Verwaltungsrecht

Altersgrenze im Stellenbesetzungsverfahren

Aktenzeichen  M 5 E 16.2830

Datum:
16.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 50208
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2, Abs. 5
BV Art. 94 Abs. 2 S. 2
BeamtStG § 9
BayLlbG Art. 16 Abs. 1
BayBG Art. 23 Abs. 1 S. 1
BayHO Art. 48
VwGO § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ein Beamter hat keinen Rechtsanspruch auf Übertragung einer Stelle, auf die er sich beworben hat, sondern nur einen Anspruch darauf, dass im Bewerbungsverfahren die beamtenrechtlichen Grundsätze beachtet werden (Bewerbungsverfahrensanspruch). (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Festlegung von Höchstaltergrenzen für die Berücksichtigung einer Bewerbung ist mit dem Verfassungsrecht und dem europäischen Recht vereinbar. Sie schränkt den beamtenrechtlichen Leistungsgrundsatz zulässig ein. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Erteilung einer Ausnahme von der Altergrenze ist eine eng auszulegende Ermessensentscheidung, die ein dienstliches Interesse voraussetzt (ebenso VG München BeckRS 2016, 49289). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Zum Verfahren wird Frau … beigeladen.
II.
Der Antrag wird abgelehnt.
III.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die am … Dezember 1970 geborene Antragstellerin war zunächst im staatlichen Schuldienst als Hauptschullehrerin tätig, wurde 2008 an die Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in D. versetzt, wo sie zuletzt als Institutsrektorin (Besoldungsgruppe A 14) tätig war. Zum 1. September 2013 wurde die Antragstellerin auf ihren Antrag in den Dienst der Landeshauptstadt München versetzt, wo sie seitdem als Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A 14) am dortigen Pädagogischen Institut tätig ist.
In seiner Bekanntmachung vom 27. Januar 2016 schrieb das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StBWK) die Stelle eines weiteren Schulrats bzw. einer weiteren Schulrätin bei dem Staatlichen Schulamt im Landkreis T. (eine Planstelle der Wertigkeit A 15) aus. Hierzu wurde ausgeführt, dass sich auf diese Stelle Schulaufsichtsbeamte bzw. Schulaufsichtsbeamtinnen oder Beamte bzw. Beamtinnen bewerben könnten, die unbeschadet der allgemeinen beamten- und laufbahnrechtlichen Erfordernisse die Lehramtsbefähigung an Volksschulen, an Grund- oder an Hauptschulen besitzen und eine mindestens vierjährige Bewährung im Grund- oder Mittelschuldienst in einem Amt als Konrektor bzw. Konrektorin, Rektor bzw. Rektorin, Beratungsrektor bzw. Beratungsrektorin oder Seminarrektor bzw. Seminarrektorin besitzen. Der Bewährungszeit stünden Zeiten einer Tätigkeit als Institutsrektor bzw. Institutsrektorin, wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. wissenschaftliche Mitarbeiterin im Hochschulbereich oder Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin in der Schulaufsicht gleich.
Auf die Stelle bewarben sich neben der Antragstellerin zwei weitere – im staatlichen Schuldienst stehende – Bewerberinnen.
Nach Vorlage einer Stellungnahme der Regierung von Oberbayern zu den Bewerberinnen entschied das StBWK aufgrund des Besetzungsvermerks vom 20. April 2016, gebilligt durch den Staatsminister am 10. Mai 2016, die Stelle an die Bewerberin T.-S. zu vergeben. Die zwei Bewerberinnen, nicht jedoch die Antragstellerin, erfüllten das geforderte Anforderungsprofil. Die Antragstellerin stehe nicht mehr im Staatsdienst, so dass ihre Rückversetzung an Art. 48 BayHO zu messen sei, da sie bereits das 45. Lebensjahr vollendet habe. Die hiernach notwendige Zustimmung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat (StMFLH) zur Gewinnung von qualifizierten Spezialkräften werde nur dann erteilt, wenn bei einem außerordentlichen Mangel an geeigneten jüngeren Bewerbern unter Berücksichtigung aller Umstände die Übernahme offensichtlich einen erheblichen Vorteil für den Staat bedeuten würde oder die Ablehnung der Übernahme zu einer erheblichen Schädigung der Staatsinteressen führen könnte. Beide Voraussetzungen lägen nicht vor, da geeignete Bewerber für die ausgeschriebene Stelle vorhanden seien. Die Bewerbung der Antragstellerin bleibe daher im Weiteren unberücksichtigt.
Nach Zustimmung durch den Hauptpersonalrat am 6. Juni 2016 teilte das StBWK der Antragstellerin mit Schreiben vom 14. Juni 2016 mit, dass ihre Bewerbung keinen Erfolg gehabt habe. Die Voraussetzungen für eine (Rück-)Versetzung in ein Beamtenverhältnis in Diensten des Freistaates Bayern nach Überschreiten des 45. Lebensjahres lägen nicht vor. Damit erfülle die Antragstellerin nicht das Anforderungsprofil der fraglichen Stelle, die sich nur an Beamte richte.
Am 27. Juni 2016 hat die Antragstellerin im Rahmen eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt,
dem Antragsgegner zu untersagen, die Bewerberin T.-S. zur weiteren Schulrätin beim Staatlichen Schulamt im Landkreis T. zu ernennen, zu befördern bzw. eine entsprechende Versetzung vorzunehmen.
Die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin, die von allen Bewerberinnen am besten qualifiziert sei, verstoße gegen den Leistungsgrundsatz. Zudem sei die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin unter Hinweis auf die in Art. 48 BayHO genannte Altersgrenze altersdiskriminierend. Angesichts des akuten Personalbedarfs des Freistaates Bayern im Bereich des Schulwesens sei es unverständlich, dass die Bewerbung der Antragstellerin – die 8 Jahre jünger als die ausersehene Bewerberin sei – nicht akzeptiert worden sei, weil sie um 5 Monate zu alt sei. Schließlich sei die Entscheidung auch formal rechtswidrig, weil das StMFLH nicht beteiligt worden sei.
Demgegenüber hat das StBWK für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Höchstaltersgrenze von 45 Jahren für die Versetzung in den Staatsdienst diene legitimen Zwecken der Beschäftigungspolitik, nämlich der Gewährleistung eines ausgewogenen Altersaufbaus innerhalb der Staatsverwaltung und damit dem beamtenrechtlichen Lebenszeitprinzip. Das StMFLH habe nicht beteiligt werden müssen, weil nach praktizierter Verwaltungsübung eine Zustimmung zu einer Ausnahme von der Altersgrenze nur bei einem außerordentlichen Mangel an entsprechenden Fachkräften erteilt werde. Eine solche Ausnahmekonstellation liege dann vor, wenn in einem Bewerbungsverfahren kein entsprechend geeigneter Bewerber zur Verfügung stehe. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist unbegründet.
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr droht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwer werden könnte. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch – den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird – als auch einen Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der Streitsache – glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO).
In diesem Sinne besteht ein Anordnungsgrund, da der Antragsgegner nach der getroffenen Auswahlentscheidung beabsichtigt, die streitbefangene Stelle an die Beigeladene zu vergeben.
2. Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
a) Einen Rechtsanspruch auf die Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat die Antragstellerin ohnehin nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Die Antragstellerin hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, das heißt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), § 9 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der Bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und B. v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
Allerdings kann der Geltungsbereich des Leistungsgrundsatzes bei der Vergabe eines Amtes durch die Festlegung von Höchstaltersgrenzen eingeschränkt sein. Höchstaltersgrenzen zur Sicherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit dienen der lebenslangen Versorgung von Ruhestandsbeamten entsprechend dem gemäß Art. 33 Abs. 5 GG mit Verfassungsrang ausgestatteten Lebenszeit- und Alimentationsprinzip. Für die widerstreitenden Grundsätze ist ein Ausgleich im Wege einer praktischen Konkordanz herzustellen, wobei der Gesetzgeber auch die Vorgaben der RL 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie) zu beachten hat (BVerfG, B. v. 21.4.2015 – 2 BvR 1322/12 – BVerfGE 139, 19/64; BVerwG, U. v. 23.2.2012 – 2 C 76/10 – BVerwGE 142, 59/72; VG Gelsenkirchen, U. v. 27.5.2016 – 1 K 4814/15 – juris). Ein materiell zulässiger – insbesondere verhältnismäßiger – Ausgleich wurde für den Bereich der Verbeamtung von Lehrkräften bei einer Altersgrenze von bereits 40 Lebensjahren angenommen. Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist bei einem so vorgenommenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen auch gemessen am Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt und im Ergebnis nicht altersdiskriminierend (BVerwG, a. a. O.).
b) Diesen Vorgaben entsprechend darf in ein Beamtenverhältnis beim Antragsgegner nicht berufen werden, wer bereits das 45. Lebensjahr vollendet hat (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz – BayBG); Ausnahmen hiervon kann die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem StMFLH zulassen (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG i. V. m. Art. 48 Bayerische Haushaltsordnung – BayHO).
Diese Vorschriften sind für die Vergabe der streitbefangenen Stelle auch maßgeblich, nachdem die zu besetzende Stelle eines weiteren Schulrats bzw. einer weiteren Schulrätin bei dem Staatlichen Schulamt im Landkreis T. an das Statusamt eines Staatsbeamten geknüpft ist. Die Antragstellerin, die im Beamtenverhältnis zur Landeshauptstadt München steht, hatte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im Mai bzw. Juni 2016 das 45. Lebensjahr bereits vollendet, so dass sie den für die streitgegenständliche Stelle geforderten Beamtenstatus im Verhältnis zum Freistaat Bayern nur im Wege der Erteilung einer Ausnahme von der Altersgrenze erlangen konnte.
c) Die Erteilung einer Ausnahme von der Altersgrenze wurde unter Hinweis auf die fehlenden Voraussetzungen hierfür abgelehnt mit der Folge, dass die Antragstellerin nicht in einen Leistungsvergleich mit den weiteren Bewerberinnen einbezogen wurde. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Zur Begründung wurde im Besetzungsvermerk vom 20. April 2016 ausgeführt, die erforderliche Zustimmung des Finanzministeriums zur Gewinnung von qualifizierten Spezialkräften werde nur erteilt, wenn bei einem außerordentlichen Mangel an geeigneten jüngeren Bewerbern unter Berücksichtigung aller Umstände die Übernahme offensichtlich einen erheblichen Vorteil für den Staat bedeuten würde oder die Ablehnung der Übernahme zu einer erheblichen Schädigung der Staatsinteressen führen könnte, was jeweils nicht anzunehmen sei. Im vorliegenden Verfahren hat das StBWK in seiner Stellungnahme vom 11. Juli 2016 (dort: S. 6 unten) hierzu ergänzt, dass das StMFLH zu vergleichbaren Fällen mitgeteilt habe, dass eine Ausnahme von der Altersgrenze grundsätzlich nur zulässig sei, wenn an der Gewinnung eines Bewerbers ein dringendes öffentliches Interesse bestehe, wobei an das Erfordernis des dringenden öffentlichen Interesses ein strenger Maßstab anzulegen sei.
Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit der Befugnis der Behörde, entsprechend dem Ausnahmecharakter der im Ermessen stehenden Entscheidung den Begriff eng auszulegen und Ausnahmen nur aus Gründen des dienstlichen Interesses zuzulassen (vgl. VG München, U. v. 7.10.2015 – M 5 K 14.4460 – juris Rn. 21 m. w. N. sowie U. v. 18.12.2001 – M 5 K 01.1249). Soweit ein dienstliches Interesse im Hinblick darauf verneint wird, dass ein Mangel qualifizierter Spezialkräfte nicht vorliege, wenn sich – wie vorliegend – entsprechend qualifizierte (Schulaufsichts-)Beamte bewerben, ist dies durch das Gericht nicht zu beanstanden. Vor dem Hintergrund, dass diese Sichtweise der ständigen Verwaltungspraxis der beteiligten Ressortministerien entspricht (was die Kammer aus anderen Verfahren als gerichtsbekannt zugrunde legen kann), die im Einklang mit Ziff. 1. der Verwaltungsvorschriften zur Bayerischen Haushaltsordnung (VV-BayHO) steht, bedurfte es auch nicht einer förmlichen Beteiligung des StMFLH.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzulehnen.
Die nach § 65 Abs. 2 VwGO beigeladene ausgewählte Bewerberin hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).


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