten. Eine schutzwürdige verfahrensrechtliche Position, die einer materiell-rechtlichen Gewährleistung vergleichbar sei, sei hier nicht ersichtlich, auch nicht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Mit Schreiben vom 8. März und 24. März 2021 gab der Verwaltungsgerichtshof den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu der Frage, ob es dem Beschluss des Verwaltungsgerichts entgegen § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG an der Bindungswirkung fehlen könnte. In diesem Fall komme eine Rückverweisung an das Verwaltungsgericht München oder eine Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestimmung der Zuständigkeit in Betracht. Der Beklagte und die Beigeladene teilten mit, dass nach ihrer Auffassung das Verwaltungsgericht München auch nach der Rechtsänderung weiter zur Entscheidung über den Rechtsstreit zuständig gewesen wäre. Der Kläger erhob keine Bedenken gegen eine Rückverweisung an das Verwaltungsgericht München oder eine Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts; der Beklagte sprach sich für Letzteres aus. Die Beigeladene hält nunmehr eine Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof für wünschenswert, um eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Eine Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für die Entscheidung über das streitgegenständliche Verfahren folgt nicht aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO (1.). Der Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht durch den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Februar 2021 zur Entscheidung über den Rechtsstreit zuständig geworden, weil der Beschluss ausnahmsweise keine Bindungswirkung entfaltet (2.). Es wird daher gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1 VwGO das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung der Zuständigkeit angerufen (3.).
1. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof (§ 184 VwGO) im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m betreffen. Die Regelung wurde mit Art. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen vom 3. Dezember 2020 (BGBl I S. 2694) in die VwGO eingefügt; sie trat nach Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes am 10. Dezember 2020 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt war das streitgegenständliche Verfahren bereits beim Verwaltungsgericht anhängig, das jedenfalls bis dahin nach § 45 VwGO zur Entscheidung sachlich zuständig war, da zuvor eine entsprechende Regelung in § 48 VwGO fehlte.
Die sachliche Zuständigkeit ist nicht mit Inkrafttreten der Neuregelung auf den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof übergegangen.
1.1 Gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG wird die sachliche Zuständigkeit des Gerichts durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt (sog. perpetuatio fori). Die Regelung des § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG wirkt insoweit zuständigkeitserhaltend, wenn eine Klage beim zuständigen Gericht erhoben wurde und sich nachträglich die zuständigkeitsbegründenden Umstände ändern. Änderungen in diesem Sinne können nicht nur tatsächlicher, sondern auch rechtlicher Art, insbesondere durch eine Gesetzesänderung veranlasst sein (BVerwG, B.v. 12.10.1989 – 6 C 38.88 – juris Rn. 18; BGH, B.v. 12.3.1991 – KZR 26.89 – juris Rn. 17; B.v. 11.12.2001 – KZB 12.01 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 3.1.2005 – 12 CE 04.2989 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 6.12.2018 – 8 D 62/18.AK – juris Rn. 70; NdsOVG, B.v. 28.1.2021 – 12 MS 6.21 – juris Rn. 7; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17 GVG Rn. 20; Ehlers in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 17 GVG Rn. 6; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 41/§§ 17-17b GVG Rn. 9; a.A. ohne Auseinandersetzung mit § 17 GVG BGH, B.v. 14.3.2000 – KZB 34.99 – juris Rn. 6).
Die Zuständigkeit des ursprünglich zuständigen Gerichts entfällt allerdings im Fall einer vom Grundsatz der perpetuatio fori abweichenden gesetzlichen Regelung (BVerwG, B.v. 12.10.1989 – 6 C 38.88 – juris Rn. 18; s.a. BayVGH, B.v. 3.1.2005 – 12 CE 04.2989 – juris Rn. 9; NdsOVG, B.v. 28.1.2021 – 12 MS 6.21 – juris Rn. 7; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17 GVG Rn. 20; Ehlers in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 17 GVG Rn. 6; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 41/§§ 17-17b GVG Rn. 9). An einer dementsprechenden Vorschrift fehlt es hier (so auch das Verwaltungsgericht, BA Rn. 10).
1.2 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (BA Rn. 13) ist § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht im Wege einer teleologischen Reduktion einschränkend dahin auszulegen, dass § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO auch auf bereits rechtshängige Verfahren anzuwenden sei.
1.2.1 Der vom Verwaltungsgericht angeführte Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts gebietet eine teleologische Reduktion des § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG vorliegend nicht.
Nach dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts erfasst eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten, es sei denn, die weitere Rechtsanwendung ist mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht vereinbar (BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90 u.a. – BVerfGE 87, 48/64 = juris Rn. 43 m.w.N.; BVerfG (Kammer), B.v. 17.3.2005 – 1 BvR 308/05 – juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 21.1.2016 – 4 A 5.14 – juris Rn. 46; BayVGH, B.v. 30.10.2019 – 8 ZB 18.1444 – juris Rn. 22).
1.2.1.1 Aus Sicht des Senats kann der ungeschriebene Rechtsgrundsatz des intertemporalen Prozessrechts hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit eines Gerichts nicht zur Anwendung kommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), dass die sachliche, örtliche und instanzielle Zuständigkeit der Gerichte durch förmliches Parlamentsgesetz bestimmt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.4.1997 – 1 PBvU 1/95 – BVerfGE 95, 322/328 = juris Rn. 27; s. im Einzelnen dazu unten 2.1.1). In Bezug auf den vorliegenden Fall ist diese Regelung in § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG enthalten. Die Anwendung eines ungeschriebenen Rechtsgrundsatzes erscheint hier daher nicht nur als nicht erforderlich, sondern liefe auch dem Grundsatz des gesetzlichen Richters zuwider.
Dem entspricht es, dass der Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, soweit ersichtlich, von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts bisher nicht auf Zuständigkeits-, sondern lediglich in Bezug auf Verfahrensregelungen angewandt wurde (vgl. BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90 u.a. – BVerfGE 87, 48/62 ff. = juris Rn. 39 ff. zu § 10 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG in der Fassung des Gesetzes vom 9.7.1990 (BGBl I S. 1354) – Ausschluss der Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO; BVerfG (Kammer), B.v. 17.3.2005 – 1 BvR 308/05 – juris Rn. 15 zu § 552a ZPO in der Fassung des Gesetzes vom 24.8.2004 (BGBl I S. 2198) – Zurückweisung der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision durch einstimmigen Beschluss unter näher bestimmten Voraussetzungen; BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 CN 12.97 – juris Rn. 10 ff. zu § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der Fassung des Gesetzes vom 1.11.1996 (BGBl I S. 1626) – Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge; s.a. VGH BW, U.v. 18.10.2017 – 3 S 642.16 – juris Rn. 25 ff. zur Aufhebung des § 47 Abs. 2a VwGO durch Gesetz vom 29.5.2017 (BGBl I S. 1298); s. allerdings auch BayVGH, B.v. 30.10.2019 – 8 ZB 18.1444 – juris Rn. 22 zu § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 VwGO in der Fassung des Gesetzes vom 30.6.2017 (BGBl I S. 2193) – Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs für bestimmte Planfeststellungsverfahren, hier jedoch bei verändertem Streitgegenstand; s.a. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 90 Rn. 18).
1.2.1.2 Unabhängig davon kann der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach bei Anwendung des Grundsatzes des intertemporalen Prozessrechts im vorliegenden Fall die Zuständigkeit infolge der Einfügung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a in die VwGO auf den Verwaltungsgerichtshof überginge, nicht gefolgt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen Beteiligte zwar grundsätzlich mit einer Änderung des Prozessrechts in einem anhängigen Verfahren rechnen (BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90 u.a. – BVerfGE 87, 48/61 = juris Rn. 36), wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist (BA Rn. 27). Jedoch erfährt der Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts für anhängige Rechtsmittelverfahren eine einschränkende Konkretisierung, wonach beim Fehlen abweichender Bestimmungen eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln nicht zum Fortfall der Statthaftigkeit bereits eingelegter Rechtsmittel führt (vgl. BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90 u.a. – BVerfGE 87, 48/64 = juris Rn. 43 m.w.N.; BVerfG (Kammer), B.v. 17.3.2005 – 1 BvR 308/05 – juris Rn. 15). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Einschränkung mit Blick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) allgemein auf den Fall erstreckt, dass der Gesetzgeber auf eine bislang gegebene verfahrensrechtliche Lage einwirkt, in der sich der Bürger befindet (BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 CN 12.97 – juris Rn. 10 ff.; U.v. 21.1.2016 – 4 A 5.14 – juris Rn. 46; s. auch VGH BW, U.v. 18.10.2017 – 3 S 642.16 – juris Rn. 25). Danach tritt die Beschränkung eines Rechtsmittels bzw. der Verlust einer Verfahrensposition nur ein, wenn das die Änderung verfügende Gesetz selbst hinreichend deutlich diesen Verlust ausspricht (BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90 – BVerfGE 87, 48/65 = juris Rn. 46; BVerfG (Kammer), B.v. 17.3.2005 – 1 BvR 308/05 – juris Rn. 15). Der Gesetzgeber soll sich selbst Klarheit darüber verschaffen, ob und aus welchen Gründen er die mit der Beseitigung einer solchen Verfahrensposition verbundenen Folgen in Kauf nehmen will (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 CN 12.97 – juris Rn. 11, 13; VGH BW, U.v. 18.10.2017 – 3 S 642.16 – juris Rn. 25). Die Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass durch die Einlegung eines nach der jeweiligen Verfahrensordnung statthaften und zulässigen Rechtsmittels eine gewichtige verfahrensrechtliche Position begründet wird (vgl. BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90 – BVerfGE 87, 48/64 = juris Rn. 43; BVerfG (Kammer), B.v. 17.3.2005 – 1 BvR 308/05 – juris Rn. 15); Gleiches dürfte für die Erhebung einer erstinstanzlichen Klage gelten (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.1998 – 4 CN 12.97 – juris Rn. 13). Eine solche Position darf aus Gründen des Vertrauensschutzes nur durch gesetzliche Regelung entzogen werden.
Durch die Klageerhebung beim sachlich zuständigen Gericht wird grundsätzlich – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Regelung – ein Anspruch darauf begründet, dass dieses auch darüber entscheidet (vgl. zur Berechtigung und Verpflichtung des (zuständigen) Gerichts, den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Dadurch entsteht eine schützenswerte verfahrensrechtliche Position. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits die durch das Anhängigmachen der Klage am Verwaltungsgericht erworbene Verfahrensposition durch die Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung mit Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen vom 3. Dezember 2020 verloren haben sollten. Der Gesetzgeber hat keine Übergangsregelung getroffen, aus der sich dies mit hinreichender Klarheit ergäbe. Vielmehr würde den Beteiligten des Rechtsstreits durch eine Verlagerung der erstinstanzlichen Zuständigkeit vom Verwaltungsgericht auf den Verwaltungsgerichtshof eine Tatsacheninstanz genommen, was jedenfalls von Einfluss auf das Ergebnis des Rechtsstreits sein kann. Dabei ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (BA Rn. 27) auch nicht maßgeblich, wie sich die Parteien zu der beabsichtigten Verweisung an den Verwaltungsgerichtshof geäußert haben. Dies folgt schon daraus, dass die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Parteidisposition entzogen ist, so dass sie weder durch Parteivereinbarung noch durch rüge-lose Einlassung begründet oder geändert werden kann (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 45 Rn. 3; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 45 Rn. 10 f.; Bier/Schenk in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 45 Rn. 7; s. auch unten 2.5).
1.2.2 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht insoweit teleologisch reduziert werden, als die Norm nur anwendbar wäre, wenn der für den Rechtsstreit bislang konkret zuständige Spruchkörper des Verwaltungsgerichts das Verfahren etwa durch eine mündliche Verhandlung oder durch gerichtliche Zwischenentscheidungen bereits wesentlich gefördert und vorangetrieben hat oder der Verwaltungsgerichtshof sich bereits in anderen Entscheidungen inhaltlich mit der Sache befasst hat. Auch wenn es Zweck der perpetuatio fori ist, eine unrationelle Tätigkeit der Gerichte und die Verzögerung und Verteuerung von Verfahren für die Beteiligten zu vermeiden (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 41/§§ 17-17b GVG Rn. 8; Ehlers in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 17 GVG Rn. 4), worauf das Verwaltungsgericht hinweist (BA Rn. 14), sind für die Anwendung der Norm nach dem klaren gesetzlichen Wortlaut die konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bearbeitungsstand des bisher zuständigen Spruchkörpers, sowie die Frage, ob das übergeordnete Gericht bereits Entscheidungen zur streitgegenständlichen Anlage getroffen hat, nicht maßgeblich. Der entgegenstehenden Auslegung des Verwaltungsgerichts über den Wortlaut der Norm hinaus kann nicht gefolgt werden, da sie mit dem aus dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) folgenden Erfordernis der Vorausbestimmbarkeit des zuständigen Gerichts nach abstrakt-generellen Kriterien nicht zu vereinbaren ist (s. hierzu im Einzelnen unten 2.2).
1.2.3 Anders als das Verwaltungsgericht meint (BA Rn. 16 ff.), ergibt sich eine Einschränkung des Grundsatzes der perpetuatio fori hier auch nicht aus dem in der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen vom 3. Dezember 2020 niedergelegten Willen des Gesetzgebers.
Zwar hat der Gesetzgeber – hier die Bundesregierung als Initiatorin des Gesetzentwurfs – in der Begründung zu § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO ausgeführt, dass der Ausbau der Windenergie an Land u.a. deshalb zurückgegangen sei, weil oftmals Rechtsstreitigkeiten über Genehmigungen geführt würden, dass die Verkürzung des Instanzenzugs die Erwirkung einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung beschleunige und dies helfe, Ausbauziele für Windenergieanlagen zu erreichen, was von zentraler Bedeutung für die Energiewende sei (BT-Drs. 19/22139, S. 16).
Dass von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO auch bereits anhängige Verwaltungsstreitverfahren erfasst sein sollen, lässt sich aber den Gesetzgebungsmaterialien gerade nicht entnehmen. Die vorgenannte Begründung zu der Norm trifft zu dieser Frage keine Aussage. Der Bundesrat hatte zwar in seiner Stellungnahme die Einfügung einer Übergangsregelung vorgeschlagen, nach der für Streitigkeiten, die vor Inkrafttreten des Gesetzes rechtshängig geworden sind, § 48 Abs. 1 VwGO in der bisher geltenden Fassung weiter anzuwenden sei. Damit sollte ein Einklang mit der Wertung des § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 83 Satz 1 VwGO erreicht werden. Bliebe eine klarstellende Regelung aus, käme es aus Sicht des Bundesrats zu einem Rechtsunsicherheit erzeugenden Konflikt zweier Rechtsgrundsätze, nämlich des Grundsatzes des intertemporalen Prozessrechts, wonach Änderungen des Prozessrechts grundsätzlich auch laufende Verfahren erfassten, sowie des Grundsatzes der perpetuatio fori nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG. Es sei höchstrichterlich nicht geklärt, ob hierzu auch Änderungen der erstinstanzlichen Zuständigkeit zählten, zumal für diese § 17 GVG nur analog anwendbar sei (BT-Drs. 19/22778 S. 15 f.). Die Bundesregierung lehnte in ihrer Gegenäußerung die vorgeschlagene Übergangsregelung ab, weil die instanzielle Zuständigkeit eines bereits mit einer rechtshängigen Sache befassten Gerichts gemäß § 83 Satz 1 VwGO, § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände, worunter auch eine Gesetzesänderung falle, nicht geändert werde (BT-Drs. 19/22778 S. 23).
Ungeachtet dessen, dass es sich bei der Frage nach der erstinstanzlichen Zuständigkeit im vorliegenden Streitverfahren um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit handelt (vgl. § 45, § 48 VwGO; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 45 Rn. 3 f.), auf die § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG gemäß § 83 Satz 1 VwGO entsprechend und nicht nur analog anwendbar ist, haben der Bundesrat und die Bundesregierung als Autorin des Gesetzentwurfs in ihren Äußerungen gleichermaßen zum Ausdruck gebracht, dass die Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren nach der Gesetzesänderung bei dem Gericht verbleiben sollte, das nach der bis zum 9. Dezember 2020 geltenden Rechtslage zuständig war. Auch wenn der Bundesrat der – im Ergebnis unzutreffenden – Auffassung war, dass bei Fehlen einer Übergangsregelung Rechtsunsicherheit entstehen würde, kann dem ein Wille, dass bereits anhängige Verwaltungsstreitverfahren von der Änderung der Zuständigkeit erfasst sein sollten, gerade nicht entnommen werden. Uneinigkeit bestand daher lediglich in Bezug darauf, ob zur Erzielung des übereinstimmend gewünschten Ergebnisses eine Übergangsregelung erforderlich sei. Ein Wille „des Gesetzgebers“, § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO auch auf bereits anhängige Verfahren anzuwenden, kann vor diesem Hintergrund weder aus der Begründung zu der Vorschrift geschlossen werden noch daraus, dass es nicht zum Erlass einer Übergangsregelung kam.
Der Gesetzgeber hat im Übrigen auch mit der Einfügung des § 48 Abs. 3 VwGO und der Änderung des § 50 Abs. 2 VwGO mit dem gleichen Gesetz zum Ausdruck gebracht, dass ein Spruchkörper, der bereits mit einem Verfahren befasst war, für dieses auch weiter zuständig bleiben soll. Diese Regelungen beziehen sich zwar nicht auf die hier vorliegende Konstellation, sondern auf eine Änderung der Zuständigkeit der Senate des Oberverwaltungsgerichts in Verfahren nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 VwGO bzw. eine Änderung der Zuständigkeit der Senate des Bundesverwaltungsgerichts in Verfahren nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO. Nach der Gesetzesbegründung dazu soll bei besonders komplexen Verfahren, die in der Regel ohnehin schon lang andauern, ein weiterer Zeitverlust durch einen Wechsel der Zuständigkeit vermieden werden, der dadurch eintreten würde, dass sich Mitglieder eines neuen Spruchkörpers erst in die Sache einarbeiten müssen (BT-Drs. 19/22139, S. 18). Auch diese Erwägungen sprechen dafür, dass ein Wechsel der Zuständigkeit bei bereits anhängigen Verfahren vom Gesetzgeber gerade nicht beabsichtigt war.
1.2.4 Auch die vom Verwaltungsgericht weiter angeführte Veränderung der Verfahrenspositionen der typischerweise an Verwaltungsstreitverfahren im Zusammenhang mit Windenergieanlagen beteiligten Parteien durch das Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen (BA Rn. 19 ff.) spricht nicht für einen Übergang der Zuständigkeit auf den Verwaltungsgerichtshof. Nach § 63 BImSchG in der Fassung dieses Gesetzes haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung einer Windenergieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m keine aufschiebende Wirkung (mehr). Es ist zwar richtig, dass auch diese Regelung, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, zu einer Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für die entsprechenden Windenergieanlagen beitragen kann, was auch die Intention des Gesetzgebers war (vgl. BT-Drs. 19/22139, S. 25). Dabei kann hier dahinstehen, ob die damit verbundene verfahrensrechtliche Position der Betreiber von Windenergieanlagen sich dem Gehalt einer materiell-rechtlichen Gewährleistung annähert (BA Rn. 20). Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwieweit aus dieser Regelung Rückschlüsse auf die Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO auf vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung bereits anhängige Verwaltungsstreitverfahren gezogen werden könnten. Auch wenn § 63 BImSchG und § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO das gleiche Ziel verfolgen – Beschleunigung -, stehen die beiden Regelungen völlig unabhängig nebeneinander.
Soweit das Verwaltungsgericht meint, bei Anwendung des § 63 BImSchG auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm bereits erlassene, aber noch nicht bestandskräftige Genehmigungen würde die Anwendung der perpetuatio fori wegen § 80 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 7 Satz 1 VwGO ergeben, dass dem Eilrechtsschutz suchenden Dritten trotz des Beschleunigungszwecks weiterhin der Weg zum Verwaltungsgericht und zum Verwaltungsgerichtshof offenstehe (BA Rn. 21), wäre dies eine Folge, die der Gesetzgeber angesichts einer fehlenden Übergangsregelung zu § 63 BImSchG vorhersehen musste. Ein Wille des Gesetzgebers, dass im Fall angefochtener, aber nicht bestandskräftiger Genehmigungen Eilrechtsschutz nur beim Verwaltungsgerichtshof als – ggf. nach Verweisung – Gericht der Hauptsache zu beantragen sein solle, lässt sich weder der Begründung zu § 63 BImSchG noch derjenigen zu § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO entnehmen (vgl. im Übrigen zur Konstellation der Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor Erhebung einer Anfechtungsklage NdsOVG, B.v. 28.1.2021 – 12 MS 6.21 – juris Rn. 8 ff., wonach ein vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen anhängig gemachter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz auch vor der Erhebung der Anfechtungsklage nach dem Grundsatz der perpetuatio fori in erster Instanz vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist).
1.2.5 Soweit das Verwaltungsgericht zum Beleg seiner Unzuständigkeit schließlich mit dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung argumentiert, bezieht es sich wohl darauf, dass mit Blick auf die streitgegenständliche Windenergieanlage in verschiedenen Eilverfahren bereits mehrere, teils voneinander abweichende Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs getroffen wurden. Die Möglichkeit der mangelnden Übereinstimmung von Entscheidungen verschiedener Instanzen ist jedoch dem von der Verwaltungsgerichtsordnung für die ganz überwiegende Zahl der Streitverfahren vorgesehenen Instanzenzug immanent. Das dem Rechtsstaatsprinzip zu entnehmende Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung bezieht sich demgegenüber auf Rechtsnormen, nicht auf Gerichtsentscheidungen (vgl. etwa BVerfG, B.v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51 – BVerfGE 1, 14/45 = juris Rn. 124; B.v. 23.3.2011 – 2 BvR 882/09 – BVerfGE 98, 106/118 f. = juris Rn. 73; B.v. 1.4.2014 – 2 BvF 1/12 u.a. – BVerfGE 136, 69 Rn. 110 = juris Rn. 110; BayVerfGH, E.v. 3.12.2019 – Vf. 6-VIII-17 u.a. – juris Rn. 105 f.; Degenhart in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 125).
2. Der Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht durch den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Februar 2021 für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit zuständig geworden, weil der Beschluss ausnahmsweise für den Verwaltungsgerichtshof keine Bindungswirkung entfaltet.
2.1 Nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ist der Verweisungsbeschluss eines sachlich unzuständigen Gerichts für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit bindend. Die Bindungswirkung tritt nach der Rechtsprechung auch dann ein, wenn die Verweisung sachlich unrichtig gewesen sein sollte (BVerwG, U.v. 15.3.1988 – 1 A 23.85 – juris Rn. 15; B.v. 4.6.1993 – 9 A 1.93 – juris Rn. 6; B.v. 10.3.2016 – 6 AV 1.16 – juris Rn. 4; B.v. 10.4.2019 – 6 AV 11.19 – juris Rn. 9). Ausnahmen sind allerdings anerkannt, wenn der Verweisungsbeschluss schwere und offensichtliche Rechtsverstöße aufweist (BVerwG, B.v. 1.12.1992 – 7 A 4.92 – juris Rn. 9; B.v. 1.7.2004 – 7 VR 1.04 – juris Rn. 8; B.v. 10.3.2016 – 6 AV 1.16 – juris Rn. 4; B.v. 10.4.2019 – 6 AV 11.19 – juris Rn. 10 m.w.N.). Ein extremer Rechtsverstoß kann vorliegen, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerfG, B.v. 30.6.1970 – 2 BvR 48/70 – BVerfGE 29, 45/48 f. = juris Rn. 18; BVerwG, B.v. 17.3.2010 – 7 AV 1.10 – juris Rn. 7; B.v. 10.4.2019 – 6 AV 11.19 – juris Rn. 9 f.; B.v. 9.6.2020 – 6 AV 3.20 – juris Rn. 15). Als Kriterium für eine grob fehlerhafte Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht auch herangezogen, ob eine von dem verweisenden Gericht vertretene Rechtsauffassung in der bisherigen Rechtsprechung eine Grundlage findet (B.v. 1.7.2004 – 7 VR 1.04 – juris Rn. 9). Ein Rechtsverstoß erhält zusätzliches Gewicht dadurch, dass für den Kläger der nach der Prozessordnung vorgesehene Instanzenzug verkürzt wird (BVerwG, B.v. 1.12.1992 – 7 A 4.92 – juris Rn. 9, 11; B.v. 1.7.2004 – 7 VR 1.04 – juris Rn. 10).
2.2 Nach Auffassung des Senats ist die Verweisung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf die dem Grundsatz des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Anforderungen an die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsvorschriften sowie das Willkürverbot nicht mehr verständlich und deshalb offensichtlich unhaltbar.
2.2.1 Mit der Garantie des gesetzlichen Richters will Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung beeinflusst werden kann, gleichgültig von welcher Seite eine solche Manipulation ausgeht. Damit soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfG, B.v. 8.4.1997 – 1 PBvU 1/95 – BVerfGE 95, 322/327 = juris Rn. 25 m.w.N.; BVerfG (Kammer), B.v. 23.5.2012 – 2 BvR 610/12 u.a. – juris Rn. 11).
Das Verfassungsgebot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG begründet vor diesem Hintergrund nicht nur ein subjektives Recht, einen „Anspruch“ des Bürgers auf den ihm gesetzlich zustehenden Richter, sondern die Norm enthält auch ein Gebot an den Gesetzgeber, die richterliche Zuständigkeit so eindeutig wie möglich durch allgemeine Normen zu regeln (BVerfG, B.v. 3.12.1975 – 2 BvL 7/74 – BVerfGE 40, 356/360 f. = juris Rn. 14 m.w.N.). Die sachliche, örtliche und instanzielle Zuständigkeit der Gerichte muss dabei durch den Gesetzgeber selbst geregelt werden (BVerfG, B.v. 8.4.1997 – 1 PBvU 1/95 – BVerfGE 95, 322/328 = juris Rn. 27).
Mit Blick auf den Zweck des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG müssen die Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen, welches Gericht sowie welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind (vgl. BVerfG (Kammer), B.v. 20.2.2018 – 2 BvR 2675/17 – juris Rn. 17). Es gehört mithin zum Begriff des gesetzlichen Richters, dass nicht für bestimmte Einzelfälle bestimmte Richter ausgesucht werden, sondern dass die einzelne Sache „blindlings“ aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt. Der rechtsstaatliche Grundsatz vom gesetzlichen Richter untersagt mithin die Auswahl des zur Mitwirkung berufenen Richters von Fall zu Fall im Gegensatz zu einer normativen, abstrakt-generellen Vorherbestimmung (vgl. BVerfG, B.v. 8.4.1997 – 1 PBvU 1/95 – BVerfGE 95, 322/329 = juris Rn. 28; BVerfG (Kammer), B.v. 20.2.2018 – 2 BvR 2675/17 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 16.6.2020 – 2 C 2.19 – juris Rn. 8).
An die Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Gerichts, Spruchkörpers und Richters sind auch die Gerichte gebunden. Sie dürfen sich nicht über sie hinwegsetzen, sondern haben von sich aus über deren Einhaltung zu wachen. Denn der Grundsatz des gesetzlichen Richters dient der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit im gerichtlichen Verfahren schlechthin; er enthält objektives Verfassungsrecht (BVerfG, B.v. 3.12.1975 – 2 BvL 7/74 – BVerfGE 40, 356/361 = juris Rn. 14).
2.2.2 Diesen Maßgaben wird die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften durch das Verwaltungsgericht nicht gerecht.
Das Gesetz sieht für die vorliegende Fallkonstellation – Änderung der erstinstanzlichen Zuständigkeit für Streitigkeiten betreffend die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m – mit § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG eine klare Regelung vor, nach der bereits anhängige Verfahren von der Änderung nicht erfasst werden (s.o. 1.1). Angesichts des aus dem Grundsatz des gesetzlichen Richters folgenden Erfordernisses der Regelung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte durch förmliches Parlamentsgesetz kann davon nur aufgrund gesetzlicher Anordnung abgewichen werden (vgl. auch Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17 GVG Rn. 20; Ehlers in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 17 GVG Rn. 6; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 17 Rn. 10; s.a. oben 1.1). An einer solchen Anordnung fehlt es hier. Sie ist insbesondere nicht in dem Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen enthalten, auch nicht in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO selbst (s.o. 1.2). Die Auslegung des Verwaltungsgerichts überschreitet schon insoweit die Grenzen, die sich aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben. Der Beschluss verletzt aber jedenfalls deshalb den Grundsatz des gesetzlichen Richters, als er die sachliche Zuständigkeit des Gerichts (auch) davon abhängig macht, ob das bislang für den Rechtsstreit zuständige Gericht – nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sogar (bei Wechsel der Kammerzuständigkeit) der konkret zuständige Spruchkörper – das Verfahren etwa durch eine mündliche Verhandlung oder gerichtliche Zwischenentscheidungen, Beweisbeschlüsse o.ä. bereits wesentlich gefördert oder vorangetrieben hat (BA Rn. 14 f.) sowie ob der Verwaltungsgerichtshof in anderen Verfahren in Bezug auf die streitgegenständliche Anlage „einen für den Ausgang des Klageverfahrens inhaltlich bedeutenden Akzent“ gesetzt hat, so dass durch die Verweisung des Rechtsstreits weder eine Verzögerung noch der Verlust bereits erlangter wesentlicher Verfahrensergebnisse der Beteiligten zu befürchten sei (BA Rn. 15). Mit dieser Vorgehensweise wird der Grundsatz einer (gesetzlich geregelten und) im Voraus nach generell-abstrakten Kriterien bestimmbaren Zuständigkeit aufgegeben. Der jeweilige Verfahrensstand am Verwaltungsgericht sowie der Inhalt eventueller Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zur streitgegenständlichen Anlage stellen – ungeachtet der fehlenden gesetzlichen Verankerung – keine hinreichend bestimmten objektiven Kriterien dar, die eine nachprüfbare Grundlage für die Bestimmung der Zuständigkeit schaffen würden. Die genannten Umstände können sich im Lauf der Zeit ändern; vor allem überließe die Orientierung an ihnen dem vor der Gesetzesänderung zuständigen Verwaltungsgericht einen durch subjektive Einschätzung auszufüllenden Wertungsspielraum bei der Entscheidung über die Zuständigkeit und eventuellen Verweisung des Rechtsstreits an den Verwaltungsgerichtshof (s. insoweit zur Unvereinbarkeit mit dem Gebot des gesetzlichen Richters in Bezug auf eine Regelung in der senatsinternen Geschäftsverteilung BVerwG, B.v. 16.6.2020 – 2 C 2.19 – juris Rn. 11).
Soweit das Verwaltungsgericht meint, der Grundsatz des gesetzlichen Richters stehe der Änderung von Zuständigkeiten, die auch anhängige Fälle erfassen, nicht entgegen, wenn ein neues Gesetz generell künftige gleichartige Fälle umfasse (BA Rn. 28), mag dies zwar so abstrakt zutreffen. Die vorliegende Konstellation ist davon jedoch zu unterscheiden. Denn der Gesetzgeber hat die Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren nicht geändert. Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen von einer entsprechenden Änderung durch § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO in der Auslegung des Verwaltungsgerichts ausginge, überzeugte es nicht, dass das Gesetz generell gleichartige Fälle erfassen sollte, nachdem das Verwaltungsgericht die Zuständigkeitsänderung vorliegend u.a. mit einem einzelfallabhängigen Kriterium wie dem Verfahrensstand begründet (BA Rn. 14 f.), auch wenn an anderer Stelle anklingt, dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sämtliche bereits vor dem 10. Dezember 2020 dort anhängigen Verwaltungsstreitverfahren in Bezug auf Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamthöhe von mindestens 50 m in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs übergegangen seien (BA Rn. 13).
2.3 Der Verweisungsbeschluss erscheint darüber hinaus auch deshalb grob fehlerhaft, weil die vom Verwaltungsgericht vorgenommene teleologische Reduktion des § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG in der bisherigen Rechtsprechung sowie in der Kommentarliteratur keinerlei Grundlage findet (s. zu diesem Kriterium BVerwG, B.v. 1.7.2004 – 7 VR 1.04 – juris Rn. 9). Zwar liegt speziell zu § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO in der Fassung des Gesetzes vom 3. Dezember 2020 bisher nur sehr wenig Rechtsprechung vor (s. aber NdsOVG, B.v. 28.1.2021 – 12 MS 6.21 – juris; die Entscheidung war ggf. im Zeitpunkt des Beschlusses des VG noch nicht veröffentlicht). Vergleichbare Zuständigkeitsänderungen oder Änderungen des zulässigen Rechtswegs hat es aber schon in der Vergangenheit gegeben; sie wurden von der Rechtsprechung – unter der Voraussetzung eines unveränderten Streitgegenstands – unter § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG (je nach Konstellation i.V.m. § 83 Satz 1 VwGO) subsumiert (vgl. BGH, B.v. 12.3.1991 – KZR 26.89 – juris Rn. 17; B.v. 11.12.2001 – KZB 12.01 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 3.1.2005 – 12 CE 04.2989 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 6.12.2018 – 8 D 62/18.AK – juris Rn. 70). Soweit der BGH in seinem Beschluss vom 14. März 2000 – KZB 34.99 – juris Rn. 6 ff. ohne Auseinandersetzung mit § 17 GVG eine Änderung der Rechtswegzuständigkeit auf ein anhängiges Beschwerdeverfahren angewendet hat, hat der gleiche Senat des BGH dies mit Beschluss vom 11. Dezember 2001 – KZB 12.01 – juris Rn. 5 relativiert, ganz abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht sich auf diese Rechtsprechung nicht bezieht. Eine Entscheidung, in der ähnlich wie vom Verwaltungsgericht § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG teleologisch reduziert worden wäre, ist im Übrigen nicht ersichtlich und wird auch vom Verwaltungsgericht nicht genannt. Auch in der Kommentarliteratur wird ganz überwiegend von der Geltung der perpetuatio fori bei gesetzlichen Zuständigkeitsänderungen ausgegangen, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt (vgl. Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17 GVG Rn. 20; Ehlers in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 17 GVG Rn. 6; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 41/§§ 17-17b GVG Rn. 9; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 90 Rn. 18; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 17 Rn. 10; s. auch Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 45 Rn. 7: „Die Auslegung der Zuständigkeitsnormen ist restriktiv zu handhaben, eine richterliche Rechtsfortbildung auf seltenste und zwingend gebotene Ausnahmen zu beschränken.“).
2.4 Der Rechtsverstoß erhält zusätzliches Gewicht dadurch, dass für den Kläger des vorliegenden Verfahrens der Instanzenzug auf eine Tatsachen- und eine Revisionsinstanz verkürzt wird (s. hierzu BVerwG, B.v. 1.12.1992 – 7 A 4.92 – juris Rn. 11; B.v. 1.7.2004 – 7 VR 1.04 – juris Rn. 10).
2.5 Ohne Belang ist es, ob sich die Beteiligten im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht mit der Verweisung an den Verwaltungsgerichtshof einverstanden erklärt haben. Bei dem Grundsatz des gesetzlichen Richters handelt es sich nicht nur um ein grundrechtsgleiches Recht, sondern auch um objektives Verfassungsrecht; die Gerichte haben die geltenden Zuständigkeitsvorschriften von Amts wegen zu berücksichtigen (s.o. 2.2.1). Nach der einfach-rechtlichen Regelung der Verwaltungsgerichtsordnung unterliegt die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nicht der Parteidisposition, so dass sie weder durch Parteivereinbarung noch durch rügeloses Einlassung begründet oder geändert werden kann (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 45 Rn. 3; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 45 Rn. 10 f.; Bier/Schenk in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 45 Rn. 7).
3. Es wird daher das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung der Zuständigkeit angerufen.
Nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO wird das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Vorliegend ist – nach Auffassung des Senats – das Verwaltungsgericht gemäß § 45, § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG zuständig; nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist demgegenüber gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO der Verwaltungsgerichtshof für den Rechtsstreit zuständig. Mit seinem Beschluss vom 18. Februar 2021 hat sich das Verwaltungsgericht rechtskräftig (vgl. § 83 Satz 2 VwGO) für unzuständig erklärt und das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof verwiesen; nach Auffassung des Senats ist der Verwaltungsgerichtshof auch gemäß § 83 Satz 1 i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG nicht für den Rechtsstreit zuständig geworden (s.o. 2.).
Soweit sich nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO auch der Verwaltungsgerichtshof rechtskräftig für unzuständig erklären müsste, genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass das Gericht, an das die Sache verwiesen worden ist, in seiner Entscheidung seine Zuständigkeit leugnet; nicht erforderlich ist, dass es zugleich den Rechtsstreit an das von ihm für zuständig erachtete Gericht (zurück) verweist. Es reicht insoweit eine Entscheidung aus, die der Sache nach einer – wegen örtlicher, sachlicher oder instanzieller Unzuständigkeit erfolgten – Rückverweisung gleichkommt und deswegen ebenfalls unanfechtbar ist (§ 83 Satz 2 VwGO). Die Unzuständigkeitserklärung kann demgemäß auch in dem Beschluss ergehen, mit dem das nächsthöhere Gericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts angerufen wird (BVerwG, B.v. 22.8.1988 – 1 ER 401.88 – juris Rn. 6; BGH, B.v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87 – juris; Bier/Schenk in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 53 Rn. 11; im Ergebnis ebenso BVerwG, B.v. 9.6.2020 – 6 AV 3.20 – juris Rn. 19).
Eine Anrufung des nächsthöheren Gerichts darf nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar nicht dazu dienen, die Bindungswirkung des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu umgehen (BVerwG, B.v. 8.11.1994 – 9 AV 1.94 – juris Rn. 4). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, weil der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs entgegen § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG keine Bindungswirkung entfaltet (s.o. 2.).
Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VwGO wird ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit von dem Gericht entschieden, das den beteiligten Gerichten übergeordnet ist (BVerwG, B.v. 10.4.2019 – 6 AV 11.19 – juris Rn. 5; s. auch B.v. 9.6.2020 – 6 AV 3.20 – juris Rn. 19). Das ist hier das Bundesverwaltungsgericht (s. zum Konflikt zwischen VG und OVG bei Zurückverweisung an das VG im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung auch BVerwG, B.v. 22.8.1988 – 1 ER 401.88 – juris Rn. 5).


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