Verwaltungsrecht

Anerkennung der Berufsqualifikation für Lehramt an Gymnasien

Aktenzeichen  7 CS 18.589

Datum:
26.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20047
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
EGRiLV-Lehrer § 11 Abs. 4
RL 2013/55/EU Art. 53 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Im Hinblick auf die Anerkennung der Berufsqualifikation für das Lehramt an Gymnasien zur Erteilung von Sprachunterricht und insbesondere für Deutsch als Muttersprache dient die Beherrschung der deutschen Sprache nicht lediglich der Kommunikation. Die Sprachbeherrschung ist insoweit vielmehr ein wesentliches Qualifikationsmerkmal und gehört zu den nach § 13 Abs. 1 Satz 1 EGRiLV-Lehrer bewertenden Kompetenzen, auf deren Mangel die Entlassung aus dem Anpassungslehrgang gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 EGRiLV-Lehrer gestützt werden kann. (Rn. 20)

Verfahrensgang

M 5 S 17.5392 2018-02-26 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.525 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Entlassung aus dem Anpassungslehrgang im Rahmen der Anerkennung ihrer Berufsqualifikation für das Lehramt an Gymnasien mit der Fächerverbindung Deutsch/Französisch. Sie begehrt mit ihrem vom Verwaltungsgericht abgelehnten Antrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Zeugnisanerkennungsstelle für den Freistaat Bayern vom 24. Oktober 2017. Damit wurde sie unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem Anpassungslehrgang entlassen.
Das Verwaltungsgericht begründete die Ablehnung im Wesentlichen folgendermaßen:
Die von der Antragstellerin gerügte Unterlassung der vorherigen Anhörung zur beabsichtigten Entlassung aus dem Anpassungslehrgang sei jedenfalls durch ihre Nachholung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geheilt. Die Entlassung finde ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 4 Satz 2 EGRiLV-Lehrer, wonach eine Entlassung aus dem Anpassungslehrgang möglich sei, wenn sich aufgrund der fortlaufenden Bewertung ergebe, dass die Lehrgangsteilnehmerin aller Voraussicht nach nicht in der Lage sein werde, den Anforderungen des Lehrgangs zu entsprechen. Dabei gehe es um die fachliche Befähigung für die Fachlaufbahn, hinsichtlich derer die berufliche Qualifikation der Lehrgangsteilnehmerin anerkannt werden soll. Dem Dienstvorgesetzten komme insoweit ein Beurteilungsspielraum zu, den das Gericht nur eingeschränkt überprüfen dürfe. Die bei der Antragstellerin zu Tage getretenen Defizite in der Beherrschung der deutschen Sprache wirkten sich insbesondere im Hinblick auf den Unterricht im Fach Deutsch auf die in § 13 Abs. 1 Satz 1 EGRiLV-Lehrer genannten Kompetenzen aus.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts sei die Antragstellerin hinsichtlich der erneuten Entlassung nicht hinreichend angehört worden. Ihrem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme wegen nachgewiesener Erkrankung sei nicht entsprochen worden. Auch hinsichtlich der wiederholten Anordnung des Sofortvollzugs mit Bescheid vom 16. Februar 2018 sei keine Anhörung erfolgt. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht überraschend gewesen sei, sei unzutreffend. Denn die Antragstellerin habe nach der rechtskräftigen Aufhebung des Bescheids der Zeugnisanerkennungsstelle vom 16. Dezember 2016, soweit damit ihre Entlassung aus dem Anpassungslehrgang schon einmal verfügt worden sei, nicht mit einer erneuten Entlassung unter Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung rechnen müssen. Ferner bestreite sie die von ihr beantragte Befassung der Personalvertretung und deren Zustimmung zur Entlassung mit Nichtwissen.
Die Entlassung sei auch materiell rechtswidrig. Sie könne nicht auf § 11 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 EGRiLV-Lehrer gestützt werden. Sprachkenntnisse auf der einen Seite und die Anerkennung von Qualifikationen sowie der Ausgleich von Defiziten dabei andererseits seien grundsätzlich getrennt zu betrachten. Die Sprachkenntnisse und deren Überprüfung sei nicht Gegenstand des Anpassungslehrgangs. Nach Art. 53 Abs. 3 Satz 2 RL 2005/36/EG in der Fassung der Richtlinie 2013/55/EU dürften die Sprachkenntnisse erst nach der Anerkennung einer Berufsqualifikation geprüft werden. Der Nachweis der Sprachkenntnisse gemäß § 14 EGRiLV-Lehrer beziehe sich ausschließlich auf das Procedere im Zusammenhang mit der Zulassung zum Anpassungslehrgang. Die Entlassung aus dem Anpassungslehrgang sei unverhältnismäßig, weil die Antragstellerin über kein anderes Einkommen verfüge. Dass ihre Weiterbeschäftigung zu Schwierigkeiten bei der Unterrichtung der Schüler führen würde sowie zu einem nicht sinnvollen Personaleinsatz zu ihrer Betreuung und einer ebenfalls nicht sinnvollen Fortzahlung ihrer Bezüge ohne Sicherung der Rückzahlung, werde bestritten.
Die Antragstellerin beantragt,
den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss und die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids der Zeugnisanerkennungsstelle vom 24. Oktober 2017 aufzuheben.
Der Antragsgegner tritt dem entgegen und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Akten des Beschwerdeverfahrens und die übrigen beigezogenen Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, bei der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe geprüft werden, hat keinen Erfolg.
Nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung – eine Beweisaufnahme findet auch, soweit sie ausdrücklich angeregt oder beantragt worden ist, nicht statt – wird die Klage der Antragstellerin voraussichtlich erfolglos bleiben. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Sie werden zum Gegenstand dieser Entscheidung gemacht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:
Einer erneuten Entlassung der Antragstellerin aus dem Anpassungslehrgang steht die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 19. September 2017 nicht entgegen. Die Bescheide der Zeugnisanerkennungsstelle vom 16. Dezember 2016 und vom 28. Juni 2017 wurden wegen der fehlenden Beteiligung der Personalvertretung aufgehoben. Die Wirkung der Rechtskraft erstreckt sich nicht darüber hinaus, sodass sie dem Erlass eines erneuten Bescheids, mit dem die Entlassung aus dem Anpassungslehrgang verfügt worden ist, nach erfolgter Beteiligung des Hauptpersonalrats nicht entgegengestanden ist.
Eine Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch die Zeugnisanerkennungsstelle, indem diese sie nicht ordnungsgemäß angehört habe und insbesondere der Bitte um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme nicht nachgekommen sei, wurde mit der Beschwerde nicht substantiiert dargelegt. Es fehlt insoweit an einer Darlegung dessen, was vorgetragen worden wäre und inwieweit der Vortrag zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Gleiches gilt, soweit sie geltend macht, dass ihr keine Gelegenheit gewährt worden sei, gegenüber der Personalvertretung Stellung zu nehmen. Im Übrigen hat die Zeugnisanerkennungsstelle mit Schreiben an den Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 1. Dezember 2017 nochmals angehört. Nachdem daraufhin die Antragstellerin nicht Stellung genommen hat, hat sie den Bescheid anhand der im Eilverfahren geltend gemachten Gründe ergebnisoffen überprüft (Schreiben der Zeugnisanerkennungsstelle vom 13.12.2017 und Aktenvermerk der Zeugnisanerkennungsstelle vom 22.12.2017). Dies hat die Funktion der Anhörung für den Entscheidungsprozess erfüllt (BVerwG, B.v. 18.4.2017 – 9 B 54/16 – juris, LS 1). Ein eventuelles Anhörungsdefizit wäre damit gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung selbst bedarf keiner vorherigen Anhörung des Betroffenen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 41). Sie war auch nicht überraschend. Der Bescheid vom 4. August 2016 wurde allein aus formellen Gründen, wegen des fehlenden Hinweises auf die Möglichkeit der Beteiligung des Personalrats, aufgehoben. Auf das Unterbleiben eines erneuten Erlasses und der Anordnung des sofortigen Vollzuges nach Beseitigung des Fehlers durfte die Antragstellerin nicht vertrauen.
Nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 81) ist davon auszugehen, dass die Personalvertretung ordnungsgemäß beteiligt worden ist, wie der Antragsgegner dargelegt hat. An der Wahrheit dieser Angaben bestehen keine Zweifel. Die für den Antragsgegner Handelnden sind als Beamte zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet.
Der Entlassungsbescheid vom 24. Oktober 2017 ist nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass bei der Antragstellerin Defizite bei der Beherrschung der deutschen Sprache bestehen. Anhaltspunkte dafür, dass Seminarlehrer oder Seminarvorstand hinsichtlich der Bewertung der Antragstellerin voreingenommen waren, sind nicht erkennbar.
Rechtsgrundlage für die Entlassung aus dem Anpassungslehrgang ist § 11 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung zum Vollzug des Art. 7 Abs. 4 des Bayerischen Lehrerbildungsgesetzes (EG-Richtlinienverordnung für Lehrer – EGRiLV-Lehrer) vom 23. Juli 1992 (GVBl S. 245, BayRS 2238-1-1-K), zuletzt geändert mit Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286). Die dort genannte Voraussetzung der Entlassung aus dem Anpassungslehrgang, nämlich dass die Teilnehmerin aufgrund der fortlaufenden (halbjährlichen) Bewertung aller Voraussicht nach den Anforderungen des Anpassungslehrgang nicht entsprechen können wird, bedeutet nicht, dass die Entlassung nur halbjährlich stattfinden könnte. Die Entlassung ist vielmehr dann möglich, wenn sich aus der fortlaufenden Beobachtung der Leistungen der Teilnehmerin ergibt, dass zum nächsten Bewertungszeitpunkt feststehen wird, dass sie das Lehrgangsziel nicht erreichen kann.
Die Entlassung aus dem Anpassungslehrgang wegen sprachlicher Defizite verstößt weder gegen § 14 EGRiLV-Lehrer noch gegen unionsrechtliche Vorgaben, insbesondere nicht gegen Art. 53 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 S. 22 – 142) in der Fassung der Richtlinie 2013/ 55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarkt-Informationssystems (ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 132 -170), wonach die zur Berufsausübung erforderlichen Sprachkenntnisse erst nach der Anerkennung der Berufsqualifikation überprüft werden dürfen.
Die Sprachbeherrschung dient hier nicht der Kommunikation von Berufsausübenden, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, mit jenen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, zum Beispiel zwischen Arzt und Patient. Bei Lehrern, die an einem bayerischen Gymnasium Sprachunterricht erteilen und insbesondere bei solchen, die Schüler, deren Muttersprache in der Regel Deutsch ist, im Fach Deutsch unterrichten, gehört die Sprachbeherrschung zum Berufsbild und ist ein wesentliches Qualifikationsmerkmal. Die Beherrschung der deutschen Sprache auf einem Niveau, das dem muttersprachlichen zumindest nahe kommt, erscheint zur Qualifizierung für dieses Lehramt unerlässlich. Das Verwaltungsgericht hat daher richtig erkannt, dass das Beherrschen der deutschen Sprache für dieses Lehramt zur erforderlichen Unterrichtskompetenz, wie auch zur Handlungs- und Sachkompetenz (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 und 3 EGRiLV-Lehrer) gehört. Die Sprachkompetenz in Deutsch ist nämlich nicht nur – wie die Antragstellerin meint – Voraussetzung für die Zulassung zum Anpassungslehrgang, deren Vorliegen durch Zertifikate oder Diplome nachzuweisen ist (§ 14 Abs. 1 EGRiLV-Lehrer) oder obliegt der Beurteilungskompetenz eines künftigen Arbeitgebers, sondern sie ist gerade auch unabdingbare Voraussetzung der für dieses Lehramt erforderlichen Qualifikation.
Anhaltspunkte für Verstöße gegen Art. 18 AEUV (Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, wobei die Antragstellerin Deutsche ist) oder Art. 14 und 17 EMRK sind auch nicht ansatzweise ersichtlich.
Eine Vorlage zum europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht erforderlich (BVerfG, B.v. 19.9.2017 – 1 BvR 1928/17 – juris Rn. 4).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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