Verwaltungsrecht

Amtsangemessene Beschäftigung einer Oberkonservatorin

Aktenzeichen  3 CE 16.1015

Datum:
12.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 60, § 123, § 146 Abs. 4 S. 6

 

Leitsatz

Bei der Übermittelung von Schriftstücken in Fristsachen per Telefax erfordert eine wirksame Ausgangskontrolle die Überprüfung, dass das Schriftstück auch tatsächlich gesendet wurde. Hierzu sind Ausdruck und Kontrolle des Sendeberichts erforderlich. (redaktioneller Leitsatz)
Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn eine hinreichend überwachte Kanzleiangestellte es auf Grund eines einmaligen Versäumnisses unterlässt, die korrekte Seitenzahl eines Telefaxes zu überprüfen. (redaktioneller Leitsatz)
An die Annahme eines Anordnungsgrundes sind strenge Anforderungen zu stellen, wenn mit einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird. Es muss ein unzumutbarer Nachteil drohen, wenn der Antragsteller auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn einer Oberkonservatorin durch den Entzug eines Aufgabenbereichs keine Rufschädigung droht, weil ihr wieder ein eigenes Referat übertragen wurde, und eine möglicherweise nicht amtsangemessene Beschäftigung jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
Eine unterwertige Beschäftigung ist vorübergehend hinzunehmen, zumal wenn sich eine offensichtlich nicht mehr angemessene Beschäftigung im Eilverfahren nicht ohne Weiteres feststellen lässt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 E 15.2586 2016-05-02 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.Die Antragstellerin ist seit dem 1. Juli 19… am Neuen Museum in N… tätig. Zum 1. Dezember 1999 wurde sie zur Konservatorin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe ernannt. Am 1. September 2002 wurde sie in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen und zum 1. April 2008 zur Oberkonservatorin (BesGr. A14) befördert. In ihrer letzten periodischen Beurteilung für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 31. Mai 2013 erhielt die Antragstellerin 15 Punkte. Als Aufgabengebiete wurden darin die wissenschaftliche und organisatorische Betreuung von Wechselausstellungen und Projekten und die wissenschaftliche Mitarbeit an Publikationen, insbesondere Ausstellungspublikationen, beschrieben. Im Jahr 2009 und 2013 erhielt die Antragstellerin jeweils eine Leistungsprämie in Anerkennung besonderer Leistungen.
Durch Mitteilung vom 15. Dezember 2015 informierte der Antragsgegner über die Neuausrichtung im Team des Neuen Museums. Nach der ab 1. Januar 2016 geltenden Geschäftsverteilung wurde dem Oberkonservator Dr. T., der bisher die Sammlung leitete, auch die Zuständigkeit für die Ausstellungen übertragen, die bislang von der Antragstellerin betreut wurden. Der Antragstellerin wurde der Bereich der wissenschaftlichen Forschung zugewiesen.
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 begehrte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO und beantragte,
den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache ein ihrem Statusamt angemessenes, abstraktes sowie konkretes Funktionsamt zu übertragen und sie darauf amtsangemessen zu beschäftigen.
Eine Entscheidung in der Hauptsache sei nicht absehbar, die beantragte Regelung sei notwendig, um wesentliche Nachteile für die Antragstellerin abzuwenden. Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung würde der dargelegte Anordnungsanspruch in nicht reparabler Weise weiter verletzt. Die Antragstellerin sei nämlich (ohne Not) vor Kollegen, Kunden und auch öffentlich blamiert und bloßgestellt worden. Dies sei ihr nicht weiter zuzumuten, zumal ganz überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestünden. Die vorläufige Regelung sei für den Antragsgegner zumutbar, da die Hauptsache nicht vorweggenommen würde. Die der Antragstellerin zugewiesenen Aufgaben seien nicht amtsangemessen, sie habe keinerlei Projektverantwortung mehr, dürfe nur mehr zuliefernde Mitarbeit leisten und sei an der Konzeption von Projekten nicht mehr beteiligt. Die Aufgaben wie Recherche, Vorbereiten, Archivieren, Sammlungsdokumentation, Kurztexte, Archivarbeit etc. brächten es mit sich, dass die Antragstellerin in jeder Hinsicht weisungsgebunden sei und zwangsläufig dem jeweiligen Ressortleiter zuzuarbeiten habe. Die kuratoriale Eigenständigkeit und Kompetenz der Antragstellerin gehe damit verloren. Vor allem für Ausstellungen oder Sammlungen könne sie keine eigenen Entscheidungen mehr treffen. Problematisch sei auch, dass sie vollständig von der Außenwelt abgeschnitten sei und das Museum nach außen nicht mehr repräsentieren könne. Die Antragstellerin habe bisher in ihrem Ressort ihrem Statusamt entsprechend in der Rolle der Kuratorin die Projekte des Museums eigenständig, verantwortungsvoll und vertrauensvoll durchgeführt. Wie bei den anderen Ressortleitern auch, sei es hier notwendig gewesen, dass die Antragstellerin in Absprache mit den jeweiligen Künstlern auf Basis ihrer eigenen wissenschaftlichen Arbeit Konzepte entwickle, erstelle und verantworte. Sie sei gemäß ihrem Statusamt als Ressortleiterin alleinige Ansprechpartnerin für Außenstehende gewesen und habe u. a. Vorträge gehalten. Demgegenüber habe sie seit der Organisationsverfügung vom Dezember kein Referat mehr, das sie eigenverantwortlich und in Eigenregie innehabe und vertrauensvoll bearbeite. Seit Mitte Dezember werde sie wie eine wissenschaftliche Hilfskraft beschäftigt, erhalte keinerlei Mitspracherechte, keine Gestaltungsfreiheit, werde aus Entscheidungsprozessen und insbesondere aus allen museumsinternen und projektbezogenen Besprechungen (intern wie extern) ausgeschlossen. Sie habe kein künftiges Ausstellungsprojekt mehr zugesprochen bekommen, das sie eigenständig entwickeln und vorschlagen dürfe und solle stattdessen Zulieferarbeit, Textarbeit, Recherchen und redaktionelle Hilfestellungen für Projekte erledigen, in die sie sonst nicht eingebunden sei. Diese Tätigkeiten würden der Qualifikation der Antragstellerin nicht gerecht. Dem Konservator, insbesondere dem Oberkonservator, werde typischerweise ein eigenverantwortliches Ressort übertragen.
Mit Schriftsatz vom 26. April 2016 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Im Laufe der letzten Jahre sei es immer häufiger zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Antragstellerin und der Museumsleitung bzw. der Antragstellerin und ihren Kolleginnen/Kollegen bzw. Dritten/Kooperationspartnern des Neuen Museums gekommen, die deutliche Zweifel an der Teamfähigkeit sowie der sozialen Kompetenz der Antragstellerin aufkommen ließen. Dies sei auch wiederholt mit der Antragstellerin thematisiert worden.
Im Oktober 2015 sei es zudem zu einem Vorfall gekommen, der das Vertrauensverhältnis zwischen der Museumsleitung und der Antragstellerin erheblich beeinträchtigt habe. Die Antragstellerin habe vormittags das Dienstgebäude verlassen, ohne auszustempeln und bei ihrer Rückkehr wieder einzustempeln und habe somit gegen die geltende Dienstvereinbarung über die elektronische Zeiterfassung vom 1. April 2013 verstoßen. Dieses Fehlverhalten habe die Antragstellerin auch mit Schreiben vom 15. Dezember 2015 letztendlich nach mehrfachem Abstreiten eingestanden. Mit dem Entzug der Ausstellungsleitung habe der Antragsgegner der Antragstellerin zugleich den Bereich „wissenschaftliche Forschung“, den er mit außergerichtlichem Schreiben vom 14. März 2016 noch einmal zusammengefasst und konkretisiert habe, übertragen. In diesem Bereich sei das Neue Museum nach Auffassung der Museumsleitung bislang nicht in dem Maße nach außen in Erscheinung getreten, wie es für ein Museum mit entsprechender Reputation üblich sei. Zum neuen Aufgabenbereich der Antragstellerin gehörten danach:
„1. Wissenschaftliche Projektarbeit, insbesondere die Erschließung, Recherche und Vorbereitung von ausgewählten Ausstellungen und Sammlungspräsentationen.
2. Wissenschaftliche Textarbeit sowie redaktionelle Erarbeitung von Katalogen;
3. Forschung und Vermittlung (Führungen und Vorträge/Vortragsreihen, Entwicklung und Durchführung von Forschungsprojekten);
4. Wissenschaftliche Erforschung von Sammlungsbeständen;
5. Ggf. Dokumentation und Inventarisierung sowie Mitarbeit beim Sammeln und Bewahren von Sammlungsbeständen;
6. Behandlung wissenschaftlicher Anfragen;
7. Betreuung des Museumsarchivs;
8. Einarbeitung und Betreuung von Volontären;
9. Begutachtung von Werken“.
Im Aufgabenbereich sei zudem die Organisation, Betreuung und Durchführung einzelner Reisen für Mitglieder der Museumsinitiative, die sie bereits seit Jahren erfülle. Zudem sei die Antragstellerin auf Vorschlag der Direktorin des Neuen Museums rückwirkend vom 1. April 2016 bis 31. März 2021 zum Mitglied der Ankaufskommission des Freistaats Bayern bestellt worden, die den Erwerb von Kunstwerken im Rahmen des Ankaufsprogramms der Bayerischen Staatsregierung durchführe, mit einem geschätzten monatlichen Zeitaufwand von 2 – 3 Tagen. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehle es schon an einem Anordnungsanspruch, da keinerlei Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der verfügten Umsetzung bzw. für eine nicht angemessene Beschäftigung der Antragstellerin durch die Übertragung des Bereichs „Wissenschaftliche Forschung“ vorlägen. Der Antragsgegner habe der Antragstellerin ein ihrem Statusamt entsprechendes abstraktes sowie konkretes Funktionsamt übertragen. Sie werde darauf amtsangemessen beschäftigt. Die Umsetzung bzw. die damit einhergehende Umstrukturierung und Änderung der Geschäftsverteilung sei einerseits zur Optimierung der Aufgabenerfüllung auf Basis eines bestmöglichen Personaleinsatzes und andererseits zur Beseitigung von Beeinträchtigungen des täglichen Dienstbetriebs durch innere Spannungen und durch Trübung des Vertrauensverhältnisses erfolgt und damit sachlich begründet. Es begegne keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Dienstherr auch die hervorragenden wissenschaftlichen Fähigkeiten der Antragstellerin nutzbar machen und zugleich das Betriebsklima verbessern wolle. Insbesondere die unter Ziff. 1, 2, 3, 4, 6, 7 und 9 genannten Tätigkeiten sowie die neue Aufgabe als Mitglied der Ankaufskommission seien solche, die eine umfangreiche wissenschaftlich fundierte Vorbildung und ein hohes Maß an durch berufliche Erfahrungen und Weiterbildung gewonnener Qualifikation voraussetze. Gerade hier kämen der Antragstellerin ihre Neigung zur und ihre Erfahrungen in der wissenschaftlichen Tätigkeit zugute, die sich wie ein roter Faden durch ihr bisheriges Wirken zögen (Promotion, Tätigkeit als wissenschaftliche Museumsassistentin, wissenschaftlich fundierte Veröffentlichungen, Lehrauftrag an Akademien und Lehreinrichtungen, Gutachtertätigkeiten etc.). Der Umfang und das Anforderungsprofil der neuen Tätigkeit entsprächen dem statusrechtlichen Amt der Antragstellerin als Oberkonservatorin in der BesGr. A 14.
Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag wegen der damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ab. Voraussetzungen, die eine Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausnahmsweise zuließen, lägen nicht vor. Im Rahmen der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage lasse sich nicht feststellen, dass die Antragstellerin mit der Leitung des Referats „Wissenschaftliche Forschung“ derzeit offensichtlich nicht mehr als Oberkonservatorin amtsangemessen beschäftigt und eine Veränderung des Aufgabenzuschnitts der Dienstaufgaben rechtsmissbräuchlich erfolgt sei. Eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in einem eventuellen Hauptsacheverfahren, aufgrund dessen ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache zulässig wäre, bestehe deshalb nicht. Zudem fehle es auch an einem Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, da im Falle eines Obsiegens in einem späteren Hauptsacheverfahren die vorgenommenen Änderungen in der Geschäftsverteilung des Neuen Museums jederzeit wieder rückgängig gemacht werden könnten. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass selbst durch eine für eine Übergangszeit nicht amtsangemessene Beschäftigung der Antragstellerin ein unwiederbringlicher, nicht mehr rückgängig zumachender Nachteil entstünde, da ihr wieder ein eigenes Referat (Wissenschaftliche Forschung) übertragen worden und damit eine irreparable Rufschädigung nicht zu befürchten sei.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Ein Anordnungsanspruch liege vor. Insbesondere sei zu rügen, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem Sachvortrag der Antragstellerin zu den im Rahmen der amtsangemessenen Beschäftigung in den Blick zu nehmenden Dienstaufgaben einer Konservatorin auseinandergesetzt habe.
Vom 10-seitigen Beschwerdebegründungsschriftsatz gingen am letzten Tag der Beschwerdebegründungsfrist lediglich sechs Seiten per Telefax ein. Es fehlten die Seiten 3, 4, 6 und 7. Das vollständige Original folgte einen Tag später (10. Juni 2016) per Post.
Auf einen gerichtlichen Hinweis vom 13. Juni 2016, wonach der unvollständige Schriftsatz wohl nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 VwGO an die Beschwerdebegründung gerecht werde, beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17. Juni 2016 wegen der Versäumung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er machte im Wesentlichen geltend, dass der Beschwerdebegründungsschriftsatz fristgerecht erstellt und am 9. Juni 2016 unterzeichnet worden sei. Gemäß der kanzleiinternen Anweisung sei dieser vorab gefaxt worden. Der Sendebericht sei von der Rechtsanwaltsgehilfin T. gegengezeichnet worden. Diese ordnungsgemäß ausgebildete und seit 25 Jahren in der Kanzlei beschäftigte Fachkraft habe dabei leider übersehen, dass die auf dem Sendebericht ausgewiesene Seitenzahl nicht der Seitenzahl der Beschwerdebegründung entsprochen habe, obwohl sie dies hätte kontrollieren müssen. Die Rechtsanwaltsgehilfin T. habe sich bisher bei der Erfüllung ihrer Aufgaben als sehr zuverlässig erwiesen. Es sei noch nie vorgekommen, dass ein Telefax nicht vollständig übermittelt worden sei. Im Rahmen der Kanzleiorganisation sei geregelt, dass in der Akte das Sendeprotokoll, aus dem sich die Telefaxnummer des Empfängers, das Datum der Übermittlung und die Zahl der übermittelten Seiten ergebe, zu Dokumentationszwecken hinter dem Schriftsatz abgeheftet werde. Diese drei Informationen würden von der jeweils zuständigen Kanzleimitarbeiterin überprüft und abgehakt. Außerdem werde mit Namenskürzel vermerkt, wer das Telefax versandt habe. Dieser Ablauf werde von den Rechtsanwälten der Sozietät regelmäßig stichprobenweise kontrolliert. Zur Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe legte der Bevollmächtigte eine Erklärung der Kanzleiangestellten vom 16. Juni 2016 vor, in der diese eidesstattlich versichert, dass sie den vom Faxgerät ausgedruckten Sendebericht kontrolliert und mit ihrem Namenskürzel versehen habe. Dabei habe sie übersehen, dass nur sechs von zehn Seiten übermittelt worden seien. Sie hätte vergessen, die Seitenzahl abzugleichen und deshalb auch keinen Haken gesetzt.
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 teilte der Antragsgegner mit, dass die Beteiligten in der Hauptsache vor dem Verwaltungsgericht der Durchführung eines Mediationsverfahrens zugestimmt haben. Gleichzeitig wurde angeregt, ein Ruhen des Verfahrens im vorliegenden Verfahren zu prüfen. Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Der Bevollmächtigte habe nicht glaubhaft gemacht, dass er die Einhaltung der als zweckmäßig dargestellten Büroorganisation regelmäßig kontrolliere und die danach erforderliche Prüfung der übermittelten Seiten auch tatsächlich praktiziert werde. Die Kanzleiangestellte T. habe selbst eingeräumt, dass sie die kanzleiintern vorgesehene Kontrolle der Zahl der übermittelten Seiten nicht vorgenommen habe. Sie habe dies aber nicht als einmaliges Versäumnis bezeichnet. Der Erklärungsinhalt lasse vermuten, dass die Kontrolle der übermittelten Seiten auch in sonstigen Verfahren nicht regelmäßig geschehe. Die Kanzleiangestellte habe eine regelmäßige Kontrolle der 3-Haken-Regelung durch den Bevollmächtigen nicht versichert, sondern darauf verwiesen, dass eine nur lückenhafte Übermittlung eines Schriftsatzes noch nie vorgekommen sei. Hierauf berufe sich auch der Bevollmächtigte. Die Vorlage vergleichbarer Faxprotokolle mit jeweils drei Haken zur Glaubhaftmachung einer sonst regelmäßig den Anweisungen entsprechenden Ausgangskontrolle sei nicht erfolgt. Ebenso fehle es an einem Vortrag, ob die kanzleiintern unter Anweisung „4. Erledigung“ vorgesehene abendliche Kontrolle durch „S… und P…“ erfolgt sei. Ein entsprechender Auszug aus dem Fristenbuch liege nicht vor. Selbst wenn jedoch eine Wiedereinsetzung in Betracht käme, so fehle es gegenwärtig offenkundig an einem Anordnungsgrund, da sich die Beteiligten nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Eilverfahren im Hauptsacheverfahren auf die Durchführung eines Mediationsverfahrens geeinigt hätten. Dies habe wohl das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin für eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz beseitigt.
Die Antragstellerin verweist mit weiterem Schriftsatz vom 8. Juli 2016 auf eine Entscheidung des BGH vom 23. Februar 2016 (Az. II ZB 9/15 – juris Rn. 16), wonach bei einer kanzleiintern geforderten allabendlichen Erledigungskontrolle das Sendeprotokoll nicht erneut inhaltlich geprüft werden müsse, und beantragt mit Schriftsatz vom 12. Juli 2016 das Ruhen des Verfahrens. Aus der Erklärung der Kanzleiangestellten, es sei noch nie vorgekommen, dass ein Telefax nicht vollständig übermittelt worden sei, zu schließen, dass die Kontrolle der übermittelten Seiten in sonstigen Verfahren nicht regelmäßig erfolge, sei völlig fernliegend. Zahlreiche vergleichbare Faxkontrollen mit Haken und Namenskürzel könnten jederzeit beigebracht werden. Für die vom Antragsgegner geforderte Glaubhaftmachung, dass sonst immer entsprechend den Kanzleiregeln verfahren werde, müssten allerdings alle jemals erhaltenen Faxprotokolle vorgelegt werden. Dies übersteige den Rahmen der Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO. Alle diese Dokumente enthielten zudem nicht drei, sondern einen Haken, der das Vorliegen aller drei wesentlichen zu prüfenden Inhalte (Empfänger, Seitenzahl, Datum) bestätige. Fehle der Haken, mangele es an einem dieser drei Merkmale und die Frist könne nicht gestrichen werden. Aus der eidesstattlichen Versicherung ergebe sich ebenfalls, dass alle Mitarbeiterinnen – auch die Kanzleiangestellte T. – die Kanzleianweisung beachteten und danach vorgingen. Vorliegend habe T. versehentlich den Haken nicht gesetzt und die Frist dennoch gestrichen.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. Juli 2016 wurde das Ruhen des Hauptsacheverfahrens (Az. AN 1 K 16.00810) im Hinblick auf die Durchführung einer Mediation angeordnet.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (1.), bleibt aber mangels Anordnungsgrund ohne Erfolg (2.).
1. Die Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig, weil dem Antragsteller Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 1 VwGO in die Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO zu gewähren ist.
Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 ist dem Bevollmächtigten am 9. Mai 2016 zugestellt worden. Bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am Donnerstag, den 9. Juni 2016 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB), ist beim Verwaltungsgerichtshof kein Schriftsatz eingegangen, der den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entspricht. Per Telefax wurden lediglich sechs von zehn Seiten des Beschwerdebegründungsschriftsatzes übermittelt. Eine nachvollziehbare Darstellung der Beschwerdegründe liegt insoweit nicht vor (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2005 – 1 CS 04.3045 – juris Rn. 15). Das vollzählige Original ging per Post erst nach Ablauf der Frist am 10. Juni 2016 ein.
Zur Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe legte der Bevollmächtigte das entsprechende Faxprotokoll mit Namenskürzel und ohne Haken bzw. eine eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten vom 16. Juni 2016 vor.
Für den Senat ist damit im Sinne von § 294 ZPO glaubhaft gemacht (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 60 Rn. 24), dass die ordnungsgemäß ausgebildete und zur zweckmäßigen Ausgangskontrolle angewiesene Kanzleiangestellte ein einmaliges Versäumnis begangen hat, als sie die Beschwerdebegründungsfrist aus dem Fristenbuch strich, ohne die korrekte Seitenzahl des vorher versandten Telefaxes zu überprüfen und den entsprechenden Haken zu setzen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 60 Rn. 20). Ein Organisationsmangel, welcher als Verschulden des Bevollmächtigten der Antragstellerin zuzurechnen wäre (§ 85 Abs. 2 ZPO), ist nicht ersichtlich.
Zwar erfordert die Einhaltung von Rechtsmittelbegründungsfristen eine gesteigerte Aufmerksamkeit (BayVGH, B.v. 8.9.2011 – 9 CS 11.1628 – juris Rn. 15). Im Rahmen seiner Verpflichtung, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen, muss der Bevollmächtigte für eine wirksame Ausgangskontrolle sorgen. Bei einer Übermittlung per Telefax muss deshalb festgestellt werden können, dass das Schriftstück auch tatsächlich gesendet worden ist. Das setzt voraus, dass ein Sendebericht ausgedruckt und kontrolliert wird (BayVGH, B.v.24.2.2005 – 1 CS 04.3045 – juris Rn. 18 m. w. N.).
Die sich aus den kanzleiinternen Anweisungen ergebende Ausgangskontrolle erweist sich unbestritten prinzipiell als zweckmäßig. Die Kanzleiangestellte T. hat eidesstattlich versichert, dass sie den vom Faxgerät ausgedruckten Sendebericht kontrolliert und mit ihrem Namenskürzel versehen habe. Dabei habe sie übersehen, dass nur sechs von zehn Seiten übermittelt worden seien. Sie habe vergessen, die Seitenzahl abzugleichen und deshalb auch keinen Haken gesetzt. Ein solcher Fehler sei ihr noch nie passiert. Die kanzleiinternen Regeln zur Fristenkontrolle würden von ihr und allen Mitarbeiterinnen beachtet und von den Rechtsanwälten stichprobenweise kontrolliert.
Einer weiteren Glaubhaftmachung – wie die Vorlage vergleichbarer Faxprotokolle mit Haken – bedurfte es nach Ansicht des Senats mangels Aussagekraft ebenso wenig wie eines Vortrags des Bevollmächtigten, dass die kanzleiintern unter „Anweisung 4“ (Erledigung) vorgesehene abendliche Fristenkontrolle durch „S… und P…“ auch tatsächlich erfolgt sei (vgl. hierzu BGH, B.v. 23.2.2016 – II ZB 9/15 – juris Rn. 16, wonach das Sendeprotokoll bei der allabendlichen Erledigungskontrolle nicht – erneut – inhaltlich überprüft werden muss). Die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, dürfen hierbei im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, B.v. 21.6.2001 – 1 BvR 436/01 – juris Rn. 10). Anhaltspunkte dafür, dass sich das Büropersonal des Bevollmächtigten auch in der Vergangenheit nicht an die kanzleiinternen Anweisungen gehalten hat und ein solches den Kanzleiregeln widersprechendes Verhalten bei den stichprobenhaften Kontrollen hätte auffallen müssen, liegen nach Auffassung des Senats nicht vor und wurden auch nicht vorgetragen.
2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Unabhängig von der Frage der Vorwegnahme der Hauptsache hat die Antragstellerin keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die von der Antragstellerin hiergegen – nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – fristgerecht vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu keiner anderen Beurteilung.
§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO setzt voraus, dass ohne das gerichtliche Eilverfahren die Gefahr bestünde, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Ein solcher Anordnungsgrund fehlt hier. Davon ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen
Zwar kann im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht bereits deshalb die Eilbedürftigkeit verneint werden, weil das Verwaltungsgericht im Hauptsacheverfahren mit Beschluss vom 25. Juli 2016 das vorübergehende Ruhen des Verfahrens angeordnet hat (vgl. OVG Thüringen, B.v. 17.6.2009 – 2 EO 222/08 – juris Rn. 34). Allerdings gelten im Falle einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Regelung, mit der – wie in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt wird – zumindest partiell die Hauptsache vorweggenommen wird, für die Annahme eines Anordnungsgrundes erhöhte Anforderungen. Eine Ausnahme von dem grundsätzlich bestehenden Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine einstweilige Anordnung für die Antragstellerin zur Vermeidung schlechthin unzumutbarer Nachteile, die sich auch bei einem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgleichen ließen, erforderlich ist und der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte effektive Rechtsschutz nur auf diese Weise erlangt werden kann. Der Antragstellerin müssten also unzumutbar schwere, nicht anders abwendbare Nachteile drohen, wenn sie auf das Hauptsacheverfahren verwiesen würde (OVG NRW, B.v. 25.6.2001 – 1 B 789/01- juris Rn. 5; Sächsisches OVG, B.v. 7.7.2010 – 2 B 430/09 – juris Rn. 6). Solche besonderen Umstände, die es als unzumutbar erscheinen lassen, die Antragstellerin zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, sind vorliegend für den Senat nicht ersichtlich und wurden auch von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass eine irreparable Rufschädigung – auch bei evtl. längerer Verfahrensdauer im Hauptsacheverfahren – nicht zu befürchten ist, weil der Antragstellerin wieder ein eigenes Referat übertragen wurde. Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass die Antragstellerin mit der Übertragung des Referats „Wissenschaftliche Forschung“ nicht amtsangemessen beschäftigt ist oder die innerorganisatorischen Maßnahmen sachlich nicht gerechtfertigt waren, so könnten die behördeninternen Umstrukturierungen – unabhängig davon, ob diese als veränderter Aufgabenzuschnitt des Dienstpostens der Antragstellerin oder als Umsetzung zu qualifizieren sind, jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Ein endgültiger Rechtsverlust ist deshalb für die Antragstellerin nicht zu befürchten.
Selbst eine unterwertige Beschäftigung wäre von der Antragstellerin vorübergehend hinzunehmen (BayVGH, B.v. 27.8.2014 – 3 AE 14.788 – juris Rn. 10; BVerwG, U.v. 22.6.2006 – 2 C 26/05 – juris Rn. 12 m.w.N, wonach der Beamte auf Dauer nicht ohne seine Zustimmung unterwertig beschäftigt werden darf). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht insoweit im angefochtenen Beschluss festgestellt, dass sich zumindest im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung unter Zugrundelegung der seit Januar 2016 geltenden Geschäftsverteilung und den im Schreiben des Antragsgegners vom 14. März 2016 unter Ziff. 1. -9. aufgeschlüsselten Aufgabenbereichen einschließlich der neuen Aufgabe als Mitglied der Ankaufskommission eine offensichtlich nicht mehr amtsangemessene Beschäftigung nicht ohne weiteres feststellen lasse. Eine besondere Schwere des Eingriffs, die ein Abwarten des Abschlusses des Hauptsacheverfahrens als unzumutbar erscheinen ließe, hält der Senat deshalb vorliegend für nicht gegeben (vgl. OVG NRW, B.v 25.6.2001 – 1 B 789/01- juris Rn. 9 ff.).
3. Dem Antrag der Antragstellerin, das Ruhen des Verfahrens nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 251 Satz 1 ZPO anzuordnen, musste das Gericht nicht nachkommen. Zwar ist die Zweckmäßigkeit des Ruhens des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz dann nicht grundsätzlich zu verneinen, wenn nach gegebenenfalls erfolglosem Abschluss des Mediationsverfahrens ein bestehender Anordnungsgrund wieder aufleben könnte (vgl. Beck-Online-Kommentar ZPO, Vorwerk/Wolf, 21. Edition, Stand Juli 2016, § 251 ZPO, Rn. 5). Hier ist indes ein Ruhen des Verfahrens schon deshalb als nicht zweckmäßig anzusehen, weil vorliegend kein Anordnungsgrund vorliegt. Eine solche prozessuale Vorgehensweise widerspräche dem Sinn und Zweck des Eilrechtsschutzes, eine alsbaldige und vorläufige Entscheidung herbeizuführen (VG Bayreuth, B.v. 16.12.2014 – B 5 E 14.682 – juris Rn. 21).
Mangels Anordnungsgrund, kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht an. Die Frage der Amtsangemessenheit der Beschäftigung ist Prüfungsgegenstand des Hauptsacheverfahrens, dem die weitere Sachaufklärung vorbehalten bleibt. Welche Umstände und Gründe letztendlich für die Änderung der Geschäftsverteilung und für den veränderten Aufgabenzuschnitt der Antragstellerin bzw. für eine Umsetzung maßgeblich waren und ob diese als sachlich gerechtfertigt anzusehen sind, ist nicht Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.
Wegen des fehlenden Anordnungsgrundes ist die Beschwerde der Antragstellerin mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG, 47 Abs. 1 GKG, wobei die Hälfte des Regelstreitwerts anzusetzen ist (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Stand 2013).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen