Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Erhebung der Aufklärungsrüge als Verfahrensmangel zur Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  1 ZB 15.1773

Datum:
11.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133169
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 5

 

Leitsatz

1 Eine Aufklärungsrüge gemäß § 86 Abs. 1 VwGO kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Tatsachengericht verletzt seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht beantragt hat. Die Aufklärungsrüge stellt deshalb kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Beteiligten in der Vorinstanz zu kompensieren. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 14.255 2015-02-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 60.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Feststellungsklage gegen das Schreiben des Landratsamts Weilheim – Schongau vom 18. Dezember 2013, mit dem ihr mitgeteilt wurde, dass das unter Nr. IX. des Bescheids vom 4. November 2013, geändert durch Bescheid vom 8. November 2013, angedrohte Zwangsgeld für die vor Eintritt der Voraussetzungen des Art. 78 Abs. 2 Satz 3 BayBO unerlaubte Nutzungsüberlassung von sechs Wohnungen in Höhe von jeweils 10.000 Euro fällig geworden sei. Für den Fall weiterer Zuwiderhandlungen wurde mit Bescheid vom 18. Dezember 2013 ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro angedroht. Bei Baukontrollen am 22. und 27. November sowie am 3. und 16. Dezember 2013 sei festgestellt worden, dass ausser den bereits bezogenen Wohnungen sechs weitere Wohnungen von der Klägerin zugänglich gemacht bzw. diese zeitweise bewohnt worden seien. Hinsichtlich des angedrohten Zwangsgeldes i.H.v. 15.000 Euro hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben, das Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung jedoch insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
2. Der Senat legt den Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin dahingehend aus, dass er sich nur gegen denjenigen Teil des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts wenden soll, der nicht übereinstimmend für erledigt wurde (vgl. UA S. 6). Des Weiteren geht der Senat davon aus, dass anstatt der von der Klägerin in den Vordergrund gerückten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorrangig der Verfahrensfehler der Aufklärungsrüge gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 86 Abs. 1 VwGO erhoben werden soll (s. Nr. 2 der Zulassungsbegründung). Es ist kein Hindernis, wenn der Rechtsmittelführer sein Vorbringen unter dem falschen Zulassungsgrund erörtert (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546).
2.1. Dieser Verfahrensmangel liegt unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur BVerwG, B.v. 10.10.2013 –10 B 19.13 – juris Rn. 3 m.w.N.) jedoch nicht vor. Eine Aufklärungsrüge gemäß § 86 Abs. 1 VwGO kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Ein Tatsachengericht verletzt seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht beantragt hat (BVerwG a.a.O.). Die Aufklärungsrüge stellt deshalb kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Beteiligten in der Vorinstanz zu kompensieren.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung musste sich dem Verwaltungsgericht jedenfalls nicht von Amts wegen aufdrängen. Es hat im angefochtenen Urteil (S. 8) zu Recht ausgeführt, dass die Klägerin die Erwerber der jeweiligen Wohnungen jedenfalls in die Lage versetzt hat, diese – entgegen der entsprechenden Anordnung im Bescheid vom 4. November 2013 – zu einem Zeitpunkt zu nutzen, in dem die Voraussetzungen des Art. 78 Abs. 2 Satz 3 BayBO noch nicht vorgelegen haben. Diese Tatsachenfrage war zwischen sämtlichen Beteiligten unstreitig, da die Klägerin im Schriftsatz vom 11. Februar 2015 selbst eingeräumt hat, den Erwerbern die jeweiligen Wohnungen zugänglich gemacht zu haben. Folgerichtig schließt das Verwaltungsgericht hieraus, dass es auf eine Weisung der Klägerin, in den Wohnungen dürfe nicht dauerhaft gewohnt werden, nicht ankommt. Damit geht der Vortrag im Zulassungsantrag, das Verwaltungsgericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären und den Zeugen V. dahingehend vernehmen müssen, ob die Klägerin eine Wohnnutzung erlaubt habe, fehl.
2.2. Nach alledem bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2013, Beilage 2).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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